Zum Inhalt der Seite

Blau in Grau

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Fallen lassen und Auffangen

»Gehen wir am Samstag mal wieder was trinken?«, fragte Zabuza gerade, während ein Grüppchen Studenten den Club verließ. Sie schienen recht angeheitert, so, wie sie laut lachend an ihnen vorbeitorkelten, und Kisame sah ihnen recht amüsiert hinterher.
 

Kurz überlegte er, schüttelte dann aber mit dem Kopf. »Nee, sorry, bin schon vergeben.«
 

»An Terumi?« Es klang angepisst.
 

Er runzelte die Stirn. Es sah Zabuza gar nicht ähnlich, so abgeneigt zu reagieren, denn normalerweise kümmerten ihn Kisames Affären einen Scheißdreck. »Problem damit?«
 

»’Türlich nicht«, zog sich dieser versöhnlich zurück, doch zufrieden schien er nicht. »Bist nur ziemlich oft bei ihr in letzter Zeit.«
 

Kisame zuckte mit den Schultern; es stimmte, dass er Meis Schlafzimmer im letzten Monat öfter gesehen hatte als im gesamten Jahr davor, doch es war ihm gleichgültig. »Der Sex ist gut.«
 

»Glaub ich dir, Mann, aber auch wenn du sie nur vögelst, wie soll sie dann einen Partner finden, für den sie mehr ist als eine Ablenkung?«
 

Kisame horchte auf. Ablenkung?
 

»Seit wann kümmert dich Mei?«, fragte er spöttisch, denn die Richtung, in die das Gespräch ging, gefiel ihm überhaupt nicht.
 

»Es geht mir um dich, du Bastard«, knurrte Zabuza und wischte Kisame damit das Grinsen aus dem Gesicht. »Seit drei Wochen bist du so fast mies drauf wie damals, als du den Entzug gemacht hast. Gibt’s da was, was ich nicht weiß, he? Ich warne dich, wenn du wieder anfängst mit dem Scheiß, prügele ich dich windelweich.«
 

Ein Pärchen, welches an ihnen vorbeiging, starrte seinen laut fluchenden Kumpel entgeistert an, und Kisame winkte sie unwirsch weiter. Es war kurz nach eins, und seit einer guten Viertelstunde leerte sich der Club stetig. Unter der Woche gingen die Meisten so zeitig, schließlich musste man am nächsten Tag arbeiten und da wäre es ungünstig, die letzte Bahn zu verpassen. Ab Freitag sah das ganz anders aus.
 

»Ich fang nicht wieder an«, versuchte er, Zabuza zu beruhigen. »Okay, hin und wieder doch, aber ich hab das im Griff. Ist momentan halt kompliziert.«
 

Was seine Situation ganz treffend beschrieb. Kisame erinnerte sich nicht mehr, wann er sich zuletzt dermaßen isoliert vorgefunden hatte; er war rastlos, also arbeitete er und verbrachte seine Freizeit damit, pausenlos zu trainieren und sich mit Mei zu treffen. Das Nikotin half ihm dabei, ruhiger zu werden, doch eine dauerhafte Lösung war das nicht. Irgendetwas fehlte ihm, und Kisame glaubte sogar zu wissen, was genau das war. Doch das half ihm nicht weiter.
 

Kisame spürte Zabuzas argwöhnischen Blick auf sich ruhen, also richtete er sich auf und sah nicht minder grimmig zurück. Schließlich seufzte sein Kumpel genervt.
 

»Na schön, dann mach halt, was du denkst. Aber krieg dich gefälligst wieder auf die Reihe. Ist ja nicht auszuhalten, was du hier abziehst.«
 

Wenn das nur so einfach wäre. Doch er schwieg, und beobachtete weiter die Clubgäste, wie sie heimwärts eierten. Sorglos und berauscht…
 


 

Irgendwo klingelte es.
 

»Dein Telefon klingelt«, wies Zabuza ihn schließlich darauf hin, als er nicht reagierte.
 

Ungläubig griff in seine Tasche. Tatsache. »Wer zur Hölle ruft mich an?«, entkam es ihm verblüfft, und er brauchte einen Moment, um zu realisieren, wie stupide er dabei klang.
 

»Woher soll ich das wissen«, bellte Zabuza gereizt und verschränkte die Arme. »Deine Mutter? Jetzt geh schon ran, verdammt!«
 

Nun, seine Mutter war es auf jeden Fall nicht. Die Nummer, die ihm auf dem Display erschien, kannte er nicht mal entfernt. Vielleicht ein Kollege, oder so. Gleichgültig nahm er den Anruf entgegen.
 

»Hoshigaki«, sagte er knapp.
 

»Uchiha hier«, kam es gedämpft zurück. Der Name wäre nicht mal nötig gewesen, schon die wohlklingende Stimme allein reichte aus, um ihn innerlich erstarren zu lassen. Fast einen Monat hatte er Itachi weder gehört, noch gesehen, fuhr dieser anscheinend nun mit einer anderen Bahn, doch die Distanz hatte nicht gereicht, um ihn die Angelegenheit verdrängen zu lassen; dass er es komplett vergessen könnte, darauf hatte er nicht einmal zu hoffen gewagt. Warum Itachi sich nun anders besann und den Kontakt zu ihm wieder aufnahm, wo er sich doch offensichtlich für das Gegenteil entschieden hatte, war Kisame schleierhaft, doch er konnte nicht sagen, dass es ihm missfiel.
 

»Es ist mitten in der Nacht«, entgegnete er, wollte ihm auf die Schnelle nichts Gescheiteres einfallen, um seine Verwunderung zu überspielen. Es war kein Vorwurf, schließlich war er dank seiner Arbeit auf den Beinen und relativ munter, doch ein Anruf um diese Uhrzeit war doch recht unüblich.
 

Die Antwort kam reichlich verzögert. »Das tut mir leid… Sie meinten nur, ich könnte Sie anrufen, und…«
 

Wie schön, dass wenigstens einer hier genau wusste, was er wollte. Selbst Zabuza schien irritiert, so merkwürdig, wie er zu ihm herüberglotzte. Entschlossen straffte er sich, rief sich zur Ordnung. Sein Kumpel hatte recht, er war wirklich komplett von der Rolle, wenn ihn ein dämlicher Homo so aus dem Konzept bringen konnte. Was war er, ein verdammter Grünschnabel?
 

»Komm zum Punkt«, forderte er ungeduldig, denn so schlecht war sein Gedächtnis auch wieder nicht, dass er sein Angebot bereits vergessen hätte. »Ist was passiert?«
 

»So in etwa…« Im nächsten Moment brach Uchihas Stimme weg, und Kisame hörte ein unterdrücktes Zischen, gefolgt von einem leisen Fluchen. Klang nicht gut.
 

»Bist du verletzt?« Hoffentlich nicht.
 

»Ist nur ’n Kratzer…«
 

Den Spruch kannte er, hatte ihn schließlich oft genug selbst benutzt, wahrscheinlich auch in derselben Absicht, und er glaubte ihm kein Wort.
 

»Wo bist du?« Die Frage war schneller raus, als dass Kisame die Konsequenzen auch nur ansatzweise bedacht hatte, doch er fühlte auch keinerlei Bedauern darüber. Der Erleichterung Itachis war fast zu hören, als er ihm den Ort nannte. Eine Bahnstation, und nach kurzer Orientierung stellte er fest, dass er ganz in der Nähe davon war. Seltsam, er hätte nicht gedacht, dass es den Uchiha an einem Mittwochabend ins Amüsierviertel locken würde… aber ihm sollte es recht sein, so musste er nicht erst durch die halbe Stadt kutschieren.
 

»Bleib da, ich komm dich holen«, wies er Itachi an und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Bin in spätestens zehn Minuten da.« Dann legte er schnell auf, bevor Uchiha noch irgendetwas unglaublich Dummes sagen konnte, sei es auch nur der Höflichkeit halber.
 

»Ich muss los«, fuhr er an seinen Kollegen gewandt fort und löste seinen Dienstausweis von der Jacke.
 

»Hab ich gehört«, knurrte Zabuza widerwillig, doch er machte keine Anstalten, Kisame am Gehen zu hindern. Der Club würde eh bald schließen, da würde Kisames zeitige Abwesenheit nicht weiter auffallen. Kisame grinste, verabschiedete sich mit einem knappen Nicken. Auf seinen Kumpel war doch immer Verlass.
 

»Bis heut’ Abend.«
 

»’nen Arschtritt kannst du auch jetzt noch kriegen…«
 

Jep, war es.
 


 


 

Eher als gedacht erreichte Kisame die besagte Station, parkte den Wagen und stieg aus. Wo tagsüber reges Gedränge herrschte, war nun kaum einer unterwegs, nur ein paar müde Büroangestellte, denen die Überstunden zum Verhängnis geworden waren. Beeilt joggte er die Treppen zum Bahnsteig hinauf und hielt suchend nach dem Uchiha Ausschau. Er brauchte nicht lang, um ihn schließlich auf einer der Wartebänke auszumachen.
 

Itachi hob den Kopf, als er ihn kommen hörte. Er sah wirklich beschissen aus, wie er in sich zusammengesunken da saß und offensichtlich fror. Kisame entging sein zerzaustes Äußeres nicht, und er fragte sich, in was Uchiha hineingeraten war. Bei verbaler Demütigung war es dieses Mal offensichtlich nicht geblieben, denn als er näher kam, bemerkte er dunkle Flecken auf der hellen Haut.
 

Alarmiert ging er vor dem Sitzenden in die Knie und nahm das schmale Gesicht in beide Hände, strich die wirren Haare zur Seite, um ihn besser ansehen zu können, und Itachi protestierte nicht, sondern sah ihn nur müde an. Fast schon sanft drehte er es zu beiden Seiten, doch bis auf eine Platzwunde über dem rechten Wangenknochen und einer eingerissenen Lippe schien er am Kopf weitestgehend unverletzt. Das angetrocknete Blut ließ es schlimmer aussehen, als es war, und das beruhigte ihn ungemein.
 

»Irgendwas gebrochen?«, fragte Kisame, während er ihn losließ, und fasste den restlichen Körper ins Auge.
 

Itachi schüttelte vorsichtig den Kopf. »Höchstens geprellt.«
 

Damit konnte Kisame umgehen. Er stand auf, streckte seinen Arm aus, und Itachi ergriff die ihm dargebotene Hand und ließ sich auf die Beine ziehen. Dabei verzog er keine Miene, doch Kisame war sich sicher, dass Itachi nicht so schmerzfrei war, wie er sich gab, und wider Willen war er beeindruckt. Den eigenen Schmerz krampfhaft zu verbergen war zwar das so ziemlich Dümmste, was man machen konnte, denn wie sollte einem sonst geholfen werden, doch es gehörte auch eine ganze Portion an Selbstbeherrschung dazu, die Itachi wohl in weiten Ausmaßen besaß.
 

Nichtsdestotrotz war es dumm, und lächerlich. Kisame nahm schon Rücksicht und lief deutlich langsamer, und dennoch verloren Itachis Lippen ihre Farbe, als jener sie vor Anstrengung, einen flüssigen Gang vorzutäuschen, zusammenpresste. An der Treppe war er sogar kurz davor, sich diesen stolzen Idioten auf die Schulter zu laden, doch der Blick, mit dem Itachi ihn bedachte, als er dazu ansetzen wollte, hielt ihn davon ab.
 

»Ein Auto«, stellte Itachi überrascht fest, als sie endlich bei Kisames Wagen ankamen.
 

Kisame schnaubte und schloss auf. Was hatte der denn erwartet? Ein Einhorn?
 

»Andernfalls wäre ich kaum schon hier.«
 

Itachi sah betreten zu Boden und zog die Jacke enger um sich. »Tut mir leid, ich wollte ‒«
 

»Spars dir und steig ein«, winkte er ab und öffnete die Beifahrertür, sah zu, wie Itachi sich umständlich auf den Sitz quälte. Mit geschlossenen Augen lehnte er sich an, als wollte er alles um sich herum ausblenden, die Arme eng um den Körper geschlungen. Er war wirklich fertig.
 

Innerlich den Kopf über dieses bemitleidenswerte Häufchen schüttelnd warf Kisame die Tür zu, ging um den Wagen herum zur Fahrerseite. Er schloss die Tür, ließ den Motor an und drehte die Heizung voll auf, bevor Uchiha noch anfing, mit den Zähnen zu klappern.
 

»So«, meinte Kisame dann, nachdem er sich fertig angeschnallt hatte, »Zu mir oder zu dir?« Er ahnte schon, dass Itachi sich vor einem Arztbesuch sperren würde, deshalb führte er es nicht mit an.
 

»Zu mir, bitte«, antwortete Itachi leise und nannte Kisame die Adresse. Das war gar nicht so weit von seinem eigenen Heim entfernt, nur fünf Minuten zu Fuß vom Bahnhof aus in die entgegengesetzte Richtung.
 

Kisame nickte, auch wenn Itachi es nicht sehen würde. »Sollten in einer Stunde da sein.« Bei dem nächtlichen Verkehr vielleicht sogar eher.
 

»Danke, dass Sie das für mich tun«, kam es leise von der Seite, als Kisame den Wagen auf die Straße lenkte.
 

Was sollte er darauf antworten? Er hatte es ihm angeboten, und selbst wenn es ihm Probleme mit seiner Arbeit bereiten sollte, so erschien ihm das relativ unbedeutend. Viel wichtiger war, dass Itachi überhaupt seine Hilfe gesucht hatte, und das allein war ein verdammt gutes Gefühl.
 

»Nenn mich Kisame«, forderte er nach einem kurzen Moment des Überlegens, wenngleich es eher ein weiteres Angebot war, als eine Bitte.
 

»Itachi«, bot dieser ihm im Gegenzug an.
 

»Freut mich«, gab er ehrlich zurück.
 

Und dieses Mal folgte kein skeptischer Blick, sondern jenes warme Lächeln, welches Kisame, ohne sich dessen bewusst zu sein, die letzten Wochen vermisst hatte.
 


 

Eine ganze Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen, doch es war nicht unangenehm, sondern fast vertraut. Dabei gab es gefühlt tausend Dinge, die Kisame gerne geklärt hätte, doch vorerst ließ er Itachi in Ruhe die Vorzüge der Sitzheizung genießen. Reden konnten sie auch noch später, nachdem Kisame sich in aller Ruhe und vor allem bei besseren Lichtverhältnissen Itachis Wunden angesehen und behandelt hatte. Vielleicht war Itachi mittlerweile sogar eingeschlafen, so still wie er war.
 

Oder auch nicht, denn plötzlich brach jener die Stille zwischen ihnen.
 

»Ich wollte mich noch dafür entschuldigen, dass ich dich so angeschrien habe«, sagte er und es klang tatsächlich beschämt.
 

»Kein Problem«, gab Kisame ehrlich zu. »Ich hab mich auch nicht gerade toll benommen.« Genau gesagt, hatte er Itachi absichtlich provoziert, um ihm mal eine menschliche Reaktion hervorzulocken.
 

»Nein… du hattest schon recht, aber ich wollte es einfach nicht wahrhaben«, widersprach er tonlos, und Kisame sah aus dem Augenwinkel, wie er starr geradeaus auf die Fahrbahn schaute. »Mein Vater und ich haben uns ziemlich schlimm gestritten… Ich hatte ihm nach dem Vorfall mit Deidara versprochen, mir würde nichts passieren, und dass ich nicht seinen Platz auf der Zielscheibe einnehmen würde, schließlich habe ich mich aus seinen Konflikten meistens rausgehalten. Anfangs sah es auch ganz danach aus, als würden mich die anderen wirklich in Ruhe lassen, doch nach ein paar Wochen wurden aus den Blicken Worte, und als es dann schlimmer wurde… Es ist nicht so, dass ich mich nicht getraut hätte, zu meinem Vater zu gehen und ihm die Wahrheit zu sagen. Aber damit hätte ich auch zugeben müssen, dass ich mich verschätzt habe, und dafür war ich zu stolz.«
 

Es klang bitter, aber auch merkwürdig selbstzufrieden, und Kisame ahnte, dass es nicht einfach für Itachi gewesen war, um zu dieser Selbsteinschätzung zu gelangen. Die eigenen Fehler einzugestehen, war selten angenehm, und oft fehlte auch die Stärke, sie anzuerkennen und zu beheben.
 

»Letztendlich hab ich es immer weiter aufgeschoben, und wenn meine Eltern mich fragten, ob wirklich alles in Ordnung sei, habe ich sie angelogen… was es nur noch schwieriger machte, ihnen die Wahrheit zu beichten.«
 

Es war ein Teufelskreis, was Itachi ihm da beschrieb, und wenn Kisame oder vielmehr Mei dem nicht dazwischengefunkt wäre, würde er sich auch jetzt noch drehen.
 

»Und nun? Hast du das mit deinem Vater geklärt?«
 

Itachi seufzte leise; es klang resigniert. »Nicht wirklich, dazu war er zu sauer. Er hat gedroht, mich von der Uni zu nehmen und zu meinem Cousin aus der Stadt zu schicken, aber ohne meine Zustimmung kann er nichts machen. Ich denke, er war hauptsächlich enttäuscht. Zu Recht, schließlich habe ich ihr Vertrauen missbraucht.«
 

»Deine Familie ist dir ziemlich wichtig, hm?«
 

»Mhm«, machte Itachi und blinzelte.
 

»Dann sieh zu, dass du das klärst«, wies Kisame ihn an, und meinte es weniger wie einen Befehl, als eine Empfehlung. »Mag sein, dass du sie mit deinen Problemen nicht belasten willst, aber dafür ist eine Familie schließlich da.«
 

»Ich weiß…«
 

»Sieht aber nicht danach aus«, stellte Kisame mit trockenem Unterton fest.
 

»Ich wollte über das Wochenende zu ihnen«, schlug Itachi ganz neue Töne an, doch dann sagte er: »Aber ich werde wahrscheinlich absagen müssen.«
 

»Und ich wollte dich gerade für deine Vernunft loben«, entfuhr es Kisame frustriert. Da kam einmal Hoffnung darüber auf, dass Uchiha so langsam in die Gänge kam und sein Leben in den Griff bekam, und schon trampelte der Idiot sie nieder. »Warum das denn?!« Er konnte nicht verhindern, dass er wieder lauter als beabsichtigt wurde.
 

»Meine Mutter würde durchdrehen, wenn sie sieht, dass ich verletzt bin.« Das Fugaku den Angriff auf seinen Sohn als Anlass nehmen würde, seine Drohungen umzusetzen, wurde Kisame damit auch klar. Die liebe Familie wieder.
 

»Wie bist du überhaupt zu deinen schicken Accessoires gekommen?«, fragte er dann, als ihm auffiel, dass Itachi darüber noch kein Wort verloren hatte.
 

»Hab Hidan getroffen«, war die unzureichende Antwort. »Er ist nicht sonderlich gut auf mich zu sprechen.«
 

»Und Hidan ist…«
 

»Der Ex von Deidara.« Ah, der Bombenleger mit wasserdichtem Alibi.
 

»Mit dem du befreundet warst?«
 

»Nun, wirklich befreundet… es war eher eine Affäre. Wir haben uns gemocht, respektiert, aber viel mehr war da nie. Deidara wollte Sex, keine Beziehung.« Viel anders schien das bei Itachi auch nicht ausgesehen zu haben, denn besonders zu berühren schien das Thema ihn jedenfalls nicht mehr.
 

Kisame runzelte die Stirn. »Und warum legst du dich dann mit diesem Hidan an?«
 

»Ich habe mich nicht mit ihm angelegt«, schnaubte Itachi und klang dabei fast schon überheblich, was ziemlich lächerlich rüberkam, schließlich hatte er augenscheinlich den Kürzeren gezogen. »Wenn es nach ihm ginge, hätte Deidara mehr als nur diesen dämlichen Brunnen in die Luft gejagt, sondern gleich den ganzen Campus, und laut ihm ist es meine Schuld, dass Deidara sich so zurückgehalten hat.«
 

»Klingt nach einem kranken Arschloch«, kommentierte er beiläufig und konzentrierte sich wieder auf die Straße. »Aber nur weil dir ein Vollidiot querläuft, ist das kein Grund, deine Familie zu versetzen.«
 

»Ich will sie aber nicht beunruhigen.«
 

Nun ging das wieder los. Wahrscheinlich hätte Kisame mal eine pädagogische Ausbildung durchlaufen sollen, um sich die Geduld für Diskussionen anzutrainieren, bei denen man sich gefühlt im Kreis drehte und allmählich in die geistige Verzweiflung getrieben wurde.
 

»Aber sicher, es wird sie ungemein beruhigen, wenn du absagst und sie ein weiteres Mal mit der Ungewissheit über deine Verfassung segnest.«
 

»Du verstehst das nicht.«
 

»Du hast recht«, stimmte Kisame ihm zu, und er merkte, wie seine Ungeduld ihn wieder zum Arschloch mutieren ließ, »Ich versteh wirklich nicht, wie man eine Endlosschleife noch weiter ausbauen kann.«
 

Itachi schien sein Stimmungswechsel auch nicht zu entgehen, entweder das, oder ihn ermüdete seine eigene Argumentation ebenfalls, denn er murmelte nur noch »Ich denke drüber nach«, ehe er sich zurück in seinen warmen Sitz schmiegte und verstummte.
 


 


 

Es dauerte noch eine ganze Weile, doch schließlich kamen sie in dem recht vertrauten Viertel am Stadtrand an. Angeleitet von Itachi fuhr er durch die fast leeren Straßen zu einer Ansammlung von vielstöckigen Wohnkomplexen, die Kisame täglich schon vom Bahnsteig aus gesehen hatte. Er fand sogar durch Zufall einen leeren Stellplatz, was wohl an ein Wunder grenzte, schließlich waren die meisten Parkbuchten direkt für die Mieter reserviert.
 

»Ich hoffe für dich, dass es einen Fahrstuhl gibt«, scherzte er mit Blick auf die hohen Bauten, während sie ausstiegen.
 

»Gibt es«, bestätigte Itachi ihm und schloss die Autotür. Er ging voran, holte seinen Schlüssel bereits im Laufen aus der Innentasche seiner Jacke, und Kisame folgte ihm, sah sich beiläufig um. Sah nicht so aus, als würde sich Itachis Nachbarschaft großartig unterscheiden. Hier lebten hauptsächlich Studenten, Singles und kinderlose Paare, denn die Gegend war wenig familienfreundlich; dafür musste man noch ein Stück weiter auswärts fahren.
 

Itachi schloss auf und ließ für ihn die Tür offen, während er schon zum Fahrstuhl vorging. Es bedurfte keiner Frage, ob Kisame mit hochkommen oder lieber gehen wollte, denn letzteres würde er nicht tun, ehe er sich davon überzeugt hatte, dass man Uchiha in seiner körperlichen Verfassung sich selbst überlassen konnte.
 


 

Die Wohnung lag im achten Stock. Sie war so winzig, das man beim Hereinkommen geradewegs in die schmale Küchenzeile stolperte, die im Wesentlichen nur aus einem Kühlschrank und einer Spüle bestand. Dahinter lag der offenbar einzige Raum, in dem ein Durcheinander herrschte, das er von Itachi eigentlich nicht erwartet hätte. Der Futon lag nachlässig gefaltet neben Stapeln aus Ordnern und Büchern, die offenbar nicht mehr in den übervollen Wandschrank gepasst hatten. Auf einem Tisch standen ein Laptop und noch mehr Ordner und leere Pappbecher, in denen wohl mal Kaffee gewesen war, dem braunen Rand nach zu urteilen. Dekoriert wurde diese systematische Unordnung von zusammengeknüllten Kleidungsstücken und einer Horde von losen Zetteln. Und er hatte immer gedacht, seine Wohnung wäre unordentlich. Doch zumindest schien es sauber zu sein.
 

Obwohl Itachi ihn anwies, es sich auf dem einzigen Stuhl bequem zu machen und zu warten, folgte Kisame ihm relativ bald, nachdem er seine Jacke abgelegt hatte, in das ebenso enge Bad, wobei er die Tür lieber offen ließ. Man wollte sich ja noch bewegen können. Dort stand Itachi gerade und begutachtete seinen mittlerweile unbekleideten Oberkörper, dessen linke Seite bereits begann, sich intensiv zu verfärben.
 

»Uhh… sehr schick.« Damit meinte er natürlich die Prellung, obwohl der Rest auch ganz nett anzusehen war. Von sportlicher Aktivität war zwar keine Spur, aber schlank war er, in einem gesunden Maße. Gefiel ihm.
 

Itachi warf ihm einen genervten Blick zu, war offensichtlich nicht in der Stimmung, Kisames Scherze zu ertragen.
 

»Lass mich mal schauen«, forderte er geradeheraus und ohne auf seine Zustimmung zu warten, drehte ihn sich herum, tastete vorsichtig über die Partie, doch Uchiha würde sich sowieso nicht beschweren. Eine merkwürdige Stelle. »Wo bist du denn da angeeckt?«
 

»Irgend so ein Container«, erklärte Itachi gepresst und biss die Zähne aufeinander.
 

»Erste-Hilfe-Kasten?« Hoffentlich war auch eine Salbe gegen Schwellungen drin, ansonsten würde er noch schnell in seine eigene Wohnung düsen müssen.
 

»Im Wandschrank.«
 

Er nickte, und drückte Itachi auf den Wannenrand. »Sitzenbleiben«, befahl er, ehe er den Kasten holen ging. Oder vielmehr die Box, als die er sich entpuppte. Der Inhalt schien jedoch recht üppig zu sein, das würde es ihm erleichtern. Zurück im Bad stellte er die Kiste auf den Boden, schnappte sich ein Handtuch und hielt es einen Moment unter lauwarmes Wasser, ehe er sich Itachi gegenüber auf den Klodeckel setzte. Jener hatte ihn derweil still und ausdruckslos beobachtet, und es sah nicht danach aus, als würde er sich noch großartig mit ihm unterhalten wollen.
 

Behutsam begann er, Itachis Gesicht von den angetrockneten Spuren seiner Auseinandersetzung zu befreien.
 

»Das wird auch noch ordentlich blau werden«, prophezeite er ihm, als er sich der Platzwunde widmete und begann, den Bereich unmittelbar um die Wunde herum feucht abzutupfen. Viel würde er nicht machen können, außer zu desinfizieren. Für Kompressen war die Stelle denkbar ungünstig, und ein Heftpflaster konnte er sich auch glatt schenken. »Wir werden ’s mit flüssigem Pflaster versuchen. Musst du halt ein bisschen vorsichtiger sein.«
 

Itachi nickte, als Zeichen, dass er verstanden hatte, doch wirklich geistig anwesend schien er nicht zu sein. Lethargisch sah er Kisame aus seinen dunklen Augen an, während dieser seine Wunden auswusch, desinfizierte und wie angekündigt mit dem Spray versiegelte. Die Lippe ließ er, wie sie war, schmierte nur noch eine schmerzstillende Salbe auf die Prellung. Seine erste Wahl war es nicht, aber fürs Erste würde es ausreichen müssen. Schließlich stand er auf und wusch sich die Reste der Salbe von den Händen.
 

»Kannst dich wieder anziehen«, wies er Itachi darauf hin, als dieser keine Anstalten machte, sich vom Wannenrand zu erheben. War der in den letzten Sekunden eingenickt, oder was? Besorgt hockte er sich vor ihn hin, um mit ihm auf einer Augenhöhe zu sein.
 

»Alles in Ordnung bei dir?«
 

»Schon… irgendwie doch, aber… nein.« Nervös schaute er zu Kisame, den Blick von junger Unsicherheit geprägt. »Wegen gestern… ich bin nicht ausgegangen, um mich von Hidan verprügeln zu lassen, sondern… weil ich jemanden gesucht habe, der… für mich…«
 

Es war zwar beruhigend zu hören, das Itachi nicht mit den Vorsätzen eines hoffnungslosen Masochisten an seine Freizeitgestaltung heranging, doch der Rest war für ihn ein Rätsel.
 

Verständnislos runzelte er die Stirn. »Muss ich das verstehen?«
 

»Ich…«
 

Er schwieg einen Moment, schien wohl gerade einzusehen, dass sein Ausdrucksvermögen ihn gerade arg im Stich ließ, und suchte eine andere Lösung; die er darin fand, indem er sich plötzlich vorbeugte und Kisame küsste.
 

Oh.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück