Zum Inhalt der Seite

For the Snow will Surely Melt

Hatori x Tohru | Arisa x Saki
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Über Schnee und Wasser.


 

4

Es war bitterkalt. Selbst Hatoris Mantel, der während der meisten Winter ausreichend war, genügte an diesem Abend kaum noch, als er die kleine Buchhandlung verließ. Erst als er in die eisige Kälte hinaustrat und einen Blick auf die Armbanduhr warf, die bei dem Licht aus dem Schaufenster mit den neusten Auflagen einiger Bücher erleuchtet wurde, wurde Hatori bewusst, wie viel Zeit er eigentlich in dem kleinen Geschäft verbracht hatte.

Mit Fingern, die bereits kalt waren, zog Hatori seinen Schal höher, bevor er das gekaufte Buch enger an sich drückte und die verschneite Straße entlang schritt. Nicht viele Dinge zogen Hatori in den Bann, doch Bücher schafften es immer wieder. Ganz besonders, da er nur wenige freie Abend wie diese hatte, in denen Akito ihn nicht brauchte und in denen er das Sohma-Anwesen tatsächlich verließ. Noch wenigere Gelegenheiten verbrachte er damit, in die Stadt zu gehen, um dem gebrauchten Buchhändler aufzusuchen und tatsächlich einmal zu stöbern. Zugegeben, würde er dies als essentiell empfinden, würde Hatori wahrscheinlich öfter die Zeit dafür einräumen, aber das Lesen galt immerhin nur der Entspannung und er hatte noch einige ungelesene Bücher in dem kleinen Regal zu Hause stehen, auf die er im Notfall zurückgreifen konnte. Hätte Akane ihm bei ihrer letzten Begegnung nicht zufällig von der kleinen, versteckten Buchhandlung erzählt, hätte er diesen Ausflug heute sicherlich nicht unternommen, da er eigentlich keine weiteren Bücher benötigte. Für gewöhnlich wechselte Akane nur wenige Worte mit ihm oder irgendeinem anderen Mitglied der Zodiac und ging stattdessen den ihr aufgetragenen Verpflichtungen im Anwesen nach. Umso überraschter war Hatori gewesen, als sie ihm stotternd gestanden hatte, seine Zuneigung für Bücher nachvollziehen zu können und sogar zu teilen.

Die Laternen hatten sich längst eingeschaltet und malten runde Lichtkreise auf den verschneiten Gehweg, während gelegentliche Schneeflocken vom düsteren, wolkenbehangenen Himmel segelten. Ihr Anblick trug etwas Beruhigendes in sich, brachte aber auch bleischwere Erinnerungen mit sich.

Der Winter mit seinem Schnee erinnerte Hatori immer instinktiv an Kana, was er mehr darauf schob, dass die Anzahl seiner glücklicheren Momente begrenzt waren. Aber das war etwas, mit dem sich Hatori abgefunden hatte, denn immerhin gab es unzählige Menschen, die ein schlechteres Leben als er führten. Es gab Menschen mit chronischen Krankheiten, die kein Arzt und keine Medizin heilen konnten, während andere wiederum weder Geld noch Nahrungsmittel oder Dach über dem Kopf besaßen, woran es der Sohma-Familie ganz sicher nicht mangelte. Er hatte sogar Menschen, die es gut mit ihm meinten, auch wenn er einigen von ihnen gelegentlich gern den Hals umdrehen würde. Auch Kana lief er nur überaus selten über den Weg und hatte sie das letzte Mal vor gut einem Jahr mit ihrem kleinen Sohn gesehen. Sie besaß eine Familie, die sie erfüllte, mehr musste Hatori nicht wissen.

„G-Guten Abend“, stammelte jemand hinter ihm.

Erst in diesem Moment verflüchtigten sich die Erinnerungen an Kana. Zum ersten Mal nahm er die Schritte hinter sich wahr, die das bisschen Schnee, welches sich bereits wieder auf den Wegen sammelte, knirschen ließen.

Hatori kam zum Stillstand und warf einen Blick über seine Schulter. Ein Schauer ging durch seinen Körper, eiskalt und erschütternd, als er Tohru Honda ansah, die mit ihm aufgeholt hatte. Sie stand direkt hinter ihm, eingehüllt in ihren bekannten, rosafarbenen Wintermantel, während sie ihre Tasche mit behandschuhten Fingern vor sich hielt. Lange, dunkelbraune Haare wippten unter dem beständigen Wind, der unter seine Kleidung schlüpfte und die feinen Härchen in seinem Nacken und auf seinen Armen schockiert zu Berge stehen ließ.

„Ich habe mich nicht geirrt. Sie waren gestern in der Bäckerei“, stellte Tohru fest und lächelte freudig, denn es waren schon immer die kleinen Dinge im Leben gewesen, die Tohru glücklich machten. Meist genügte ein bekanntes Gesicht, selbst wenn sie sich nicht an dessen Bedeutung erinnern konnte.

„Es scheint ihnen besser zu gehen, da bin ich aber froh“, fügte sie hinzu. „Sie sehen nicht mehr ganz so blass aus.“

Hatori stieß den angehaltenen Atem aus, als Tohru lediglich die gestrige Begegnung ansprach. Offenbar erinnerte sie sich an nichts weiter, obwohl Hatori nicht ausschließen konnte, dass ihr Unterbewusstsein etwas mehr in ihm erkannte.

„Nein, es geht mir besser“, sagte er, um die aufkommende Stille zwischen ihnen diesmal besser zu füllen. Sie hatte mehr verdient, als unhöflich von ihm behandelt zu werden. „Danke für deine Sorge.“ Sein Blick glitt an ihr vorbei und die Straße hinunter, obwohl er wusste, dass die Bäckerei, in der sie nun arbeitete, sich einige Häuserblöcke entfernt befand. War sie sich auf dem Weg nach Hause? Waren sie nur zufällig in dieselbe Richtung gegangen?

Tohru legte den Kopf schief. „Erwarten Sie jemanden?“, erkundigte sie sich freundlich und drehte sich ebenfalls um, um seinem Blick zu folgen und nach der Person, auf die er warten könnte, Ausschau zu halten.

Diese Geste erlaubte es Hatori, Tohrus Hinterkopf für einige Sekunden zu mustern. Tohru Honda musste sich unbewusst an irgendetwas erinnern, auch wenn es nur ein Gefühl oder ihre Intuition war – denn warum sollte sie sonst mit ihm aufholen und ihn ansprechen?

Bisher hatte es niemanden gegeben, der die Erinnerungen, die Hatori mit seiner Hypnosetechnik unterdrückt hatte, wiederlangt hatte. Kana, deren Gefühle für ihn so stark gewesen waren, dass es sie krank gemacht und ihr jegliche Lebenslust genommen hatte, war das beste und vielleicht sogar traurigste Beispiel dafür. Selbst Yukis Klassenkameraden aus Kindertagen, die ihn danach noch täglich in der Schule begegnet waren, hatten sich nicht mehr an ihn erinnert. Wie konnte Tohru Honda also die Ausnahme sein? Es war unmöglich, oder etwa nicht?

„Ich warte auf niemanden“, korrigierte Hatori und wandte sich ab. Umso kürzer er dieses Treffen hielt, umso besser. „Du solltest nach Hause gehen, bevor du dir eine Erkältung bei diesem Wetter zuziehst.“

„Es ist so lieb von Ihnen, dass Sie sich um mich sorgen“, sagte Tohru hinter ihm. Hatori brauchte sie nicht einmal anschauen, um zu wissen, dass sie lächelte und ihre Wangen sowohl vor Kälte als auch vor Freude errötet waren. Wahrscheinlich hatte sie sogar die Augen für einen kurzen Moment geschlossen, um das warme Gefühl in ihrem Bauch zu bewahren und sich einzuprägen.

Hatori verstand, warum ausgerechnet Tohru das Herz von Kyo und Yuki erreicht hatte und erwärmen konnte. „Außerdem solltest du nicht mit irgendwelchen fremden Männern reden, die sich merkwürdig benehmen.“

„Ich finde überhaupt nicht, dass Sie merkwürdig sind“, antwortete Tohru, und Hatori konnte diesmal nicht anders, als abermals in ihre Richtung zu schielen. Ihre braunen Augen trugen dieselbe Wärme und Sanftheit in sich, wie sie es auch gestern in der Bäckerei getan hatten, wie damals, als sie noch viel zu jung gewesen war.

Tohru zuckte zusammen und ihre Augenbrauen hoben sich hilflos. „Ich habe mich überhaupt nicht vorgestellt. Wie unhöflich von mir!“ Sie deutete eine Verbeugung an, die Tasche mit plötzlich festerem Griff gepackt, als ihre Haare über ihre Schultern wallten. „Ich... Ich heiße Tohru Honda. Es ist nett, Sie kennen zu lernen.“

Hatoris rechter Mundwinkel zuckte bei ihrer Ernsthaftigkeit und ihrer Panik ein Stück in die Höhe. Konnte er es riskieren oder sollte er einfach einen falschen Namen nennen? Doch diese Art der Kreativität lag ihm ohnehin nicht. Das Lügen fiel ihm schwer, ganz besonders, wenn er es nicht tun wollte. „Hatori.“

„Sind Sie auf dem Weg nach Hause, Hatori-san?“, erkundigte sich Tohru.

Selbst nach all den Jahren klang sein Name mit der förmlichen Anrede aus Tohrus Mund noch immer vertraut. Alles an ihr war vertraut und auch willkommen.

„Ja. Wir sollten bei dieser Kälte auch nicht weiter hier stehen, sonst schlagen wir noch Wurzeln“, meinte Hatori und setzte sich in Bewegung. Binnen Sekunden befand sich Tohru an seiner Seite und plötzlich gingen sie zu zweit die Straße entlang.

Tohru hob den Blick zum Laternenlicht hinauf, als sie eine Straßenbeleuchtung passierten. „Der Schnee glitzert wunderschön im Licht“, sagte sie mit ehrfürchtiger Stimme, während Hatori die Hände tiefer in die Manteltaschen vergrub, um dort vielleicht doch noch etwas Wärme vorzufinden. „Es wird wohl noch einiger fallen, aber schon bald wird der Frühling anreisen. Darauf ist immer Verlass.“

Ihre Worte waren wie ein schmales, langes Messer, welches sich zwischen Hatoris Rippen schob. Doch in diesem Moment, den er unerwartet mit Tohru in der abendlichen Dunkelheit teilte, kam es ihm auch wie eine Gewissheit vor, die er vergessen hatte, aber die unwiderruflich existierte.

War es tatsächlich Zufall, dass Tohru ihm begegnet war?

Die Frage hing unbeantwortet in seinen Gedanken, vollkommen losgelöst von sämtlichen Befürchtungen und Hoffnungen, als Hatori zum im Licht glitzernden Schnee hinaufsah.
 


 

5

Gelegentlich holten Arisa und Saki sie von der Arbeit ab, jedenfalls damals, als sie noch im Supermarkt gearbeitet hatte und wenn es die Zeitpläne der beiden erlaubt hatte. Doch es war das erste Mal, dass sie mit jemanden nach Hause ging, seit sie ihre neue Arbeitsstelle angenommen hatte.

Ein freudiges Lächeln schlich sich auf Tohrus Lippen, als sie schweigend neben Hatori herging. Er war nicht der Gesprächigste, doch das störte sie nicht. Diese Stille war leicht und angenehm und sie bewunderte Hatori dafür, dass er diese wohltuende Atmosphäre scheinbar problemlos kreieren konnte.

An jeder Straßenecke erwartete Tohru, dass Hatori abbiegen und sich ihre Wege somit trennen würden. Daher war sie dankbar für jede Minute, die sie nebeneinander hergingen. Sie hätte schließlich nicht erwartet, ihn so schnell oder überhaupt wiederzusehen, obwohl ihr die Begegnung in der Bäckerei kaum aus dem Kopf gegangen war.

Hatori hatte so verloren gewirkt und sie angeschaut, als hatte er einen Geist gesehen. Fast so, als wäre es ein Wunder gewesen, dass sie ihn bemerkt hatte. Sein Blick hatte ein Kribbeln auf ihrer Haut ausgelöst und auch jetzt bemerkte sie die abendliche Kälte kaum, als ihre Gedanken zu diesem Blick zurückkehrten.

Ein Lächeln zupfte ohne ihr Zutun an ihren Lippen, während sich in ihrem Bauch dieselbe Wärme ausbreitete, wie in dem Moment, in dem Tohru ihn aus der kleinen Buchhandlung hatte treten sehen. Dabei konnte sie nicht sagen, was es genau an Hatori war, was dieses Gefühl in ihr auslöste. Es kam Tohru fast so vor, als wären sie alte Bekannte, die sich schon eine Ewigkeit nicht mehr begegnet waren. Ihre Intuition sprach von Sicherheit und Geborgenheit, wenn sie in sein blasses Gesicht schaute, was Gefühle waren, die sie abgesehen von Arisa und Saki nicht oft so stark in der Gegenwart anderer Menschen spürte.

„Hatori-san“, sagte sie und selbst sein Name fühlte sich auf ihrer Zunge so vertraut an, als hätte sie ihn schon tausend Mal ausgesprochen.

„Ja?“

„Lesen Sie gern?“, fragte Tohru, da ihr bereits vorhin das Buch aufgefallen war, welches zwischen Hatoris Arm und seine Seite gepresst war, damit er die Hände vor der Kälte schützend in die Manteltaschen vergraben konnte.

Ihre eigenen Finger waren in Handschuhen gehüllt, während sie an ihrer Tasche wie an einem Anker festhielten. Obwohl Hatori ihr seltsam vertraut war, war dieses Gefühl ungewiss und neuartig, während sie gleichzeitig aber auch den Eindruck hatte, dass ein falsches Wort von ihr die ruhige Atmosphäre zwischen ihnen zerstören könnte. Es kam ihr vor, als bewegte sie sich auf dünnem Eis, das jeden Moment unter ihr zusammenbrechen könnte, bevor sie jemals die andere Uferseite erreicht hätte.

An Hatoris Seite überquerte sie die leere Straße, kurz bevor die Ampel wieder umschaltete.

„Wenn ich die Zeit dafür finde, dann schon“, erwiderte Hatori so vage, dass Tohru auffiel, dass sie nicht einmal wusste, was für einen Beruf er ausübte. Sie wusste überhaupt nichts über den Mann, den sie so selbstverständlich angesprochen hatte, als hätte ihre Mutter ihr keine Manieren beigebracht. Andererseits war ihre Mutter der Rote Schmetterling gewesen, der jeden angesprochen hatte, wenn ihr danach gewesen war.

Doch Höflichkeit war Tohru immer schon wichtig gewesen und ihr Herz flatterte panisch bei der Idee, dass sie Hatori mit Fragen löcherte, die er vielleicht nicht beantworten wollte. Ihr Griff um ihre Tasche wurde so fest, dass Tohru die Knöchel schmerzten. Zudem verlangsamten sich ihre Schritte, bis sie einige Meter zurückblieb und auch Hatori ihretwegen stehen blieb, der bereits wieder auf dem Bürgersteig stand.

„Ich hoffe, dass Sie meine Frage nicht stört. Ich... Ich wollte nur—“, begann Tohru, wusste aber nicht, wie sie ihren Satz vollenden sollte, damit er Sinn ergab, aber nicht genauso egoistisch klang, wie ihr bisheriges Verhalten gewirkt haben musste.

„Honda-san...“

„Ich wollte...“, versuchte sie es noch einmal und wandte sich halb von ihm ab, um seinem fragenden Blick zu entgehen. Was musste er bloß von ihr denken? Von einer Verkäuferin, die ihn auf offener Straße wie ein verlorenes Hündchen hinterherlief, weil—

„Tohru, pass auf“, unterbrach Hatori den Strom ihrer Gedanken, da Tohru gänzlich stehen geblieben war.

Bevor sie die Bedeutung seiner Worte einordnen konnte, blendeten sie bereits zwei Autoscheinwerfer. Tohrus Kopf ruckte in die Höhe und sie visierte das Auto an, dessen Fahrer die Hupe betätigte.

Zwei Arme schlangen sich um ihre Schultern, um sie von der Fahrbahn zu ziehen. Tohru stolperte nach vorn, direkt gegen einen warmen Körper, der sie für den Bruchteil einer Sekunde sicher festhielt, ehe er... sich in Luft auflöste.

Tohru öffnete die Augen und blinzelte, da sie noch immer den Stoff von Hatoris Mantel in den Armen hielt, aber Hatori verschwunden war. Erst nach ein paar Sekunden fühlte sie, wie sich etwas in dem Stoff bewegte, etwas, das schmal und klein war. Sie zuckte zusammen, zwang sich jedoch an der von Hatori übriggebliebenen Kleidung festzuhalten, anstatt sie in den dreckigen, matschigen Schnee fallen zu lassen, der sich am Rand des Bürgersteigs gesammelt hatte und der langsam durch Tohrus Stiefel und die dicken Socken darunter sickern wollte.

Vorsichtig ließ Tohru ein wenig die Arme sinken, um einen Blick in den Kleiderhaufen zu werfen, der merkwürdiger Weise nicht nur seinen Mantel, sondern auch Hemd und Hose beinhaltete. Nur Hatoris Schuhe mitsamt den Socken standen vor ihr im Matsch, während das kleine Etwas, was sich im Stoff bewegte zum Vorschein kam.

Tohru blinzelte das kleine Seepferdchen an, welches sich im weißen Hemd rekelte. Für einen Moment gefror sie.

Ein Seepferdchen.

Ein echtes, kleines Seepferdchen, das sich an Land befand. Das sich in ihren Armen befand.

Gehörten sie nicht ins Wasser? Konnten sie überhaupt Luft einatmen? Wandte es sich deshalb so von links nach rechts?

Panik ergriff von Tohru Besitz. Was sollte sie tun? Was konnte sie tun?

Wasser!

Die Idee traf sie wie ein Blitzschlag und im nächsten Moment hockte sich Tohru bereits hin, um Hatoris Schuhe mitsamt den Socken einzusammeln, bevor sie losrannte. Sie rutschte mehrmals über den Schnee, hielt sich jedoch auf den Beinen, als sie den restlichen Weg nach Hause wetzte.

Ihre Finger zitterten, als sie umständlich den Wohnungsschlüssel hervorholte und die Tür zu ihrer Wohnung öffnete. Im Inneren herrschte Dunkelheit, was nur bedeuten konnte, dass Arisa und Saki noch nicht zu Hause waren.

Die Tür fiel hinter Tohru zu, als sie in das einzige Badezimmer rannte, das Licht anschaltete und sogleich den Hahn zur Badewanne aufdrehte. Vorsichtig setzte sie das kleine Seepferdchen in die Wanne, als der Boden mit Wasser bedeckt war.
 


 

6

„Warum ist es so kalt?!“ Arisa schüttelte sich wie ein nasser Hund, obwohl die eisige Winterkälte nicht so leicht abzuschütteln war. Nur die paar dicken Schneeflocken, die noch in ihrem Haar hingen und auf den Schulterblättern ihres dunklen Mantels ruhten, stoben umher, als sie die Wohnung betraten.

Saki schloss die Tür hinter ihnen, stellte die Tüte mit dem Essen auf dem Schränkchen daneben und wickelte ihren Schal ab. „Was erwartest du im Winter?“ Das Flurlicht war angeschaltet, was nur bedeuten konnte, dass Tohru es vor ihnen nach Hause geschafft hatte, was ein Seltenfall war. Für gewöhnlich trödelte Tohru selbst an kalten Tagen wie diesen.

„Tohru ist schon zu Hause“, entrann es Saki, während sich Arisa aus ihrem langen Wintermantel kämpfte.

„Huh? Dann muss sie im Dunkeln sitzen“, meinte Arisa mit gezuckten Brauen, da die Küche, das Wohnzimmer sowie der hintere Flur, der zu ihren Schlafzimmern und dem Bad führte, unbeleuchtet waren.

Elegant aus ihrem Schuhen schlüpfend, durchquerte Saki die kleine Wohnung, dicht gefolgt von Arisa, die ihre nassen Winterstiefel bei ihrer plötzlichen Sorge um Tohru, die Saki selbst ohne ihre Fähigkeiten gespürt hätte, beiseite warf. Obwohl Saki den starken Beschützerinstinkt gegenüber Tohru teilte, war es eine von unzähligen Eigenschaften, die Saki an Arisa als unheimlich niedlich und anziehend empfand.

Wie sich in kürzester Zeit herausstellte, lag nicht die gesamte Wohnung in Dunkelheit, denn ein Lichtstreifen zeichnete sich unter der Tür zum Badezimmer ab. Obwohl Saki nicht genau festlegen konnte, was es war, so verspürte sie eine Menge Anspannung in der Luft, die ihr unangenehm die Nackenhärchen aufstellte.

Sachte klopfte Saki gegen die Tür, um Tohru nicht unnötig zu verschrecken, sollte etwas vollgefallen sein. War es dieselbe Traurigkeit, die sie am vorigen Abend schon heimgesucht hatte? „Tohru-kun, wir sind zu Hause.“

„O-Oh... willkommen Zuhause!“, folgte Tohrus Antwort. Ihre Stimme kam näher, was bedeutete, dass sie direkt vor der Tür stand, aber scheinbar nicht vorhatte, die Tür zu entriegeln.

„Tohru!“, rief Arisa und lehnte sich so energisch gegen die Tür, dass es einem Krachen gleichkam. „Alles in Ordnung da drin? Wir haben Abendessen mitgebracht. Yakitori.“

Eine Pause folgte. Ein Zögern, ging es Saki durch den Kopf. Sie brauchte nur einen Blick mit Arisa auszutauschen, um zu wissen, dass ihre Freundin das Gleiche dachte.

„Alles in Ordnung, versprochen. Macht euch keine Sorge. Ich... Ich brauche nur noch ein paar Minuten. Bitte fangt schon mit dem Essen an und ich werde zu euch stoßen.“

„Tohru, wa—", begann Arisa, doch Saki legte ihr eine Hand auf die Schulter und schüttelte den Kopf, eine Geste, die Arisas Temperament zügelte.

„In Ordnung, Tohru-kun“, sagte Saki stattdessen. „Rufe uns, wenn irgendetwas ist.“

„Natürlich“, antwortete Tohru sogleich. „Danke.“ Ihre Stimme erklang wackelig und tränenschwer, aber auch stark und entschlossen. Was auch immer vorgefallen war, Tohru war noch nicht bereit, es mit ihnen zu teilen und Saki akzeptierte das.

„Arisa, komm mit“, wies sie ihre Freundin an und nahm ihre Hand, um sie zurück zum Wohnzimmer zu ziehen, in dem sich Arisa verwirrt auf einem der Matten im Schneidersitz niederließ.

„Irgendetwas stimmt nicht.“

Saki holte die Tüte mit ihrem Abendessen aus dem Flur und stellte sie auf dem Kotatsu ab. „Vielleicht braucht Tohru-kun ein paar Minuten für sich.“

„Ich hätte wahrscheinlich die Tür eingetreten...“, murmelte Arisa und sah ihr dabei zu, wie sie die Schachteln mit ihrem Yakitori auspackte.

Saki lächelte und stellte ihr eine von den Essensschachteln vor die Nase. „Du bist eben Tohrus Prinzessin in weißer Rüstung.“

Sich mit der Hand durch die langen Haare fahrend, sackte Arisa nach hinten, bis sie auf dem Boden lag. „Manchmal habe ich den Eindruck, dass es nicht genug ist“, meinte sie mit einem Seufzen. Ein Arm fand den Platz über ihren Augen.

„Bin ich auch für dich die Prinzessin in weißer Rüstung, Saki?“, fragte sie nach einer Weile der Stille, in der Saki ihre eigene Schachtel geöffnet hatte und ihr der Duft von Barbecue-Hähnchen entgegenwehte. Die zwei Fleischspieße waren mit Reis serviert, der obgleich des kurzen Fußmarschs in der eisigen Kälte noch immer ein wenig dampfte.

„Natürlich bist du das“, erwiderte Saki, als sie auch die verpackten Stäbchen aus der Tüte holte und diese verteilte. Dabei blieb ihr Blick unwillkürlich an der leeren Sitzmatte hängen, auf dem Tohru für gewöhnlich saß.

Ihr kam es nicht richtig vor, ohne Tohru zu essen, obwohl es Tohrus Wunsch gewesen war. Anhand von Arisas noch immer liegender Position wurde deutlich, dass es ihr nicht anders erging.

Mit einem Lächeln auf den Lippen senkte Saki die Lider und schloss ihre Essenschachtel – und im selben Moment schallte Tohrus spitzer Schrei durch die Wohnung und Arisa saß kerzengerade neben ihr.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: Swanlady
2020-04-25T13:28:03+00:00 25.04.2020 15:28
So, nun komm ich hier endlich mal zum Lesen! Die Wiedersehen-Szene zwischen Hatori und Tohru war super niedlich und ich mochte es sehr, dass Hatori sich gleich Gedanken macht und Zweifel hat. Er ist ein vorsichtiger und intelligenter Mensch, in meinen Augen zumindest. Und einen kleinen Hang zur Schwarzmalerei hat er auch, er braucht also unbedingt jemanden wie Tohru, der wieder etwas mehr Farbe in sein Leben bringt! <3 Und ich fand es sehr aussagend, dass er sie nicht sofort fortgeschickt hat (sein Versuch, es zu tun, war nun wirklich eher halbherzig). Das sagt eine Menge über seine wahren Gefühle und Sehnsüchte aus, finde ich.
Tohrus Panik, dass sie zu aufdringlich ist, find ich jedes Mal zuckersüß XD Und dieser Shojo-Manga-Moment, in dem er sie vor dem Auto rettet, herrlich, haha :D Dieses Fandom bietet sich wunderbar für sowas an, vor allem eben, weil jede Umarmung Konsequenzen hat. Allein die Vorstellung, wie sie mit seinen Kleidern dasteht und dann das Seepferdchen entdeckt… ich hab die Szene gefeiert. XD
… Ich bin schon sehr gespannt, was Arisa und Hana-chan dazu sagen werden, dass ein erwachsener Mann in der Badewanne sitzt. *hust*


Zurück