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Auf der anderen Seite des Lichts

von

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Feinschliff

Panik breitete sich in Darks Körper aus.

Auf was hatte er sich bloß eingelassen?!

Er war sich sicher, er würde auf dem harten Stein unter ihm zerschmettert werden, sobald sich das Kraftfeld auflösen und ihn freilassen würde.

Mit heftig schlagendem Herzen versuchte der junge Mann, einen Blick in die Tiefe zu werfen. Das allgegenwärtige, blaue Licht war jedoch dermaßen hell, dass Dark die Augen nicht einmal für eine Sekunde offenhalten konnte.

Jeder Anlauf, seine Fallhöhe auszumachen, endete mit demselben Ergebnis: Ein stechender Schmerz schoss durch Darks Augäpfel bis in seinen Hinterkopf und der junge Mann kniff geblendet die Lider zusammen.

Der Maskierte amüsierte sich königlich über die Angst seines Begleiters und lachte leise hinter Darks Stirn. „ Oh, hätte ich dich etwa warnen sollen, dass eine Überquerung einer Weltengrenze kein Zuckerschlecken ist? Das muss mir wohl entfallen sein… Ich wollt‘ es täte mir leid…“

Dark merkte, wie sich jede Faser seines Körpers bis zum Zerreißen anspannte, was seine innere Eisdecke aufsplittern ließ, und mörderische Wut seinen Nacken heraufkroch.

Er hasste es, wenn es jemand wagte, Scherze über eine seiner Schwächen zu machen.

Dann kam er sich nackt und schutzlos vor – und hilflos wollte er auf gar keinen Fall sein!

Es war schlimm genug, dass er gegen die Gnadenlosigkeit seines Schicksals nichts hatte ausrichten können.

Am liebsten hätte Dark den ungebetenen Gast umgehend aus seinem Körper geschmissen. Da er jedoch wusste, dass er dazu nicht in der Lage war, setzte er stattdessen zu einer zynisch-bissigen Entgegnung an.

Doch bevor er dem Schattenmann detailliert ausbreiten konnte, für wie liebreizend er ihn hielt, ging ein Ruck durch Darks Leib, so als hätte er aus vollem Lauf abrupt abgestoppt, und er hatte auf einmal wieder das Gefühl, festen Boden unter den Füßen zu haben. Auch die blendende Helligkeit hinter seinen Lidern schien sich allmählich zurückzuziehen.

„Ah! Da hast du es auch schon überstanden. Ein Glück, dass wir angekommen sind, bevor du reisekrank geworden bist.“

Die Gehässigkeit des Maskierten ließ den Zorn in Darks Magengegend explodieren und der junge Mann umklammerte das Schwertheft in seinen Händen derart fest, dass er glaubte, der stählerne Griff müsste zwischen seinen Fingern zerbrechen.

Alles an ihm lechzte danach, den Schattenmann für seine Unverschämtheit zu bestrafen!

Dieser bemerkte die rasende Wut, die in seinem Wirtskörper pulsierte, und höhnte: „Zu blöd, dass du mir jetzt nicht den Hals umdrehen kannst, was? Ich glaube, ich werde noch ein wenig länger in deinem Leib bleiben als vereinbart, damit du Gelegenheit hast, dich wieder zu beruhigen.“

Die Kiefer fest zusammenbeißend presste Dark zwischen den Zähnen hervor: „Irgendwann musst du da rauskommen – und dann kann dir nicht einmal mehr dein Meister helfen. Verlass dich drauf!“

Abseits seines Zorns machte die Wankelmütigkeit des Maskierten Dark Bauchgrimmen.

Was, wenn Ganon genauso unzuverlässig war wie sein Schatten und Absprachen änderte wie es ihm gerade beliebte?

Wie sollte Dark reagieren, wenn der Dämonenprinz Zelda immer wieder als Druckmittel einsetzen würde, damit Dark Dinge für ihn erledigte, obwohl Ganon in Wirklichkeit gar nicht vorhatte, die Beiden je zusammenzuführen?

Der junge Mann schwor sich, Ganon notfalls eigenhändig zu töten, sollte dieser es wagen, seiner zweiten Chance im Weg zu stehen!
 

Der Schattenmann schwieg verblüffender Weise zu diesen Gedanken und Dark überlegte, ob der andere endlich registriert hatte, dass er zu weit gegangen war und nicht über einen schwächlichen Schuljungen, sondern über einen ernstzunehmenden Gegner gescherzt hatte.

Derlei Überlegungen verwarf der junge Mann jedoch schnell wieder, als er bemerkte, dass sich das blaue Licht inzwischen vollständig zurückgezogen hatte.

Blinzelnd schlug Dark die Augen auf – und keuchte vor Überraschung.

Er schien sich überhaupt nicht vom Fleck bewegt zu haben!

Die Halle, in der er nun stand, sah auf den ersten Blick absolut identisch aus wie der geheime Raum in der Schattenweltzitadelle. Erst mit Verzögerung bemerkte Dark die unscheinbaren Unterschiede wie zum Beispiel die sieben Embleme, die in den Stein des untersten Treppenplateaus gemeißelt worden waren.

Als er die Neugierde seines Begleiters spürte, erklärte der Maskierte: „Das sind die Zeichen der sieben Weisen. Aber die brauchen dich nicht weiter zu kümmern. Wir sollten uns lieber auf den Weg zu Ganon machen.“

Dark schob das schwarze Master-Schwert unter seinen Gürtel und stieg langsam die Plattformen herab, um auf den Ausgang zuzustreben.

„Erzähl mir trotzdem mehr darüber.“ Sein Groll gegenüber dem Maskierten wurde durch seinen Wissensdurst vorerst zur Seite geschoben.

Hinter der Stirn des jungen Mannes ertönte ein langgezogenes Seufzen, so als sei der Schattenmann unsäglich genervt von Darks Interesse.

Dennoch erklärte er: „Vielleicht weißt du, dass die Mittelwelt wesentlich jünger ist als das Licht- und das Schattenreich. Sie entstand erst, als die Göttinnen den Abstand zwischen Schatten- und Lichtwelt vergrößerten und die Grenzen verstärkten. Du musst wissen, bis dahin war es relativ leicht gewesen, zwischen den Welten hin und her zu wechseln. Den Göttinnen, die ihre zierlichen Näschen gestrichen voll hatten davon, dass ständig Eindringlinge von dem Überfluss des Lichtreichs angelockt worden waren, reichte es jedoch nicht, nur den Weltenwechsel zu erschweren. Deshalb erschufen sie die Mittelwelt als zusätzliche Barriere zwischen Licht- und Schattenreich.“

„Und was haben diese sieben Weisen damit zu tun?“ Dark war inzwischen im Kirchenschiff angekommen und sah sich fasziniert um. Die Kirche sah nahezu genauso aus wie ihr Gegenstück aus der Schattenwelt.

„Einige Bewohner des Lichtreichs waren mit der Politik der Göttinnen nicht einverstanden“, fuhr der Maskierte fort, während Dark drei riesige, funkelnde Edelsteine auf einem Altar bewunderte.

„Diese Lichtwesen waren der Meinung, die Göttinnen seien unnötig grausam und versuchten, Din, Farore und Nayru dazu zu bewegen, Licht- und Schattenreich zu verschmelzen und eine Dämonendimension zu erschaffen, anstatt eine weitere Welt der Gefahr von Monsterübergriffen auszusetzen.“

„Klingt vernünftig“, pflichtete Dark bei und ließ seinen Blick zu einer erhöhten Bodenplatte mit dem Zeichen eines Weisen darauf gleiten.

Was das wohl sein mochte?

Statt sich danach zu erkundigen, fragte er jedoch: „Warum sind die Göttinnen auf diesen Vorschlag nicht eingegangen?“

Dark spürte das Schulterzucken des Maskierten in seinem Geist, als dieser antwortete: „Das weiß niemand. Möglicherweise reicht ihre Macht nicht zur Erschaffung einer ganzen Dimension. Ich persönlich glaube allerdings, dass sie den Luxus ihrer Lichtwelt schlicht und ergreifend nicht teilen wollten.“

„Hm-mh.“ Dark nickte, obwohl sein Begleiter dies nicht sehen konnte. Egoismus und Raffgier passten ziemlich gut zu dem Bild, das er sich im Laufe seines Lebens von den Göttinnen gemacht hatte.

In seinen Augen waren Din, Farore und Nayru weitaus grausamer als so mancher Dämonenkönig.

Der Schattenmann sprach unterdessen weiter: „Diese acht Lichtwesen konnten sich trotz ihres Versagens bei den Göttinnen nicht damit abfinden, dass die Mittelwelt schutzlos bleiben sollte. Warum sie allerdings derartige Gewissensbisse gegenüber den Bewohnern der Schattenwelt nie hatten, wird wohl auf ewig ihr Geheimnis bleiben…“

„Weil wir für die Lichtwesen der Abschaum der Schöpfung sind“, stieß Dark bitter aus. „Wir sind die schwarzen Schafe der Familie, die man aus Scham, so etwas in der Verwandtschaft zu haben, zu keinem Fest mehr einlädt.“

Der Neid auf die Bewohner der anderen Welten ätzte sich wie Säure durch das verletzte Herz des jungen Mannes, der nicht merkte, dass sein Begleiter seinen Hass auf die Göttinnen gezielt nährte, um ihn vollständig auf Ganons Seite zu ziehen.

„Ja, da magst du Recht haben“, stimmte der Maskierte zu. „Doch was auch immer die Gründe für ihre Ignoranz dem Schattenreich gegenüber gewesen sein mögen, fest steht, dass diese acht Lichtwesen die Göttinnen dazu überredeten, das Triforce zu erschaffen. Dabei handelt es sich um ein mächtiges Relikt, das demjenigen, der es in den Händen hält, seinen innigsten Wunsch erfüllt. Anschließend haben sie sich von den Göttinnen in die Mittelwelt bringen ließen, wo sie das Wissen über das Triforce verbreiteten und mit ihren besonderen Fähigkeiten über die Bewohner dieses Reiches wachen.“

Dark lehnte sich neben dem Kirchenausgang gegen die Wand und erinnerte sich daran, dass Arn Link mal erzählt hatte, dass jeder Mensch je ein Gegenstück in den anderen beiden Welten hatte.

Deswegen fragte er irritiert: „Also haben acht Bewohner der Mittelwelt ihren Lichtdoppelgänger hier herumlaufen? Sorgt das nicht für einige Verwirrung?“

„Nein. Hast du mir nicht zugehört?“, tadelte der Schattenmann. „Die Magie der Göttinnen kann keine Körper transferieren.“

„Also schweben die Lichtwesen jetzt körperlos durch die Gegend? Wie können sie dann die Welt vor irgendetwas beschützen?“

Der Maskierte stöhnte als hätte Dark eine seltendämliche Frage gestellt.

„Die Lichtwesen bedienen sich einer ähnlichen Strategie wie mein Meister. Sie nisten sich in den Körpern ihrer Doppelgänger ein. Allerdings unterwerfen sie die eigentlich in den Leibern hausenden Seelen nicht, sondern melden sich erst, wenn sie gebraucht werden. Wenn einer der Körper stirbt, kehrt die unsterbliche Seele des Lichtwesens kurzfristig in das Lichtreich zurück und wartet dort auf die Wiedergeburt seines Doppelgängers.“

„Verstehe.“ Dark wollte sich bereits von der Wand abstoßen und die Zitadelle verlassen, als ihm etwas auffiel. „Warte! Du sagtest, es gäbe sieben Weise, aber acht Lichtwesen in der Mittelwelt. Was ist mit dem Achten?“

„Das ist“, der Schattenmann klang als grinse er süffisant, „der Herr der Zeiten.“

Wie vom Donner gerührt, erstarrte Dark in der Bewegung.

Wenn er Ganons Auftrag ausführte, würde er auf einen Schlag zu dem einzigen Link seiner Generation werden…

Auf einmal fühlte sich das Ausmaß der Mission deutlich schwerwiegender als bislang an und Dark musste unwillkürlich daran denken, wie er als Kind davon geträumt hatte, eines Tages zusammen mit seinen Doppelgängern zu spielen.

Plötzlich erschien es ihm noch falscher als zuvor, den Herrn der Zeiten zu töten.

Doch dann stahl sich Zeldas Antlitz vor sein geistiges Auge und sein innerer Widerstand gegenüber Ganons Aufgabe fiel in sich zusammen wie ein Kartenhaus.

Mit seiner Frau zusammen sein zu können, war für ihn jedes Opfer wert – selbst, wenn er ganz genau wusste, dass es eigentlich nur eine Illusion war.

Dennoch konnte er das penetrante Gefühl nicht abschütteln, sich in ein riesiges Schlamassel manövriert zu haben…
 

Dieser Eindruck verstärkte sich sogar noch, als Dark und sein Körper besetzender Begleiter die Zitadelle verließen.

Das Hyrule-Stadt der Mittelwelt war ein Schock!

Fast alle Häuser waren zu Ruinen verfallen, vom Marktplatz wehte der Gestank von verfaulendem Fleisch herüber und sogar der Himmel hatte sich zu einem bedrohlich wirkenden Schwarzlila verfärbt.

Dark fragte sich erneut, ob der Maskierte ihn in die Irre geführt hatte und er sich in Wirklichkeit gar nicht in der Mittelwelt, sondern noch immer im Schattenreich oder irgendeiner Dämonendimension befand.

Doch was hätte der Schattenmann davon, ihm etwas vorzugaukeln?

Dieser bemerkte die Zweifel des jungen Mannes und sagte mit einem enervierend-amüsierten Unterton in der Stimme, für den Dark ihn am liebsten geschlagen hätte: „Ich weiß, was du denkst. Aber du kannst dich wieder beruhigen. Ganon hat an der Hauptstadt der Mittelwelt lediglich ein Exempel statuiert, um den Rest des Reiches daran zu erinnern, dass Folgsamkeit dem Großmeister gegenüber stets von Vorteil ist.“

Ein ironisches Lachen ausstoßend antwortete Dark: „Welch poetische Umschreibung dafür, dass Ganons Regierungsstrategie auf Terror und Furcht fußt!“

Der Maskierte klang regelrecht eingeschnappt, als er entgegnete: „Die Bewohner der Mittelwelt sind außerordentlich stur und konservativ und ihr Glaube an die Göttinnen ist felsenfest. Ohne ein wenig Gewalt bringt man sie niemals dazu, sich neuen Perspektiven zu öffnen.“

„Dabei will Ganon natürlich nur das Beste für sie…“ Der Zynismus in Darks Stimme war nicht zu überhören, was den Schattenmann dazu veranlasste, einen hissenden Zischlaut der Empörung auszustoßen.

Während Dark mit schnellen Schritten über den zentralen Stadtplatz eilte und den durch die Gassen schlurfenden Zombies auswich, dachte der junge Mann, dass die Bewohner der Mittelwelt vom Regen in die Traufe geraten waren.

Der Glaube an die Göttinnen musste seiner Meinung nach zwangsläufig in Enttäuschung und Frustration enden und war deswegen abzulegen – da stimmte Dark mit seinem Begleiter überein. Ein brutaler Despot war in seinen Augen jedoch kein geeigneter Ersatz.

Wobei die Mittelwelt auch gar keinen Lückenfüller für eine überholte Religion brauchte, fand Dark.

Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten die Bewohner des Mittelreichs sowohl auf ihren Glauben wie auch auf die Gefolgschaft Ganon gegenüber verzichtet. Seiner Meinung nach sollte jeder der Schmied seines eigenen Glückes sein – ohne dabei Rücksicht auf andere Richtlinien als die des guten Zusammenlebens nehmen zu müssen.

Plötzlich stahl sich ein Bild vor Darks geistiges Auge, wie er die Welt von der Geißel Ganons befreite und den Bewohnern absolute Freiheit brachte.

Sein Herz machte einen zusätzlichen Schlag vor Begeisterung, doch der junge Mann verdrängte jeden Gedanken an diese Idee, bevor der Schattenmann in seinem Inneren etwas davon bemerken konnte.
 

Dieser lotste ihn mit knappen Anweisungen zum Nordende der Stadt, dorthin, wo im Schattenreich das Anwesen der reichen Familie gestanden hatte.

Dark erinnerte sich nur noch schemenhaft an das Blutbad, das er in der protzigen Villa angerichtet hatte.

Trotz der eisigen Ruhe, mit der er damals vorgegangen war, war er während der Morde völlig außer sich gewesen. Er hatte dermaßen neben sich gestanden, dass es sich für den jungen Mann so anfühlte als hätte jemand anderes diese abscheulichen Taten begangen und er wäre nur ein unbeteiligter, machtloser Zeuge gewesen.

Als hätte er nur eine besonders real wirkende Theateraufführung gesehen.

Dementsprechend fiel es Dark nicht sonderlich schwer, die Bilder seiner Vergangenheit abzustreifen und sich stattdessen auf seine Umgebung zu konzentrieren.

Am Horizont ragte eine beeindruckende, schwarze Burg mit imposanten Türmen in den dunklen Himmel hinauf. Als wäre es noch nicht abschreckend genug, dass das Bauwerk selbst wie ein uneinnehmbares Bollwerk aussah, zog sich ein breiter Lavagraben rund um die Festung und machte sie auf den ersten Blick unerreichbar.

Dark schaute sich die Umgebung ein wenig intensiver an und erschauerte innerlich.

Soweit die Augen reichten, war kein Lebewesen zu sehen. Nicht einmal eine einzige Pflanze wuchs zwischen den Mengen an Sand und Felsgestein, die die Landschaft dominierten.

Die Gegend wirkte absolut tot.

Es hatte fast den Anschein als hätte es hier niemals ein Anzeichen für Leben gegeben.

Selbst die Wüste des Schattenreichs war weniger trostlos gewesen als dieses verödete, tote Land.

Um sich von der Stimme in seinem Hinterkopf abzulenken, die Dark eindringlich davor warnte, Ganons Wunsch zu entsprechen und den Herrn der Zeiten zu töten, frotzelte der junge Mann: „Wenn man sich hier umschaut, könnte man glatt den Eindruck gewinnen, Ganon fürchte sich vor irgendetwas oder -jemandem. Jedenfalls betreibt er einen beeindruckenden Aufwand, um sich zu verschanzen.“

„Mein Meister hat vor nichts und niemandem Angst! Er schätzt lediglich die Einsamkeit und will sichergehen, dass ihn niemand unbefugt stört“, zischte die aufgebrachte Stimme des Maskierten in Darks Kopf.

Dark suchte nach einer bissigen Bemerkung, doch seine Schlagfertigkeit zerplatzte wie eine Seifenblase, als sich plötzlich eine Rauchsäule an seiner Schulter bildete.

Erschrocken riss der junge Mann die Augen auf und starrte wie gelähmt auf den schwarzen Qualm, der direkt aus seinem Körper zu kommen schien.

Was im Namen der Göttinnen war das?!

Noch bevor Dark sich von seinem Schrecken erholen konnte, materialisierte sich der Rauch zum Arm des Schattenmannes, der aus Darks Leib herausragte.

Mit heftig schlagendem Herzen beobachtete Dark wie sich die Handfläche des Maskierten zur Festung ausrichtete und einen Strahl dunkler Energie zu einem Kristall neben dem Eingangstor herüberschießen ließ.

Obwohl der Schattenmann sich ausschließlich der eigenen Magie bediente, wurde Darks Körper von einem intensiven Kribbeln erfasst und der junge Mann wäre am liebsten davongelaufen.

Es fühlte sich an als säßen Millionen winziger, umherwuselnder Ameisen direkt unter seiner Haut.

Das angsteinflößende Schauspiel dauerte jedoch zum Glück nur wenige Augenblicke, dann löste sich der Arm wieder auf und zog sich in seinen Wirtskörper zurück. Nur ein paar Herzschläge später schob sich auf einmal eine Brücke über den Lavagraben und gab den Weg zum Burgeingang frei.

Dark atmete tief durch und sammelte sein gesamtes Selbstbewusstsein, bevor er mit geradem Rücken, gestraften Schultern und hoch erhobenem Haupt auf den Einlass zu marschierte.

Er war fest entschlossen, Ganon von Anfang an zu zeigen, dass er kein Bediensteter war und die Erledigung des Auftrags des Dämonenprinzen nur deswegen in Erwägung zog, weil die Mission seinen eigenen Interessen entgegenkam.

Ganon sollte spüren, dass er es bei Dark mit einem Geschäftspartner, nicht mit einem Lakaien zu tun hatte.
 

Das Innere der Festung war von einer eigentümlichen Mischung aus Prunk und Funktionalität beherrscht. Überall lagen blutrote Langflorteppiche, die jedes Geräusch von Darks Schritten schluckten. Doch was aussah wie protzige Zierstatuen, erwies sich bei genauerer Betrachtung als eine Reihe gefährlicher Steinzyklopen, die jedem Eindringling Strahlen magischen Feuers entgegenschleuderten.

Während er sich von dem Schattenmann in den höchsten Turm dirigieren ließ, fragte Dark sich erneut, warum jemand, der derart mächtig sein sollte wie der Maskierte es über Ganon behauptete, so viele Sicherheitsmaßnahmen brauchte.

Entweder war die schier unermessliche Stärke des Dämonenprinzen nur Legende oder Dark unterschätzte dessen Rivalen, den Herrn der Zeiten.

Die unendlich wirkende Treppe zu Ganons Thronsaal hinaufsteigend, fragte sich der junge Mann, ob er sich den Kampf gegen seinen Doppelgänger womöglich zu einfach vorstellte.

Doch wie sollte jemand, der körperlich mit ihm identisch war, kräftiger sein als er selbst?

Er hatte immerhin den Großteil seines Lebens kämpfend verbracht und eine ausgezeichnete Ausbildung genossen.

Ob dasselbe für den Link dieser Welt galt?

Brennende Neugierde breitete sich in Dark aus, aber er schob sie bestimmt zur Seite, als er endlich das Ende der Treppe erreichte und vor einer gewaltigen, metallbeschlagenen Tür stehenblieb.

„Klopf an und warte, bis mein Meister dich hereinruft, um ihm Respekt zu zollen“, riet der Maskierte mit eindringlicher Stimme.

Dark zog die Unterlippe zwischen die Zähne und lauschte auf die Klänge einer Orgel, die durch den Turm schallten.

Es war vermutlich das Klügste, Ganon nicht zu verärgern, doch jegliches unterwürfiges Verhalten war Dark zuwider. Selbst Shadow hatte er sich nur deswegen untergeordnet, weil er den alten Assassinen bewundert und respektiert hatte.

Der Gedanke an seinen ehemaligen Lehrer schnürte Dark die Luft ab und ließ ihn impulsiv handeln.

Vom empörten Aufschreien des Schattenmanns begleitet, riss der junge Mann ohne Klopfen die Tür auf und marschierte schnurstracks in den Raum, so als gehöre ihm die Burg.

Er achtete Ganon nicht.

Weshalb also sollte er ihm Respekt zollen?

Der hünenhafte Mann, der vor einer gigantischen, aus Gold und Stahl gefertigten Orgel saß, stellte sein Spiel ein und wandte mit einem zornigen Gesichtsausdruck den Kopf, um den impertinenten Eindringling in Augenschein zu nehmen.

„Wer hat dir erlaubt, einzutreten?“

Ganons Stimme klang fast genauso wie die seines Schattens, wirkte jedoch voller. Offenbar verlieh ihr der vollständig menschliche Leib einen größeren Resonanzkörper, was zu einem weitreichenderen Hall führte.

Der Maskierte löste sich so schnell wie möglich aus Darks Leib und ließ den jungen Mann vor Schmerzen aufstöhnen.

Es fühlte sich an als würden seine innersten Organe mit einem Ruck aus seinem Körper gerissen. Anscheinend hatte sein Leib sich inzwischen an die Anwesenheit des Schattenmanns gewöhnt und wollte diesen nun nicht wieder hergeben.

„Vergebt mir, Meister. Ich konnte ihn nicht aufhalten.“ Dark war bei dem kriecherischen Ton des Maskierten überrascht, dass der Schattenmann keinen Bückling machte.

Ganon drehte sich auf seinem Klavierhocker vollständig zu seinen Gästen herum und durchbohrte seinen Diener mit einem stechenden Blick aus seinen bernsteinfarbenen Augen.

„Ah, mein Phantom. Du bist noch immer ein Fehlschlag, wie ich sehe. Wenigstens hast du mir den richtigen Schattenweltler gebracht.“

Dann wedelte Ganon einmal mit der Hand und der Maskierte verpuffte mit einem leisen Schrei. Alles, was von ihm zurückblieb, war ein schwarzer Ring auf dem Teppich, der aussah als hätte man einen Bannkreis in die Wolle gebrannt.

Dark, der noch immer mit den Austrittsschmerzen kämpfte, riss schockiert die Augen auf. Er hatte seinen Begleiter zwar nicht sonderlich gemocht, dennoch empfand er das Ende des Schattenmanns als ungerechtfertigt grausam.

Ganon ließ seinen Blick zu Dark herüberwandern und musterte den jungen Mann so intensiv, dass dieser sich plötzlich nackt fühlte.

Trotzig das Kinn vorreckend straffte Dark die Schultern und starrte so unbewegt wie möglich zurück.

Nach einem langen Moment verzog Ganon die vollen Lippen zu der Andeutung eines Lächelns und er wandte sich wieder seiner Orgel zu. Über die Schulter hinweg fragte er Dark: „Du weißt, was von dir erwartet wird?“

Der junge Mann biss die Zähne fest zusammen und versuchte, die brodelnde Wut darüber, wie ein Diener behandelt zu werden, zu ignorieren.

Wenn er Ganon die Stirn bieten wollte, durfte er sich keinerlei Gefühlsregung anmerken lassen.

„Ich bin hier, weil man mir sagte, du hättest mir ein Angebot zu machen.“ Dark war selbst überrascht, dass er es bewerkstelligte, seine Stimme eben und fest zu halten.

Der Klavierhocker quietschte leise, als Ganon sich wieder umdrehte und sein Gegenüber mit neuem Interesse betrachtete.

Seine Mundwinkel zuckten, bevor er schließlich in schallendes Gelächter ausbrach. „Wie ich sehe, hat man mir einen rebellischen Geist ins Haus geholt.“

„Einen rebellischen Geist mit einem scharfen Schwert.“

Ein wölfisches Grinsen huschte über Dark, als er ganz bewusst diese Formulierung wählte, die gleichzeitig eine Preisung seiner Fähigkeiten als Assassine und eine Drohung sein konnte.

Eine Augenbraue in die Höhe ziehend sagte Ganon: „Ich habe keine Lust, meine Zeit mit der enervierender Protzerei eines einfachen Meuchelmörders zu verschwenden. Deswegen lass es uns kurz und knapp machen: Nimmst du den Auftrag an?“

Die Gelassenheit des Dämonenprinzen ließ Dark einen Schauer über den Rücken laufen.

Ganon wirkte so selbstsicher als hegte er keinerlei Zweifel daran, dass ihm niemand etwas anhaben konnte.

Vielleicht hatte er seine Burg aus nostalgischen Gründen wie eine Todesfestung entworfen und nicht aus Angst?

Hatte das Schloss seines Vaters womöglich ähnlich ausgesehen?

Obwohl sich nervöse Anspannung in Dark breit machte, bemühte sich der junge Mann um einen latent hochnäsigen Tonfall, um deutlich zu zeigen, dass er sich nicht einschüchtern ließ: „Wenn die Bezahlung stimmt, ja.“

Ganon nickte und ließ seinen Blick zu den bodentiefen Buntglasfenstern schweifen, die sich wie ein Kaleidoskopgürtel um den ganzen Raum zogen.

„Du willst die Prinzessin, richtig? Zelda?“

Der Titel irritierte Dark noch immer, doch auch dieses Mal fragte er nicht nach, warum sein Gegenüber Zelda eine Prinzessin nannte.

Stattdessen entgegnete er: „Ja. Kannst du mir eine Zukunft mit ihr garantieren?“

„Sicher.“ Ganon streckte seine langen Beine aus und zog ein genervtes Gesicht.

Offenbar langweilte ihn diese Unterhaltung zusehends.

Dennoch fragte Dark nach: „Ist sie hier? Kann ich sie sehen?“

„Nein. Aber ich werde dafür sorgen, dass du ihren Aufenthaltsort erfährst, sobald du den Herrn der Zeiten getötet hast.“

Mit diesen Worten schwang der Dämonenprinz sich auf die Beine und strebte an Dark vorbei auf die Tür zu. Über die Schulter hinweg rief er diesem zu: „Aber bis du Link gegenübertreten kannst, brauchst du noch ein wenig Feinschliff. Komm mit.“

Für einen Moment gaffte Dark Ganon verdattert hinterher.

Von was redete er?

Und konnte man ihm trauen?

Dark wurde das Gefühl nicht los, dass der Dämonenprinz versuchte, ihn übers Ohr zu hauen.

Seine Versicherung, dass Dark eine Zukunft mit Zelda haben würde, war zu schnell gekommen und hatte einen merkwürdigen Unterton gehabt.

Irgendetwas war faul an der ganzen Sache, das spürte Dark deutlich.

Doch konnte er es riskieren, die letzte Chance auf ein Leben mit Zelda zu verbauen, indem er Ganon verprellte?

Vielleicht irrte er sich ja und sein schlechtes Gefühl entsprang allein der Tatsache, dass er eine natürliche Abwehr Dämonen gegenüber hegte?

Mit einem Knurren wirbelte Dark um die eigene Achse und folgte Ganon die Treppe hinab.

Er würde nie herausfinden, was vor sich ging, wenn er nur herumstand und Löcher in die Luft starrte!
 

Dark ließ sich von Ganon über so viele nach unten führende Treppen und durch eine derart große Anzahl verschiedener Gänge und Räume führen, dass der junge Mann die Orientierung verlor.

Befanden sie sich im Ost- oder doch im Nordflügel?

Und waren sie in einem ebenerdigen Stockwerk oder schon im Keller?

Dark wusste es nicht.

In diesem Teil der Burg gab es nicht mal Fenster, die es Dark erleichtert hätten, sich zurechtzufinden, und zu allem Überfluss glichen sich die gewölbeartigen Zimmer der Festung wie ein Ei dem anderen.

Mit einem Seufzen gestand Dark sich ein, dass er nicht einmal sagen konnte, ob sie womöglich schon seit Minuten im Kreis liefen.

Gerade, als der junge Mann Ganon fragen wollte, ob er sich möglicherweise in seiner eigenen Burg verlaufen hatte, stieß dieser die Tür zu einer riesigen Halle auf und die Worte blieben Dark im Hals stecken.

Der weitläufige, kreisrunde Raum sah aus wie ein Kolosseum – es gab sogar Zuschauerränge!

„Was ist das?“ Dark drehte sich staunend um die eigene Achse und ignorierte, dass seine Stimme seine Überwältigung verriet.

Ganon ließ seinen Blick schweifen als nähme er seine Umgebung erst jetzt wahr und zuckte mit den Schultern. „Auch der Herrscher einer ganzen Welt braucht ab und an ein wenig Amüsement.“

Darks Augen zuckten zu dem Dämonenprinzen herüber und der junge Mann unterdrückte mit Mühe ein Schaudern.

Ganon ließ zu seinem persönlichen Spaß Kämpfer gegeneinander antreten?

Ob es sich bei diesen Schlachten um Kämpfe auf Leben und Tod handelte?

Abscheu dem Dämonenprinzen gegenüber machte sich in Dark breit und ließ ihn unwillkürlich die Nase rümpfen. Der junge Mann wusste zwar, dass er selbst bereits getötet hatte, aber er hatte niemals Freude dabei empfunden.

Tatsächlich war sein Geist dabei entweder von unkontrollierbarer Wut vernebelt oder von eisiger Leere erfüllt gewesen. Dark konnte sich nicht daran erinnern, je ein Leben beendet zu haben, während er sich selbst gespürt hatte.

Doch machte ihn das besser als Ganon?

Oder bedeutete dies nur, dass sein eigentliches Ich, Link, ein reineres Wesen, er als Dark jedoch genauso verderbt war wie der Dämonenprinz?

Dem jungen Mann dröhnte der Kopf, als er versuchte, diese Fragen zu erörtern.

Er fühlte sich auf einmal zerrissen und ausgefranst.

Bislang war er immer davon ausgegangen, dass die Namensunterscheidung ihm nur dazu diente, die Erinnerung an den unbedarften Jungen, der er einst gewesen war, nicht zu beflecken und Distanz zu seiner verlorenen Vergangenheit zu schaffen.

Allmählich bekam er jedoch das Gefühl, tatsächlich gespalten zu sein.

Konnte das sein?

Hatte er wirklich zwei Seiten? Zwei Persönlichkeiten?

Von plötzlicher Panik erfasst, schob Dark derlei Gedanken schnell beiseite und eilte Ganon hinterher.

Es war allerhöchste Zeit, dass er diesen letzten Auftrag erledigte und zur Ruhe kam, bevor er sich noch völlig verlor…
 

Ganon hatte inzwischen eine Reihe enger Zellen auf der gegenüberliegenden Hallenseite erreicht und war vor einem der Kerker stehengeblieben. Dark trat an ihn heran und betrachtete den darin befindlichen Mann, der sich in einer Ecke auf einem Strohhaufen zusammenkauerte.

Der Gefangene war sehr groß und schien eine ähnliche Statur zu haben wie der Dämonenprinz, der mit seinem stämmigen Rumpf und den breiten Schultern eine imposante Erscheinung war. Am Körper des Fremden hingen zerfetzte Lumpen, die aussahen als wären sie einst prachtvolle Kleider gewesen, und das lange, dunkelblonde Haar war von grauen Strähnen durchzogen und verfilzt.

„Wer ist das?“

Dark konnte sich keinen Reim darauf machen, weshalb Ganon ihn zu diesem Gefangenen gebracht hatte, nachdem er davon gesprochen hatte, Dark brauche noch Feinschliff, bevor er gegen den Herrn der Zeiten antreten konnte.

Die Mimik des Dämonenprinzen blieb völlig unbewegt, doch seine Augen loderten auf wie ein neuentfachtes Feuer, als er antwortete: „Dies ist der ehemalige König der Mittelwelt. Er wird dein Trainingspartner sein.“

Bevor Dark nachfragen konnte, worin sein Training bestehen sollte, hob der Gefangene den Kopf und Schattenweltler vergaß schlagartig, was er hatte sagen wollen.

Shadow!

Der Schock, seinem ehemaligen Lehrer und Schwiegervater ins Gesicht zu sehen, war derart immens, dass Dark zurücktaumelte als hätte ihn jemand geschubst.

„Das… Das kann nicht sein…“

Jegliche Farbe wich aus dem Gesicht des jungen Mannes und er hatte das Gefühl, zu ersticken. Sein Hirn weigerte sich strikt, zu verarbeiten, was seine Augen sahen.

„Du kennst seinen Schattenwelt-Doppelgänger?“, fragte Ganon in süffisantem Ton. „Das hätte ich mir aber auch denken können, wo du dich so sehr für Zelda interessierst… Ich hoffe, du hast dich nicht zu sehr erschrocken.“

Wie benebelt wandte Dark den Kopf und starrte den Dämonenprinzen fassungslos an.

Das Funkeln in Ganons Augen verriet, dass er bestens Bescheid wusste, was zwischen Dark und seinem Schwiegervater vorgefallen war, und er den jungen Mann genau deswegen zu diesem Gefangenen geführt hatte. Das breite Grinsen in seinem Gesicht zeigte deutlich, dass Ganon mehr als zufrieden war mit seinem Plan und Darks Reaktion.

Was für ein Monster!

Dark wollte angewidert zurückweichen, doch in diesem Moment stürzte der ehemalige König ans Gitter und brüllte: „Ich warne dich, Ganondorf, lass meine Tochter aus dem Spiel!“

Der Dämonenprinz lachte zur Antwort laut auf, während Dark sich vor lauter sich überschlagender Gedanken ganz schwindelig fühlte.

Zeldas Doppelgängerin war die Tochter von Shadows Mittelwelt-Pendant, das der König von Hyrule gewesen war.

Das machte sie tatsächlich zur Prinzessin des Reiches…

… und zu einer erbitterten Gegnerin Ganons.

Sie würde nie mit ihm zusammen sein, wenn er im Sinne des Dämonenprinzen handelte!

Dark fühlte sich als würde ihm seine Zukunft entrissen, noch bevor sie überhaupt angefangen hatte. Doch dann besann er sich auf die halbgare Idee, die er gehabt hatte, als er Hyrule-Stadt betreten hatte.

Er würde Ganon töten und damit nicht nur der Welt Frieden und Freiheit bringen, sondern auch Zeldas Herz gewinnen!

Vorerst brauchte er den Dämonenprinzen jedoch noch, um den Aufenthaltsort des Mittelwelt-Pendants seiner Frau zu erfahren. Diesen würde Ganon jedoch nur preisgeben, wenn Dark seinem Wunsch entsprach und den Herrn der Zeiten tötete – was auch seinen eigenen Zielen entgegenkam.

Für den Moment wollte er daher mitspielen und Ganon in Sicherheit wiegen, indem er ihm Loyalität vorgaukelte.

Seine innere Mitte wiederfindend, nickte Dark dem neben ihm stehenden Mann zu. „Ich war überrascht, den Doppelgänger meines Schwiegervaters zu sehen“, gab er zu, „aber nun bin ich bereit. Was soll ich tun? Welche Art Training stellst du dir vor?“

Ganon ließ seinen Blick mit einem listigen Grinsen am ausgezehrten Körper des ehemaligen Königs von Hyrule herab nach unten gleiten, während er antwortete: „Ich will, dass du lernst, jede Bewegung deines Kontrahenten perfekt zu kopieren und trotzdem einen Weg zu finden, ihn zu besiegen. Der Herr der Zeiten soll sich bei eurem Aufeinandertreffen fühlen als kämpfe er gegen sein Spiegelbild, bevor du ihn tötest.“

„Alles klar.“ Um seine besondere Entschlossenheit zu symbolisieren, wandte Dark sich um und trabte zur Mitte der Arena, ohne eine Entgegnung Ganons abzuwarten.
 

Dark hatte kaum den Kampfplatz erreicht, als hinter ihm bereits das kreischende Schleifen eines zur Seite geschobenen Riegels erklang. Der junge Mann verzog das Gesicht zu einem angewiderten Ausdruck und wandte sich um.

Sofern es sich nicht um das Geräusch zweier aufeinanderprallender Waffen handelte, hasste Dark den Klang von Metall au Metall. Wann immer er ihn hörte, spannten sich seine Nackenmuskeln an und es prickelte in seinen Fingerspitzen, so als wollte er die sich an einander reibenden Komponenten mit Gewalt voneinander trennen.

Ganon warf einen kurzen Blick über die Schulter hinweg zu Dark, der eine Hand wie zufällig auf das Heft des Master-Schwerts gelegt hatte und mit krausgezogener Nase in Richtung der Zelle sah.

Dann wandte sich der Dämonenprinz an den Gefangenen: „Wenn es dir gelingt, meinen Kämpfer zu besiegen, schenke ich dir die Freiheit.“

Die Augen fest auf den wartenden Dark geheftet, fragte der ehemalige König Hyrules: „Wessen bist du dir derart sicher? Dass der Junge mir überlegen ist oder dass ich auf freiem Fuß keine Gefahr für dich darstelle? … Oder Beides?“

Ganon zuckte mit den Schultern und Dark wunderte sich stumm über die Eleganz, die diese Bewegung des großen, grobschlächtig wirkenden Mannes ausstrahlte. Ohne die Frage des Königs zu beantworten, zog Ganon wortlos die Zellentür auf und trat zur Seite.

Der Gefangene ließ seinen Blick zu dem beinah gelangweilt erscheinenden Dämonenprinzen herüberschnellen und schien etwas abzuwägen. Dark hätte in diesem Moment einiges darum gegeben, hinter die Stirn seines Kontrahenten sehen zu können.

Über was mochte er wohl nachdenken?

Spielte er im Geiste seine Chancen für den Kampf durch?

Aber warum schaute er dann zu Ganon statt zu Dark?

Nein…

Dark war sich sicher, dass der ehemalige König keinen Gedanken an ihr bevorstehendes Gefecht verschwendete. Er schien tatsächlich seine gesamte Aufmerksamkeit dem Dämonenprinzen zu widmen.

Sein Gewicht auf das linke Bein verlagernd, betrachtete Dark die beiden Männer, die sich gegenseitig anstarrten – der eine mit einem stoisch-gelangweilten Ausdruck im Gesicht, der andere zornig-abschätzend wirkend. Während er sich am Nasenflügel kratzte, dachte Dark, dass er einen Freund, der ihn verraten hatte, wohl auf dieselbe Weise ansehen würde wie der König Ganon.

Erklärte dies die seltsame Spannung zwischen den Beiden?

Waren der hylianische König und der Dämonenprinz einst durch eine Freundschaft verbunden gewesen, bis Ganon schließlich Verrat begangen und das Land erobert hatte?

Bevor Dark sich ernsthafte Gedanken darüber machen konnte, riss sich der ehemalige König von Ganon los und richtete seinen Blick auf den jungen Schattenweltler. Dann streckte er wortlos eine Hand in Richtung Ganon aus. Dieser griff an seinen Gürtel und zog ein Schwert, dessen Heft er in die offene Handfläche des Gefangenen legte.

Kaum dass sich die Finger des Königs um den Schwertgriff geschlossen hatten, setzte dieser sich in Bewegung und stapfte mit leicht schleppenden Schritten auf Dark zu. Ganon sah ihm einen Moment mit unleserlicher Miene hinterher, bevor seine Füße die Bodenhaftung verloren und er zur Tribüne herüberschwebte.

Bei diesem Anblick schnappte Dark überrascht nach Luft.

Bis auf Vögel, einige Insekten sowie Vogel- und Drachendämonen hatte er noch nie ein Lebewesen gesehen, das fliegen konnte.

Er hätte niemals gedacht, dass ein menschlicher Körper zu so etwas in der Lage sein könnte!

Da er jedoch keine Zeit hatte, den Dämonenprinzen fasziniert anzustarren, schob der junge Mann seine Verblüffung so schnell er konnte zur Seite und konzentrierte sich stattdessen auf seinen sich langsam nähernden Kontrahenten.

Wie Dark gehofft und gleichzeitig befürchtet hatte, war das Bewegungsmuster des Königs nahezu identisch mit Shadows.

Diese Ähnlichkeit würde es Dark einfacher machen, jede noch so kleine Geste perfekt zu kopieren, da er sie seit Jahren kannte. Sie brachte jedoch auch unliebsame Erinnerungen zurück, die sich wie sprießendes Gras durch die Risse in seinem Eispanzer schoben, die in seinem Elternhaus entstanden waren.

Während er das Nahen des Königs beobachtete, sah Dark gleichzeitig seinen Meister vor sich.

Bilder ihrer gemeinsamen Trainingskämpfe schoben sich vor Darks inneres Auge und brachten eine Flut verdrängt geglaubter Emotionen mit sich.

Obwohl für Dark außer Frage stand, dass er in Arn seinen einzigen Vater sah, musste er sich eingestehen, dass er Shadow ganz ähnliche Gefühle entgegenbrachte wie dem Mann, der ihn gezeugt, den Grundstein seiner Erziehung gelegt und sein Leben für ihn riskiert hatte. Der lange Jahre Hunger gelitten hatte, damit sein Sohn nichts entbehren musste…

Rückblickend betrachtet war Dark klar, dass Shadow das Fundament, das Arn gelegt hatte, weiter ausgebaut hatte. Er hatte sich damals eines verwirrten Waisen angenommen und einen jungen Mann aus ihm gemacht, der lieben und ein vollwertiges Mitglied einer Gesellschaft sein konnte.

Ohne Shadow hätte Link niemals das Leben mit Zelda führen können, das er so sehr genossen hatte.

Dark liebte Shadow für all die Wärme, all das Verständnis und die schier unendliche Geduld, die dieser ihm stets entgegen gebracht hatte, wie seinen Vater. Er war ihm unsagbar dankbar für all die Zeit und Mühe, die der Assassine in ihn investiert hatte, ohne je eine Gegenleistung zu erwarten.

Gleichzeitig hasste Dark seinen Meister jedoch auch aus tiefster Seele.

Die Knöchel des Schattenweltlers färbten sich weiß, als er bei dem Gedanken an Zeldas Tod und Shadows letztem Besuch in ihrem Haus das Schwertheft noch fester umklammerte.

Er hatte Shadow gesagt, dass er ihn nicht hatte begleiten wollen, aber sein Schwiegervater hatte ja nicht lockerlassen können!

Dabei hatte Dark ihn sogar noch an die vermehrten Dämonensichtungen erinnert und vor einem möglichen Angriff auf das Dorf gewarnt!

Mit Tränen in den Augen gestand Dark sich endlich ein, dass er seinen Schwiegervater deswegen so inbrünstig hasste, weil dies einfacher war als der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Denn in Wirklichkeit gab er gar nicht Shadow die Schuld an Zeldas Tod, sondern sich selbst.

Er hasste sich!

Er hasste sich dafür, dass er sich von Shadow hatte überreden lassen, ihn auf seine Mission zu begleiten.

Er hasste sich dafür, dass er nicht auf sein Gefühl gehört hatte.

Er hatte es besser gewusst und war trotzdem gegangen…

Bevor Dark vollständig in Selbstmitleid versinken konnte, zischte eine Schwertschneide knapp an seinem linken Arm vorbei. Es war allein dem intensiven Training und der jahrelangen Routine des jungen Mannes zu verdanken, dass er gerade eben noch ausweichen konnte.

Wann war ihm der König so nah gekommen?

Und wann hatte er zum Schlag ausgeholt?

Dark wusste es nicht.

Er war derart tief in seiner Gedankenwelt gewesen, dass er seine Umgebung völlig ausgeblendet hatte.

Seine Waffe ziehend, schob Dark die Erinnerungen an Shadow und alle damit verknüpften Gefühle bestimmt zur Seite. Wenn der König kämpfen konnte wie Shadow, konnte Dark sich keine Unaufmerksamkeit leisten.

Denn im Gegensatz zu den Trainingsgefechten mit seinem Lehrmeister war dieses hier blutiger Ernst…
 

Der König ließ Dark kaum Gelegenheit, in den Kampf zu finden, und attackierte ihn ohne Unterlass.

Trotz seiner flinken Reflexe hatte der junge Schattenweltler sichtlich Mühe damit, sich zu verteidigen. Er musste dringend etwas mehr Raum zwischen seinen Kontrahenten und sich bringen, um einen größeren Aktionsradius zu haben.

Sich unter einem Schlag hinweg duckend, ging Dark in die Knie und rammte dem König den Knauf seines Schwertes in den Magen. Dieser krümmte sich augenblicklich mit einem Stöhnen zusammen und gab Dark so die Gelegenheit, sich mit einem Satz nach hinten in eine bessere Ausgangsposition zu bringen.

„Du sollst seine Bewegungen imitieren und nicht herumkaspern!“, donnerte Ganons zornerfüllte Stimme von der Tribüne herunter.

Dark warf dem Dämonenprinzen einen schnellen Seitenblick zu und wünschte ihm im Stillen, er möge sich an seiner eigenen Zunge verschlucken.

Sah das hier etwa aus als hätte er Gelegenheit für irgendwelche Sperenzchen?!

Ganon würde seine «Spiegelvorstellung» schon noch bekommen…

Hustend richtete sich der König wieder auf und bewegte sich erneut auf Dark zu. Dieses Mal war jener jedoch voll bei der Sache und konzentrierte sich auf die Details der Bewegungen seines Kontrahenten.

Dank seiner ausgezeichneten Ausbildung im Bereich des Beobachtens fiel es Dark nicht besonders schwer, selbst die kleinsten Feinheiten zu bemerken.

Während er die Haltung des Königs exakt kopierte, dankte er Shadow stumm für die unzähligen, qualvoll langen Stunden, die sein Lehrer ihn dazu gezwungen hatte, seine Augen zu schulen.

Als der König erneut zum Schlag ausholte, kopierte Dark die Attacke, sodass ihre Klingen laut kreischend aufeinandertrafen. Der ehemalige Regent versuchte, Dark mit roher Körpergewalt in die Knie zu stemmen, doch dieser hielt mit genauso viel Kraft dagegen.

Frustriert sprang der König zurück und Dark tat es ihm gleich, so als wäre er sein Spiegelbild. Selbst den verkniffenen Zug um die Lippen des älteren Mannes imitierte Dark perfekt.

Auf diese Weise zog sich der Kampf in die Länge, ohne dass einer der beiden Kontrahenten sich einen Vorteil verschaffen konnte. Während er die unablässigen Angriffe des Königs kopierte und auf diese Weise abwehrte, suchte Darks Geist fieberhaft nach einer Möglichkeit, das Gefecht für sich zu entscheiden.

Wie sollte er einen Treffer landen, solange er nur die Bewegungen des anderen nachahmte?

Doch als der König zu einem Diagonalschlag ansetzte, kam Dark eine Idee. Anstatt die Attacke exakt zu kopieren, veränderte er den Winkel seines eigenen Angriffs fast unmerklich, sodass seine Klinge nicht auf der Hälfte des Weges gegen die Schneide des ehemaligen Regenten traf, sondern stattdessen auf die Halsbeuge des größeren Mannes zielte.

Der König erstarrte in der Bewegung und brach den Angriff abrupt ab, als der Stahl des Master-Schwerts seine Halsseite berührte. Blut quoll aus der feinen Schnittwunde hervor und rann in einem dünnen Rinnsal zum Schlüsselbein herab.

Mit angstgeweiteten Augen starrte der ehemalige Regent zu Dark herab, der seinen Angriff im letzten Moment abgebrochen hatte und nun mit unbewegter Miene zu seinem Gegenüber heraufsah.

Als der König nach einem langen Moment begriff, dass der junge Mann ihn verschonen wollte, schossen ihm Tränen in die Augen und er ließ sein Schwert fallen. Vor Dankbarkeit waren seine Finger auf einmal so schwach, dass sie das Gewicht der Waffe nicht mehr halten konnten.

Ganon applaudierte verhalten und forderte: „Bring es zu Ende.“

Panik machte sich im Brustkorb des Königs breit und er hätte am liebsten laut aufgeschluchzt.

Ihm hätte klar sein müssen, dass Ganondorf seinen Tod forderte…

Resigniert schloss der König die Augen, um den tödlichen Stoß nicht sehen zu müssen.

Wenigstens musste er auf diese Weise nicht mehr mit ansehen, wie Ganondorf sein geliebtes Hyrule zu Grunde richtete.

Er konnte nur hoffen, dass es Zelda gelingen würde, dem Großmeister des Bösen irgendwie zu entkommen.

Zur großen Überraschung des ehemaligen Regenten zog Dark seine Klinge jedoch zurück und rief dem Dämonenprinzen zu: „Ich werde diesen armen Mann nicht töten.“

„Und warum nicht?“ Ganon erhob sich von seinem Sessel und stützte seine Hände auf dem Geländer vor sich ab. Alles an ihm war eine unausgesprochene Drohung, doch Dark ließ sich nicht einschüchtern.

Stattdessen straffte der junge Schattenweltler die Schultern und antwortete: „Ich habe keinen Grund, sein Leben zu beenden. Sein Tod ist nicht Bestandteil unserer Abmachung.“

Der König blinzelte unter halbgeschlossenen Lidern zu Dark herunter und betrachtete ihn das erste Mal wirklich.

Wer war dieser sonderbare Mann, der es nicht nur wagte, Ganondorf die Stirn zu bieten, sondern auch noch völlig furchtlos dabei wirkte?

Irgendwie kam Darks Gesicht dem König bekannt vor.

Es erinnerte ihn vage an einen jungen Mann, der vor langen Jahren als Hauptmann in der königlichen Garde gedient und ebenfalls ein recht loses Mundwerk gehabt hatte. Ein vielversprechendes Talent, das viel zu früh dahingerafft worden war…

Konnte es sein?

War dieser mysteriöse Kämpfer vielleicht der Sohn des Hauptmanns?

Ganon funkelte Dark zornig an, bevor er in herausforderndem Ton fragte: „Und wenn ich es zu einer Bedingung unseres Handels mache?“

Dark verengte die Augen zu Schlitzen und fauchte zurück: „Dann sehe ich erst recht nicht ein, weshalb ich diesen armen Mann töten sollte. Denn dann kann ich mich auf gar keinen Bestandteil unserer Abmachung verlassen, weil du die Regeln offenbar nach Gutdünken änderst. Wenn dem so ist, suche ich Zelda lieber selbst!“

Der König betrachtete Dark mit neuem Interesse.

Was wollte der Fremde von seiner Tochter?

Und auf welcher Seite stand er?

Machte es ihn zu einem Feind Hyrules, dass er offenbar mit Ganondorf handelte, oder machte es ihn zu einem Freund Hyrules, dass er dem Großmeister des Bösen so furchtlos die Stirn bot?

Der König wünschte, er wüsste mehr über Darks Motive und er hätte eine Möglichkeit, seine Tochter vor möglichen Gefahren zu warnen.

Zelda war die letzte Hoffnung Hyrules!

Dark und Ganon starrten sich unterdessen zornig an, was den Schattenweltler an sein Blickduell mit dem Phantom erinnerte.

Doch anders als sein Schatten, gab der Dämonenprinz nicht auf, sondern brach in schallendes Gelächter aus. „Wenn du glaubst, mir gewachsen zu sein, bist du noch naiver als ich dachte.“

Mit diesen Worten streckte Ganon einen Arm aus und spreizte die Finger.

Zunächst war Dark von dieser Reaktion irritiert, doch dann schoss ihm ein furchtbarer Schmerz durch den Körper. Es war als hätte sich sein Innerstes plötzlich in eine Feuersäule verwandelt.

Vom Schock gelähmt, registrierte Dark nur mit Verzögerung, dass sich sein Leib ohne sein Zutun bewegte und er langsam sein Schwert hob.

Der König stolperte bei diesem Anblick einige Meter zurück und schaute überrascht zu Ganon herüber, der seine Finger bewegte als hingen Marionettenfänden an ihren Spitzen.

„Was tust du?“

Der Dämonenprinz verzog einen Mundwinkel zu einem listigen, schiefen Grinsen. „Ich nutze das Dämonische in ihm, um seinen Körper zu kontrollieren.“

Dark stemmte sich mit voller Macht gegen die ungewollte Bewegung, was den Schmerz in seinem Inneren noch verstärkte. Es fühlte sich an als rissen all seine Muskelzellen der Länge nach auf, doch er schaffte es, seinen Arm zum Stillstand zu zwingen.

Seine Stimme klang vor Anstrengung gepresst, als er rief: „Wie meinst du das? Ich bin ein Mensch! Ich habe keine Dämonenanteile in mir!“

Ganon nickte und wackelte mit einem Finger, was Dark gepeinigt aufstöhnen ließ. „Sicher. Dem war bis vor kurzem so. Doch als mein Phantom deinen Körper verlassen hat, ist ein Teil von ihm in dir zurückgeblieben.“

„Was?!“ Dark schnappte überrascht nach Luft, während sein Arm durch die verschiedenen an ihm zerrenden Mächte so heftig zitterte, dass das Master-Schwert in seiner Hand vibrierte wie eine Stimmgabel.

Der König sah sich unterdessen so unauffällig wie möglich nach Fluchtwegen um.

Vielleicht konnte er ja verschwinden, während Dark und Ganondorf mit einander beschäftigt waren…

Der Dämonenprinz stieß ein leises Lachen aus. „Es erstaunt mich, dass du noch nicht selbst auf diese Idee gekommen bist. Hat mein Phantom dir etwa nicht erzählt, dass das Master-Schwert nur noch von jemandem mit dämonischen Anteilen in sich berührt werden kann? Wäre nicht ein Teil meines Schattens in dir verblieben, könntest du diese herrliche Waffe gar nicht mehr führen.“

Dark erinnerte sich an den Schlag, den er bekommen hatte, als er das Master-Schwert in der Zitadelle der Schattenwelt angefasst hatte. Seit er in der Mittelwelt war, war so viel passiert, dass er daran gar nicht mehr gedacht hatte.

Er war Ganon in die Falle getappt…

Würde er nun für immer seine Marionette bleiben?!

Während Dark sich seine Zukunft in den düstersten Farben ausmalte, schnippte Ganon plötzlich mit den Fingern der anderen Hand, woraufhin der König in der Bewegung erstarrte. Lediglich die Augen des ehemaligen Regenten huschten noch hin und her.

„Tze, tze, tze…“, tadelte Ganon. „Hast du wirklich geglaubt, ich würde nicht bemerken, dass du dich davonstehlen willst?“

Dann bewegte er kopfschüttelnd die Finger und ein Ruck ging durch Darks Körper, der nun zum Schlag ausholte als arbeitete Dark gar nicht dagegen.

Mit wild klopfendem Herzen registrierte Dark, dass er dem König in wenigen Sekunden den Brustkorb spalten würde, und tiefe Trauer machte sich in ihm breit.

Wenigstens in dieser Welt hatte er Zeldas Vater retten wollen…

Dark dachte an Shadows Tod und sah wieder seine eigenen blutbefleckten Hände vor sich. Erst in diesem Moment wurde ihm klar, dass er sich nicht nur deswegen gegen die Tötung des Königs gesträubt hatte, weil er Ganon hatte zeigen wollen, dass er kein einfacher Diener war.

Er hatte das Unrecht, das er seinem Schwiegervater angetan hatte, wieder gutmachen wollen.

Stattdessen war er nun drauf und dran, es zu wiederholen…
 

Ein animalischer Schrei entstieg Darks Kehle, als er unter Aufbietung all seiner Kraftreserven das Master-Schwert von sich schmiss. Die heilige Klinge wirbelte durch die Luft, landete mit einem scheppernden Geräusch auf dem Boden und rutschte schlingernd über den Stein, bevor sie gegen eine Wand stieß und liegen blieb.

Dark krümmte sich unterdessen vor Schmerzen zusammen und jaulte und wimmerte als würde er tatsächlich von innen heraus verbrennen. Die dämonischen Anteile in ihm schienen Amok zu laufen und sich an ihm für seinen Widerstand zu rächen.

Ganon hatte die Augen vor Verblüffung weit aufgerissen und maß Dark nun mit einem nachdenklichen Ausdruck. Der zur Salzsäule erstarrte König betrachtete den sich windenden Mann zu seinen Füßen mit einer Mischung aus Sorge und Bewunderung.

Dark war von seinen Qualen derart absorbiert, dass er erst bemerkte, dass Ganon von der Tribüne herunter gekommen war und nun neben ihm kniete, als dieser ihn ansprach: „Ich schätze es nicht, wenn man meine Befehle verweigert. Aber ich habe Respekt vor Stärke und Mut. Deswegen schenke ich dir eine zweite Chance.“

Kaum dass der Dämonenprinz ausgesprochen hatte, löste sich das Flammenmeer in Darks Innerem auf und der junge Mann schnappte gierig nach Luft. Sein gesamter Leib war schweißgebadet und zitterte vor Anstrengung wie Espenlaub.

Ganon richtete sich wieder auf und fuhr fort: „Denke jedoch daran, dass ich nie wieder so gnädig zu dir sein werde. Wenn du deinen Auftrag zu meiner Zufriedenheit erledigst, werde ich dir wie versprochen ein ruhiges Leben mit Zelda schenken. Solltest du mich jedoch noch einmal enttäuschen, steht dir dasselbe Schicksal bevor wie Johanson.“

Mit diesen Worten wedelte Ganon mit der Hand und der König zerplatzte zu einer riesigen Staubwolke, so als hätte sein Körper tatsächlich nur noch aus Stein bestanden.

Dark riss reflexartig einen Arm nach vorn, obwohl er genau wusste, dass er nichts mehr tun konnte, um den Tod des ehemaligen Regenten zu verhindern.

Die Augen auf das weißgraue Puder gerichtet, das einst der König gewesen war, blinzelte Dark einige Tränen weg.

Er hatte schon wieder versagt…

Ganon hatte sich bereits dem Ausgang zugewandt und rief über die Schulter: „Folge mir. Dir fehlen noch ein paar Ausrüstungsgegenstände.“
 

Darks Beine fühlten sich noch immer zittrig und schwach an, als er dem Dämonenprinz einige Minuten später in einen Lagerraum folgte. Das Master-Schwert steckte wieder unter seinem Gürtel und schlug ihm bei jedem Schritt gegen den Unterschenkel, doch das nahm er nur am Rande wahr.

Sein Geist war vor Verausgabung und Schrecken wie betäubt.

Entsprechend emotionslos nahm er die Gegenstände entgegen, die Ganon ihm aushändigte: einen robusten Schild aus schwarzem Stahl, der mit Beschlägen aus geschwärztem Silber verziert war; eine dazu passende Scheide für das Master-Schwert; eine Art Kettenanzug aus engmaschig aneinander genähten Silberringen; ein weißes Hemd sowie eine Tunika aus schwarzem Samt mit dazu passender Zipfelmütze.

„Ich will, dass du wie das dunkle Spiegelbild des Herrn der Zeiten aussiehst – deswegen habe ich seine Kleidung bis ins Detail kopieren lassen.“ Ganon klang als wäre er sehr stolz auf seinen Plan, doch Dark hörte ihn kaum.

Der junge Mann starrte stattdessen die Tunika an und kämpfte mit seinem gebrochenen Herzen.

Warum nur musste dieses Kleidungsstück seinem Hochzeitswams so verdammt ähnlich sehen?!

Alles an Dark verzerrte sich schmerzhaft nach diesem glücklichen Tag.

Wenn er doch nur von diesem Zeitpunkt aus neustarten und alles besser machen könnte…

Um sich von seiner Trauer abzulenken, riss sich Dark geschwind die eigenen Kleider vom Leib und zog die neuen Kleidungsstücke an. Der Kettenanzug fühlte sich merkwürdig auf der Haut an, schränkte jedoch zu Darks Überraschung die Bewegungsfreiheit nicht ein.

Ganon betrachtete ihn kritisch und nickte dann. „Perfekt.“

Dark setzte die Mütze auf und fragte: „Wo finde ich den Herrn der Zeiten?“

„Er wird dich finden. Bleib einfach, wo du bist.“

Bevor Dark nachfragen konnte, wie Ganon dies meinte, legte der Dämonenprinz ihm zwei Finger gegen die Stirn und Dark wurde von einem schwarzlilafarbenen Licht eingehüllt. Das Licht wurde immer undurchdringlicher, bis es wie eine gläserne Wand wirkte.

Neugierig streckte Dark die Hand danach aus und stieß tatsächlich gegen eine feste Barriere.

Er wollte erschrocken aufschreien, doch dann wurde ihm der Boden unter den Füßen entzogen und Dark verlor das Bewusstsein.



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