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Magic Train

von

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Magic Train

Fasziniert starrte Sascha die Person an, die auf der anderen Gangseite zwei Reihen weiter vorne saß. Was tat sie da? So etwas hatte Sascha noch nie gesehen. Die Magie zog sich über ihren ganzen Körper, ließ eine hellrote und dennoch intensive Aura entstehen. Lediglich am Kopf und in der Hand, die das Handy hielt, konzentrierte sie sich, überzog auch das Mobilgerät mit diesem faszinierenden Schimmer.

Etwas Ähnliches hatte Sascha schon einmal bei Menschen gesehen, die Sascha für sich Technomancer nannte: Personen, die mit ihrer Magie elektronische Geräte beeinflussten. Doch bei diesen Menschen glühte das Gerät regelrecht vor Magie, hier hüllte sie es eher sanft ein.

Erst nach einer ganzen Weile erkannte Sascha, dass die Magie in dünnen Fäden von der Person abstrahlte. Zielstrebig bewegte sie sich in Fahrtrichtung, schien ihr Ziel außerhalb des Abteils zu suchen.

Wie schaffte dieser Mensch es, so schwach zu strahlen, nur minimal Magie aufzuwenden, und sie gleichzeitig über eine solche Entfernung aufrechtzuerhalten? Die Meisten, die Sascha kannte, hätten so nicht einmal ihren Sitznachbarn erreicht, geschweige denn jemand oder etwas in einem anderen Abteil.

Als die Person plötzlich aufblickte, sah Sascha schnell zur Seite. Nicht beim Starren erwischen lassen!

Nach einiger Zeit sah Sascha wieder auf. Genau in die Augen der Person, die leicht lächelte. Die Magie war verschwunden.

Auch Sascha rang sich ein Lächeln ab.

Die Person schnappte ihr helles Sakko und den Schal, die auf ihrem Schoß gelegen hatten, und stand auf. Langsam bewegte sie sich über den Gang, ließ Sascha nicht aus den Augen. Als sie direkt vor Sascha stand, fragte sie mit samtiger, tiefer Stimme: »Ist da frei?«

»Ja! Ja, natürlich.« Eilig räumte Sascha die Sachen vom Nebensitz und rutschte ans Fenster.

»Ich bin übrigens Dante. Mit wem habe ich denn das Vergnügen?«

»Sascha«, murmelte Sascha leise und zog etwas den Kopf ein.

»Und wie komme ich zu der Ehre, von dir angestarrt zu werden?« Dante zwinkerte lächelnd.

Sascha deutete ungefähr in die Richtung von Dantes Tasche. Immerhin war das der ursprüngliche Grund für Saschas Interesse gewesen. Sascha hatte versucht, die Buttons und Aufnäher darauf zu erkennen, als Dante zu zaubern begann.

Dante brauchte eine Weile, um zu verstehen, was gemeint war, und deutete dann auf die bunten Applikationen. »Die?« Die Stimme nahm einen amüsierten, aber nicht spöttischen Ton an. »Was davon denn genau?«

Sascha ließ den Blick noch einmal etwas genauer darüber schweifen. Es war ein reines Sammelsurium. »Alle?«

Ein angenehm warmes Lachen löste sich aus Dantes Kehle. »Alle?«

»Ich konnte sie nicht ganz erkennen«, murmelte Sascha.

»Ah!« Dante hielt die Tasche in Saschas Richtung. »Wenn du magst.«

Da Sascha sich nicht anders zu helfen wusste, griff Sascha danach. Zuerst fiel Sascha der einzige Anstecker auf, der Schrift beinhaltete. Der Hintergrund war rot mit hellen Punkten, die wohl Sterne darstellten, und in Weiß stand darauf: ›er/sein‹.

»Ist das aktuell?«, versicherte sich Sascha und deutete darauf.

Dante nickte. »Ja. Meistens.«

»Sag mir, wenn nicht«, entgegnete Sascha, haderte dann und erklärte letztendlich: »Für mich bitte nur mein Name.«

»Geht klar.«

Sascha sah sich weiter die Tasche an. Das Audisymbol, das absolut nicht zu den anderen Dingen auf der Tasche passte, und vier Flaggen erkannte Sascha auf Anhieb: Pan-, Trans-, Aro- und Regenbogenflagge. Bei der Demiboyflagge dauerte es einen Moment. Doch bei allen anderen war Sascha absolut überfragt.

Sascha deutete auf einen grün-gelb-grauen Button, sah zu Dante und legte den Kopf fragend schief.

»Ich bin lithromantisch.« Als Sacha nichts an der Haltung änderte, erklärte er: »Ich verliebe mich, hab aber kein Interesse, dass es erwidert wird, geschweige denn an einer romantischen Beziehung.«

Sascha nickte verstehend. Blieb noch eine Flagge: die mit dem lila, weißen und grünen Streifen. »Und die?«

»Genderqueer.«

Okay, unter dem Begriff konnte sich Sascha etwas vorstellen, und zeigte das mit einem weiteren Nicken.

Damit war alles geklärt, oder? Wobei, nein, wenn Dante seine Tasche mit Prideflaggen in Form von Buttons und Aufnähern pflasterte, dann hatte die Stickerei, um die sie angeordnet waren, sicher auch etwas zu bedeuten. Oder war es doch nur ein Herz, das an zufälligen Stellen durchbrochen war? Dafür sahen die Stellen aber zu gleichmäßig aus und wenn man genau nachsah, dann erinnerten die freien Stellen an ein A. »Hat das auch etwas zu bedeuten?«

»Aber sicher.« Dante lächelte, wobei sich Sascha nicht sicher war, ob er sich nun doch lustig machte. »Hast du schon einmal von Beziehungsanarchie gehört?«

»Ja, am Rande. Ich kann mir zumindest grob etwas drunter vorstellen.«

»Wenn du Fragen hast, frag.«

Sascha schüttelte den Kopf. »Nein, grad nicht.«

»Gut, dann hab ich eine. Du weißt jetzt fast alles, was es über mich zu wissen gibt. Was ist mit dir?«

Sascha wollte widersprechen, dass es noch sehr viel über Dante zu wissen gab; zum Beispiel welche Magie er beherrschte. Doch Sascha traute sich nicht. Stattdessen gab Sascha die Tasche zurück und murmelte: »Ich bin androgyn, pan und führe mehrere nicht-monogame Beziehungen.«

Bei der letzten Aussage stockte Dante sichtlich. »Darf ich fragen, wie alt du bist? Ich meine nur, du siehst ziemlich jung aus, daher überrascht mich das.«

Das war nichts Neues. Sascha hatte das schon so oft gehört. »19.«

»Meinst du nicht, dass ich dann ein wenig zu alt bin, um mich so anzustarren?«

»Warum?« Sascha zog verwirrt die Stirn kraus.

Dante hob eine Augenbraue. »Weil es auch falsch verstanden werden könnte, wenn du jemanden so anstarrst.«

Sascha biss sich auf die Lippe und richtete den Blick nach vorne auf den Gang. Ja, vielleicht, aber der Zauber ... Fuck!

Sascha raffte die eigenen Sachen vom Boden und stand auf.

Dante machte Platz, sah ebenfalls in die von Sascha anvisierte Richtung, dann in die andere, wieder zurück zu Sascha. Er nahm Saschas Handgelenk und raunte: »Bleib ruhig und setz dich wieder hin.«

Einen Moment zögerte Sascha, setzte sich dann. Jedoch nicht, ohne Dante zweifelnd anzusehen.

»Du kommst auch hinten nicht raus«, erklärte dieser leise.

Sascha sah zwischen die Sitze hindurch nach hinten, machte sich dann so klein wie möglich. Saschas Herz schlug bis zum Hals. Scheiße, nicht auch das noch!

Dante dagegen schien das locker zu nehmen. Er lächelte Sascha an, ließ das Handgelenk nicht los und streichelte mit dem Daumen darüber.

Als das Bahnpersonal neben ihrer Reihe ankam und sie mit »Fahrkarten, bitte« begrüßte, schreckte Dante hoch, als hätte er es bisher nicht bemerkt. Fahrig fuhren seine Hände in die Hosentaschen, durchsuchten dann das Sakko.

Die Person warf Dante nur einen abschätzigen Blick zu und holte bereits den Block aus der großen Hosentasche, während sie Sascha auffordernd ansah.

Sascha saß wie erstarrt da. Warum hatte Sascha sich von Dante aufhalten lassen?

Dante warf einen Blick aus den Augenwinkeln zu Sascha, griff dann zielsicher in die Tasche und holte ein Portemonnaie hervor. »’tschuldigung, hatte vergessen, wo es ist.« Er holte einen Papierfahrschein heraus, gab es dem Bahnpersonal und deute dabei auf Sascha und sich. »Zusammen.«

Die andere Person sah Dante böse an, steckte den Block zurück und prüfte das Ticket sorgfältig. Sie knurrte fast schon, als sie es zurückgab. »Gute Fahrt noch.«

»Gleichfalls«, flötete Dante und steckte die Karte zurück.

Als das Bahnpersonal außer Hörweite war, drehte er sich wieder zu Sascha. »Alles gut?«

Sascha verbannte das Zittern aus der Stimme. »Du hättest etwas sagen können.«

»Oh. Ich dachte, das wäre klar gewesen. Sonst hätte ich dich laufen lassen. Tut mir leid. Ich wollte nur anderen noch Zeit kaufen.«

Sascha nickte. Langsam klang das Zittern ab. »Danke.«

»Kein Thema. Wie weit musst du noch?«

»München.«

»Das ist gut, dann haben wir ja noch eine Weile. Komm, du schuldest mir was.« Wieder griff er nach Saschas Handgelenk.

»Wo willst du hin?« Schnell sammelte Sascha Jacke und Rucksack auf.

Dante zwinkerte mit einem vielsagenden Grinsen. »Wirst du schon sehen.«

Eingeschüchtert stolperte Sascha hinter Dante her, der unbeeindruckt von den Blicken der anderen Fahrgäste durch das Großraumabteil stapfte. Wo wollte er hin? Was lag in der Richtung? Das Ziel seines Zaubers? Die Zugtoilette?

Dante würde doch nicht ...? Er hatte gesagt, man könnte Saschas Blick fehldeuten, und Sascha hatte nicht geschafft zu widersprechen. War es dafür jetzt schon zu spät?

An der Theke des Speiseabteils blieb Dante stehen und holte das Portemonnaie wieder aus der Tasche. »Was magst du? Kaffee, Kakao, Tee?«

»Kaffee, schwarz«, murmelte Sascha perplex. Was hatte Dante vor? Hatte er nicht gerade noch gesagt, Sascha schuldete ihm etwas? Und jetzt ... wollte er die Schulden noch vergrößern? Verdammt, warum bekam Sascha keinen Ton heraus?

»Ein Kaffee und eine heiße Schokolade«, bestellte er bei der Bedienung und legte einen Schein auf den Tresen. Sobald er das Gewünschte erhielt, reichte er einen Becher an Sascha, den anderen behielt er selbst. Mit einem Lächeln nahm er wieder Sascha Handgelenk und ging auf den Ausgang des Wagens zu.

Erleichtert atmete Sascha auf, als Dante, ohne den Schritt zu verlangsamen, an den Toiletten vorbeiging. Das war also nicht sein Ziel. Beruhigend. Doch wohin dann?

Erst im übernächsten Wagon wurde Dante langsamer, warf kurze Blicke in die Sechserabteile, ließ Sascha los und öffnete letztendlich eine der Türen. »Nach dir.«

Das Abteil war leer und Sascha fragte sich, ob das wirklich eine gute Idee war. Was wollte Dante?

»Ich dachte, es fällt dir vielleicht leichter, zu reden, wenn wir allein sind«, erklärte dieser mit einem leichten Lächeln.

Sascha nickte leicht und huschte ins Abteil. Ja, das klang nach einer guten Idee. Vielleicht ergab sich ja eine Gelegenheit, auch andere Dinge anzusprechen. Und wenn etwas schief ging, waren die Wände der Abteile nicht so dick, als dass man Sascha nicht hätte schreien hören.

Sie machten es sich gemütlich, wobei Sascha nicht umhinkam, zu bemerken, wie geschmeidig sich Dante bewegte. Jede seiner Bewegungen war von einer katzengleichen Anmut begleitet. Sogar als er sich setzte und die Beine übereinanderschlug, geschah das mit einer unglaublichen Präzision.

Ihre Blicke trafen sich und Dante schüttelte schmunzelnd den Kopf.

»Was?!« Dass ihnen niemand mehr zuhören konnte, beruhigte Sascha zwar etwas, gleichzeitig war es beunruhigend, mit Dante allein zu sein. Was erwartete er als Gegenleistung für die Rettung?

»Du starrst mich schon wieder so an. Und diesmal kannst du die Tasche nicht als Ausrede nutzen. Du hattest ausreichend Zeit, sie dir anzusehen.«

Sascha spürte die Röte in die Wangen steigen, hielt sich diesmal aber davon ab, verlegen wegzusehen. »Also na ja ... die Tasche war nicht der Hauptgrund ...«

»Ach, sag bloß.« Dantes Lächeln wurde breiter. »Darauf ...«

Diesmal fiel Sascha ihm ins Wort: »Du hast gezaubert und ich habe mich gefragt, was genau du tust. Diese Art von Magie habe ich noch nie gesehen.«

Dante stutzte. »Woher weißt du das?«

»Ich sag doch: Ich hab es gesehen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich kann Magie sehen.«

»Magie ... sehen? Spannend.« Er schien wirklich neugierig geworden, blickte Sascha aufmerksam an. »Wie kann ich mir das vorstellen? Du zauberst und dann leuchten alle, die Magie verwenden auf?«

Nun war es an Sascha zu lachen. Das glaubten irgendwie sehr viele. »Nicht ganz. Wenn ich sage, ich sehe Magie, dann meine ich das auch so. Ich sehe wirklich die magischen Energien.«

»Und wie sehen die aus?« Das klang so skeptisch, als wäre sich Dante nicht mehr sicher, ob er Sascha glauben konnte.

Die wagen Antworten, die Sascha geben konnte, half sicher auch nicht weiter. »Je nach Anwendung immer anders. Meistens wie eine bunte Aura um den Bereich, in dem die Magie wirkt.«

»Hmm ...« Ganz überzeugt wirkte er noch nicht. »Magst du mir das vielleicht zeigen? Ich kann mir das absolut nicht vorstellen.«

»Wie soll ich dir das zeigen? Ich kann das nicht filmen oder fotografieren. Ich hab’s schon versucht.«

»Indem du mir vertraust und ich dir meine Magie zeige.« Dante zwinkerte Sascha zu.

Neugierig beugte sich Sascha näher zu ihm. Das klang genauso geheimnisvoll, wie dieser Mensch schon die ganze Zeit wirkte. »Wie soll das gehen? Und was genau kannst du?«

»Ich kann die Erinnerungen anderer sehen und meine eigenen übermitteln.«

Unweigerlich wich Sascha ein Stück zurück. »Du kannst Gedanken lesen?«

»Nein, nur Erinnerungen.«

»Aber du fuschst in den Köpfen anderer Menschen herum?!«

Dante strich mit dem Daumen über sein Kinn. »Wenn du es so nennen möchtest, ja. Das bleibt dahingehend wohl nicht aus. Aber im Regelfall sehe ich mir nur das an, was vorher ausgemacht wurde, falls das deine Sorge sein sollte.«

»Im Regelfall?!« Das klang nicht so vertrauenserweckend, wie Dante vielleicht dachte.

»Ich habe auch schon Erinnerungen gesucht, die vergraben waren. Da war es nicht zu vermeiden, in alle Bereiche vorzudringen. Und früher, als ich es noch nicht so gut kontrollieren konnte, bin ich auch schonmal ausgerutscht.«

Diese ehrliche Antwort dagegen war schon beruhigender. »Und wie genau machst du das?«

»Nun, zunächst brauche ich eine Verbindung zu der Person. Das geht über ein Bild, eine Berührung oder, bei einigen wenigen Menschen, die mir sehr nahestehen, auch über einen Gedanken. Berührung ist allerdings die am wenigsten aufwendige. Dann sollte mich die Person auch in ihren Kopf lassen wollen. Die meisten schaffen es instinktiv ganz gut, ihre Barrieren zu öffnen, wenn sie es möchten. Außerdem hilft es, wenn die andere Person bewusst an die jeweilige Erinnerung denkt.«

Sascha hatte Dante nicht schon wieder unterbrechen wollen, doch schon beim ersten Teil hatten sich einige Fragen geklärt und andere wurden aufgeworfen. »Dann hast du vorhin über dein Handy die Verbindung aufgebaut?«

Dante nickte. »Ich habe mir eine sehr private Nachricht angesehen, ja. Woher weißt du das?«

»Weil dein Handy auch von Magie eingehüllt war. Aber anders als bei Personen, die Elektronik manipulieren. Und wie weit geht das?«

Dante überlegte kurz. »Das hängt von sehr vielen Faktoren ab. Vor allem aber: Wie vertraut ist mir die Person, die Art der Verbindung und die Qualität – so eine persönliche Nachricht ist besser als ein unpersönliches Foto – und wie gut kann die Person ihre Barrieren senken. Außerdem ist es leichter, eine Erinnerung zu schicken als zu erhalten.«

Sascha nickte. Das schmälerte die Hochachtung vor Dantes Fähigkeiten nicht im Geringsten. Es war die vielleicht mächtigste Art von Magie, der Sascha bisher begegnet war.

»Nach dem, was du erzählst, bin ich jetzt aber noch neugieriger, wie Magie aussieht. Kannst du dir vorstellen, mir das zu zeigen? Gerne auch meine Eigene von vorhin.«

Sascha rutschte unruhig hin und her. Einen Fremden in den eigenen Kopf lassen? Das klang gefährlich. Woher sollte Sascha wissen, ob Dante zu vertrauen war? Andererseits ... Dante hatte Sascha gerettet. War das da nicht das Mindeste?

»Du bist zu absolut nichts verpflichtet. Es ist vollkommen in Ordnung, wenn dir das zu riskant ist.«

Sascha schlang die Arme um den Oberkörper. »Ich bin schon neugierig. Aber ... wie viel ›siehst‹ du bei den Erinnerungen? Nur das, was man sieht? Oder auch noch anderes?«

»Vor allem das Gesehene, ja. Manchmal, wenn Menschen sehr stark darauf geachtet haben, auch andere Sinneseindrücke und Gefühle. Je frischer die Erinnerung, desto wahrscheinlicher sind andere Eindrücke. Und bei starken Emotionen während des Zauberns auch diese.« Dante musterte Sascha für einen Moment. »Du siehst aus, als würde dir das Sorgen machen?«

Das war gar kein Ausdruck! Dante könnte erfahren, was Sascha über ihn gedacht hatte. Mit dem Sehen konnte Sascha leben, aber die fast schon schwärmerischen Gedanken für Dante? Das ... »Kann man auch Teile zurückhalten?«

»Du könntest es versuchen. Ich kann zumindest isolierte Teile übermitteln, aber das hat viel Übung gebraucht. Es sollte also auch andersrum möglich sein. Aber ich kann es nicht versprechen.«

Langsam nickte Sascha.

Dantes Hand legte sich vorsichtig auf Saschas Oberarm. »Du musst nicht, wenn es dir unangenehm ist.«

»Ich habe wirklich Schwierigkeiten, mir das vorzustellen«, gab Sascha zu. »Könntest du es mir erst andersrum zeigen? Also nur, wenn du magst.«

»Klar. Aber sei darauf gefasst, dass es ein merkwürdiges Gefühl ist. Es kann sein, dass du einige Tage brauchst, bis du das verarbeitet hast. Manche haben nach dem ersten Mal Albträume. Insbesondere sich selbst zu sehen, kann wohl verwirrend werden. Andererseits werden aus anderen Erinnerungsfetzen manchmal falsche Erinnerungen kreiert und du könntest hinterher glauben, dass es deine eigenen sind.«

Skeptisch sah Sascha zu Dante. »Das klingt alles ziemlich gefährlich.«

»Hmm. So hab ich das noch nie gesehen. Bisher gab es allerdings keine Beschwerden. Aber ich nutze das im Regelfall auch nur für kleinere Spielereien oder um schnell Nachrichten zu übermitteln. Wenn du es nicht versuchen möchtest, nehm ich dir das nicht übel.«

»Doch. Schon ...« Trotz der Risiken klang das alles unglaublich interessant. Zuhause hätte Sascha so viel zu erzählen. Natalie würde sicher ausflippen. Auch sier hatte sicher noch nie von so einer Art Magie gehört.

Sascha atmete tief durch. »Okay. Aber ich möchte gerne etwas, wo ich mich selbst sehe.«

»Wie du möchtest. Die Hand auf dem Arm ist in Ordnung?« Er wartete, bis Sascha genickt hatte. »Gut. Dann kann es losgehen?«

Nachdem Sascha erneut genickt hatte, sammelte sich das sanfte Rot an der Stelle, an der sich ihre Haut berührte, zog sich von dort gleichmäßig durch ihrer beider Körper, wobei Sascha es nicht nur sehen sondern auch spüren konnte. Es war ein leichtes Kribbeln, das sich ausbreitete. Erstaunlicherweise war die Spur, die die Magie hinterließ, deutlich kräftiger als vorher. Wie stark musste die Verbindung zwischen Dante und der anderen Person sein, dass es ihm über die Entfernung so leicht fiel?

Als die Magie sich bis zu Dantes Kopf ausgebreitet hatte, spürte Sascha eine Art Druck im Kopf. Es war erstaunlich, wie stark Dante darin zu spüren war, dabei hatte Sascha sonst überhaupt kein Gespür für Magie und verließ sich allein darauf, sie sehen zu können.

»Entspann dich und lass es zu. Keine Angst, es passiert nichts.«

Sascha atmete tief durch, schloss die Augen, bis der Druck nachließ. Sofort öffnete Sascha die Augen wieder, um zu sehen, was passierte.

Dante war wieder in die hellrote Aura gehüllt, seinen Blick hielt er auf Sascha gerichtet, welches er beruhigend anlächelte.

Nichts an dem, was Sascha sah, veränderte sich, doch es baute sich ein Bild vor Saschas geistigem Auge auf. Als wären Saschas Gedanken zu einer Erinnerung abgeschweift, die mehr Platz einnehmen wollte, als die reale, Sascha im Moment umgebende Welt.

»Kannst du es sehen?« Selbst Dantes Stimme trat in den Hintergrund.

Sascha konzentrierte sich mehr auf das Bild im Kopf, erkannte sich selbst. Zwischen dem Betrachter und Sascha lag der Gang des Großraumabteils, am Rande des Sichtfeldes konnte Sascha ein Handy erkennen, auf dem deutlich eine Nachricht zu lesen war. Es musste der Moment sein, in dem Dante Sascha bemerkt hatte, denn Sascha starrte den Betrachter wirklich offensichtlich an, drehte sich erst im nächsten Moment zur Seite. Für einen Moment wurde Sascha gemustert, bis sich die Blicke wieder trafen.

Die Bilder verblassten und Sascha sah Dante wieder deutlicher vor sich. Die magische Verbindung war noch da, trat aber in den Hintergrund.

»Wow ... das ... war echt interessant.«

Dante lachte sein dunkles Lachen. »Ja, ich weiß. Ich spüre es.«

Er spürte das? Oh. »Wie kann ich dir etwas zeigen?«

»Erinner dich an vorhin und konzentrier dich darauf. Ich finde es dann schon ganz allein.«

Sascha tat wie angewiesen. Es war ja nicht so lange her, dass es schwer war, sich daran zu erinnern. Dante, wie er schräg gegenüber im Gang gesessen und auf das Handy gesehen hatte, bis sich plötzlich die hellrote Aura ausbreitete. Die Zeit, die Sascha Dante angestarrt hatte, bis Sascha die schwache Spur gefunden hatte, die sich aus dem Abteil herauszog.

»Und das sieht immer so aus?« Die Faszination war Dante anzuhören. Vermutlich hätten alle so reagiert, hätte Sascha es ihnen zeigen können.

»So ähnlich.« Sascha spürte, wie sich Dantes Magie zurückzog, bis nur noch ein Kribbeln an der Stelle blieb, an der noch immer Dantes Hand lag. »Bei mehr Energie wird die Farbe intensiver, viele können nur kurze, kräftige Magiestöße aussenden. Das ist dann wie eine Explosion oder ein Gewitter. Auch die Farbe variiert. Ich hab aber noch nicht herausgefunden, wovon das abhängt.«

»Klingt, als hättest du schon einige Experimente damit gemacht?«

»Ja. So weit das eben geht. Ich kann ja schlecht rumrennen und die Leute bitten, für mich zu zaubern.«

»Warum nicht?« Dante lächelte wieder und strich vorsichtig über Saschas Arm. »Hast du mich doch auch.«

»Du hast mich angesprochen und ausgequetscht«, erinnerte Sascha ihn mit einem frechen Unterton, schlang aber sofort die Arme wieder fester um sich.

Dante zwinkerte, ließ Saschas Arm los und griff nach seiner heißen Schokolade. »Da magst du recht haben. Aber ich bereue es nicht.«

»Ich auch nicht«, gab Sascha schüchtern zu und zog ebenfalls den Kaffee zu sich. »Du bist sehr interessant.«

»Das kann ich nur zurückgeben. Und ich bin mir sicher, du kannst noch viel anderes Interessantes erzählen, als nur über Magie.« Dante ließ die Aussage einen Moment im Raum stehen und trank einen Schluck, bevor er ergänzte: »Oder keine Lust?«

Sascha war nicht in der Lage, ihn anzusehen, rührte stattdessen verlegen im Kaffee. »Doch gern. Was willst du wissen?«



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