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Bedrohte Bestimmung

von

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Verwanzt

Agent Grayson ließ weder Dr. Cane noch seinen Anwalt aus den Augen. Beide Männer waren ihm suspekt – Dr. Maddock schwieg während der gesamten Befragung und Dr. Cane schien auf jede Frage die perfekte Antwort zu haben. Einstudierte Antworten.

„Bitte lassen Sie mir eine Abschrift der Befragung zukommen“, sagte Dr. Maddock während er seine Aktentasche zusammenpackte.

Grayson war überrascht. Der Mann konnte tatsächlich reden und saß nicht nur als Dekoration neben seinem Mandanten. Aber er wusste auch, dass man einen Anwalt nicht unterschätzen durfte. Mit aller Wahrscheinlichkeit würde er nachher mit seinem Mandanten das Gespräch analysieren und jedes Wort auf die Goldwaage legen. Falls Rückfragen durch das FBI kämen, würden sie die nächsten Antworten einstudieren.

Aus seiner bisherigen Recherche über Dr. Cane wusste Grayson, dass der Mann nicht unterschätzt werden sollte. In seiner Jugend und im Studium war Cane gesetzlich gesehen kein unbeschriebenes Blatt. Bis zu seinem 21. Lebensjahr lagen zwei Anzeigen wegen Körperverletzung und eine wegen Raub vor. Wegen der Minderjährigkeit waren die dazugehörigen Akten unter Verschluss und wurden Jahre später aus seinem Strafregister gelöscht. Hätte Grayson nicht besondere Kontakte, wäre er nie an diese besondere Information gekommen. Durch Cane Senior blieb dem jetzigen Geschäftsführer einiges erspart und er konnte froh sein, dass diese Eskapaden nie bekannt wurden.

„Aber natürlich“, nickte Grayson. „Ach eine Frage noch, Dr. Cane.“

Der Geschäftsführer blickte den Agenten irritiert an. „Ja, bitte?“

„Wussten Sie, dass Miss Saintemillion für das FBI arbeitet?“

Dr. Cane wurde blass um die Nase herum. „Ich…nein…das…ich wusste das nicht“, sagte er. Er brauchte eine Weile ehe er sich fasste. „Sie hat uns erzählt, dass sie in einem Verlag als Lektorin arbeitet.“

„Dort war sie beschäftigt, ehe sie zum FBI kam“, erklärte Grayson. „Sie lassen weder Ihre Angestellten, deren Familienangehörigen oder Freunde beschatten?“

„Natürlich nicht.“ Dr. Cane wurde lauter. „Was denken Sie von mir? Ich gehe doch nicht sofort davon aus, dass ich meinen Angestellten nicht vertrauen kann.“

„Ich verstehe“, gab Grayson von sich. „Ich hoffe, Sie verstehen jetzt, warum die Angelegenheit für das FBI von großer Wichtigkeit ist. Eine sehr geschätzte Kollegin wurde schwer verletzt und kämpft mit dem Überleben. Wir müssen unbedingt herausfinden, in welche Schwierigkeiten sie von Mr. Marone oder, was nicht auszuschließen ist, von Ihrer Firma gebracht wurde.“

„Wenn Sie meinen…“

„Mein Mandant wird natürlich alles tun, um Ihnen bei den Ermittlungen zu helfen“, antwortete Dr. Maddock.

„Ich habe nichts andreres erwartet“, sagte Grayson.

„Haben Sie weitere Fragen, Agent Grayson?“, wollte Cane anschließend wissen.

„Nein, das war alles. Sie können gehen.“ Grayson beendete die Aufnahme und sah den beiden Männern nach. Sofort stand er auf.

„Grayson, was haben Sie vor?“, raunte Shuichi in das Mikrofon.

„Ich bringe die Aufnahme zur Abschrift zu einem Kollegen. Wir treffen uns in einer halben Stunde im Konferenzraum C.“ Grayson entfernte das Earpiece, legte es auf den Tisch und nahm das Diktiergerät an sich. Ehe Shuichi auch nur die Möglichkeit hatte direkt mit ihm zu reden oder ihm zu folgen, war Grayson verschwunden.
 

Aufgewühlt betrat Shuichi den Konferenzraum. Das Verhör lief nicht wie gewünscht. Shuichi hatte Fragen, viele Fragen. Fragen, die er über das Mikrofon an Graysons Earpiece weiter gab und die von diesem ignoriert wurden. Seine Stimme wurde manchmal lauter, aber Grayson blendete die lauten Geräusche gänzlich aus.

Akais Blick glitt durch den Konferenzraum. Es war einer der kleineren Räume im Gebäude. Der Tisch stand in geöffneter U-Form vor einem großen Whiteboard. Neben Agent Grayson hatte bereits James Black auf der linken Seite Platz genommen. Schweigend tippte der ältere Agent auf seinem Laptop, als Laura den Raum betrat. Sie ging an ihrem Partner vorbei und setzte sich auf einen der freien Plätze.

Shuichi presste die Zähne aufeinander und trat an den Tisch. „Was sollte der Mist bei der Befragung, Grayson?“, wollte er wissen.

„Akai, beruhige dich“, fing Laura an. „Ich bin mir sicher, dass Grayson einen guten Grund hatte.“

„Da bin ich aber gespannt“, zischte Shuichi. „Sie haben alle meine Fragen ignoriert.“

„Agent Akai“, James schob den Laptop zur Seite und sah hoch. „Bitte nehmen Sie Platz. Wir werden die Situation in den nächsten Minuten sicher aufklären können.“

„Gut“, sagte Shuichi und setzte sich. Er war gespannt und ließ Grayson nicht aus den Augen. Der Agent verbarg etwas und es hatte mit Jodies Situation zu tun. Wieder war sie an jemanden geraten, der ihr nicht gut tat.

„Bevor Ihnen Agent Grayson alles erklärt, möchte ich DIE Zeit nutzen und ein paar Worte an Sie alle richten“, entgegnete der ältere Agent. „Ich habe vorhin mit Agent Starling telefoniert. Die Notoperation ist beendet und Jodie befindet sich in einem Zimmer auf der Intensivstation. Das Agententeam Fayden und Benett wird abwechselnd vor dem Zimmer Wache halten.“

„Wird Jodie wieder gesund?“, wollte Grayson wissen.

„Viel konnten wir noch nicht erfahren. Die Operation soll gut ausgegangen sein, aber bei der Schwere der Verletzungen muss man abwarten. Wir hoffen, dass Jodie morgen früh aufwacht und wir die Möglichkeit haben sie zu befragen. Ihr Vater wird in auch in wenigen Minuten zu uns stoßen.“

„Entschuldigen Sie die Störung.“ Agent Starling kam rein.

„Wir haben gerade von dir gesprochen. Setz dich zu uns“, sagte James ruhig.

Shuichi sah zu dem Agenten. „Agent Black teilte uns gerade mit, dass Jodie auf der Intensivstation liegt.“

Starling nickte. „Sie befindet sich auf dem Weg der Besserung“, entgegnete er lächelnd. „Meine Frau ist bei ihr und ich fahre später auch noch einmal hin. Aber jetzt möchte ich erst einmal wissen, was überhaupt passiert ist.“

Shuichi sah sofort auf Grayson. „Das war mein Stichwort“, sprach dieser. „Sie fragen sich sicher, was heute Nachmittag bei CMP passiert ist.“ Er sah zu James. „Sir, darf ich?“

„Natürlich“, nickte James.

Grayson zog den Laptop an sich und öffnete ein Programm. „Bitte hören Sie erst einmal zu, ehe Sie fragen stellen“, erklärte er und spielte eine Datei ab.

Die Ruhe wurde durch Schritte unterbrochen. Dann ein Klingeln – ein Summen – das Schlagen der Tür.

„Hey Sarah.“ Die Agenten hörten Jodies Stimme. Starling, Akai und McKnight hielten den Atem an. „Ist er noch im Büro?“

„Hey Jodie“, antwortete eine fremde weibliche Stimme. „Aber natürlich. Du kennst ihn doch. Er ist und bleibt ein work-a-holic. Die anderen haben schon Feierabend gemacht und ich geh jetzt auch. Wenn ihr geht, soll Nick bitte abschließen. Oh und er soll nicht vergessen den Summer auszuschalten. Wenn er es nicht tut und trotzdem abschließt, wird die Tür immer wieder versuchen einen Widerstand aufzubauen. Und irgendwann war es dann mit der Technik. Wenn das ganze System ausgewechselt werden muss, wird es teuer…und der Chef sauer.“

„Mach dir keine Sorgen, ich richte es ihm aus. Schönen Feierabend.“ Die Agenten hörten Schritte, gefolgt von einem Klopfen. „Nick?“, rief Jodie. Sie hörten, wie Jodie den langen Gang durch die Geschäftsräume ging. Dann herrschte für einen Moment eine angespannte Stille. „Nick?“, fragte Jodie ein weiteres Mal. „Nick?“ Schon wieder.

„Mhm…mhm…mhm…“ Die Geräusche waren nur schwach hörbar, aber sie strahlten Angst aus.

„Oh mein Gott, Nick, wer hat dir das angetan?“

„Ver…schwinde…“, presste er heraus.

„Aber…“

„Zu spät.“

Shuichi schluckte. Er ertrug vieles, aber dieser Moment verursachte ihm einen flauen Magen. Der erste Schuss hallte durch den Raum. Dann ein zweiter. Und ein Dritter. Die Agenten hörten wie Jodie und Nick auf dem Boden landeten. Die kurze Stille wurde durch zwei weitere Schüsse unterbrochen. Sie hörten ein Rascheln.

„Wo bist du?“, rief der Angreifer und bewegte sich auf Jodie zu. „Für deinen Freund war es das. Komm schon raus, ich finde dich eh und wenn du es mir so schwer machst, wird es am Ende wehtun.“

Die Agenten hörten kurz darauf einen Schlag und Jodies Schritte. „Hast du wirklich geglaubt, ich würde diesen Trick nicht durchschauen?“, wollte der Angreifer wissen.

Ein Schuss peitschte durch den Raum. Dann ein zweiter und ein dritter. Jodie lief so schnell sie konnte.

„FBI, bleiben Sie stehen und halten die Hände so, dass ich sie sehen kann“, rief Agent Grayson, ehe weitere Schüsse fielen.

Grayson lief und blieb bei Jodie stehen. „Alles in Ordnung bei dir?“

.„Danke…“, sagte Jodie. „Er hat…Nick umgebracht…du musst dich beeilen…er flieht durch das Fenster.“

„Ich schnapp ihn mir“, antwortete Grayson und lief los. Es herrschte wieder Stille, bis Grayson zurück zu Jodie kam. „Der Kerl ist weg. Wir schauen im Büro, ob wir ihn im System finden. Wenn er schon einmal aktenkundig wurde oder vorbestraft ist, finden wir ihn.“

Jodie antwortete nicht.

„Jodie?“

Wieder hörte man ein Rascheln als Jodie zur Seite kippte und Grayson seine Jacke auszog. „Halt die Augen offen, Starling. Der Krankenwagen ist schon auf dem Weg. Du gibst hier jetzt nicht auf, hast du mich verstanden?“

Jodie hustete mehrfach.

„Starling? Hör zu, du bist stärker als du denkst, du hältst hier durch. Denk an deine Familie.“

Grayson beendete die Aufnahme und räusperte sich. „Das war vorhin geschehen“, sagte er ruhig.

Shuichi war sich nun sicher, dass Grayson nicht der Angreifer war. Die Stimmen passten nicht zueinander. Die Stimme des Angreifers war tiefer, die von Grayson nicht. Dennoch blieb er skeptisch. „Sie hören Jodie ab?“

„Nun ja, das kann man so nicht sagen“, fing Grayson an. „Akai, Sie haben sich doch gewundert, warum ich Jodie in der Befragung immer als Miss Saintemillion betitelte und warum Cane glaubt, sie sei Lektorin.“

Akai nickte.

„Wir beide haben im letzten halben Jahr verdeckt an einem Fall gearbeitet. Es geht um Geldwäsche und Korruption und CMP und Dr. Cane stehen im Mittelpunkt unserer Ermittlungen. Aus diesem Grund war es notwendig, dass wir freien Zugang zu dem Bürogebäude haben. Deswegen gab sich Jodie auch als Nick Marones Freundin und später als Verlobte aus. Wie Sie vorhin gehört haben, versucht Dr. Cane ein freundschaftliches Verhältnis zu seinen Mitarbeitern zu pflegen. Wir wussten, dass er sofort auf die Beziehung von Jodie und Marone anspringen würde. Und so war es dann auch. Es gab diverse Essen und Jodie konnte sich im Büro frei bewegen, ohne dass es Aufmerksamkeit erregte.“ Grayson seufzte. „Aber wie Sie aus der Befragung von Dr. Cane heraus hören konnten, ist es nicht einfach an die gewünschten Informationen zu kommen. Ich konnte ihn allerdings aus dem Konzept bringen, als ich Jodies Zugehörigkeit zum FBI erwähnte. Ich hoffe, wir kommen so früher oder später an weitere Informationen.“

„Sie wollen mir also ernsthaft sagen, dass meine Tochter einem Mann Gefühle nur vorspielte, um in einem Fall für das FBI zu ermitteln?“, wollte Agent Starling wissen. Er schüttelte den Kopf. „Das passt nicht zu meiner Tochter. Das würde sie nie freiwillig machen.“ Starling sah zu James. „Ist das auf deinen Mist gewachsen? Habt ihr, ihr gesagt, dass sie das machen muss, wenn sie hier bestehen will?“

„Beruhige dich. Ich kann verstehen, dass du jetzt aufgewühlt bist, aber es gibt für alles eine Erklärung“, fing James an.

„Da bin ich mal gespannt“, murmelte Agent Starling.

„Natürlich hat Jodie ihm nichts vorgespielt. Es war Mr. Marone der uns auf die Machenschaften von Dr. Cane brachte.“

„Glauben Sie es oder lassen Sie es“, fügte Grayson hinzu. „Er kam zu uns und wir haben gemeinsam entschieden, dass sich Jodie als seine Freundin ausgibt. Jodie wusste, worauf sie sich einlässt. Sie kannte die Gefahr.“

„Kannte Marone diese auch?“, wollte Laura wissen.

„Ja. Nick Marone hat uns die ganze Zeit bei den Ermittlungen geholfen.“

„Und jetzt ist er tot.“ Shuichi verschränkte die Arme. „Wenn Cane ihm auf die Schliche kam, hat er möglicherweise jemanden engagiert, der Marone und Jodie ausschaltet. Wahrscheinlich hat der Täter gewusst, dass Jodie dort sein würde und hat extra gewartet.“

„Das können wir nicht ausschließen. Aber uns fehlen die Beweise. Wir sollten nicht vergessen, dass die Empfangsdame noch dort war. Man hätte etwas bemerken können.“ Grayson sah alle an. „Ich habe das Gesicht des Täters gesehen und bin deswegen auch direkt zu unserem Phantomzeichner gefahren. Wir suchen bereits nach ihm. Wenn er nicht aktenkundig ist, versuchen wir es über die Gesichtserkennung.“

„Was ist mit Cane?“, wollte McKnight wissen.

„Wir haben ein weiteres Agententeam auf ihn angesetzt. Wenn er verschwinden will, kriegen wir es mit und folgen ihm“, antwortete James. „Zur Sicherheit lassen wir auch seinen Anwalt Dr. Maddock beschatten.“

Akai lehnte sich nach hinten. „Wie wurde Marone auf die Machenschaften seines Bosses aufmerksam?“

Grayson nickte. „Ich werde Ihnen jetzt alles erzählen, was es zu wissen gibt.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Shu_Akai
2018-10-08T11:22:09+00:00 08.10.2018 13:22
Haha, bei dem Satz, das der Anwalt doch nicht als Dekoration neben seinem Mandanten sitzt musste ich voll lachen.
Jetzt bin ich gespannt, was man über Dr. Cane noch alles erfahren wird. Vielleicht hat seine Vergangenheit damit zu tun oder?
Da hat Agent Grayson seine Befragung trotzdem gut hinbekommen und sich nicht irritieren lassen, obwohl Shu laut geworden ist.
Also ist Jodie nicht wirklich verlobt gewesen sondern nur zum Schein?
Hat Marone es vielleicht durch Zufall herausgefunden mit der Korruption und Geldwäsche oder hat er selber in der Firma nachgeforscht?
Du machst es immer spannend 😍😍😍 ich freue mich, auf das nächste Kapitel
❤️💚

Antwort von:  Varlet
14.10.2018 22:04
Heyho,

vielen Dank für deinen Kommentar.
Richtig: Jodie war nur zum Schein verlobt. Da hat Shu ja noch mal Glück gehabt

Wie Marone alles heraus gefunden hat, wird im nächsten Kapitel behandelt - natürlich als Rückblende *kicher*

Viele Grüße und schönen Start in die Woche


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