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Die Ruhe nach dem Sturm

von

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                                                                               Kapitel 5

 

 

„Oh mein Gott, wir werden alle sterben.“

Lisa fing an zu weinen, während sie, wie wir alle, sich an einer einigermaßen stabil aussehenden, intakten Wand festhalten musste.

Der Boden bebte. Die Vibrationen spürte man unangenehm unter den Schuhsohlen. Dazu unterstützte ein dunkles Grollen, gespickt mit einem Surren, man konnte das Geräusch nicht beschreiben oder lokalisieren, es schien von überallher zu kommen, das ganze Spektakel. Eigenartigerweise stürzte dieses Mal nichts zusammen. Keine Wand zog weitere Risse mit sich. Nichts. Auch wir blieben unversehrt.

Ich gab Lisa keine Antwort und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Mich beunruhigte das Ganze ebenso wie die Anderen - wie Lisa.

„Nein, wir sind hier sicherer als über dem Erdreich, stimmt‘s Mr. Peterson?“, versuchte nun Henry die Situation abzumildern, Lisa zu beruhigen und hatte sich nach seinen Worten mit einem Nicken an mich gerichtet.

„Mmh.“ Ich nickte nun ebenfalls in seine Richtung. Was sollte ich antworten? Kein Platz war richtig sicher. Das Wort etwas sicherer als alles andere, bekam eine ganz andere Bedeutung. Die Definition von ‚sicher‘ musste man neu überdenken. Was war noch sicher? Diese Frage bahrte sich vor mir auf, wie ein Geist der nicht wusste, was er sagen sollte. Ob Hoffnung oder nicht. Die Lösung wusste keiner. Für mich gab es nur dies bisschen Hoffnung auf meinen Schutzbunker. Dass er hielt, dass er uns beschützen könnte. Ich wusste es war im Grunde genommen ein Trugschluss, aber ist es nicht das was uns weiter am Leben erhält?

Während all meine Gedanken nur auf das Eine gerichtet blieben, hielten wir uns alle weiterhin an der Wand fest, derweil uns das Beben und Surren weiterhin begleitete. Dabei verfiel ich immer mehr in meine beunruhigenden Gedanken.

Wenn meine Berechnungen stimmen sollten, wenn es so eingetroffen war … dann war sowieso kein Überleben mehr möglich. Aber was tat der Menschenverstand nicht alles, um jede kleinste Hoffnung, jeden ergreifbaren Strohhalm, den man angeboten bekam, nicht doch noch für sich nutzen zu können. Was für eine andere Möglichkeit hatte man denn? Wenn wir aufgaben, würden wir unsere Spezies aufgeben. Das konnte und wollte ich nicht zulassen. Vielleicht dachten viele so wie ich, die in so einer Situation steckten und die Hoffnung würde größer werden, wenn wir uns alle zusammentaten. Wenn, wenn, wenn …

Was wusste ich großartig von schwarzen Löchern? Doch nur von Büchern und Recherchen, von Professoren an den Universitäten, die uns die Gravitation lehrten – ansatzweise und ich hatte damals kaum zugehört. Und nach meinem Wissensstand war es so, wenn sich eines der Löcher ausdehnte, wurden wir sowieso in ein schwarzes Nichts hineingezogen. Oder war da etwa kein Nichts und es steckte Leben dahinter? Konnte sich die ganze Wissenschaft auf einem Holzweg befinden? War dies vielleicht nicht das Ende, sondern ein Anfang? Ein Anfang für etwas Neues, das Ende des Universums?

Innerlich verneinte ich. Nein, daran glaubte auch ich nicht. Wir waren bereits soweit mit unseren Forschungsergebnissen, ein Funken Wahrheit steckte immer dahinter und es gab Beweise, dass es so war. Die Planeten wurden unweigerlich in schwarze Löcher hineingezogen und implodierten in sich. Sie verschwanden in einem Nichts aus schwarzer Materie. Aus einer Masse, die so unvorstellbar stark war.

Irgendwann würde der ganze Weltraum verschlungen werden. Und wir Menschen erschufen uns auf der Erde gleich drei Schwarze Löcher, davon, wenn auch in einer winzigen Formation, die eines Atomteilchens und doch …

Wie war das mit der Zeit, lief sie nicht dadurch langsamer? Wenn ein schwarzes Loch sich ausdehnte, weil es Materie und Antimaterie verschlang, würde es doch größer werden? Nach der Relativitätstheorie verformte eine kompakte Masse die Zeit so enorm, sodass sich daraus ein schwarzes Loch bilden konnte. Darum hatten die Menschen sich das auch zu einer Energie gemacht. Aber wir hatten die Zeit nicht bemessen, dass eventuell auch hier auf der Erde es zu Anomalien kommen konnte.

Umso mehr ich mir den Kopf darüber zerbrach, umso weniger kam ich auf eine logische Lösung. Im Gegenteil. Phantasmen bildeten meinen weiteren Denkapparat.

Wir müssen das hier erst mal Überleben, schalt ich mich einen Narren und verscheuchte meine unsteten Gedanken.

Noch lebten wir, noch!

Ich löste mich komplett aus meiner Starre und zuckte merklich zusammen, als Henry mir auf die Schulter geklopft hatte.

„Ist bei Ihnen alles in Ordnung? Sie schienen wie weggetreten zu sein.“

„Ja. Ich war in Gedanken ...Kommt. Wir gehen rein“, sprach ich zu allen, als das Beben sich beruhigt hatte und es wieder ruhig war. Den Code musste ich erneut eingeben und dann ließ sich die Tür endlich öffnen. Ich schloss hinter mir die schwere, schwarze Tür, verriegelte sie zusätzlich von innen und machte mich sofort an dem Generator zu schaffen.

Ed hatte sich auf seinen Freund gestützt.

Das spärliche Licht der LED-Lampe, die nun Henry in der Hand hielt, erschwerte mir zwar die Arbeit, aber nach einer kleinen Weile bekam ich den Generator zum Laufen. Sofort wurde der kleine Bunker von einer 60 Watt - Birne, die dünn an der Decke hing, erhellt.

„Licht, Gott sei Dank!“, sagte Lisa ein wenig erleichtert. Trotzdem sah mich die Frau immer noch verängstigt an. Ihr Gesicht wies Schlieren auf, die von Tränen und Schmutz vermischt, herstammten. Sie hatte sich in Henrys Jacke eingemummelt und ihr Rock lugte aus der großen Jacke heraus. Sie war klein, zierlich und wirkte sehr zerbrechlich. Mitfühlend legte ich kurz meine Hand auf ihre schmale Schulter.

Wie schlimm wir tatsächlich aussahen, zeigte nun das künstliche Licht, das den Raum weiterhin erhellte und es versteckte nichts an schönen Details.

Wir alle hatten Blessuren davongetragen, der eine mehr, der andere weniger. Ruß, Staub und Angst bedeckten unsere Gesichter und Leiber. Und Ed hatte es am schlimmsten getroffen. Der Knöchel sah übel aus. Der Fuß stand schief auf dem Boden. Seine Kopfwunde sah ebenfalls nicht gut aus. Zudem litt er unter Schmerzen. Er verzog immer wieder sein Gesicht.

„Bringt ihn rüber! Aber vorsichtig.“ Ich deutete auf eine Liege, die in einer Ecke stand. Eine schlichte Feldliege, die man zusammenklappen konnte. Ich hatte genau zwei davon. Wie unvorbereitet ich war, bestätigte sich hiermit erneut, und wie wir hier alle schlafen sollten, ohne dass einer auf dem Boden liegen musste, war mir schleierhaft.

Der Raum hatte 30 qm - nicht mehr.

Ein Eisenregal mit Dosen, Trockenvorräte, Wasserflaschen und Astronautenkost. Der Vorrat würde für Monate ausreichen. Wenigstens an genügend zu essen und zu trinken hatte ich gedacht. 

Zusätzlich war der Schutzbunker mit einem Computer eingerichtet. Er war zwar nicht beschädigt aber wahrscheinlich nutzlos ohne Internet. Mein Blick fiel nun auf die Messstation, die zum Glück einwandfrei funktionierte. Anhand von ihren Messdaten zeigte sie mir an, dass keine Radioaktivität zu verzeichnen war. Immerhin etwas.

Ein winziges Labor, welches ich mir hier eingerichtet hatte, sowie einen kleinen Kleiderschrank mit Klamotten, die aber nur mir passten.

Der selbstbestimmende Egoismus, etwas was in jedem von uns steckte. Und war man in solch eine Situation hineingeraten, wie das hier der Fall war, dann wusste man mit bitterer Sicherheit, dass man die ganze Zeit falsch gedacht hatte. Nun war es für ein Umdenken und Handeln zu spät.

Wie konnte ich nur so denken, so eigennützig sein?, dachte ich für mich, als ich die Einrichtung weiterhin betrachtete.

Hätte ich mir nicht denken können, dass ich in einem Notfall Leute retten und mit hierherbringen würde! Oder meine Sekretärin! Gerade sie …

Ein Schmerz zog sich durch mein Herz, als ich an sie dachte und wie ich sie vorgefunden hatte, verstümmelt und mit weit aufgerissenen Augen.

So einen Tod hatte sie nicht verdient.

Noch vor einer Stunde war alles in Ordnung gewesen ...

Ed stöhnte, und brachte mich augenblicklich in die Gegenwart zurück, als ich realisierte, was für Schmerzen er hatte. Ich musste helfen, und zwar sofort. Das war nun das Wichtigste - meine Lebensaufgabe.

Ed lag bereits auf der Liege. Sein Bein tat ihm weh und ich ging rasch an den kleinen weißen Medizinschrank, der neben den Vorräten hing, und nahm Desinfektionsmittel, Binde, Antibiotika und eine kleine Schiene heraus. Wir würden seinen Knöchel richten müssen. Ich nahm noch eine Packung Schmerzmittel und ging zu der Trage rüber. Die beiden anderen warteten auf meine Anweisung.

„Wir müssen seinen Knöchel richten, sonst wächst er schief an.“ Ed war nicht in der Lage etwas darauf zu erwidern und dämmerte mittlerweile vor sich hin.

Henry nickte zögerlich, und ich sah, dass er bei so etwas niemals live dabei gewesen war. Meine Hoffnung an Beistand lag nun bei der Frau und meine Blicke sprachen Bände, dazu bedarf es keine Worte.

Lisa sah mich zuerst nur fragend an, dann löste sie sich von der Starre.

„Ich bin zwar keine Ärztin, aber ich habe mal ein soziales Jahr in einem Altenheim absolviert, von daher.“

„Halleluja“, ich schenkte ihr ein gequältes Lächeln.

Immerhin etwas.

„Dann legen wir mal los. Ed, es wird kurz wehtun.“ Ed brummelte, mehr nicht. Ich hatte mich drangemacht, sein Hosenbein aufzuschneiden. Lisa hielt seinen Kopf mit beiden Händen, um ihn zu fixieren, stillzuhalten, dabei achtete sie darauf, nicht an seine Kopfwunde zu kommen, die wir ebenfalls noch behandeln mussten. Sein Kollege schaute uns hilflos zu und hatte seine schmutzigen Hände tief in seinen Hosentaschen vergraben.

„Er wird wieder, okay?“, fragte er. Ich nickte nur.

Als ich anfangen, wollte seinen Knöchel zu richten, hörte ich ein Geräusch an der Tür. Lisa und Henry folgten meinem Blick. Hatten sie ebenfalls was gehört?

„Da war doch was?“, fragte, Lisa.

Ich schüttelte den Kopf.

„Ich glaube, das sind noch kleine Erdbeben.“ Bestimmt waren es noch die Ausläufer von Erschütterungen und ich konzentrierte mich wieder auf Eds Fuß.

Abermals wurden wir unterbrochen, als es nun leise klopfte und dann hörten wir alle Stimmen …

„Bitte helfen sie uns! Bitte!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  ReinaDoreen
2022-01-31T15:50:31+00:00 31.01.2022 16:50
Nach einer Ewigkeit habe ich wieder mal hier her geschaut. Geht denn die Geschichte noch weiter.
LG reni


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