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Die drei Sonnen von Arlon

von

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Kapitel 3

„Was soll das heißen? Du hattest keine Zeit?“ Ich habe nicht vergessen, was vor rund zwei Wochen in meinem Zimmer passiert ist und jetzt steht er plötzlich vor mir. Hockt wieder einfach so auf meinem Stuhl und blickt ungeniert an mir herunter.

Schützend ziehe ich das Handtuch etwas höher und halte es mit beiden Händen fest. Ich bin gerade aus der Dusche gekommen und habe ihn in meinem Zimmer entdeckt. Meine Haare hängen nass über meine Schultern, dass sie im trockenen Zustand voller Locken sind und voluminös abstehen, kann man jetzt nicht erkennen. Das Wasser läuft über meine Brust nach unten, wo es eine kleine Pfütze bildet. „Noch nie eine Frau gesehen, die gerade aus der Dusche gekommen ist?“, frage ich schnippisch.

„Doch. Ich habe schon Frauen gesehen, die viel weniger am Leibe tragen als du.“

Wie soll ich mich denn bitte jetzt anziehen? Suchend blicke ich mich in meinem Zimmer um. Ich kenne Emiras nicht, also weiß ich nicht, ob ich einfach verlangen kann, dass er sich umdreht. Er könnte heimlich gucken und mich dabei beobachten, wie ich mich anziehe.

Ihn aus meinem Zimmer lassen will ich auch nicht, da ich nicht weiß, was er dann macht, wenn ich ihn aus den Augen lasse. Es ist eine wahre Zwickmühle, in der ich mich befinde.

„Gut und was willst du?“, versuche ich meine Situation zu überspielen. „Arlon wird zugrunde gehen, wenn wir nichts dagegen tun. Noch ist es nicht zu spät.“ Emiras scheint es nicht zu stören, dass ich halb nackt vor ihm stehe. Er sieht mir direkt ins Gesicht, wie es sich für einen Gentleman gehört. Und doch muss ich zugeben, dass es mich ein bisschen stört, dass er so gut erzogen ist. Ich habe keine Wespentaille und keine große Oberweite. Mein Körper ist normal, hat hier und da ein Fettpölsterchen und die Sonnensprossen auf meinen Schultern darf man nicht vergessen. Zur gleichen Zeit, erleichtert es mich, dass er mir in die Augen sieht, während er mit mir spricht. Seine haselnussbraunen Augen haben die leichte Form von Mandeln und blicken wissend und gierig. Durch das Tuch, welches er über seinen Mund trägt, kommen die Augen noch besser zum Vorschein. Ob er wohl etwas zu verbergen hat?

„So? Das sagtest du bereits beim letzten Mal, aber warum soll gerade ich dir helfen? Und dazu ist Arlon fiktiv. Es existiert nicht. Es ist nur ein Spiel.“

Was, wenn er mich entführen will? In mir steigt leichte Panik auf und ich trete einen Schritt zurück. Er ist bestimmt ein Irrer, der nach naiven Mädchen sucht und sie entführen und missbrauchen will. Damit er weiß, auf was sein Opfer anspringt, spioniert er sie aus und dann verkleidet er sich, um Vertrauen zu gewinnen.

Aber nicht mit mir. Ich lasse so etwas nicht mit mir machen. „Wenn du mir nicht sofort sagst, was du willst, dann schrei‘ ich!“

Sein Lachen bringt mich für einen Sekundenbruchteil aus dem Konzept. Meine Augen weiten sich ein Bisschen und ich presse meine Lippen fest aufeinander. Er macht sich eindeutig über mich lustig.

Meine Hände zittern. Um dies verbergen zu können kralle ich mich fest an den weichen Stoff des hellblauen Handtuchs.

„Ich habe dir doch bereits gesagt, warum ich hier bin. Arlon ist in Gefahr. Alle drei Sonnen wurden entwendet und wenn wir sie nicht zurückbringen, wird Arlon untergehen“, zählt er genervt auf. Es sind die gleichen Worte, die ich schon vor zwei Wochen gehört habe. Dann geht Arlon eben unter, es ist nur ein Spiel. Die Entwickler haben bestimmt eine Idee oder eine Erweiterung, in der Arlon gerettet wird. Selbst wenn ich diese Quest dann nicht annehme, wird das keine Konsequenzen haben. Nicht für mich, die Entwickler oder die Figuren im Spiel. Denn alles rund um Arlon besteht nur aus Einsen und Nullen.

„Du glaubst immer noch, dass ich ein Irrer bin, der dich entführen will? Guck nicht so. Man kann es dir vom Gesicht ablesen.“ Emiras‘ Worte klingen, als macht er sich über mich lustig, als zieht er meine Sorgen in den Dreck.

Ich tue das, was ich immer tue, wenn ich vorerst nicht weiter weiß. Ich wechsel das Thema. „Ich würde mich gerne anziehen.“ Ich stehe immer noch im Handtuch vor ihm. Mit einem Schulterzucken dreht sich Emiras um und mir seinen Rücken zu. Immerhin darin hat er ein wenig Mitgefühl, oder Courage, oder wie immer man Rücksicht nennen kann. Während er mit dem Rücken zu mir sitzt, nehme ich mir willkürlich ein Outfit aus meinem Schrank und schlüpfe hinein, wobei ich ab und an über die Schulter schaue, um zu gucken, dass er auch nicht spinkt.

„Jetzt noch einmal von vorne, bitte. Das Arlon in Gefahr ist, habe ich verstanden. Doch warum gerade ich? Es gibt tausend andere Spieler, die besser geeignet sind.“ Ich habe mich, nachdem ich mir eine Leggins und ein Oversize Pullover angezogen habe, auf mein Bett gesetzt und sitze nun mit überschlagenen Beinen vor Emiras. Die Geschickte glaube ich immer noch nicht, aber ich habe mich vorerst dazu entschieden so zu tun.

„Die gibt es. Wenn wir uns daran orientieren, wer in dieser, in deiner Welt, an Potenzial verfügt, dann wärst du ziemlich weit unten auf dieser Liste.“ Das ist hart. So genau muss er sich nicht ausdrücken. Selbst ein Irrer, der angeblich aus einem Onlinerollenspiel stammt, hält mich für eine Verliererin.

„Ich wurde geschickt, um dich zu holen. Warum, ist mir egal.“ Mit einem Ruck steht Emiras auf seinen Beinen und steht nach nur zwei Schritten vor mir. Ich muss meinen Kopf heben, um seinen Blick erwidern zu können. „Kommst du mit und erlebst Abenteuer, von denen du nicht einmal zu träumen gewagt hast oder bleibst du hier und wirst dich bis an dein Lebensende fragen: Was wäre wenn? Bin ich schuld? Hätte ich doch lieber?“

Mit einem kurzen Zögern, greife ich nach seiner Hand, die er mir ausgestreckt entgegenhält. Ohne zu wissen, was mich erwartet, lasse ich mich von meinem Bett auf meine Beine ziehen.

Und plötzlich ist es, als beschleunigt sich mein Körper auf Überschallgeschwindigkeit. An mir rasen bunte Punkte vorbei, die zu langen Fäden werden. Die Farben vermischen sich zu einem hellem weiß und dann ist es plötzlich vorbei und mir ist für ein paar Sekunden schwarz vor Augen. Es dauert einen Moment, bis die Welt wieder Form annimmt und ich erkennen kann, dass ich nicht mehr zu Hause bin.



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