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und dann war alles anders

von

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Dienstag, 21. August 2018 – Morgen

Ich muss gestehen, dass ich mich an das, was an diesem Tag geschah nur noch schemenhaft erinnere.

Alles begann – so schätze ich zumindest – sehr friedlich.

Da weder Marco noch ich großen Wert darauf legten gemeinsam zu essen, hatten wir es uns angewöhnt in der Küche zu frühstücken, während die Angestellten um uns herum wuselten.

Natürlich stets getrennt – klar, oder?!

Nana missbilligte das zwar, aber es war nun einmal nicht möglich uns beide an einen Tisch zu bekommen.

Na ja – außer man war unser Lehrer und setzte uns intelligenter Weise zusammen…

Ich hatte mir einen Cappuccino in meinen Thermobecher füllen lassen und schmierte gerade mein zweites Honigbrötchen, als unsere Küchenfee aufblickte und strahlend zu lächeln begann.

„Guten Morgen, Sir.“, begrüßte sie meinen Bruder, als dieser sich auf den Hocker neben mich fallen ließ.

Das war mir bereits zu viel.

An der Arbeitsfläche standen fünf Barhocker, warum musste er sich auf den neben meinem setzen?

„Morgen. Ich nehme das Gleiche wie sie.“, entschied er und wies mit dem Kopf zu Untermauerung in meine Richtung.

„Kommt sofort.“, entschied die Frau, ließ von meiner Tüte ab, die sie mit Schokobrötchen füllen wollte, und holte Besteck und Teller für Marco.

Ich stieß die Luft aus.

Frühstücken zusammen? Niemals. Soweit würde es im Leben nicht kommen!

Sie holte eines der noch warmen Gebäcke aus dem Ofen und schob ihm alles entgegen, als ich bereits nach meinem Proviant für die Schule angelte.

„Aber Miss Matthews, da fehlt doch noch eines!“, sie wies auf das letzte Brötchen, das auf einem Brett darauf wartete, geöffnet zu werden.

„Schon gut, Leila, drei reichen auch.“, erklärte ich, sprang von meinem Hocker und griff meinen Cappuccinobecher.

„Na gut, ich werde es für Sie aufheben. Dann können Sie es essen, wenn sie aus der Schule kommen.“, schlug sie vor und ich lächelte sie lieb an. Dass Marco über die Schulter zu mir sah, ignorierte ich einfach.

Wir hatten uns alles gesagt und gut war.

Schlimm genug, dass wir uns in wenigen Minuten in der Schule wiedersehen würden…

„Einen wunderschönen Tag für Sie, Miss.“

„Wünsche ich dir auch! Bis nachher!“, ich winkte ihr und verließ eilig das Haus.

Bloß schnell weg von allem.

Wie jeden Tag erwartete mich mein Auto auf der Einfahrt vor dem Haus. Es blitzte in der Sonne und ich konnte es wie immer kaum erwarten mich hinter das Lenkrad zu klemmen und am Meer entlang in Richtung Schule zu düsen.

Es war einfach ein Traum hier zu leben!

Ich warf meine Tasche in den Fußraum vom Beifahrersitz und stieg ein. Der Motor schnurrte wie ein Kätzchen und ich fuhr an.

Bis dahin merkte ich nicht, dass etwas schief lief…

Ich fuhr um das bunt bepflanzte Rondell vor der Eingangstür und bog auf eine beinahe leere Straße. Der Wind peitschte mir um die Ohren und die Sonne strahlte bereits heiß auf meinen Kopf.

Ich roch das Salz der See und hörte die Möwen kreischen.

Motiviert trat ich fest auf das Gaspedal und sang einen Track von meiner Playlist mit, als es in die erste Kurve direkt am Strand ging.

Viel zu schnell legte ich mich hinein und war froh sie noch gerade so zu bekommen.

Das war wohl etwas zu viel Motivation für diesen Morgen…

Ich trat auf die Bremse und…

Nichts.

Mein Wagen reagierte nicht im Geringsten.

Seltsam.

Ich trat noch einmal auf das Pedal.

Nichts.

Wieder und wieder versuchte ich es und legte mich gerade noch so in die nächste Rechtskurve.

Ein entgegenkommendes Fahrzeug hupte. Der Fahrer wollte mich wohl darauf aufmerksam machen, dass ich viel zu schnell unterwegs war – aber was sollte ich tun?

Panisch versuchte ich weiter den Wagen zum langsam werden zu bewegen.

Ich sah sogar hinunter, ob ich nicht doch – dämlich wie ich war – einfach ins Leere trat, aber nein.

Ich drückte sie.

Zehn

Elf

Zwölf

HALT DOCH AN VERDAMMT!

Ich sah hoch. Eine enge Linkskurve erwartete mich, dahinter eine Leitplanke, gefolgt vom Strand und dem Meer.

Dreizehn

Vierzehn

FÜNFZEHN, VERDAMMT!

Mein Wagen drosselte sein Tempo nicht, doch die Zeit schien still zu stehen.

Mein Herz raste.

Was sollte ich nur tun?

Welche Möglichkeiten hatte ich noch?

Egal, Hauptsache nicht in die Leitplanke fahren!

Ich schlug den Lenker ein.

Die Räder folgten.

Dann war es vorbei.

In voller Fahrt konnte ich die Kurve nicht mehr greifen. Mein Wagen schlug durch die Leitplanke und der Knall des Airbags vernebelte alles.

Dunkelheit.

Dann spürte ich eine Hand, die meine hielt.

Sanft strich ein Daumen über meinen Handrücken.

„Sie brauchen sich keine Gedanken machen. Ich habe alles unter Kontrolle.“, hörte ich eine Stimme neben mir sagen.

Ich kannte sie.

Nana.

„Nein, es ist alles in Ordnung. Die Ärzte sagen, dass sie nach Hause kann, sobald sie wach ist. Sie hat nur ein Schleudertrauma – zum Glück.“

Redete sie von mir?

Vor allem: Mit wem redete sie da?

Ich drehte meinen Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam – es tat furchtbar weh – und öffnete langsam die Augen.

„Oh, Sir, sie wacht auf!“, hörte ich Nana und erkannte schon bald ihre Silhouette, als sich mein Blick klarte.

Nana drückte meine Hand fester. Sie hielt sich ihr Telefon ans Ohr.

„Meine süße Maus, hallo. Wie geht es dir?“

Mies! Richtig mies! Mir tat einfach alles weh, vor allem der Kopf und der Hals. Letzterer ließ sich nur schwer bewegen, aber das lag wohl vor allem an der Halskrause, die sich fest um mein Genick schloss.

„Was ist denn passiert?“, murmelte ich.

Saß ich denn nicht eben noch bei lauter Musik im Auto?

„Du hattest einen Unfall, mein kleiner Engel.“ – sie lauschte auf ihr Telefon während ich sie verständnislos anblickte.

Unfall?

„Dein Vater will mit dir reden.“, sagte meine Haushälterin und stellte ihr Telefon auf laut, hielt es dann neben mein Ohr.

„Mein Vater?“, fragte ich verwirrt.

„Hi Baby, was machst du nur für Sachen?“

„Keine Ahnung. Was habe ich gemacht?“, fragte ich verwirrt.

„Du hattest einen Unfall mit deinem Auto.“, sagte Nana liebevoll. „Du bist durch die Leitplanke gefahren und zwei Meter runter auf den Strand gefallen. Aber zum Glück hat sich der Wagen nicht überschlagen und blieb beinahe sofort stehen.“

Da viel es mir wieder ein.

Die Bremse hatte nicht funktioniert.

Nur wieso?

Mein Auto war doch brandneu…

„Wie geht es dir, Serachen.“, fragte mein Vater liebevoll und ich zog die Nase kraus.

Serachen? So nannte er mich nie!

„Ich weiß nicht genau.“, antwortete ich stattdessen und sah zu Nana hoch, die nur liebevoll lächelte.

„Ich kann den Kopf nicht so recht drehen…“

„Das ist normal, Süße. Das geht wieder vorbei. Nana wird dich gleich nach Hause bringen und dann ruhst du dich aus. Aber hör bloß nicht auf mit dem Autofahren. Sobald es dir besser geht suchen wir dir einen neuen Wagen aus. Vielleicht diesmal einen Mercedes? Oder lieber einen Porsche?“

Nana lachte.

„Sir, nun lassen Sie die kleine Prinzessin doch erstmal wieder zu Atem kommen.“

„Ja, ja natürlich, Nana, du hast recht.“, mein Vater seufzte geräuschvoll. „Ich muss aufhören. Ich habe selbst noch einen Arzttermin heute. Bitte ruft mich an, wenn ihr zuhause seid.“, bat er direkt. „Spätestens aber, wenn die Polizei mehr zu dem Unfall sagen kann.“

„Natürlich Sir.“

„Arzt? Warum Arzt?“ – ich konnte mich nicht daran erinnern, dass mein Vater mich jemals daran hat teilnehmen lassen, wenn er zu einer Untersuchung musste.

„Nichts wildes, Baby, nur Routine. Macht es gut ihr zwei. Ich warte auf euren Anruf.“

„Ok?“, machte ich verwirrt.

„Bis heute Abend, Sir.“, versprach Nana für mich und legte auf.

„Vater muss zum Arzt?“, fragte ich, doch auch Nana zuckte nur mit ehrlich unwissender Mine die Schultern.

„Es wird sicher so sein wie er sagte: Nur Routine. Ab einem gewissen Alter sollte man halt regelmäßig zum Onkel Doktor gehen.“, erklärte sie und ließ ihr Telefon in ihre Tasche gleiten. „Nun erzähl, Serena, was ist eigentlich passiert?“

Ich machte ein ratloses Geräusch und sah an die Decke.

Was war eigentlich passiert?

Ich stieg ins Auto, hatte Radio gehört…

„Ich wollte bremsen, aber das Auto reagierte nicht.“

„Bist du sicher, dass du kleines Schusselchen auf das richtige Pedal getreten hast?“

Ich nickte.

„Ja, das bin ich. Ich habe sogar runtergesehen. Aber der Wagen hielt einfach nicht an.“

„Eigenartig. Eure Autos werden einmal die Woche von unserem Mechaniker geprüft und kontinuierlich in Stand gehalten. Außerdem sind sie erst wenige Monate alt sind. Wie kann das sein?“

Ich schüttelte den Kopf.

Eigentlich hatte ich nicht einmal die Muße dazu mich mit diesem Thema zu befassen – zumal schließlich auch ein Arzt kam, um mich noch einmal durchzuchecken und sein endgültiges ok dafür zu geben, dass ich wieder nach Hause durfte – doch dann klopfte es an der Tür.

„Ja bitte“, rief Nana für mich und zwei Herren in Jeans und Hemd und mit Waffenholster um den Brustkorb geschnallt traten ein. An ihren Gürteln hingen Dienstmarken.

Polizisten.

„Ma`am“, sie nickten der alten Dame zu und wandten sich dann an mich.

„Miss Matthews“, begrüßte mich einer. „Wir sind die Detectives Lynch und Conley.“ – Sie zogen überflüssiger Weise ihre Ausweise heraus, obwohl ich ihre Dienstmarken auch so sehr gut sehen konnte. – „Wir ermitteln in Ihrem Unfall von heute Morgen.“

Ich wusste ehrlichgesagt nicht, was ich darauf erwidern sollte.

Bedurfte es überhaupt einer Reaktion meinerseits?

Ganz gleich, denn sofort riss Nana das Wort an sich: „Sie müssen sich unbedingt ihren Wagen genauer anschauen. Serena sagte mir, dass ihre Bremsen nicht funktioniert hätten. Es muss ein technischer Defekt gewesen sein, kein menschliches Versagen.“

„Wo wir direkt beim Thema wären.“, gab der eine zu – Welcher von beiden war eigentlich wer? – und zog ein Notizbuch heraus. „Miss Matthews, können Sie sich irgendeine Person vorstellen, die Ihnen vielleicht Schaden will?“

Mein Bruder natürlich! Wer bitte sonst?

Aber das sagte ich in diesem Moment nicht. Ich war zu eingeschüchtert von der Präsens der beiden Polizisten…

Daher schüttelte ich nur den Kopf.

„Nein, nicht wirklich. Warum fragen Sie?“

„Wir haben den Grund für Ihren Unfall recht schnell gefunden. Es war sehr einfach: Jemand hat Ihre Bremsleitungen durchgeschnitten.“

Mir klappte der Mund auf und meine Augen wurden immer größer.

Jemand hatte meinen Wagen absichtlich manipuliert?

Die Bremsleitung durchzuschneiden war im schlimmsten Fall ein Todesurteil!

In diesem Moment wurde mir klar wie knapp im am Grav vorbeigeschrammt war und ich begann zu zittern.

„Sind Sie sich sicher?“, fragte auch Nana völlig fassungslos.

„Leider ja, Ma`am. “, versicherte einer der Beamten. „Wir bitten Sie daher noch einmal: Können Sie sich eine Person vorstellen, die Ihnen Schaden will? Mit der Sie vielleicht häufig streiten oder die womöglich sogar von Ihrem Tod profitieren könnte? Sie sind immerhin eine reiche Persönlichkeit, Miss Matthews.“

Häufiger Streit?

Profitiert von meinem Tod?

Das ist noch immer mein Bruder!

Wir haben uns ständig in den Haaren und wenn Vater versterben sollte, dann muss er sich das Erbe mit mir teilen…

Mein Blick wanderte zu Nana.

Ich sah in Ihren Augen, dass sie genau dasselbe dachte wie ich, aber sie hatte uns beide zusammen mit der Nanny großgezogen. Sie war für uns das, was einer Mutter am nächsten kam – ergo konnte sie sich nicht vorstellen, dass er zu so etwas fähig war.

Und auch ich musste gestehen, dass der Gedanke einfach lächerlich war…

Oder?

Konnte Marco mich so sehr hassen, dass er mit den Tod wünschte?

War er so kaltschnäuzig?

„Miss Matthews, haben Sie einen Namen für uns?“, fragte der Beamte weiter.

Nein, er konnte nicht so kalt sein. Er hatte mich immerhin vor Dean verteidigt…

Daher schüttelte ich den Kopf.

„Nein, Sir. Mir fällt keiner ein.“

Er sah mich prüfend an, gab sich aber mit einem Nicken mit dieser Antwort zufrieden, dann sah er zu Nana.

„Das ganze muss auf Ihrem Anwesen passiert sein. Zwischen Miss Matthews Heimkehr gestern und ihrem Aufbruch heute Morgen. Sicher haben Sie Kameras am Haus installiert?“

Doch das musste Nana leider verneinen. Wir hatten nur eine Kamera an der Einfahrt…

Ein Umstand, den unser Vater schon vor Jahren beheben wollte…

Nun war es dazu wohl zu spät… Meine Bremsleitungen waren zerschnitten.



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