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Im Himmel ist der Teufel los

Apokalypse Reloaded
von

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Sternenstunden der Dummheit

Nazir gähnte als er mit schlurfenden Schritten die Küche erreichte. Sein Körper fühlte sich ungewohnt schwer an und es gelang ihm nur mit Mühe, halbwegs Haltung zu bewahren. Immer wieder drohten ihm die Augen zuzufallen und ihm war so, als würde er einen merkwürdigen Geruch von irgendwo wahrnehmen. Andererseits hatte es auch erst vor wenigen Stunden stark geregnet und da hing immer ein eigenartiger Geruch in der Luft. Aber irgendetwas war seltsam. Normalerweise war er doch gar nicht so schläfrig, also warum überkam ihn jetzt plötzlich das Verlangen, sich einfach hinzulegen und die Augen zuzumachen? Das war doch absolut schwachsinnig. Er brauchte doch gar keinen Schlaf. Das machte doch überhaupt keinen Sinn. Er versuchte seine Gedanken zu sortieren und sich zu konzentrieren, doch sein Kopf wollte da einfach nicht mitmachen. Sein ganzer Körper und sein Verstand wurden von einer lähmenden Trägheit befallen, die zusehends schwerer wurde.

In der Hoffnung, dass Koffein vielleicht die Lösung für sein Problem sein könnte, goss er heißes Wasser in eine Tasse und gab ein paar Löffel starken Instant-Kaffee dazu. Er trank alles in wenigen Schlucken aus, doch leider schien auch dies nicht allzu gut zu wirken. Vielleicht war es doch das Beste, wenn er sich ein bisschen schlafen legte. Schaden konnte es ja nicht. Warte… was konnte nicht schaden? Wer wollte wem schaden? Nazir stand apathisch da, die Dose mit dem Instantkaffee in der einen Hand und der leeren Tasse in der anderen Hand und versuchte sich angestrengt zu erinnern, woran er gerade noch gedacht hatte. Aber es wollte ihm einfach nicht mehr einfallen und er konnte nicht einmal sagen, was er als nächstes tun sollte.

Als er dann auf den Kaffee in seiner Hand starrte, glaubte er, sich wieder erinnern zu können. Ja richtig! Er wollte doch Getränke servieren gehen damit sie weiterarbeiten konnten. Also machte er für jeden eine Tasse fertig, stellte diese dann auf ein Tablett und kehrte ins Wohnzimmer zurück wo Malachiel und Metatron darüber grübelten, wie sie das Dilemma in der Hölle lösen könnten. Und wie es aussah, war auch der König der Engel ein wenig erschöpft von der ganzen Diskussion. Bei Malachiel war es hingegen etwas schwer zu sagen, weil er immer aussah, als hätte er viel zu wenig Schlaf abgekriegt. Als Nazir jedem eine Tasse reichte und sich schließlich selbst wieder setzte, beäugte ihn sein Mentor aufmerksam mit seinen von Schatten umrandeten Dämonenaugen. „Du siehst müde aus“, stellte der Halb-Engel fest. „Hast du dich mit deinen Studien wieder übernommen?“

„Eigentlich nicht“, antwortete der Dämon und gähnte wieder. „Ich bin einfach nur müde, das ist alles…“

„Eine kleine Pause würde wirklich nicht schaden“, stimmte Metatron zu und wurde von Nazirs Gähnen regelrecht angesteckt. Schläfrig rieb er sich die Augen und trank einen Schluck von seinem Kaffee, aber es half nicht wirklich dabei, seine Lebensgeister wiederzuerwecken. „Es war ein anstrengender Tag und eine Pause muss auch mal gut sein…“

Doch Malachiel war der Einzige, der sich davon nicht anstecken ließ. Ironischerweise wirkte er stattdessen hellwach und putzmunter im Gegensatz zu den beiden anderen, die aussahen als würden ihnen jeden Augenblick die Augen zufallen. Genervt seufzte er und konnte nicht fassen, dass das hier gerade wirklich passierte. „Also echt jetzt mal“, beschwerte er sich lauthals. „Soll das hier etwa ein Wettbewerb werden, wer hier der trägste Schnarchsack ist? In diesem Haus kann es nur einen Faulenzer geben und das bin immer noch ich. Also reißt euch mal zusammen.“

Doch seine Worte zeigten nicht wirklich Wirkung. Stattdessen schien es sogar schlimmer zu werden. Metatron schaffte es nicht mal seinen Kaffee auszutrinken und legte den Kopf einfach auf dem Tisch ab und benutzte das himmlische Regelwerk einfach als Kopfkissen. Es dauerte auch keine 30 Sekunden bis er laut zu schnarchen begann und durch nichts mehr zu wecken war. Auch Nazirs Augen wurden zusehends schwerer und er schaffte es kaum, aufrecht sitzen zu bleiben. Er wollte einfach nur die Augen schließen und schlafen. Sein Mentor tat es ja sowieso tagein und tagaus, also konnte da vermutlich nichts Schlechtes dran sein. Wer weiß… vielleicht gefiel es ihm sogar, auch wenn er immer dachte, dass Schlafen völlig unnötig sei. Jetzt in diesem Augenblick erschien es ihm einfach zu verlockend zu sein.
 

Als ihm schon die Augen zugefallen waren und sein Oberkörper kraftlos zusammenzusacken drohte, wurde ihm aus heiterem Himmel ein kräftiger Klopfer auf den Rücken verpasst und mit einem Male war er plötzlich hellwach. Erschrocken über diesen plötzlichen Schlag riss er die Augen auf und fuhr auf. „Wa-was ist los? Bin ich etwa eingenickt?“ fragte er hastig und schaute abwechselnd zum schlafenden Metatron, der auf den Buchrücken zu sabbern begann und dann zu Malachiel, der den Gesichtsausdruck eines misslaunigen alten Mannes hatte. „Tut mir leid, Meister. Ich habe es vielleicht mit meinen heutigen Studien übertrieben.“

„Nein, hast du nicht“, winkte Malachiel ab, stand mit einem leisen Ächzen auf und streckte sich. „Das ist dieses verdammte Wetter da draußen. Ich habe zwar gehört, dass Religion Opium fürs Volk ist, aber dass es auch Gras tut, ist mal was Neues.“

Nazir, der nicht wirklich etwas mit dieser kryptischen Anspielung anfangen konnte, zog verwirrt die Augenbrauen zusammen und fragte unsicher „Meister? Gibt es vielleicht Ärger?“

Zwar hatte Nazir während seiner gesamten Zeit bei Malachiel noch keine übernatürlichen Vorfälle erlebt, aber er wusste trotzdem, dass sein Brotherr so einige Leichen im Keller hatte. Auch wenn es wirklich viel Feingefühl und einen äußerst guten Spürsinn brauchte, war ihm nicht entgangen, dass dutzende Gegenstände im Pfarrhaus von Dämonen besessen waren. Naja, Besessenheit war vielleicht etwas zu weit hergeholt. Die passende Bezeichnung wäre eher gewesen, dass Dämonen in ihnen eingesperrt waren. Darüber gesprochen hatten sie beide nie und Malachiel hatte dieses Thema auch selbst nie zur Ansprache gebracht. Er hatte nur lediglich die Bemerkung fallen gelassen, dass er in der Vergangenheit Ärger mit ein paar Unruhestiftern hatte, die auf Krawall gebürstet waren. Der dämonische Haushälter hatte beschlossen, nicht weiter nachzufragen, da er sich schon selber denken konnte, was das bedeutete.

Warum Malachiel nie über seine Angewohnheit gesprochen hatte, Eindringlinge in Haushaltsgegenstände einzusperren, war Nazir nie ganz klar gewesen. Vielleicht weil es keinen triftigen Grund gab, darüber zu reden oder einfach weil er seinem Schüler keine Angst einjagen wollte. Immerhin war dieser ja selbst ein Dämon und es hätte vielleicht wie eine unterschwellige Bedrohung klingen können. Und nun, als er den ernsten Blick in den Augen seines Mentors sah, ahnte Nazir, dass er mit seinem Gefühl richtig lag. Ärger war im Anmarsch und diese plötzliche Schläfrigkeit und der merkwürdige Geruch in der Luft waren höchstwahrscheinlich dämonischer Natur. „Bleib du ruhig hier sitzen und pass auf, dass Matt nicht auch noch meine Bibel vollsabbert“, wies Malachiel ihn an, ohne auf die Frage seines Schülers einzugehen und ging in Richtung Wohnzimmertür. „Ich gehe nur mal eben schnell den Müll rausbringen. Bin gleich wieder da.“

Einen Moment lang saß sein Haushälter völlig verdattert da und wusste nicht, was er davon halten sollte. Was hatte das alles bloß zu bedeuten und was auf einmal in Malachiel gefahren? Sonst war er doch nie so aktiv und übernahm freiwillig Arbeit. Irgendetwas Unheilvolles musste sich anbahnen, so viel stand fest. Und es war stark genug, um sogar einen Seraph wie Metatron beeinflussen. Besorgt stand der dämonische Haushälter auf als die Tür hinter seinem Mentor ins Schloss fiel und er wollte ihm hinterhereilen um ihm Unterstützung zu leisten. Doch kaum, dass er den Türgriff berührte, durchfuhr ein heftiger Schlag seine Hand und er zog sie blitzschnell wieder zurück.

Das war eindeutig heilige Kraft. Anscheinend hatte Malachiel die Tür mit einem äußerst mächtigen Segen belegt, damit keine ungebetenen Gäste hereinkamen. Leider bedeutete das auch, dass Nazir genauso wenig hinaus konnte. Er war hier drin eingesperrt und ihm blieb nichts anderes übrig, als zusammen mit dem immer noch schlafenden Metatron zu warten und zu hoffen, dass er bald wieder rauskam. Geschlagen seufzte er und machte es sich wieder auf dem Sofa bequem. Er hasste es, nichts ausrichten zu können und zur Untätigkeit verdammt zu sein. Aber andererseits zeigte es auch, dass er sich in solchen Momenten auf seinen Herrn verlassen konnte. Alles, was er nun tun konnte war, ihm zu vertrauen und auf das Beste zu hoffen.
 

Malachiel seufzte genervt als er sich seine Jacke anzog und nach draußen ging. Anscheinend war selbst einem armen Arbeitsverweigerer wie ihm kein ruhiger Tag vergönnt. Warum nur mussten all die Problemfälle und Bittsteller auch immer ausgerechnet dann auf der Matte stehen, wenn er sich einfach nur ausruhen wollte? Faulenzerei musste eben auch gelernt sein. Vor allem war es ihm ein absolutes Rätsel, warum immer wieder Dämonen aufkreuzen und ihn herausfordern mussten, obwohl sie doch inzwischen wissen sollten, dass sie sich nur Ärger einhandelten. Selbst Satan hatte diese Lektion gelernt und der hatte die schlimmste Abreibung kassiert seit Michael ihn hochkant aus dem Himmel geworfen hatte. Aber anscheinend waren die Menschen nicht die Einzigen, die sich mit ihrem grenzenlosen Maß an Dummheit den Darwin Award verdienten, weil sie bei den dämlichsten Aktionen draufgingen. Vielleicht war ja ein derart gewaltiges Maß an geistiger Beschränktheit eine Sünde. Etwas anderes hätte ihn auch sehr gewundert.

Als er die Haustür öffnete, schlug ihm der intensive Geruch von Cannabis entgegen und er rümpfte die Nase. Na super… als wäre der ganze Ärger heute nicht schon genug, musste es auch noch ausgerechnet Indica sein. Wenn es wenigstens Sativa wäre, dann würde er wenigstens ein bisschen gute Laune dabei bekommen. „Na klasse… ausgerechnet Northern Lights. Und so wie es stinkt, ist es auch noch ziemlich schlechtes Gras“, murmelte er und versuchte den Geruch von Kiefern und Zitrone mit der Hand von seiner Nase wegzufächeln und diesen ekelhaften Gestank wieder loszuwerden. „Für ein ordentliches Super Silver Haze hat’s wohl nicht gereicht, was?“

Der Nebel war so dicht, dass es schier unmöglich war, auch nur die eigene Nasenspitze zu sehen. Doch Malachiels Augen konnten trotzdem zwei Silhouetten in dem weißen Dunst ausfindig machen. Und sie kamen direkt auf ihn zu. Na, das war mal was Neues. Es war schon etwas länger her, seit mehr als nur ein größenwahnsinniger Möchtegern-Abenteurer zur gleichen Zeit aufgetaucht war. Na das konnte ja nur lustig werden. Als sich der Nebel ein kleines bisschen klärte, konnte Malachiel die beiden Besucher etwas besser erkennen. Und ihre Aufmachung sorgte nicht gerade dafür, dass sich seine Stimmung besserte. Es waren zweifelsohne zwei Dämonen, allerdings sahen sie eher aus wie zwei außer Kontrolle geratene Jugendliche, die MTV von der Leine gelassen hatte. „Ach du Scheiße, aus welcher Freakshow seid ihr zwei Flitzpiepen ausgebüxt?“ wunderte er sich und konnte nicht glauben, was für ein Anblick sich ihm da bot. Der eine sah aus wie der weißeste Rapper seit Eminem, der verzweifelt versuchte, sich wie ein schwarzer Rapper zu kleiden. Und seine Begleiterin erinnerte ihn unfreiwillig an eine außer Kontrolle geratene Miley Cyrus in einem dicken weißen Zuhältermantel. Zusätzlich trugen sie beide Atemmasken. Vermutlich um nicht selbst diesem betäubenden Nebel zum Opfer zu fallen. So etwas war ihm bislang noch nicht untergekommen und wenn der Anblick nicht so verdammt erbärmlich wäre, würde er vielleicht darüber lachen. Die Hölle musste ja wirklich ihre Ansprüche heruntergeschraubt haben, was die jüngere Generation anging. Eine andere Erklärung konnte es für diesen Wanderzirkus unmöglich geben.

Der Rapper kam auf ihn zu und zückte sogleich ein Klappmesser hervor und richtete die Spitze der Klinge direkt zwischen seine Augen. Das Mädchen mit dem wasserstoffblonden Haar und den Pimp-Klamotten hatte hingegen einen Baseballschläger in der Hand, der mit Nägeln bestückt war. Die Hölle schien deutlich kreativer mit den neuen Waffendesigns zu werden. Allerdings bezweifelte er, dass diese auch wirklich so nützlich waren wie die traditionellen Modelle. „Ey Arschloch, bist du der verfickte Pfaffe der hier lebt?“ blaffte ihn der Rapper an und ein kurzer Blick auf seine Hände verriet, dass er dicke goldene Schlagringe mit der Aufschrift „THUG“ und „SWAG“ trug. Also noch klischeehafter konnte diese Aufmachung nun wirklich nicht mehr werden. Selbst die goldene Kette mit dem Dollarzeichen war da. Hatte der Kerl etwa eine Checkliste abgearbeitet oder gab es vielleicht eine Art Starterpaket für Möchtegern-Rapper?

„Und wer will das wissen?“ fragte Malachiel unbeeindruckt und konnte nicht glauben, dass er seine Zeit mit diesen zwei Witzfiguren verschwenden musste. Andererseits wollte er auch nicht unhöflich sein und den beiden wenigstens eine Chance geben. Es war ohnehin nicht seine Art, Kinder herumzuschubsen und offensichtlich hatten diese armen Irren nicht die geringste Ahnung, worauf sie sich da eigentlich einließen. „Ist die Hölle inzwischen so verzweifelt, dass man euch zwei Pappnasen hergeschickt hat? Tut euch selbst einen Gefallen und geht wieder nach Hause. Ich habe keine Lust, mich mit Grünschnäbeln wie euch herumzuärgern. Außerdem macht ihr euch mit diesem Aufzug mehr als lächerlich.“

„Fuck mich nicht so von der Seite an, Alter!“ schrie der Rapper wütend und packte den Halb-Engel grob am Kragen und drückte ihn mit Gewalt gegen die Tür um ihn einzuschüchtern. „Wir sind die berüchtigten New Age Dämonen und zukünftige Erzdämonen der sieben Todsünden, schreib dir das mal gefälligst hinter die Ohren, du Wichser! Wir sind hier um deinen abartigen Kinderschänderverein auseinanderzunehmen und dir die Fresse einzuschlagen. Also zeig gefälligst mehr Angst und Respekt hier!“

„Ach… zukünftige Erzdämonen also?“ erwiderte Malachiel und konnte sich ein spöttisches Lachen nicht verkneifen. Diese Drohungen, die ihm um die Ohren gehauen wurden, nahm er schon gar nicht mehr sonderlich zur Kenntnis. Inzwischen hatte er sie alle so oft zu hören gekriegt, dass er sogar schon mal darüber nachdachte, einfach mal ein Trinkspiel daraus zu machen. Dann würde das ganze Prozedere zumindest einen gewissen Unterhaltungswert bekommen. „Also schickt man jetzt heutzutage die Azubis vor oder ist das bloß so eine Art Challenge, die ihr euch Kids mal wieder ausgedacht habt?“

„Schnauze halten!“ brüllte sein Gegenüber und verlor endgültig die Beherrschung. Offenbar hatte der Gute ein ziemlich mieses Temperament. Malachiel brauchte nicht wirklich sein Hirn anzustrengen um zu erraten, dass dieser Choleriker Kandidat für die Todsünde des Zorns war. Passte ja wie der Faust aufs Gretchen. Nun, damit konnte er schon mal arbeiten. Und er hatte auch schon so eine gewisse Vorstellung, welche Todsünde seine Begleitung verkörpern könnte. Dem Aussehen nach hätte er zuerst auf Lust getippt, aber da passte die Angriffslust nicht dazu. Außerdem hätte sie sich deutlich aufreizender angezogen wenn sie es wirklich gewesen wäre. Nein, es musste etwas anderes sein und er hatte auch schon eine Vorahnung. So wie die beiden zusammen auf ihn losgingen, konnten es eigentlich nur Stolz und Zorn sein. Stellte sich nur die Frage, wer diesen Kiffernebel produzierte. Das konnte eigentlich nur ein Dämon der Trägheit sein, aber anscheinend hielt dieser sich versteckt. Wäre ja auch verwunderlich gewesen, wenn ausgerechnet diese Todsünde wirklich aktiv werden würde. Naja, es gab weitaus Schlimmeres und zum Glück wusste er, wie man mit den einzelnen Todsünden umzugehen hatte.
 

Wütend holte sein Angreifer aus um ihm das Messer in den Hals zu rammen, doch Malachiel reagierte schnell genug, um seine Hand wegzuschlagen und die Attacke einfach in eine andere Richtung zu lenken. Völlig aus seiner Haltung gebracht kam sein Gegenüber ins Wanken und mit einem Stoß in den Brustkorb riss der Pseudo-Pfarrer ihn von den Füßen und schleuderte ihn ein paar Meter weg, bis der Rapper gegen den Briefkasten prallte und ächzend zu Boden sank. „Dex!“ rief die Blondine und drehte sich kurz erschrocken zu ihm um, doch nachdem sie sich kurz darauf von ihrem ersten Schreck erholt hatte, verzerrte sich ihr stark geschminktes Gesicht zu einer wutverzerrten Grimasse. „Du scheiß Penner, ich mach dich fertig!“ schrie sie und schlug mit ihrer provisorischen Nagelkeule nach ihm, doch Malachiel wich mühelos zur Seite aus und packte sie daraufhin am Handgelenk.

„Ich wiederhole mich noch ein letztes Mal“, sprach er ruhig und eindringlich. „Geht nach Hause und lasst den Blödsinn. Ich habe keine Lust, mich mit Kindern zu prügeln.“

Doch das Mädchen dachte gar nicht daran, einfach so aufzugeben. Wütend darüber, dass Malachiel sie am Handgelenk festhielt, holte sie mit der anderen Hand aus um ihm eine Backpfeife zu verpassen, doch er blockte den Schlag ab und schien dabei nicht unbedingt viel an Energie zu benötigen. „Lass mich gefälligst los, du perverses Schwein!“ kreischte sie und trat ihm vors Schienbein. Etwas irritiert über diese plötzliche Unterstellung ließ Malachiel sie los und wich einer weiteren Attacke mit dem Schläger aus.

„Seit wann ist Selbstverteidigung bitteschön pervers?“ fragte er irritiert und trat nun auf seine Kontrahentin zu wobei er missmutig und vorwurfsvoll die Fäuste in die Seiten stemmte. „Ihr taucht hier auf, greift mich an und pöbelt rum wie die Asozialen. Und nur weil ich keine Lust habe, mich von einer billig angezogenen und völlig übergeschnappten Furie erschlagen zu lassen, macht mich das noch lange nicht…“

„Deine sexistischen Kommentare kannst du dir sonst wo hinstecken!“ keifte die Blondine wütend und baute sich mit ihrer DIY-Nagelkeule vor ihm auf. „Solche chauvinistischen Kommentare sind ja mal wieder so typisch für frauenhassende, homophobe und transfeindliche Cis-Männer wie dich. Ihr scheiß Katholiken seid das Symbol für Diskriminierung und Intoleranz in unserer Gesellschaft und ihr habt uns Frauen viel zu lange unterdrückt! Und ich schlag dir die Birne ein, damit das endlich mal in eure Köpfe reingeht!“

Ach du Scheiße, also mal wieder so eines von diesen so genannten Schneeflöckchen, dachte sich Malachiel und spürte, wie ihm die Galle hochkam. Einerseits war es mal eine erfrischende Abwechslung zu den sonstigen Drohungen und großen Reden, die seine früheren Gegner vom Stapel gelassen hatten. Andererseits machte das selbstgerechte Gerede einer auf Krawall gebürsteten Zicke den Braten auch nicht fett. Wenn das wirklich die neue Generation von zukünftigen Erzdämonen der Todsünden war, konnte er verstehen, warum die Leute heutzutage komplett am Rad drehten. Jetzt machte der ganze Aufriss um Cancel-Culture, politisch korrekte Zensur und Rassismusdebatten in den Medien wenigstens einen Sinn. Einerseits konnte Malachiel nicht umhin, diese überraschende Kreativität anzuerkennen und insgeheim zuzugeben, dass sich die Hölle ziemlich effektive Methoden einfallen ließ. Andererseits war es auch einfach nur pures Fremdscham-Material und er konnte sich dieses selbstgerechte Gefasel dieser Dämonin kaum eine Sekunde länger mit anhören.

Die schmiss garantiert mit Anschuldigungen um sich, wenn es überhaupt nichts gab, worüber sie sich beschweren konnte. Und das ging ihm so richtig gegen die Hutschnur.

Als seine Kontrahentin zu einem kräftigen Schlag ausholte um ihm den Schädel einzuschlagen, packte Malachiel sie am Arm und schleuderte sie in die Richtung, in welche er zuvor schon Dex befördert hatte.

Die beiden dämonischen Zwillinge prallten zusammen und blieben einen Moment lang benommen auf dem Boden liegen. Sie hatten zwar mit Gegenwehr gerechnet, aber gewiss nicht damit, dass ihr Gegner derart stark sein würde. Stöhnend kamen sie wieder auf die Beine, brauchten aber einen Moment um sich wieder zu sammeln. Irritiert tauschten sich die beiden an und verstanden die Welt nicht mehr. „Ich kapier’s echt nicht“, murmelte Deeda benommen und hob ihre Waffe auf. „Warum zum Teufel macht ihm Lucys Nebel nichts aus? Er hätte schon längst einschlafen müssen.“

„Ganz einfach!“ rief Malachiel ihnen zu, der alles mitgehört hatte. „Ich bin schon immer von Natur aus ein Faulpelz gewesen. Noch träger kann ich gar nicht mehr werden!“

„Der will uns doch wohl verarschen“, knurrte Dex zerknirscht und richtete seine Schlagringe. Er weigerte sich zu glauben, dass eine so dämliche Erklärung wirklich der Grund dafür war, warum ihm die verheerende Macht der Todsünde Trägheit nichts anhaben konnte. Das musste doch ein Scherz sein.
 

Der Nebel wurde wieder dichter und Malachiel konnte selbst mit seinen Dämonenaugen die beiden Raufbolde nicht mehr sehen. Dafür konnte er sie aber ziemlich gut hören, denn von Anschleichen hatten die beiden offensichtlich noch nie gehört. Naja… Stolz und Zorn waren ja auch nicht unbedingt für Subtilität und Lautlosigkeit bekannt. Laut schreiend stürmten die beiden auf ihn zu und griffen ihn an, stellten sich aber nicht geschickter an als irgendwelche gewöhnlichen Rowdys, die in Gruppen auf wehrlose Leute einprügelten. Normalerweise waren Dämonen, die sich auf Kämpfe verstanden, in besonderen Kampfkünsten ausgebildet und extrem zähe Gegner. Aber diese beiden Querulanten waren wirklich ein Witz und besaßen nicht den leisesten Hauch von Finesse. Kein Wunder, dass die beiden bloß Azubis und keine richtigen Erzdämonen waren.

Bei einem so primitiven Kampfstil machte es wirklich keinen Spaß, überhaupt zurückzuschlagen. Also begnügte sich Malachiel einfach damit, ihren Angriffen auszuweichen und den beiden zwischendurch lediglich einen Fuß zu stellen um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Es war ja schon das reinste Trauerspiel, dass die beiden derart überzeugt davon waren, dass diese Pausenhofschlägerei sie tatsächlich weiterbringen würde. Naja, vielleicht hatte er Glück und die beiden wurden bald müde. „Also damit ich es richtig verstehe“, sagte er schließlich, packte Dex am Kragen und hielt ihn fest. „Du spielst hier den streitlustigen Rassisten…“

Als dann ein weiterer Angriff von Deeda folgte und sie sich mit bloßen Händen auf ihn stürzen wollte, stieß er sie von sich und schleuderte ihren Bruder in ihre Richtung. „Und du machst hier einen auf Social Justice Dingens… Oh Mann, die Hölle muss wirklich unterbesetzt sein, wenn sie nicht mal vernünftiges Personal nach oben schicken kann. Aber ich wette die Kids lieben euch.“

„Fick dich, Motherfucker! Ich stech dich so was von ab!“ brüllte Dex wütend und startete einen Frontalangriff und hielt sein Klappmesser bereit zum Angriff. Da Malachiel aber keine Lust mehr auf diese vulgären und niveaulosen Beleidigungen hatte, beschloss er, dem Bengel mal eine Lektion zu erteilen und verpasste ihm einen kräftigen Schlag in die Magengrube. Das war endgültig zu viel für den Rapper und mit einem gequälten Stöhnen sank er in sich zusammen wie ein nasser Sack und blieb auf dem Boden liegen. Der würde vorerst nicht mehr aufstehen.

Nun wandte er sich Deeda zu, deren Kopf so rot angelaufen war, dass nicht mal ihr Makeup es weiter verstecken konnte. In ihren dämonischen Augen glomm pure Mordlust und sie war bereit, bis aufs Äußerste zu gehen. „Der Schlag vorhin ging voll auf meine Titte, du sexistischer Bastard!“ wetterte sie und hielt mit beiden Händen ihre selbstgebastelte Nagelkeule. „Macht es Cis-Abschaum wie dir etwa Spaß, Frauen zu objektifizieren und zu glauben, man kann sie angrabbeln wann immer es euch gerade passt?“

Jetzt war die Grenze endgültig überschritten. Malachiel hörte sich ja so einige Beleidigungen an, aber das war nun wirklich zu viel des Guten. Er konnte es wirklich nicht ab, wenn die Person, die ernsthaft versuchte ihm den Schädel einzuschlagen, sich nun plötzlich als das eigentliche Opfer darstellte. Das war ja nun wirklich mehr als lächerlich. „Bei der dicken Suppe kannst du erstens kaum von mir erwarten, dass ich alles sehe. Und zweitens versucht ihr die ganze Zeit, mich umzubringen. Also brauchst du dich nicht zu wundern, wenn ich mich zur Wehr setze.“

„Steck dir deine Ausreden in deinen frauenhassenden Arsch und hör gefälligst auf, auf mich herabzusehen nur weil ich keinen Schwanz mehr hab!“ schrie sie und stürzte mit der Nagelkeule zum Schlag bereit auf ihn zu. Nun wurde ihm diese ganze Scharade wirklich zu blöd. Er ließ sich ja so einiges vorwerfen aber das war zu viel des Guten. Es wurde mal langsam Zeit, dass diese übergeschnappte Furie mal eine Kostprobe ihrer eigenen Medizin bekam. „Du willst also Gleichberechtigung? Kannst du gerne haben!“

Und damit verpasste er seiner Angreiferin einen kräftigen Schlag zwischen die Augen. Jetzt war die Spielstunde endgültig vorbei. Wenn die beiden unbedingt schmutzig spielen wollten, dann konnten sie das gerne so haben.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Charly89
2020-10-18T08:34:16+00:00 18.10.2020 10:34
XD irgendwie hatte ich schon geahnt, das Malachiel imun ist, gegen den Gras-Nebel. Wieviel träger hätte er auch nich werden können?

Das ist ja eine richtige Hinterhof-Prügelei. Ich verstehe, dass Malachiel enttäuscht ist X'D

Ach wie schön, der Darwin Award :D der wichtigste Award der gesamten Menschheit ^-^"

Abseits davon, finde ich es schön, wie die Beziehung zu Nazir hier etwas genauer beleuchtet wird. Es ist zwar nur nebenbei und eher unscheinbar, aber das er den Dämon sicher 'einschließt' sagt schon einiges aus. Klar, Metatron ist auch da und muss auch beschützt werden, aber ich vermute, dass es auch darum ging, Nazir davon abzuhalten, dass er ihm folgt.
Antwort von:  Sky-
18.10.2020 11:03
Tja, das kommt halt davon, wenn die Hölle unterbesetzt ist: man schickt die Ladenhüter los, die ganz offensichtlich keine Chance haben. Aber zumindest versuchen sie es. Im Grunde genommen bleibt denen ja auch kaum eine andere Wahl. So oder so sind sie am Arsch. Wenn Malachiel ihnen nicht den Allerwertesten aufreißt, dann wird Luzifer es tun.

Ja man kann so einiges über Malachiel sagen, aber er passt schon auf seinen Schüler auf. Ansonsten hätte er ihm ja erlaubt, an seiner Seite zu kämpfen. Und wie weit er gehen wird um die zu beschützen, die ihm nahe stehen, wird sich noch bald zeigen. Bis jetzt kann man bei den aktuellen drei Gegnern ja nicht wirklich von einer ernsten Bedrohung sprechen. Der Kampf ist so ziemlich vergleichbar mit zwei Kindergartenkindern, die ernsthaft versuchen, einen Erwachsenen zu verprügeln. XD


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