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They say love is pain (for your ex-boyfriend)

von

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Sie sah auf ihre Uhr. Zum wievielten Mal jetzt? Außerdem wippte sie mit dem Bein, was das ganze Sofa zum Wackeln brachte. Was schon echt eine Leistung war, wenn man bedachte, dass da drei Leute drauf saßen. Sie schien es nicht mal zu bemerken. Sein Blick ging rüber zu Hailey. Ihre Augen trafen sich nur kurz, dann mussten sie wieder wegsehen und sich auf die Zungen beißen, weil sie sonst angefangen hätten zu lachen. Sam konnte schon manchmal niedlich sein. Vor allem, wenn sie aufgeregt war. Ihr war das wahrscheinlich nicht bewusst. Es wirkte so, als stünde sie vor einer Abschlussprüfung. Wenn man gemein sein wollte, dann könnte man vielleicht auch sagen vor dem Schlachter.

Aber er war nicht gemein. Er fand nur, dass es unnötig war, dass sie so einen Aufstand schob. Immerhin kannte er den Drachen Robin schon. Robin... Es war immer noch komisch von ihr nicht als Doctor Williams zu denken. Aber nachdem sie sich einmal spät in der Nacht - er nur in Boxershorts am Kühlschrank, sie nur in Unterwäsche, wie sie gerade aus Sams Zimmer ins Bad schleichen wollte - getroffen hatten, fand er es irgendwie auch albern. Sie hatten beide nie wieder über diesen Zusammenprall gesprochen. Nicht, dass sie sich überhaupt viel austauschten. Als Robin das erste Mal mit ihnen gefrühstückt hatte, da hatte sie nicht mal mehr seinen Namen gewusst. Es war fraglich, ob sie sich überhaupt an ihn erinnert hatte.

Wie auch immer, der Punkt war jedenfalls, dass er Robin schon kannte und dass Sam nicht so tun musste, als wäre das hier das erste Treffen. Na gut, es war das erste gemeinsame Treffen zu viert. Das auch geplant war. Sie würden zu Boylans gehen und da was trinken. Er war immer noch verdammt verblüfft darüber, wie die beiden eigentlich zusammen gefunden hatten. Sie schienen nichts gemeinsam zu haben. Zugegeben, das war auch mit Ivy nicht viel anders gewesen. Aber die hatte er wesentlich besser leiden können. Aber er gab sich Mühe, er war ein guter bester Freund. Und Robin hatte es Sam angetan. Das merkte man schon daran, wie sie hier zu dritt in Reih und Glied auf der Couch saßen, fix und fertig und das schon seit zehn Minuten. Er sah, wie sie schon wieder auf die Uhr an ihrem Handgelenk starrte. Sie hatte Angst. Vielleicht begründet. Er streckte seine Beine ein wenig weiter aus. Bis zum kleinen Couchtisch war es aber nicht so weit und er fühlte sich immer noch ziemlich eingeschränkt. Das war immer der Nachteil, wenn man so groß war.

Irgendwann legte Hailey eine Hand auf Sams Bein, weil sie es anscheinend nicht mehr aushielt, dass sie sie damit alle nervös machte. Sam zuckte wie auf Kommando zusammen. Die Ärztin lächelte entschuldigend. „Das wird schon alles gut, mach dir nicht so viele Gedanken.“ Er bekam einen kräftigen, aber unauffälligen Stoß von der Blonden gegen das Knie und war sofort zur Stelle. „Echt mal, Alter, is' doch nur Boylans. Das wird lustig!“ Er streckte seinen Arm über Hailey hinweg aus und boxte Sam gegen die Schulter. Sie lächelte sie beide an. Und sah dabei eher so aus, als müsste sie sich gleich übergeben. Also ließen Daniel und Hailey sie lieber wieder in Ruhe mit dem Bein wippen. Gerade konnten sie wohl nicht viel für ihre Schwester tun.

Pünktlich um sieben klopfte es an der Tür. Sam war auf den Füßen, bevor noch der Klang richtig im Ohr angekommen war und sprintete quasi in den Hausflur. Daniel beugte sich ein wenig näher zu Hailey. Seine Stimme hielt er gesenkt. „Meinst du sie stirbt heute noch an 'nem Herzinfarkt?“ Die Ärztin lächelte schmal, aber er konnte das Glitzern in ihren Augen sehen. Es zeigte Belustigung, aber auch ein paar Zweifel, die er von ihr gar nicht so erwartet hatte. „Es wird alles gut.“ Hailey wiederholte sich. Er war sich nicht sicher, ob sie es bemerkte. Aber anscheinend brauchte sie das, um sich selbst zu überzeugen. Na, das konnte ja ein sehr spannender Abend werden. Es war nicht das erste Mal, dass sie beide Bedenken über Sams Beziehung äußerten. Es wirkte alles sehr plötzlich und unüberlegt. Und irgendwie wie ein Autounfall bei dem man nicht wegsehen konnte. Er hatte sich mal geschworen, dass er es Sam nie wieder erlauben würde, sich in die Scheiße zu reiten. Er konnte noch nicht einschätzen, ob er versagt hatte.

Aber dafür war dieser Abend da.

Hailey und er hatten nämlich beschlossen, Robin auf den Zahn zu fühlen.

Wie aufs Kommando kam die gerade mit Sam zurück. Dan war der erste, der auf den Beinen war, obwohl er von der Tür aus hinter Hailey saß. Er machte einen großen Schritt über sie. Wenn die sich nicht bewegte, würde er das eben tun. Robin hatte sich hübsch gemacht. Sie war sowieso eine schöne Frau. Schade nur, dass sie die Nase immer so hoch trug, als würde sie jemand am unsichtbaren Bindfaden in den Himmel ziehen wollen. „Hey!“, meinte er fröhlich und schüttelte ihr die Hand, was er komisch fand, weil sie sich, wie gesagt, schon kannten, aber irgendwas musste er ja tun. Umarmen war jedenfalls nicht drin. Dann hätte sie ihn bestimmt mit einer Salzlösung überschüttet und er wäre elend zugrunde gegangen. Sam stand nur stocksteif daneben. „Hallo“, sagte Robin. Er konnte sehen, dass sie sich Mühe gab. Ihr Lächeln war genauso angestrengt wie das von Sam, die neben ihr festgefroren zu sein schien. Aber sie wirkte auch irgendwie nervös. Dabei ließ sie sich sonst gar nicht einschüchtern. Interessant.

Er machte mal Platz für Hailey, damit sie auch noch brav Hallo sagen konnte. Als das erledigt war, fiel Schweigen über die kleine Gruppe. Daniel sah sehr intensiv Sam an, die immer noch so aussah als müsste sie auf den Teppich kotzen, wenn jemand sie zwang zu sprechen. Ooookay! „Gut, dann... sollen wir?“ Er nahm das Heft in die Hand, weil die drei Damen vom Grill, die alle mindestens anderthalb Köpfe kleiner waren als er, nur herumstanden und sich gegenseitig nicht ansehen wollten. Sam nickte dankbar. Sie griff nach Robins Hand, vermutlich gerade eher, weil sie etwas zum Festhalten brauchte, als aus romantischem Gefühl und stakste zur Haustür. Hinter ihrem Rücken warf Dan Hailey einen Blick aus großen Augen zu. Also wenn das in den eigenen vier Wänden schon so komisch war, wie würde es dann erst in der Bar sein?

Aber man wollte ja positiv bleiben, vielleicht war das nur die erste Anspannung. Er folgte neben Hailey den beiden aus der Tür und dann versuchten sie sich an einer Viererkette. Er ergatterte den Platz neben Sam, was Hailey dazu zwang fröhliche Konversation mit Robin anfangen zu müssen. Haha! Er gab sich ganz cool, als hätte er das gar nicht bemerkt, und als würde es die kleine Staubwolke im Rücken gar nicht geben, die er da hinterlassen hatte mit seinen schnellen Schritten. „Ziemlich schön heut Abend, oder? Nicht ganz so heiß. Eigentlich perfekt für einen kleinen Spaziergang.“ Hach, die gute Hailey, auf sie war immer Verlass. Sie konnte irgendwie nur positive Dinge sehen. Leider kam von allen Seiten nicht viel mehr als zustimmendes Gemurmel.

Das hatte jetzt nicht so gut funktioniert. Also versuchte er sich mal. „Und, wann fahrt ihr beiden wieder raus? Demnächst irgendwann? Ihr könntet mich ja mal mitnehmen, wär bestimmt auch witzig.“ Sam hob alarmiert den Kopf und sah ihn erschrocken an. Zuerst kapierte er gar nicht warum. Was man deutlich in seinem Gesicht sah. Ebenso deutlich kam die Erkenntnis über das, was er gesagt hatte. Ihm fiel nämlich wieder ein, dass er genau wusste, was die beiden trieben, wenn sie zusammen raus fuhren, und dass sich das jetzt angehört hatte, als wollte er sich selbst dazu einladen. „Äääh... Ich mein' ich war schon lang auf keine Eskorte mehr... und so.“ Okay, er machte es nur noch schlimmer. Robin blinzelte irritiert zu ihm rüber, Sam hatte den Kopf jetzt komplett gesenkt. Er räusperte sich verlegen. „Die neunte kommt bald, huh? Glaubt ihr, da ist irgendwas Cooles dabei?“ Hailey schnappte sich dankbarer weise den Ball aus der Luft. „Wir sollen endlich die Baustoffe für den Anbau bekommen. Wird langsam auch Zeit, das Medi-Center platzt aus allen Nähten.“ Man hörte ein verächtliches Schnauben von Robins Seite. „Bin mal gespannt wie lange es dauert, bis Taylor uns dieselbe Gnade gewährt, wir mussten schon Doppelbüros besetzen. Und die Assistenten werden auch mit jedem mal unfähiger.“

Erst herrschte betretenes Schweigen, weil sie alle drei wohl der Meinung waren, dass Doppelbüros nicht so schlimm waren wie ein unterbestücktes Medi-Center. Außerdem hatte sie es auch noch hinbekommen, dass Dan sich irgendwie beleidigt fühlte, weil sie so abfällig über den Commander sprach. Er versuchte krampfhaft nicht daran zu denken, dass sie immer noch genau dieselbe arrogante Hexe war, die er kennengelernt hatte. So durfte er doch nicht über die Freundin seiner kleinen Schwester denken. Stattdessen zwang er sich zu einem kleinen Lachen. „Jaha, ist bestimmt blöd mit mehreren in einem Büro.“ „Blöd?“, echote die Wissenschaftlerin ihn und er fühlte sich gleich genau so. Ihren abschätzigen Ton konnte sie jedenfalls nicht so schnell ablegen. Die Anstrengungen, die sie eben im Haus noch gezeigt hatte, waren jetzt wohl über Bord gegangen. „ Es ist unmöglich so vernünftig zu arbeiten! Wer soll sich denn da noch konzentrieren können?“ Sie schimpfte noch ein wenig weiter, Hailey machte zustimmende Geräusche, während Dan sich ein bisschen ausklinkte und dafür sorgte, dass sie einen Schritt schneller gingen.

Da hinten war schon Boylans, sie hatten es fast geschafft. Es war nicht mehr weit. Alkohol würde die Rettung bringen, dann würde er das Ganze bestimmt eher lustig finden als peinlich. Er ließ den Frauen natürlich den Vortritt. Dan musste den Kopf einziehen, damit er sich nicht am Türeingang direkt die Birne anstieß. Hatte eine Zeit lang gebraucht, bis er das verstanden hatte. Die Treppe nach unten in den Schankraum stieg er fast erleichtert hinunter. Jetzt waren sie da, jetzt konnte der Abend beginnen. Es war schon gut was los hier, viele Soldaten, auch Freunde, die er im Vorbeigehen fröhlich begrüßte, während die anderen schon weiter gingen. In einer Ecke konnte er Lieutenant Beck sehen, der sofort ein Auge auf Hailey warf. Dan schnellte plötzlich nach vorne, ließ Foster einfach stehen, der ihm gerade erzählte, dass er heute Nacht eine Horde Ovosauren verscheucht hatte, die sich mal wieder an den Kabeln zu schaffen gemacht hatten, und tauchte in Haileys Rücken auf und schob sie fröhlich an seinem Offizier vorbei, als hätte er ihn gar nicht gesehen. Und weil Hailey Hailey war, warf sie Beck nur ein entschuldigendes Lächeln zu und ließ es geschehen.

„Okay, wer will was trinken?“, fragte er, während die anderen drei schon saßen. Er würde die erste Runde ausgeben. Sein Blick blieb zuerst an Robin hängen, weil die immerhin der Gast war für heute Abend, auch wenn sie nicht in den eigenen vier Wänden waren. „Wasser, bitte.“ Sein Lächeln flackerte einen Moment. Dann fing er sich wieder. „Na klar! Hailey?“ Die nahm ein Bier, genauso wie Sam und er. Er drehte dem Tisch den Rücken zu. Wasser. Sie wollte verdammtes Wasser. Dafür gingen sie zu Boylans, dass sie hier Wasser trinken konnte. Die war nicht mal bereit ein kleines Bierchen mit der Gruppe zu trinken! Das half absolut nicht dabei, dass er mit ihr warm wurde. Er seufzte ein kleines bisschen. Er würde den Abend irgendwie überstehen, keine Frage. Er konnte sich gut anpassen. Aber er wusste jetzt schon, dass es anstrengend werden würde und dass er Morgen Sam sagen musste, dass sie das in Zukunft vielleicht lieber lassen sollten. Und vielleicht nicht nur das.

An der Bar war einiges los, wie zu erwarten. Er setzte Ellenbogen und seine überlegene Größe ein, um schnell dran zu kommen. Seine Bestellung war ja auch nicht gerade die schwierigste. Ein paar dieser Gemüsechips bestellte er auch noch. Das Tablett trug er gleich selbst zum Tisch, total fachmännisch mit beiden Händen und zwischen den Zähnen eingeklemmter Zunge, während er sich durch die ganzen Körper manövrierte und aufpasste, dass er nichts verschüttete. Klappte nicht ganz so gut, die Biergläser waren schon zu einem Viertel leer als er ankam, aber er fand das war noch voll im Rahmen. „Vorsicht, heiß und fettig!“, kündigte er an, als er das Tablett abstellte und dabei noch mehr Bier über die Glasränder schwappte.

Es war auffällig ruhig am Tisch. Vor allem, wenn man den Lautstärkepegel allgemein in der Bar in Betracht zog. Wow, hatten die sich jetzt echt fünf Minuten angeschwiegen? Gut, dass er was zu Knabbern mitgebracht hatte. Jeder nahm sein Glas an sich und Dan zog einen Stuhl heran. Diesmal hatte er den Schwarzen Peter gezogen und saß neben der Wissenschaftlerin. Nichtsdestotrotz hob er das Glas in die Höhe. „Okay dann, auf euch, würd' ich sagen!“, dabei sah er das – nicht mehr ganz so neue – Paar an. Hailey lächelte und nickte, Sam reagierte auch irgendwie. Sie wirkte mit dem Bier in der Hand gleich ein bisschen weniger blass. Robin konnte er nicht wirklich einschätzen, sie betrachtete kurz die Flecken auf dem Tisch, von vielen Abenden mit Alkohol versaut. Das war kein besonders zufriedener Ausdruck. Aber schließlich hob auch sie ihr Glas und sie stießen alle miteinander an.

Sie tranken, stellten die Gläser ab – und schwiegen. Shit. Irgendwie musste es doch was geben worüber sie sich alle unterhalten konnten! Es war doch sonst nicht so schwer eine Konversation zu beginnen! Also, was fragte man in Terra Nova gewöhnlich als erstes? Klar. „Robin, wann bist du eigentlich hier angekommen?“ Er duzte sie, weil Sam gesagt hatte, dass ihr das lieber wäre. Die Wissenschaftlerin war ein wenig überrascht so direkt von ihm angesprochen zu werden. Aber wenigstens sah sie ihn diesmal nicht an wie eine nervige Fliege, die um ihren Kopf herum surrte. Zwar auch nicht wie einen Mitmenschen, aber vielleicht hatte er sich schon zu treuem Hund hoch gearbeitet. „Ich kam mit der vierten Umsiedlungswelle.“ Er pfiff anerkennend durch die Zähne. „Also bist du schon ein alter Hase, hm?“ Sie warf ihm ein müdes Lächeln zu, das definitiv ihre Augen nicht erreichte. Diese Frau war wirklich schwer zu mögen.

Trotzdem, vierte Umsiedlungswelle war noch vor dem Zaun gewesen. Das forderte Respekt ein. Sie waren ja alle drei noch nicht so lange hier. Die erwartete Gegenfrage kam allerdings nicht. Dan sah sich kurz im Raum um, ob ihm sonst noch eine unverfängliche Frage einfiel. Hailey kam zur Rettung. „Und bist du allein hier, oder hast du Familie?“ Eine Frage auf die er die Antwort tatsächlich kannte. „Meine Schwester ist auch hier, sie arbeitet auch im Militär. Savannah heißt sie.“ „Ensign Williams.“ Es war das erste Mal, dass Sam sich an dem Gespräch beteiligte. Dan nickte ihr aufmunternd zu, aber es kam sonst nichts. „Ja, genau, mit Rängen hab ich es nicht so.“ Robin zuckte lapidar mit den Schultern und nippte am Wasser. Oh, wow, die interessierte sich ja wirklich viel für Sams Beruf. Ihre Schwester war gerade in den Offiziersstand erhoben worden und sie tat so, als wäre das keine Errungenschaft.

Das Gespräch plätscherte so vor sich hin, es stockte jedoch mehr als dass es lief. Dan und Hailey gaben ihr Bestes die unverfängslichten Smalltalkfragen zu stellen. Davon schien Robin leider nicht viel zu halten. Nur wenn es um ihre Arbeit ging, dann schien sie ein wenig aufzutauen. Leider hatte keiner von ihnen besondere Ahnung davon, weswegen das auch schnell zum Erliegen kam. Irgendwann stand Sam auf und kündigte an noch was zu trinken holen zu gehen. Zwar war nur ihr Glas leer, aber Dan kurz davor sein eigenes auch fertig zu haben. Er nickte ihr zu, sie sollte ihm auch noch was mitbringen. Wahrscheinlich ging sie mehr, weil sie ein paar Minuten für sich brauchte. Das hier lief bestimmt überhaupt nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Mit Ivy war das hier einfach gewesen. Sie war so eine offene Person, es war fast unmöglich sie nicht irgendwie zu mögen. Robin war ganz anders.

„Daniel“, er merkte auf, weil die Wissenschaftlerin das erste Mal seinen Namen benutzte. Er lächelte ihr zu und wischte sich unauffällig über das Kinn, weil er gerade vor Überraschung ein bisschen Bier gespuckt hatte. Das war aber doch mal endlich ein Anfang. „Sam hat mir erzählt du bist hauptsächlich für Eskorten zuständig?“ Er sah ihr an, dass sie das nicht wirklich interessierte. Sie stellte die Frage, weil sie glaubte ein bisschen höflicher sein zu müssen, als sie bis jetzt gewesen war. Aber es war ihm egal. Irgendwie bedeutete das für ihn, dass sie sich Mühe geben wollte. Ein bisschen wenigstens. Für Sam. „Mhm! Ich bin eigentlich viel draußen unterwegs. Im Moment aber eher im Wachdienst eingeteilt, wir rotieren da immer mal. Bisschen Heimat tanken tut ab und zu gut. Vielleicht krieg ich demnächst die Chance für 'ne längere Expedition raus zu gehen, das wär schon was.“ Das hatte Sam ihm noch voraus und da musste er unbedingt nachziehen. Außerdem liebte er es wirklich draußen zu sein, auch wenn es gefährlich war. Aber was man da alles sehen konnte! Robin nickte, überlegte. Dann wandte sie sich an Hailey. „Und du arbeitest als...?“ „Anästhesistin.“ Sie erzählte noch mehr, aber Dan hörte hinter sich Glas brechen. Und er wusste sofort, mit absoluter Sicherheit, dass Sam in Schwierigkeiten steckte. Er hatte so was wie einen sechsten Sinn dafür entwickelt. Weil sie sich gerne in Schwierigkeiten brachte und er war ihr großer Bruder und passte auf, dass sie dann nicht eins auf die Nase bekam. Ob jetzt von Kameraden oder Offizieren. Er hatte schon oft an ihrer Seite gestanden und sie beruhigt. Manchmal glaubte er, dass sie das auch brauchte. Unter dem Tisch schob er seinen Fuß gegen den von Hailey. Die schielte kurz zu ihm hinüber. „Ich geh mal für kleine Königstiger!“, kündigte er sich laut an, während die beiden Frauen sich noch unterhielten und verzog sich vom Tisch. Sein feines Gehör trieb ihn in die Richtung Bar, aus der aufgeregte Stimmen kamen. Eine davon war definitiv Sams.

„Was willst du, du Arschloch!“ Oh-oh. „Du hast mein Hemd versaut, du kleine Schlampe!“ Shit. „Du hast dich mir in den Weg gestellt, Wichser!“ Fuck!

Wieder setzte er seine Ellenbogen ein, diesmal um einiges energischer als eben noch. Die Szene hatte er schnell in sich aufgesogen. Da stand ein Mann in einem viel zu schicken Hemd und einer viel zu bügelfaltigen Hose und viel zu glänzenden Schuhen einen Meter von Sam entfernt und funkelte sie verdammt wütend an. Sam funkelte genauso wütend zurück. Scheiße, war das nicht dieser Wissenschaftler, der Robin manchmal nachstellte? Auf seinem Hemd war tatsächlich ein nicht besonders ansehnlicher dunkler Fleck, auf dem Boden zwischen den beiden lagen Glasscherben herum. Sie gifteten sich darüber hinweg an. Dan machte einen großen Schritt nach vorne. „Da bist du ja!“ Er packte Sam um die Schulter und presste sie eng an sich, sodass sie beide Arme nur noch sehr eingeschränkt benutzen konnte, weil Dan schraubstockartig zupackte. Das war auch gut so, er konnte das Zittern in ihrem Körper spüren. Sie war kurz davor gewesen sich auf den schmierigen Kerl zu stürzen. „Ich hab dich schon überall gesucht. Ich glaub' wir gehen lieber zurück.“ Er grinste den Mann mit den kurzen schwarzen Haaren fröhlich an. „War nett Sie kennenzulernen, ich hoffe der Fleck geht raus.“ Neben ihm murrte Sam und bewegte sich, aber er drückte sie nur noch fester an sich, dass ihre Schulter sich tief in seine Rippen bohrte. Er sah sie an und sie sah missgelaunt zurück. „Wir gehen dann jetzt.“ Seine Stimme klang mahnen. „Vielleicht können wir Ihnen ja-“

Er konnte sein Angebot nicht mehr unterbreiten. Denn irgendwas klatschte nass und klebrig auf seine Brust und spritze bis hoch zu seinem Kinn. Er hörte Sam schnaufen und prusten. Sie hatte es voll ins Gesicht bekommen. Er sah tropfende Haare. Verwirrt blinzelte er. Dann, ganz langsam, drehte er den Kopf wieder zu dem Typ im Hemd. Der gerade unter lautem Grölen der Umstehenden ein Glas Bier auf sie beide geschüttet hatte. Sein Griff um Sam wurde lockerer, schließlich ließ er ganz los. Sie hob ihre Hände und wischte sich das Gesicht so gut es ging sauber. Mit spitzen Fingern zog er an seinem T-Shirt. Es klebte unangenehm auf der Haut. Der Typ hatte ein triumphierendes Lächeln aufgesetzt. Das Glas hielt er immer noch locker in der Hand. „Kleine Schlampe.“ Das hörte Dan nicht gern. Nicht zwei Mal hintereinander. Plötzlich wurde sein Blick genauso düster wie der von Sam. „Okay, du kleiner Hanswurst, du hast es nicht anders gewollt.“ Dan ließ die Fingerknochen knacken. Die Erkenntnis darüber, dass er sich gerade mit zwei Soldaten angelegt hatte, die viel kräftiger waren als er, schwappte über das Gesicht des Mannes. Die Zufriedenheit wich einer gewissen Angst. Die war auch berechtigt. Sam und er machten gleichzeitig einen Schritt auf ihn zu.

Als sich überraschend jemand an Dans Schulter vorbei drängte, unbeirrt auf den Mann zuging um ihm mit vollem Karacho in die Eier trat. Es ging ein lautes Uuuuuuh! durch die kleine Menge, die sich gebildet hatte. Er machte nicht mit. Er konnte nur mit offenem Mund dabei zuschauen, wie Doctor Williams aka Hexe aka Drache mit ungnädig geradem Rücken vor dem Typ stand, dem sie vermutlich gerade die nächste Generation genommen hatte, und der vornübergebeugt mit keuchendem Atem da stand. Dann erhob sie die Stimme. „Bax, du bist ein Idiot. Kapier' endlich, dass ich nichts mehr von dir will. Und lass gefälligst meine Freundin in Ruhe!“ Der Typ sah auf, murmelte irgendwas, das Dan nicht hören konnte. Robin lachte darauf nur kalt. „Ich komme sehr gut ohne dich zurecht, Dankeschön. Und jetzt pack deinen Schwanz ein und verpiss dich!“ Sie gab ihm einen Schubser, der ihn in die Umstehenden torkeln ließ, die ihn mit ihrem Lachen verfolgten, bis er auf wackeligen Beinen aus der Bar gewankt war. Immer noch mit schmerzverzerrtem Gesicht.

Dan traute immer noch seinen Augen nicht. Träumte er gerade? Oder hatte er einen Schlaganfall? Er pikste sich selbst in die Seite. Nee, war alles noch in Ordnung. Das hier war gerade wirklich passiert. Robin drehte sich um, sie sah zufrieden aus und aufgeräumt. Irgendwie schaffte er es seinen Blick auf Sam zu lenken, die mit ungefähr dem gleichen Ausdruck wie er da stand. Bewunderung, Überraschung, Freude. Nur, dass bei ihr noch was anderes durchschien. „Ich liebe dich“, blubberte sie auf einmal hervor, starrte immer noch Robin an. Dans Ohren wurden rot. Das hatte er bestimmt nicht hören sollen. Jetzt kam Bewegung in die beiden Frauen, sie trafen sich in der Mitte und begannen wild zu knutschen. Okay! Dan drehte sich weg und begann die neugierigen Zuschauer zu verscheuchen, die die Show mehr als nur genossen. Hailey blieb übrig, die sah genauso peinlich berührt aus wie er und sie drehten der Szene den Rücken zu. „Ich konnte sie nicht aufhalten, sie ist einfach rüber gerannt“, raunte sie ihm zu. Er nickte anerkennend. „Hätt' ich ihr gar nicht zugetraut.“ Hailey verschränkte die Arme und sah zum Eingang der Bar hoch. „Ich auch nicht.“

So standen sie eine Weile da, Schulter an Schulter. Dan wagte einen Blick nach hinten. Nope! Die knutschten immer noch. Er räusperte sich. „Wir sollten ihnen die Zeit lassen, oder?“ „Jap, definitiv, keine Einmischung. Das muss raus.“ Hailey schüttelte vehement den Kopf. „War aber schon cool, oder?“, meinte Dan dann. Er rief sich die Szene nochmal in Erinnerung. Diesmal genoss er die Details. Auch wenn ihm einzelne Biertropfen mittlerweile in die Hose liefen. „Ziemlich.“ Er sah Hailey schuldbewusst grinsen. Sie mochte Gewalt nicht, aber das hatte sie beeindruckt. Sie beide. Robin hatte sich für Sam eingesetzt. Und wie! Da konnte er ihr gar nicht mehr böse sein. Das machte fast alle Punkte auf seiner contra-Liste zunichte.

„Kommt ihr zwei jetzt, oder was?“, sie drehten sich um. Sam stand da, mit breitem Grinsen und rotem Gesicht. Er sah, wie hektisch sich ihr Brustkorb hob und senkte. „Seid ihr endlich fertig, ja?“ Er zeigte sein breites Grinsen. Robin sah nicht besser aus als Sam, aber die beiden waren sehr zufrieden mit sich und der Welt. Sie bestellten eine Runde Schnaps für alle vier.

Der Rest vom Abend gestaltete sich wesentlich besser als er gedacht hatte. Sie zogen über diesen Baxter her, was für einen bescheuerten Aufstand er sich hier geleistet hätte. Sie tranken Schnaps, Wasser und Bier, bis sie alle nicht mehr so richtig gut geradeaus gucken konnten. Sie laberten über alles Mögliche und Unmögliche. Robin hielt sich immer noch ein wenig zurück, aber sie beteiligte sich zumindest. Dans Befürchtungen hatten sich eingedämmt. Er hatte keine Ahnung wieso, aber ihr war Sam unglaublich wichtig. Wichtig genug, dass sie sich vor einer kompletten Bar mit einem Ex-Lover anlegte und wild herumknutschte.

Als sie schließlich die Bar verließen und mehr Arm in Arm nach Hause wankten, da fühlte er sich gut. Und das hatte nicht nur mit dem Alkohol zu tun. Es war beruhigend zu wissen, dass seine Schwester in guten Händen war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  TropiFrutti
2017-10-17T19:01:56+00:00 17.10.2017 21:01
💔
Auch eine sehr schöne Geschichte. Allerdings nicht so fluffig & witzig wie die andere, sondern eher das genaue Gegenteil. Weil man ja leider weiß wie es endet. Trotzdem gefällt mir die Situation, wie sich Dan mit Hexe aka Drache abfinden muss und wie Sam & Robin so herrlich locker miteinander sind. Zumindest zum Schluss xD
Dennoch find ich es toll auch von Sam und ein paar anderen Charakteren mehr erfahren zu haben. Vor allem von Samantha. So wurde die Geschichte nochmal um einiges deutlicher. Außerdem finde ich es schön einen kleinen Eindruck von Daniel erhalten zu haben :D
Vielleicht schafft es ja Sam irgendwann so locker in der Öffentlichkeit herumzuknutschen ;-)

Dan ist/war mir sehr sympatisch - auch wenn er es Henry sicher nicht immer leicht gemacht hat, wie sein kleiner Gastauftritt zeigt. Es ist so rührend, wie Dan sich bemüht hat, sich um seine "Schwestern" kümmert. Umso trauriger ist es, dass er nicht mehr da ist. Ich verstehe, warum er eine solche Lücke hinterlassen hat.

Also, alles in allem einen zauberhafte Geschichte.
Ich finds schade, dass ich Dan nie "kennenlernen" durfte.... ich mochte ihn.




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