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Sanfte Sehnsucht

von

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Verletzung

Jodie fühlte sich benutzt. Wann immer er eine Mitfahrgelegenheit, ein Handy oder ein Tablet brauchte, ließ er sie antanzen. Und sie war auch noch so blöd und kam sofort angelaufen. Dummerweise schrieb Shu jedes Mal, dass es dringend war. Er wusste genau, welche Knöpfe er zu drücken hatte, damit sich ihr schlechtes Gewissen meldete. Selbst wenn Jodie daran dachte, nicht zu kommen, sah sie das Grauen vor sich. Was wenn etwas schief ging? Was wenn er sie gerade in diesem Augenblick ganz dringend brauchte? Das konnte sie nicht mit sich vereinbaren.

Aber sobald sie vor Ort war, ärgerte sie sich über ihre eigene Naivität. Shuichi musste nur nach ihr rufen und sie kam wie ein Hund angedackelt. Es war bereits ein Wunder, dass er den Anschlag auf sein Leben überlebte – ob inszeniert oder nicht war nicht von Belang. Selbst jedes geprobte Stück konnte irgendwann scheitern. Jodie kannte es zu genüge. Man machte immer das gleiche und dann ohne Vorwarnung änderten sich die Begebenheiten. Das Wetter spielte nicht mit oder eine Person mit der man nicht rechnete, kam dazu.

Jodie stieg aus dem Wagen, drückte die Tür zu und lehnte sich gegen diese. Jodie schloss kurz die Augen und überlegte, welcher Grund jetzt vorlag. Was wollte er unbedingt von ihr? Andererseits sollte es sie wohl freuen, dass er immer nur sie rief und keinen anderen Agenten. Jodie öffnete die Augen und sah sich um. Sie versuchte möglichst unauffällig zu sein, was aufgrund ihrer Herkunft schwer war. Als Amerikanerin in Japan stach sie aus der Menge heraus und da sie blond war, war der Kontrast noch stärker. Es gab zwar wenig blonde Japaner bei denen es an den Genen lag oder aber auch diejenigen, die sich die Haare färbten. In ihrer Zeit als Lehrerin lernte Jodie sehr schnell, dass vor allem die weiblichen Schülerinnen ihre Haare blond färbten um exotischer zu wirken. Jodie rieb ihre Hände aneinander. Langsam merkte man die Kälte in Japan. Jodie wünschte sich, sie hätte etwas anderes angezogen oder besser sich wärmer angezogen. Ihre Strumpfhose war eindeutig zu dünn und demnächst würde sie auch Handschuhe brauchen.

Komm schon, Shu, sagte sie zu sich selbst. Warum ließ er sie so lange warten? Sonst war er doch immer relativ früh vor Ort. Die Sorge legte sich auf Jodies Gesicht. Eine erste Falte befand sich auf ihrer Stirn. Jodies Anspannung elektrisierte die Umgebung. Sie wollte von einem Bein auf das andere hüpfen, ermahnte sich aber selbst, dies zu unterlassen.

Dann endlich sah sie eine Silhouette auf sich zu kommen. Jodie versteifte sich. Aufmerksam und beobachtend. Als die Person näher kam, traute Jodie ihren Augen nicht. Shuichi sah aus, wie nach einem harten Kampf. Sein Gesicht war gezeichnet von einigen Schrammen und einige Stellen seiner Sachen waren zerrissen. Erst jetzt wurde der Agentin bewusst, dass er sie dieses Mal mit einem guten Grund anrief. Wäre sie nicht gekommen, wäre es möglicherweise schief gelaufen. Vielleicht war derjenige, der ihm das antat noch hinter ihm her.

„Shu“, wisperte sie leise. „Was ist…“

„Lass uns fahren“, fiel er ihr ins Wort. Akai ging sofort auf die Beifahrertür zu und öffnete diese. Er stieg ein, schnallte sich an und verschränkte die Arme.

Jodie schluckte. Sie beobachtete jeden seiner Schritte und stieg schließlich auch ein. Sie schnallte sich an und startete den Motor. Dann sah sie zu Shu. „Zur Villa?“, wollte sie wissen.

„Ja.“ Akai schloss die Augen. Es war ein Déjà-vu. In einer ähnlichen Pose saß er vor einigen Jahren und teilte ihr die Trennung mit.

Jodie fuhr los. Immer wieder versuchte sie aus deinem Augenwinkel einen Blick auf ihn zu erhaschen bis sie sich schließlich zur einzig relevanten Frage durchrang. „Was ist passiert, Shu?“

„Eine kleine Rauferei mit Bourbon.“ Wie immer musste man ihm gewisse Informationen aus der Nase ziehen.

„Bourbon“, wiederholte Jodie leise. „Ich dachte, er wäre auf unserer Seite. Warum…“

„Wut, Hass, Schmerz…such es dir aus.“

Jodie seufzte. „Und was passiert jetzt? Verrät er dich an die Organisation?“ Jodie musste schlucken. Es wäre der schlimmste Fall, der nur eintreffen konnte.

„Sicherlich nicht“, antwortete Akai. „Bourbon weiß, dass es für alle sinnvoller ist, wenn sie nichts von mir wissen und weiter im Glauben leben, ich sei damals gestorben.“

Jodie schluckte bei den Worten. Es fiel ihr immer noch schwer damit klar zu kommen.

„Was hast du jetzt vor?“

„Nichts. Wir warten erst einmal ab.“

„Okay“, murmelte sie. Jodie fuhr in die Einfahrt zur Villa. Sie parkte ihren Wagen und stieg aus. Shuichi tat es ihr gleich und ging direkt auf die große Haustür zu. Er züchte den Schlüssel, öffnete und trat ein. Nachdem er sicher ging, dass Jodie ihm folgte, setzte er seinen Weg ins Wohnzimmer fort und ließ sich auf das Sofa fallen. Er atmete tief durch. Ein Kampf war nicht schlimm, aber Bourbon hatte gute Treffer gelandet. Und er würde sie auch noch die nächsten Tage spüren können.

Jodie stand in der Tür und musterte ihn von oben nach unten. „Hast du einen erste-Hilfe-Kasten?“

„Müsste im Badezimmer sein.“

Jodie sah nach hinten.

„Erste Etage, dritte Tür links.“

„Ich bin gleich wieder da“, sagte sie und lief los. Nach wenigen Minuten kam sie wieder ins Wohnzimmer. Den Kasten stellte sie auf den Tisch und öffnete diesen. Zuerst begutachtete sie den Inhalt, dann kurz seine Verletzungen ehe sie das Desinfektionsmittel heraus nahm. „So, dann lass mich mal schauen.“

„So schlimm bin ich nicht verletzt“, entgegnete er.

„Mir war klar, dass du genau das sagst.“ Jodie musste lächeln. „Ich möchte trotzdem gucken.“

„Von mir aus. Du wirst wohl eh nicht locker lassen“, sprach er.

„Richtig.“ Jodie tupfte die Wunde an seiner Stirn erst mit einem Taschentuch etwas sauber, dann kam das Desinfektionsmittel drauf, gefolgt von einem Pflaster. Anschließend nahm Jodie seinen Arm und schob den Ärmel nach oben. „Sieht unverletzt aus“, murmelte sie, drückte aber trotzdem keinen die Haut. Akai gab keinen Mucks von sich. Erst als Jodie seinen Oberkörper abtastete, zuckte er leicht zusammen.

Als hätte sie es geahnt, schob sie nun seinen Pullover hoch. Die Stelle an seinem Bauch war bereits bläulich verfärbt. „Autsch.“

„Ich werds überleben“, sagte der Agent.

„Du willst nicht zur Sicherheit in ein Krankenhaus fahren?“, wollte Jodie wissen. „Vielleicht hast du dir eine Rippe gebrochen oder innere Blutungen.“

„Das hätte ich schon gemerkt“, sprach er. „Es ist nur eine Prellung und heilt in den nächsten Tagen aus.“

„Aber Shu…“, murmelte Jodie.

„Ich kenn meinen Körper am besten, Jodie.“

Die Agentin seufzte und nickte. „Ist gut…ich kann dich eh nicht umstimmen.“

„Richtig.“

Jodie musterte ihren Kollegen. „Im Gesicht solltest du auch keine Narbe zurück behalten.“

„Von mir aus.“

Jodie schmunzelte und strich über das Pflaster. „Morgen bist du fast wieder wie neu. Aber du solltest dich trotzdem ein paar Tage ausruhen und es nicht übertreiben.“ Jodie sah ihn an. „Und sag jetzt nicht, dass du das tust. Ich kenn dich, Shuichi Akai, wenn du könntest, würdest du dich gleich wieder in die nächste Rauferei mit Bourbon stürzen.“

Ein kleines Lächeln setzte sich auf seine Lippen.



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