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Sanfte Sehnsucht

von

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Todestag

Jodie stand in ihrem Schlafzimmer. Im Spiegel ihres Kleiderschranks beobachtete sie ihr eigenes Spiegelbild. Jodie setzte ein falsches Lächeln auf. Ob man es ihr abkaufte? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Sie würde es nachher sehen. Jodie verspürte keine Lust zur Arbeit zu gehen. Nicht heute.

Sie kannte die Blicke. James und Camel würden Rücksicht auf sie nehmen. Sie würde das Mitleid in den Augen der beiden Männer erkennen.

In ihrem Kopf hörte sie noch immer seine letzten Worte. Sie durchlebte die Situation erneut. Zuerst hatte er sie wegen dem Datum – Freitag, der 13. – gewarnt und sie hatte gelächelt. Ich scher mich nicht um Aberglauben. In Wahrheit machte sie sich doch ihre eigenen Gedanken. Aber wie hätte sie es den Kollegen sagen sollen, ohne selbst belächelt zu werden? So verschwand sie um Camel zur Hilfe zu kommen und bekam Stunden später die Hiobsbotschaft. Eine Nachricht die alles veränderte.

Shuichi Akai war tot.

Weg. Verschwunden. Ausgelöscht. Verbrannt in seinem Wagen. Getötet durch einen Schuss in den Kopf.

Sie wollte und konnte es nicht glauben. Wochen später ging es ihr immer noch schlecht. Sein Tod setzte ihr zu. Jeden Abend weinte sie sich in den Schlaf und zwang sich am nächsten Morgen wieder zur Arbeit. Sie wollte sich verkriechen und alleine sein, durfte sich aber nicht dem Schmerz hingeben. Manchmal hörte er auf, manchmal verdrängte sie ihn, schob ihn einfach beiseite und fixierte sich auf die Arbeit. Kaum dass sie alleine zu Hause war, riss die Wunde auf. Am Abend schleppte sie sich in ihre Wohnung und wusste, was passieren würde. Entweder sie setzte sich auf ihr Sofa oder sie ging ins Bett und ließ ihren Tränen freien Lauf. Nachdem sie erschöpft in den Schlaf fiel, wachte sie am nächsten Morgen ausgelaugt wieder auf. Der Zyklus begann von Neuem. Je mehr Zeit verging, desto schlechter ging es ihr. Sie wurde blass und unglücklich.

Erst das Auftauchen von Narben-Akai gab ihr wieder Hoffnung. Mit einem Mal war er aufgetaucht. Sie ahnte nicht einmal, dass es sich um einen Trick der Organisation handelt. Ihr Auftrag war wie vergessen. Es zählte nur noch eines: Shuichi Akai finden.

Sie suchte ihn, sog jeden Hinweis auf und schließlich lohnte sich ihre Mühe. Sie selbst fand auch wieder zurück ins Leben, hatte wieder eine Aufgabe und einen Sinn entdeckt. Und dann kam er zurück. Zu ihr.

Trotz allem hegte sie noch immer einen Groll gegenüber jeden 13. im Monat. Lag dieses Datum noch auf einem Freitag war sie fast nicht mehr zu halten. Ihre Erinnerungen und Wunden lebten und rissen wieder auf. Und nun ein Jahr späte – am 13. Januar - jährte sich der Tag. Hätte er damals keinen Plan in der Hinterhand, wäre es sein Ende gewesen. Sie hätte ihn nie wieder gesehen.

Jodie schluckte. Sie wollte ihn nicht verlieren. Genau so wenig wollte sie an ihm hängen wie eine Klette. Sie musste ein gesundes Maß finden. Jodie atmete tief durch. Sie durfte sich den heutigen Tag nicht anmerken lassen. Und wenn sie in bei der Arbeit traf, durfte sie auf gar keinen Fall wie eine durchgeknallte Ex-Freundin wirken. Sie war nur noch eine Arbeitskollegin.

Beim Rausgehen aus dem Zimmer warf Jodie noch einen kurzen Blick auf ihr Spiegelbild und verschwand in den Flur. Auf dem Weg zur Küche klingelte es an ihrer Haustür. Irritiert ging sie zu dieser. Sie erwartete keinen Besucht, sodass sie den Hörer der Freisprechanlage in die Hand nahm und diesen an ihr Ohr führte. „Ja, bitte?“

Es folgte Stille. Nach einer Weile legte Jodie den Hörer wieder zurück und begab sich in die Küche. Kaum dass sie die Kaffeemaschine startete, klingelte es erneut. Sie wiederholte das Spiel. Auch diesmal gab es keine Rückmeldung. Instinktiv spähte die Agentin durch das Guckloch an der Tür. Als sie keine Person sah, öffnete sie die Tür langsam und blickte sich um. Auf dem Boden befand sich eine DVD. Langsam griff sie nach dieser, hob sie auf und ging verwundert in ihr Wohnzimmer. Obwohl Jodie nicht wusste, was sie erwartete, war ihre Neugier erwacht. Sie startete ihren DVD Player und legte die DVD ein. Nachdenklich nahm sie die Fernbedienung in die Hand und startete das Programm. Der Bildschirm blieb eine ganze Weile schwarz.

Gerade als sie abschalten wollte, sah sie eine Straße. Sie war leer und dunkel. Der Wind rauschte. Jodie spürte eine ganz bestimmte Anspannung in der Luft. Die Atmosphäre war aufgeladen. Wenige Minuten später war ein Auto zu sehen. Jodie kannte die Marke nur zu gut. Oft saß sie in dem Wagen.

Chevrolet C-1500. Sein Wagen. Er hatte ihn geopfert um die Organisation zur Strecke zur bringen. Jodie schluckte. Sie sah, wie er aus seinem Auto stieg und einige Worte mit der Person auf der anderen Seite der Kamera wechselte. Sie erkannte die Stimme sofort. Kir. Rena Mizunashi, die auch als Hidemi Hondo bekannt war.

Jodie ahnte bereits was nun auf sie zu kam. Sie sah angespannt auf den Bildschirm. Dann hörte sie das Geräusch. Eine Kugel. Ein Schuss. Sie sah Blut. Es lief an seinem Mund entlang und er hielt sich die verletzte Stelle. Es war die Lunge. Jodie konnte es deutlich erkennen. Sie schluckte. In dem Bericht von Takagi war kein Lungenschuss erwähnt. Es hätte sie misstrauisch machen sollen, hätte sie gewusst, wie sich die Situation in Wahrheit abspielte.

Jodies Hand zitterte. Sie wollte – sie konnte - nicht weiter sehen und dennoch gelang es ihr nicht das Video zu unterbrechen. Shuichis Blick hielt der Kamera stand. Er war stark und zeigte keine Angst. In seinen Augen war Kampfgeist zu sehen.

Das ist also mein Ende.

Eine Gänsehaut legte sich auf Jodies Körper und die erste Träne lief ihr über die Wange. Ein weiterer Schuss fiel. Jodie sah wie er zu Boden ging und auf dem Rücksitz seines Wagens lag. Das Blut sickerte in den Sitz und ihre eigenen Tränen liefen wie Wasserfälle an ihrer Wange herab. Kir hatte sich abgewandt ehe sie eine Bombe im Wagen platzierte. Dann sah sie wieder die Straße und hörte einen Knall. Jodie erinnerte sich, dass das Feuer an dieser Stelle einsetzte. Und der Bildschirm wurde schwarz.

Sie zitterte. Selbst in ihren schlimmsten Albträumen lief die Szene ganz anders ab. Jetzt war sie dabei. Live und in Farbe. Es war schlimmer als angenommen. Sie wusste nun, dass er viel Gluck hatte. Hätte sich Kir nicht umgewandt, hätte er nicht verschwinden können. Dann wäre er verbrannt und nicht mehr bei ihr.

Jodie sackte in sich zusammen. Sie hatte keine Kraft mehr. Das Video gab ihr den Rest. Zu sehen wie ihre große Liebe starb, war schmerzvoll. Viel schmerzvoller als alles, was sie bisher in ihrem Leben erlebte. Die Bilder setzten sich in ihrem Kopf fest. Sah sie zur Seite, sah sie sein Gesicht. Schloss sie die Augen, sah sie seinen leblosen Körper vor sich. Immer wieder tauchte er auf. Tot.

Jodie brauchte lange um ihre Tränen unter Kontrolle zu bringen. Trotzdem zitterte sie noch immer am ganzen Leib und versuchte mit der Situation klar zu kommen.

Durch ein weiteres Klingeln an der Haustür schreckte sie hoch.

Nicht noch ein Video.

Das durften sie ihr nicht antun. Nicht an diesem Tag. Jodie erhob sich nur langsam von ihrem Platz und schlurfte zur Tür. Es klopfte. Ihr Herz setzte für einen Moment aus. Sie blickte durch das Guckloch, wich dann einen Schritt zurück und sah in den Spiegel im Flur. Ihre Augen waren rot unterlaufen und man sah ihr an, dass etwas Passiert war.

Jodie hatte aber keine andere Wahl als die Tür zu öffnen. Sie atmete tief durch und drückte die Klinke herunter.

„Shu“, wisperte sie leise. Es war wieder da. Das mulmige Gefühl. Obwohl sie es nicht wollte, kämpfte sie ein weiteres Mal mit den Tränen.

„Geht’s dir gut?“

Sie nickte zaghaft, während er eintrat und sie von oben bis unten musterte.

„Du bist heute nicht gekommen.“

„Gekommen?“, wiederholte sie.

„Geht’s dir wirklich gut?“ Ein besorgter Unterton legte sich in seine Stimme. „Du siehst krank aus.“

„Shu…“, murmelte sie leise. „Ich…“

„Ja?“

„Sie…sie…“

„Was ist los? Was ist passiert?“ Er wurde ernst.

Jodie schluckte. „Ich weiß…was vor einem…Jahr passiert ist…“

„Das weiß ich“ sprach er.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein…ich weiß…genau was…passiert ist…Sie haben…mir ein…Video...“

Shuichi schnellte nach vorne und packte sie an der Schulter. „Wann waren sie hier?“

Jodie schwieg.

„Jodie? Wann waren sie hier?“ Er sah sie eindringlich an. „Was haben sie getan?“

„Ich…“ Sie sah zur Seite. „Kurz bevor ich los wollte…“, fing sie leise an. „Es lag vor meiner Wohnungstür.“

Shuichi verengte die Augen. „Mehr nicht?“

„Sie haben…mich sonst in Ruhe gelassen…nur das Video.“

„Und du hast es dir angeschaut.“

„Das hab ich…“, wisperte sie. „Ich wünschte, ich hätte es nicht getan.“ Natürlich wollte sie immer wissen, wie es passierte. Aber nun wo sie die Wahrheit kannte, wünschte sie sich Unwissenheit.

Akai nickte.

„Bitte…versprich mir eins, Shu…“ Sie sah zu ihm hoch. „Pass auf dich auf. Wenn sie wissen, dass du noch lebst, werden sie es weiter versuchen. Und vielleicht werden sie dann Erfolg haben. Ich…ich will dich nicht verlieren…das halte ich nicht aus…“ Es sprudelte nur so aus ihr heraus. Sie musste es ihm sagen. Er sollte ruhig wissen, wie sehr sein Tod schmerzte, wie viel es zerstörte. „Bitte…versprich es mir…“

Shuichi lächelte leicht. „Versprochen. Und jetzt zieh nicht so ein Gesicht.“

„Ach, Shu…“ Jodie konnte nicht einfach. Sie fiel ihm in die Arme und weinte darauf los.



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