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1. Kapitel

Potenzieller Anfang
 

Nedin konnte eigentlich nicht von sich behaupten, ein ruhiges Leben geführt zu haben; als er ein kleiner Junge war, brach in seinem Heimatland eine Revolution aus, die bald in einen Bürgerkrieg umschlug und ein paar Jahre später musste er, aus Gründen, die er bis jetzt nicht kannte, das Land verlassen und sich, bis zum heutigen Tage, von seinen Eltern verabschieden. Der kleine Junge war damals von seinem dunkelhäutigen und finster dreinblickenden Onkel in Empfang genommen und hatte mit ihm mitgehen müssen, über lange Wege in ferne Länder, wo die Wälder zu Dschungeln wurden und die Tiere zu Bestien. Sein Onkel war ein schweigsamer, geheimnisvoller Mann, der sich gut in der Natur und mit allerlei Pflanzen auskannte. Einige Jahre waren es wohl, die sie damit zubrachten durch das wilde Land zu ziehen und ihre medizinischen Kenntnisse anzubieten, bis sie in einer kleinen Stadt, in das Haus eines chronisch kranken Kaufmann kamen, der den Arzt nicht wieder gehen lassen wollte und ihm ein ordentliches Gehalt versprach. Er gab ihnen ein Zimmer an seinem Hof und zu Anfang schätzte er sie als Gäste aber sowie die Zeit verging, wurden besonders Nedin die schwersten Arbeiten angehängt; er musste Holz hacken, die Felder pflügen, Steine schleppen und Pflanzen aus dem tödlichen Dschungel sammeln. Seinen Onkel sah er immer seltener, er war Tag und Nacht mit dem Alten beschäftigt, denn seine Krankheit war längst nicht mehr zu heilen und so tat er alles um die Schmerzen des Kaufmannes zu mildern. Und dann starb der Alte eines Tages und der Onkel blieb mit seinem Neffen in der kleinen, grünen Stadt. Er richtete sich eine kleine Apotheke ein, mit einem Garten voller Kräuter und begann Nedin alles über die Heilkunst beizubringen. Am Abend spielten sie Schach, während Medizin und Essen auf dem Feuer vor sich hin köchelte. Zehn ruhige Jahre, zogen über ihn und seinen Onkel hinweg und jede Erinnerung an Unannehmlichkeiten verblasste langsam mit der Zeit und auch an seine Eltern dachte er immer weniger und er hörte sogar auf, sich die Frage zu stellen, warum sie ihn damals verlassen hatten.

Doch gerade in diesen Jahren ging eine grosse Veränderung mit dem Jungen durch und er wurde zu einem gut aussehenden, braungebrannten jungen Mann, mit dunklem, dichtem Haar und Wimpern, der sich gut auf sein Handwerk verstand. Er strich gerne im im Dschungel herum, der ihm längst nicht so Furchteinflößend erschien und traf sich dort gerne mit einem Mädchen, aus einem der kleineren Dörfern.

Auch die kleine Stadt erlebte eine Veränderung, sie vergrößerte sich stetig durch den Handel mit Tee, Gewürzen, Stoffen und sogar Elefanten und seltsame Kaufleute und Reisende aus aller Welt kamen, um sie zu besuchen. Darunter waren Menschen mit weisser Haut, sonderbaren Augen und Haaren und ebenso sonderbarer Kleidung, die viel Geld haben zu schienen und damit lediglich um sich warfen. Hin und wieder kam ein Grüppchen von ihnen an der kleinen Apotheke vorbei, Nedin hatte sie schon oft gesehen und bewundert, doch er hatte sich nie getraut sie anzusprechen, denn sie hatten auf ihn immer eine einschüchternde Wirkung gehabt. Auch heute kamen die weissen Reisenden die Strasse hinab, an seiner Apotheke vorbei, Nedins Onkel pflegte gerade einen alten Mann im Hinterzimmer, also hielt der Junge sich im Geschäft auf und richtete sich aufgeregt auf, als er sie näher kommen sah, denn aus den Geschichten seiner Freunde, hatte er gehört, er könne diesen Fremden jeden Preis nennen und sie würden ohne mit der Wimper zu zucken, kaufen, kaufen, kaufen. In seiner Aufregung fehlten ihm die Worte und so brachte er nur ein schüchternes Lächeln zu Stande, wo andere sie schon lange in ihr Geschäft eingeladen hätten. Die Frau an der Spitze, sagte etwas zu ihren Gefährten, in einer Sprache, die er noch nie zu vor gehört hatte und wies auf seinen Stand. Ein kleiner, dicker Fuehrer tauchte plötzlich hinter ihr auf und erklärte ihr wohl, was der Laden anzubieten hatte. Neugierig kamen sie näher und Nedin gab ihnen eine Einführung in die Heilpflanzen und Gifte des Dschungels und hastig übersetzte der kugelrunde Mann. Sein starker Akzent und die komische Stimme war offenbar nur schwer zu verstehen, denn die Leute runzelten die Stirn oder zogen die Augenbrauen hoch, aber Nedin meinte auch Unglauben oder Spott in ihren Augen sehen zu können. Glaubten sie etwa nicht an die Heilkünste seines Landes? Aber da er nicht an ihnen zweifelte, verkaufte er schliesslich Aloe Vera, verschiedene Haar- und Hautöle an die Frauen und ein Stimulus für die Verdauung für die Männer, zum doppelten Preis des Markt wertes. Als er den Preis nannte schweifte sein Blick für einen Augenblick zu ihrem Fuehrer, doch seine Miene verriet keine Regung und er sagte nichts. Jeder bezahlte und dann wünschten sie ihm ein höfliches Lebewohl in seiner Sprache. Mit einem etwas schuldbewussten Lächeln erwiderte er den Gruss und blickte ihnen nach. Mit einem unbehaglichen Gefühl in der Magengegend, sah er auf das viele Geld in seiner Hand herunter und fragte ob seine Freunde dieses Gefühl auch kannten, wenn sie kaltherzig den Reisenden das Geld aus der Tasche zogen.

Beim Abendessen, erzählte der Junge seinem Onkel von dem Besuch der Reisenden in seinem Laden und zeigte ihm seine Einnahmen, inzwischen war er das schuldbewusste Gefühl überkommen und rechtfertige vor sich selbst, dass wenn er es nicht getan hätte, hätte es ja jemand anderes getan. Da bebte der gewaltige Schnurrbart des Onkel, das tat er nur, wenn der sehr sehr wütend war. Nedin rutsche sicherheitshalber von ihm weg, denn es viel ihm nicht selten ein nach em Jungen auszuschlagen, wenn der etwas ausgefressen hatte. doch der Onkel dröhnte nur: “Du hast Schande über meine ehrbare, kleine Apotheke gebracht, sieh zu das du dich besserst. Ich bin sehr enttäuscht von dir!” Diese Worte trafen Nedin härter als jede Ohrfeige. Der Onkel musste diese Regung in seinem Gesicht gesehen haben, denn er fügte mit sanfter Stimme hinzu, “werden die Preise für die Reisenden gehoben, so werden sie ach stetig für die Einheimischen steigen, denn dem Produkt wird mehr wert zugesprochen, als es hat. Das Gleichgewicht gerät aus den Fugen!” Davon verstand Nedin noch nichts, also nickte er nur. Auch der Onkel schwieg für eine Weile.

“Zeig mir noch einmal deinen Arm!” verlangte er dann. Widerwillig schob er den Ärmel seines schmutzig weissen Hemdes hoch und zeigte ihm den Schlangenbiss. Es war jetzt schon zwei Monate her, das er dort gebissen wurde und die grosse Schlange hatte wohl kein Gift besessen, das war nicht weiter verwunderlich denn im Dschungel hausten viele Würgeschlangen. Auch die Wunder war ohne weiteres gut verheilt und trotzdem interessierte sich der Onkel weiterhin für sie. Nedin blickte an seinem Arm herunter auf die vernarbten Bissstellen und konnte nichts besonderes daran erkennen, sein Onkel jedoch betrachtete sie eingehend und Besorgnis funkelte in seinen dunkeln Augen auf. Er stand auf und zündete ein Bündel Räucherstäbchen an, dann ging er langsam in dem kleinen Raum umher und murmelte unverständliche Worte, während er den angenehm duftenden Rauch im Zimmer verteilte. Für einen kurzen Moment fuhr ein stechender Schmerz durch die Narbe und Nedins Arm zuckte unkontrolliert umher wie eine wildgewordene Schlange. Erschrocken griff er mit der anderen Hand nach seinem Arm, im ersten Moment gelang es ihm gar nicht ihn zu packen, dann presste er ihn mit Leibeskräften auf den Tisch, bis der Anfall schwächer wurde und vorüber ging. Zittern vor Schrecken und Anstrengung lag der Junge auf dem Tisch und umklammerte seinen Arm, er atmete schwer und der Schweiss rann ihm die Stirn hinunter. Der Onkel war hinter ihn getreten und legte ihm beruhigend die Hand auf den Rücken, er zog ihn auf den Stuhl zurück, gab ihm eine Decke zum umlegen und setzte sich ihm wieder gegenüber. Nedin brachte immer noch keinen Ton heraus, als der Onkel wieder sprach,“Nun ist es endlich klar, dein Biss stammt von einer Naga.” Er hielt einen Moment inne, wahrscheinlich um es in Betracht zu ziehen, dass er noch nie von einer Naga gehört hatte. Dann hob der Alte die Stimme, um fort an zu erklären; “Diese Schlangen sind von ganz besonderer Art, denn sie sind magisch. Meistens leben sie am Wasser, wachen über es und die Schätze die es in sich verbürgt. Sie beissen nur Äußerst selten und wenn dann trifft es nur die bösesten, abscheulichsten Menschen, mit den finstersten Absuchen, die noch dazu das Wasser der Naga verschmutzen. Ich habe aber auch von seltenen Fällen gehört, wo sie einen Mensch durch ihren Biss retten, oder ihm den Weg weisen wollen. Von vielen Dörfern und Städten, im Norden von hier, wird sie für heilig gehalten und sehr verehrt. Auch im Süden, in deiner Heimat, soll sie existieren, jedoch unter einem anderen Namen. Sie werden auch oft mit Gelehrten und Zauberern in Verbindung gebracht und es heisst sie wären auf ihre Weise allwissend.”,

“..eine Naga!”, murmelte Nedin schwach “was wird denn nun mit mir gesehen, bin ich verflucht, Onkel?”

“Ich hatte erhofft, das auch, durch mein Mantra, heraus zufinden, da muss ich mir wohl mit einer Niederlage eingestehen! Es ist zwar noch ein leichter Hauch von ihrer Magie in deinem Arm, die ihn so unkontrolliert zucken liess, aber sie scheint keinen Schaden an dir zu nehmen!”

Nach diesen Worten seufzte Nedin erleichtert auf, sein Onkel jedoch, sah nur noch beunruhigter aus!

Aber die Tage und Wochen vergingen, ohne weitere Inspektionen oder Heilungsversuchen, auch die kleine Narbe verschwand schliesslich ganz und weder Nedin noch sein Onkel sprachen weiter über den Vorfall. Die Tage wurden kurzer und das Wetter angenehmer und das rote Abendlicht bracht sich besonders schön in den grossen, ledrigen Blätter der Bäume. Die Nächte wurden kalt und dunkel und die grossen Wildkatzen erwachten aus ihrer Sommerträgheit. Man konnte ihre schrillen Schreie hören und manchmal kamen sie ganz nah an die Stadt heran, um ein oder zwei Kühe zu reissen. Es wurde gefährlicher allein im Dschungel herum zustreifen und so konnte Nedin seine Freundin nur noch selten sehen, denn in der Stadt gab es nicht viele geheime Orte, an denen sie sich hätten treffen können. Das Mädchen, Ayla, stammte aus der Kaste der Feldarbeiter und es war ihr nicht gestattet, mit Menschen ausserhalb dieser Kaste zu verkehren. Sie würde verbannt werden, wüsste ihre Familie von der geheimen Beziehung der Beiden. Sehnsüchtig erwartete der Junge das nächste grosse Festival, an dem die Bewohner der umliegenden Dörfer sich hier zusammen finden würden, damit er sie endlich wiedersehen könnte. Und nun war es bald soweit! Schon Tage zuvor, brach in den Strassen der Stadt, das reinste Chaos aus; jeder hatte Vorbereitungen zu treffen, ob es nun die Zutaten für das besondere Abendessen waren, oder die Opfergaben für die Götter, doch eines brauchten sie alle, Kerzen und Petroleum, denn es war das Festival der Lichter. Dazu schwappten riesige Wellen Reisender und Kaufleute durch das kleine Stadttor und füllten die Gasthöfe bis auf den letzten Platz aus. Das rege Treiben in den Gassen und auf den Plätzen, erzeugte eine ausgelassene Stimmung, die Alten kamen heraus, man hörte das juchzen spielender Kinder und die Frauen schmückten ihre Häuser mit Blumenketten und malten Ornamente auf den Boden, vor dem Eingang. An diesen Tagen hatte die Apotheke geschlossen, nur die Praxis im Hinterzimmer bliebt geöffnet für den Notfall, trotzdem hatte Nedin nichts anderes zu tun, als in den Gassen herumzustreifen, in der Hoffnung Ayla irgendwo zu erblicken. Er stieg die Stufen zum Tempel hinauf und liess seinen Blick über die bunte Menge schweifen. Der ganze Platz bewegte sich wie ein wildgewordener Armeisenbau, sodass er es schliesslich aufgab nach Ayla Ausschau zu halten, er schlenderte auf die Rückseite des kleinen Tempels zu, vorbei an den in Stein gemeißelten Figuren und Ornamenten, die ihn zierten und vielen Pilgern, die Barfuss auf dem Boden sassen, beteten oder leise miteinander sprachen. Hinter dem Gotteshaus lag ein kleiner Hof, eingeschlossen von den Behausungen der Priester auf der einen Seite und einer grün überwucherten Felswand auf der anderen Seite und in der Mitte stand ein grosser, wunderschöner Baum, der seine Äste weit in alle Richtungen ausstreckte und die Luftwurzeln die überall von ihnen herunter fielen, erweckten den Anschein einen Wald betreten zu haben. Der Lärm der Stadt wurde von den grossen grünen Blättern verschluckt und bunte Vögel sprangen von Ast zu Ast und sangen ihre Lieder. Unter dem Baum sass ein alter Mann, er war ganz in orange Tücher gekleidet, seine Arme, Beine und sogar sein Körper waren Spindel dünn, er hatte einen langen, ungepflegten Bart und buschige Augenbrauen, unter denen seine hellen Augen voll Lebenskraft funkelten. Vor ihm, in einer im Boden eingelassenen Feuerstelle, loderte ein kleines Feuer und auch wenn eine stetige Brise ging, stieg der weisse Rauch, wie eine Schnurr gen Himmel empor. So konnte man die Weisen, die Babas, immer erkennen, denn auch wenn nur manche von ihnen über besondere Fähigkeiten verfügten, eine Energie, die man fast schon Magie nennen könnte, floss in allen von ihnen. Manche Menschen behaupteten sie wären die Wiedergeburten der Götter andere sagten, sie haben ein Stück des Universums in sich, aber eines war sicher, es war keine Entscheidung ein Weiser zu werden, es war eine Berufung.

Nedin kam oft zu hier her, er liebte es mit dem Baba über die Dinge und das Leben zu philosophieren. Nedin bewunderte seine Weisheit und die Geschichten über seine früheren Reisen, denn es war auch ihre Bestimmung ferne Länder, mit anderen Kulturen zu besuchen, um von ihnen zu lernen. Je weiter dein Horizont ist, desto heller erstrahlt dein Geist, sagte der Weise dann immer und der Junge träumte davon durch seltsam geformte Landschaften zu ziehen und schöne Fabelwesen zu treffen, aber insgeheim dachte er, er würde niemals mehr hier aus dem kleinen Städtchen weggehen, die weite Welt hörte sich zu gross und unbekannt an, als dass er sie gegen sein normales Leben, seine Freunde und besonders Ayla und dem Onkel, eintauschen würde.

An diesem milden, sonnigen Nachmittag, sah der Blick des Weisen das erste Mal finster und getrübt aus, wie eine Gewitterwolke die sich langsam am Himmel auftürmte. Nedin wunderte sich, ob die vielen Menschen dem Weisen womöglich aufs Gemüt geschlagen hatten, denn er hatte nun auch fast ständig besuch, von vielen die seine Ratschläge erbaten. Er berührte den Boden vor dem Alten und setzte sich neben ihm auf den Boden.

“Ich Grüße dich, ehrenwerter Guru!”, sagte er respektvoll, der Weise nickte nur, doch seine Augen zwinkerten, das Lächeln auf seinen Lippen, blieb unter dem strubbeligen Bart versteckt. Sie schwiegen für einen Moment, indem der Alte einen Topf mit Tee aufgoss und ihn auf das Feuer stellte. Es loderte wie von Geisterhand auf und brachte das Wasser und die Milch sanft zum brodeln.

“Wie geht es deinem Onkel, hat er in diesen Tagen viel zu tun?” fragte er während er Nedin einen dampfenden Becher hinhielt.

“Es geht ihm gut, danke! Er hat nicht so viel zu tun, jeder ist mehr mit dem Festival beschäftigt, als damit krank zu sein!”, antwortete Nedin mit einem Lächeln. Wieder zwinkerten die Augen des Alten.

“Das ist gut, er kann eine Pause gebrauchen! Er sieht müde aus, wenn ich ihn sehe..”

“Ist mir auch schon aufgefallen, irgendetwas bereitet ihm schlechte Nächte, aber mit mir will er darüber nicht reden!”, er zuckte mit den Schultern.

Für einen Moment schweiften die Augen des Weisen in die Ferne und die Wolken darin, schienen noch dunkler zu werden. Er schwieg wieder und schwenkte nachdenklich den Becher mit seinem Tee.

“Ein finsterer Schatten zieht hier her, ich fühle es in jedem einzelnen meiner Knochen, etwas Bedrohliches kommt da auf uns zu..”, seine Stimme war zu einem rauen flüstern geworden, sodass es Nedin kalt den Rücken hinunter lief.



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