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Wenn er tanzt

von

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Yuri konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Alles in seinem Kopf drehte sich, er wusste nicht mehr wohin mit sich selbst. Die atemberaubende Umgebung des Eisstadions um sich herum nahm er kaum noch war. Er konnte noch nicht einmal mehr sagen, wer gerade auf dem Eis war, noch wer als Nächstes an die Reihe kam.

Ihn hatte wieder die Panik zu versagen ergriffen. Er wusste gar nicht mehr, wann es angefangen hatte, aber irgendwann war sie da, teilweise sogar sein ständiger Begleiter gewesen. Und er konnte nichts dagegen machen. Je mehr er versuchte dagegen anzukämpfen, desto mehr Fehler machte er dann später auf dem Eis. Und das wollte er nicht, denn damit enttäuschte er auch Viktor.

So völlig in seiner Welt versunken, merkte Yuri nicht, wie Viktor auf ihn zu kam. Er zuckte deswegen auch stark zusammen, als der Russe ihn am Arm packe und in eine etwas ruhigere Ecke zog. Weg von dem ganzen Trubel. Zumindest ein bisschen.

Die zwei kühlen Hände die sich auf seine Wangen legten, brachten ihn dann wieder völlig in das Hier und Jetzt, rissen ihn aus der trüben Umgebung, in der er gefangen war. Er nahm wieder den Stadionsprecher wahr, der den Lauf kommentierte, die begeisterten Rufe der Zuschauer, wenn ein Sprung klappte oder eine anspruchsvolle Schrittfolge gezeigt wurde aber vor allem, die hellen blauen Augen von Viktor, der direkt vor ihm stand und ihn ansah.

“Du musst dich beruhigen, vor was hast du denn Angst? Du kannst doch alles. So oft wie wir zu Hause auf dem Eis standen und geübt haben und du mich in den Wahnsinn getrieben hast damit. Aber du kannst es, und das weißt du auch”, versuchte Viktor ihn wieder zu beruhigen. “ICH weiß, dass du es kannst. Und jetzt komm, geh raus und zeig es mir. Du bist nämlich gleich an der Reihe”, sagte er. Sein übliches Grinsen lag ihm wieder auf dem Gesicht bei seinem letzten Satz.

Yuri hingegen versuchte noch alles zu verarbeiten, was Viktor ihm gerade gesagt hatte. Ja, im Training hatte er das Meiste wirklich gut hinbekommen, selten einen Sprung nicht gestanden. Aber das war eben das Training gewesen, da waren sie zu Hause in der Eishalle und nicht in einem gefüllten Stadion, in dem zig Augenpaare nur auf ihn gerichtet waren und darauf warteten, dass er seine Kür lief. Etwas von ihm erwarteten.

Kurz stockte er. “Hä? Wie an der Reihe?”, fragte er verdattert nach. “Na, du bist jetzt dran, los, aufs Eis mit dir.”, sagte Viktor und schubste ihn ein wenig an, hatte dabei wieder ein dümmliches Lächeln auf dem Gesicht dass er immer dann auf hatte, wenn Yuri ihm eine besonders blöde Frage stellte.

Schwer schluckte Yuri und sah Viktor an, das hatte er gar nicht mitbekommen. Kurz hatte er seine Nervosität vergessen, doch jetzt war sie wieder da. Allerdings nicht mehr so stark wie zuvor. Er trat ein Schritt auf Viktor zu und umarmte ihn, drückte sich fest an ihn und atmete langsam ein und aus. “Du schaust mir zu, oder?”, fragte Yuri leise, vergrub kurz sein Gesicht in Viktors Jacke. Ihm waren diese Panikattacken schon irgendwo etwas peinlich. “Immer”, antwortete dieser und legte auch seine Arme um ihn.

Einen kurzen Augenblick blieb Yuri noch so stehen und genoss den Moment, ehe er sich wieder von ihm löste. Er blickte ihn kurz in die Augen, zog sich dann die Jacke aus und drückte sie ihm in die Hand. Schnell rückte er sein Kostüm noch zurecht, zupfte da ein wenig und hier ein wenig, damit es auch richtig saß, es sollte ja auch schließlich gut aussehen und ging vor zur Bande. Nachdem er die Schoner von seinen Kufen entfernt hatte und sie beiseite gelegt hatte, setzte er einen Fuß auf das Eis. Wie Viktor nochmal zu ihm kam und ihm nochmals sagte, dass er es schaffen würde, bekam er kaum mit. Auch nicht, dass der Stadionsprecher ihn ankündigte. Mit geschlossenen Augen fuhr er in die Mitte des Eises, lockerte nochmal seine Schultern und den Rücken und nahm seine Position ein.

Angespannt atmete er nochmal ein und aus, bemühte sich ruhig zu bleiben. Als die Musik startete und er die ersten Bewegungen machte, versuchte noch krampfhaft darüber nachzudenken, was als Nächstes kam. Welche Bewegungen er machen musste, welcher Sprung wann an die Reihe kam, wie er sich wann zu drehen hatte. Deswegen verpatzte er auch einzelne Schritte eher er seine Augen schloss.

Yuri spürte das glatte Eis unter seinen Kufen. Spürte die kleinen Unebenheiten auf dem Eis von den Läufern, die vor ihm dran waren, hörte das Kratzen, das er verursachte und konnte nichts anderes als zufrieden zu lächeln. Er hatte seine Umgebung komplett ausgeblendet, war in einer völlig anderen Welt, hörte nur noch die Musik, die nur für ihn komponiert wurde und ließ sich von ihr treiben. Es war, als wär er wo anders, lief seine Kür ohne nachzudenken, tief im Inneren wusste er ja, dass er sie eigentlich beherrschte. Immerhin hatte Yuri sie zusammen mit Viktor ausgearbeitet und einstudiert. Völlig vertieft und entspannt ließ er zu, dass sein Kopf sich ausschaltete und sein Körper die Führung übernahm und so eine Figur nach der anderen vollbrachte, er spürte, wie die Choreographie in ihn übergegangen war. Und in dem Moment fühlte er sich einfach nur frei.

Der Fahrtwind wehte ihm sanft in sein Gesicht und spielte mit seinen Haaren und als der die Augen wieder ein wenig öffnete, stellte Yuri sich vor er wäre zu Hause. Wie er mit Viktor zusammen auf dem Eis stehen und mit ihm laufen würde. Stellte sich vor, wie dieser seine Hand nehmen würde und mit ihm zusammen über das Eis gleiten würde, Seite an Seite. So wie sie es ab und an taten, wenn sie alleine in der heimischen Halle waren.

So ganz vertieft in seinen Vorstellungen und in seiner Welt, bekam Yuri gar nicht mit, wie er seine Kür meisterte. Wie die Zuschauer ihn feierten und er einen Punkt nach dem Anderen bekam und seine Wertung immer mehr nach oben stieg. Den überraschten und verblüfften Ausdruck in Viktors Gesicht, der jede seiner Bewegungen verfolgte, bekam er auch nicht mit. Im Gegenteil. Vor seinem inneren Auge sah er den Russen nur lächelnd vor sich, wie dieser sich bewegte und seine Kür tanzte.

Als Yuri nach einer gefühlten Ewigkeit dann seine Schlussposition einnahm, musste er erst einmal kräftig Luft holen. Jetzt, da er sich nicht mehr bewegte, floss auch langsam wieder seine Umgebung auf ihn ein und wie auf einmal war der Nebel um ihn herum verschwunden. Plötzlich hörte er den Beifall und die Begeisterung des Publikums auf ihn einbrechen, sah unzählige Blumen und Plüschtiere von dem Publikum auf das Eis fliegen. Völlig überwältigt von der Situation bedankte er sich automatisch aber recht steif bei den Zuschauern und glitt dann nicht wirklich elegant vom Eis, sondern stolperte eher runter.

Kaum hatte er den festen Boden wieder unter seinen Füßen, wurde Yuri auch schon in zwei Arme gezogen. Überrumpelt stolperte dadurch ein wenig nach vorne und hielt sich an Viktor fest. “Das war atemberaubend”, hauchte der Russe überwältigt und schloss den Kleineren etwas fester in seine Arme. Er war richtig stolz auf ihn.

Yuri hingegen wusste noch gar nicht richtig, wie ihm geschah. Noch völlig neben sich krallte sich der Schwarzhaarige regelrecht in Viktors Mantel fest, drückte sein Gesicht mit geschlossenen Augen an dessen Brust. Und so wie er in seinen Armen lag, wusste er, dass er es gut gemacht hat und lächelte.



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