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Nightmare after Christmas

there is no hope (seiya x usagi)
von

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{24. Türchen}


 

Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anders ist als Realität“

- Alfred Hitchcock
 

Die roten Weihnachtskugeln zersprangen auf dem Boden. Der Schrei ihrer Mutter ließ sie für kurze Zeit erstarren. Ihre blauen Augen waren weit geöffnet und sie hörte Schüsse von draußen.

Fast wie in Zeitlupe konnte sie beobachten, wie Königin Serenity durch die Balkontür ins Wohnzimmer gelaufen kam. Blut hing an ihren weißen langen Haaren, ihr Blick war verkrampft und sie wedelte mit ihren Händen wild umher.

„Usagi! Lauf!“, schrie sie durchs Zimmer, doch Usagi reagierte nicht. Sie verstand nicht, was hier geschah. Wie vernebelt versuchte sie wahrzunehmen was hier passierte. Dann tauchte ein schwarz maskierter Mann in der Balkontür auf. Ihr Herz blieb stehen – die königliche Familie wurde gerade überfallen. Usagi blickte wieder zu Serenity, die immer noch lauthals versuchte sie zum Fliehen zu animieren. „Lauf weg! Lauf endlich weg“, wiederholte sie mehrmals.
 

Und dann bewegten sich Usagis Beine wie von selbst. Sie drehte sich um und lief aus dem Wohnzimmer. Hastig warf sie dabei eine Vase um. Unbewusst trat sie in eine der Scherben, verzog kurz das Gesicht, lief dann aber weiter. Immer weiter und weiter. Das Anwesen der Königsfamilie war riesig, aber sie kannte sich aus. Sie kannte jeden Winkel, sodass ihr Instinkt sie rasch aus dem Gebäude trug. Ohne nachzudenken lief sie weiter in die Nacht.
 

Während sie davonlief, wühlte sie in ihren Taschen. Sie musste die Security, die Polizei oder sonst wen erreichen. Warum war sie wie ein Feigling davongelaufen? Plötzlich fühlte sie sich so schlecht und nutzlos, dass sie kaum mehr atmen konnte, doch ihre Beine stoppten nicht. Sie trugen sie weiter in unbekannte Straßen und Wege.
 

Ihre Hände griffen in alle Taschen, doch ihr Handy war nicht zu finden. Sie hatte es auf dem Esstisch liegen lassen. Auf dem gedeckten Esstisch. Voller süßer Leckereien … denn sie waren schon mit den Hauptgängen durch gewesen, nur noch der Nachtisch stand an. Das Weihnachtsfest war fast vorbei gewesen, nur noch ein süßes Vanilleeis auf ihrer Zunge, dann hätte der Weihnachtsabend einen perfekten Abschluss gefunden …
 

Ihre Gedanken kreisten immer wieder um das, was hätte sein können … Alles hätte so wunderschön werden können … Das Bild ihrer blutverschmierten Mutter riss sich wie scharfe Blitze in ihre Schädeldecke. Heftig schüttelte sie ihren Kopf, ein kurzer Blick nach links, dann nach rechts. Überall Büsche und Bäume, vereinzelte Parkbänke … Sie kannte diese Gegend, selbst im Dunkeln wusste sie, dass sie im Crystal Park war … Aber wie konnte das sein? Der Park befand sich nah an ihrem Haus … War sie etwa im Kreis gelaufen? Erschrocken wurden ihre Schritte etwas langsamer, ihr Herz raste und ihr Kopf schmerzte. Sie spürte wie die Kraft aus ihren Beinen gezogen wurde …
 

Dann ein harter Zusammenstoß. Ihr Kopf knallte gegen etwas. Nein … jemanden. Eine muskulöse Männerbrust? Usagis Augen flatterten schon leicht, als sie nach oben sah.
 

„Hast du dich verlaufen, Schätzchen?“, hörte Usagi eine tiefe Stimme über sich. Er war einen Kopf größer als sie, wenn nicht sogar zwei. Seine tiefblauen Augen starrten sie an, ein Grinsen war auf seinem Gesicht zu erkennen. Ihr Herz blieb für einen Augenblick lang stehen. Er hatte das schönste Gesicht, das sie jemals erblickt hatte. Ziemlich markante Wangenknochen und dennoch schienen seine feinen Gesichtszüge so weiblich …
 

Irritiert betrachtete Usagi wie er seinen Kopf schief legte und sie zu mustern begann. Sie wollte ein klägliches „Entschuldigung“ herausbringen, sackte aber plötzlich zusammen. Dann spürte sie ihn, den eigentlichen Schmerz, der ihren Kreislauf völlig durcheinanderbrachte. Etwas bohre sich seitlich in ihren Fuß, es war eine der Scherben gewesen, in die sie getreten war … Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie noch ihre dünnen Hausschuhe anhatte. Ihre weißen Socken waren mit roter Farbe getränkt. Blässe durchzog ihr Gesicht und fast wäre sie auf den Boden gerutscht, hätten zwei starke Hände sie nicht gehalten.
 

Er ließ sie nicht eine Sekunde aus den Augen. Zumindest kam es ihr so vor ...

Sie versuchte noch etwas zu sagen, doch schaffte es nicht. Ihre Lieder flatterten. Ihr Atem wurde schwer und sie erhaschte einen kurzen Blick auf seine roten Lippen … Seine wundervollen roten Lippen … Warum waren sie nur so einladend in diesem Moment? Sie fühlte sich schwindelig und benommen, und dennoch so aufgewühlt …
 

Obgleich sie versuchte dagegen anzukämpfen, schaffte sie es nicht. Ihre Hände krallten sich für einen kurzen Augenblick in sein Oberteil … Dann verließ sie alle Kraft … Alles wurde schwarz vor ihren Augen und sie verlor das Bewusstsein.
 

~*~
 

Ein stechender Schmerz durchbohrte ihren Kopf als sie langsam erwachte. Nur schwerfällig öffnete sie ihre Augen und blickte irritiert umher. Wo war sie? Sie starrte auf dunkle Wände und einen prachtvollen Kronleuchter, der über ihr hing. Ihre Hände fühlten Seide und Cashmere. Usagi realisierte, dass dies nicht ihr eigenes Bett war. Geschockt erhob sie sich hastig und sogleich erblickten ihre Augen jenen Mann, dem sie im Park begegnet war. Langsam erinnerte sie sich an alles. An den Überfall, an die Ohnmacht …
 

„Endlich aufgewacht, Schätzchen?“, hörte sie seine tiefe Stimme und sie hinterließ einen Schauer in ihrem Nacken. Ihr Körper zuckte zusammen, als er einen Schritt näherkam. Ein süffisantes Lächeln durchzog sein Gesicht, als er ihre Furcht bemerkte. „Ich werde dich nicht anfassen. Keine Sorge.“ Dann machte er eine kurze Pause und strich sich durchs Haar. „Zumindest noch nicht. Aber früher oder später wirst du es sowieso wollen“, fügte er selbstbewusst, fast arrogant, hinzu. Usagi hob eine Augenbraue und verzog das Gesicht. „Wer bist du? Und wo bin ich hier? Was ist mit meiner Familie? Hast du die Polizei gerufen?“

Ihr Gegenüber lachte kurz auf. „So viele Fragen, mein Schätzchen.“ Wieder diese eingebildete Grimasse. Wäre diese Mann nicht mit so einer außergewöhnlichen Schönheit gesegnet gewesen, hätte sicherlich keine Frau seine Art und Weise so hingenommen. Glaubte Usagi zumindest …

Er leckte sich unübersehbar über die Lippen und musterte dabei ihren Körper.
 

„Gibst du mir nun Antworten oder nicht?!“ Usagi ballte ihre rechte Hand zu einer Faust und schlug auf die Bettdecke ein. Es war nicht sonderlich angsteinflößend, sodass der junge Mann vor ihr nur seinen Kopf schief legte. „So, so, eine kleine Wildkatze. Gefällt mir.“
 

Usagi rollte mit den Augen und verschränkte missmutig ihre Hände vor ihrer Brust. Sie beobachte ihn, wie er sich auf einen Stuhl, der vor dem Bett stand, niederließ, und seine Hände zusammenfaltete. „Nun gut. Mein Name ist Seiya und du bist in meinem Schlafzimmer, das sich auf meinem Anwesen befindet. Fühl dich wie Zuhause. Und nein, ich habe nicht die Polizei gerufen, denn deine Familie hat sehr viele Schulden bei meiner Familie.“ Mit diesen Worten sprang Usagi plötzlich auf und rannte auf ihn zu. Sie wollte ihn schlagen, doch er wich geschickt aus und packte sie am Hals.
 

„Ich verstehe deinen Zorn, doch ich rate dir zur Ruhe zu kommen, denn du hast anscheinend keine Ahnung, in welchen Schwierigkeiten deine Familie steckt, Schätzchen.“ Er drückte sie zurück aufs Bett und sein Körper konnte ihren mit Mühe im Zaun halten. Er war fast über sie gebeugt und presste ihre Arme nach links und rechts auf die Matratze.
 

„Du mieses Schwein, was hast du meiner Familie angetan!?“, schrie sie ihn zuerst an und spuckte ihm dann ins Gesicht. Wut stieg in Seiya auf und seine Augen glühten. „Wage es noch einmal mich anzuspucken, dann …“ zischte er und blickte ihr dabei bedrohlich in die Augen. „Was dann?“, giftete sie zurück. „Willst du mich dann umbringen?“
 

Da war keine Furcht – ihr Blick war fest und entschlossen.
 

„Und noch eins …“, hörte er ihre Stimme dicht an seinem Ohr. „Ich bin nicht dein Schätzchen.“

Fast ein wenig beeindruckt lächelte er unversehens, was sie nun ein wenig irritierte. Seine rechte Hand wanderte zu ihren Lippen und er strich ihr sacht darüber. „So schön und doch so widerspenstig. Das könnte interessant werden, denn … Weißt du, du wirst noch eine sehr lange Zeit hierbleiben. Bei mir, in diesem Zimmer.“ Bevor sie wieder etwas Unüberlegtes sagen oder tun konnte, hatte er seine Hand auf ihre Lippen gelegt. „Deine Familie wollte ihre Schulden nicht rechtzeitig zahlen, deswegen haben wir uns das geholt, was wir kriegen konnten. Und du bist der beste Preis von allem. Bekanntlich liegt einem schließlich etwas an der Familie und solange sie das Geld nicht auftreiben, wirst du unsere Geisel sein.“ Ihre Augen weiteten sich und sie versuchte sich zu wehren, doch sein Griff wurde nur fester. Seine Lippen streiften ihre Wangen und sie strichen weiter zu ihrem linken Ohrläppchen, in das er kurz hineinbiss "Du kannst es entweder schwer machen für dich und mich, oder das Abenteuer genießen, das dir das Schicksal geschenkt hat."
 

Als er sie berührte fühlte sie sich unpassend erregt und gleichzeitig völlig hilflos. Ersteres konnte sie sicher darauf schließen, dass sie seit fünf oder sechs Jahren keinen Freund mehr gehabt hatte und obgleich sie sich durch die Trennung von ihrem Ex-Verlobten Mamoru Chiba, der nun mit ihrer ehemaligen Bekannten Setsuna Meiou verheiratet war, der Männerwelt abgeschworen hatte, sich ihr Körper trotzdem nach einem Verlangen sehnte, das sie verdrängen wollte.
 

Zweiteres hinterließ tausend Fragen in ihrem Kopf, denn sie hatte wirklich keine Ahnung in welchem Dilemma ihre Familie steckte. Hatten sie wirklich unzählige Verbindlichkeiten bei diesem Grobian? Falls ja, warum hatten sie ihr nie davon berichtet? Aus Schutz, dass sie sich keine Sorgen machen sollte? Usagi biss sich auf die Unterlippe und atmete schwer ein und aus.
 

Ob dieser ungehobelte Schönling ihr weitere Fragen beantworten würde? Vermutlich nur, wenn sie sich geschickt anstellte. Aber ihre Emotionen waren aufgewühlt und sie hätte ihm in diesem Augenblick nichts vorspielen können, er hätte es gemerkt. Für so intelligent hielt sie Seiya schon, obgleich seine ruppige und eingebildete Art sie abstieß. Dennoch glaubte Usagi stets an das Gute in einem Menschen, also vielleicht hatte sie eine Chance ihm einiges zu entlocken … Doch zunächst musste sie sich aus dieser misslichen Lage befreien … So konnte sie keinen klaren Gedanken fassen.
 

Sie löste jegliche Verkrampfung in ihrem Körper und ließ locker, sodass er dies deutlich spüren konnte. Dann dachte sie zurück an den Abend des Überfalls und an ihre Mutter, die blutverschmiert zur Tür hereinkam. Ob sie noch lebte? Tränen sammelten sich in ihren Augen und diese liefen schlussendlich über ihre Wangen sowie seine rechte Hand, die noch ihren Mund zu hielt. Jedoch just in dem Moment, indem er ihre Tränen bemerkte, ließ der Druck seiner Hand nach.
 

Sie konnte für eine Millisekunde eine sanfte Emotion in seinem Blick erkennen. War es Mitleid? Sie blickte direkt in sein Gesicht, wollte, dass er genau sah, was sie fühlte. Seiyas Nasenflügel bewegten sich unruhig auf und ab.
 

Seiya versuchte seine Gefühle so gut es ging zu verbergen. Er hasste es, wenn Frauen weinten. In diesem Moment fiel ihm der weise Spruch seines Onkels wieder ein, den er meistens immer einmal im Jahr an irgendeinen Jüngling richtete: "Sei vorsichtig, mein Junge. Schöne Frauen sind der Himmel für's Auge, aber die Hölle für die Seele."
 

Und er hatte verdammt nochmal recht – besonders in diesem Fall. Diese Frau würde schwer zu bändigen sein. Solche Dinge konnte er meistens durch seine gute Menschenkenntnis vorrausehen. Ein solches Exemplar würde nur Schwierigkeiten machen und er musste sich selber davor schützen, koste es was es wolle. Seiya biss die Zähne zusammen und versuchte sie energisch anzusehen. „Ich werde dich jetzt loslassen. Wenn du mir versprichst nicht zu schreien oder mich zu schlagen.“ Dann machte er eine kurze Pause und ergänzte noch: „Oder mich anzuspucken.“
 

Usagi nickte zustimmend und Seiya löste langsam seine Hand von ihren Lippen. Stumm sahen sie sich an. Königsblau traf auf Himmelblau. Eine Weile passierte nichts. Außer ihrem Atem herrschte grenzenlose Stille in den vier Wänden, bis Seiya sich schließlich komplett von ihr abwendete. Er erhob sich vom Bett und zupfte an seinem Anzug. Langsam erhob sich auch Usagi bis sie sitzend auf der Bettkante haltmachte.
 

„Essen, Trinken, Klamotten oder sonstige materielle Dinge – du wirst von mir alles bekommen, was du begehrst, wenn du dich angemessen verhältst. Bedeutet: Ich dulde keine Widersprüche gegen meine Befehle“, informierte er sie kühl und schritt dann zur Tür.
 

„Wann kommst du wieder? Ich habe noch so viele Fragen. Kann ich telefonieren?“, fragte sie noch gerade rechtzeitig. Seiya drehte sich leicht nach hinten. „Deine letzte Frage war hoffentlich ein Scherz“, gab er mit einem ironischen Unterton von sich und Usagi zuckte zusammen. Natürlich, sie war seine Gefangene, warum sollte er ihr auch die Möglichkeit geben, ein Telefon zu benutzten?

So dumm war er nun wirklich nicht … Dabei wollte sie nur wissen, wie es ihrer Familie ging …
 

„Ich weiß, dass du mich jetzt schon vermisst, Schätzchen, aber ich kann dir noch keine genauen Daten zu meiner Rückkehr nennen.“ Dann verließ er den Raum und verschloss die Tür. Gerade richtig, denn sie warf ihm ein Kissen hinterher, das jedoch an der Türvorderwand abprallte und zu Boden sank.
 

Was für ein selbstverliebter Idiot …
 

~*~
 

So vergingen die Tage.
 

Seiya ließ sich kein einziges Mal blicken, dennoch hatte er sein Versprechen gehalten und sie bekam alles, was sie sich wünschte. Abwechselnd standen ihr Yaten und Taiki zu Verfügung, die ihr jeden Wunsch von den Lippen ablesen sollten …

Beide wechselten kaum ein Wort mit ihr. Die zwei Männer waren seltsam. Sie waren zwar irgendwie attraktiv, dennoch war ihre optische Erscheinung merkwürdig. Yaten hatte etwa ein Faible dafür seine Haare zu bleichen oder er hatte zu viel Silbershampoo aufgetragen und Taiki trug violette Kontaktlinsen – wohl ein Markenzeichen, denn sonst ergab diese „Maskerade“ keinen Sinn.
 

Sowohl Taiki, als auch Yaten trugen beide Waffen unter ihren Anzügen, was Usagi ab und an beunruhigte. Sie hatte durch einen kurzen Wortwechsel erfahren, dass Seiya zu dem Clan von Galaxia gehörte und er nur allzu bekannt und gefürchtet war, aber ins Detail wollte niemand gehen. Galaxia war mächtig. Niemand hatte angeblich ihr oder sein Gesicht jemals gesehen. Nicht mal das Geschlecht konnte man ausmachen, denn diese Person beherrschte die Kunst der Verkleidung in Perfektion. Natürlich hatte Usagi die Mythen über sie oder ihn nur gehört, aber dennoch kam ihr alles so real vor, gerade jetzt in dieser Lage. Ob sie Galaxia jemals begegnen würde? Vermutlich nicht … Wozu hatte man sonst Handlanger wie Seiya?
 

Obgleich Usagi sich öfters in den Schlaf weinte, versuchte sie tagsüber, wenn sie in Kontakt mit Seiyas Bediensteten trat, sich nichts anmerken zu lassen. Sie wusste nicht einmal, ob Yaten und Taiki wirklich Seiyas Angestellte waren, aber die Vermutung war groß, dass sie zumindest einen Rang unter ihm standen.
 

Von Tag zu Tag wurde Usagi unruhiger, denn sie wollte Antworten auf ihre Fragen und sie war sich sicher, dass der einzige der dazu befugt war sie ihr zu geben Seiya persönlich war.
 

„Wann kann ich Seiya sehen?“ fragte sie eines Vormittags als Taiki und Yaten (mit ein paar anderen Hilfskräften) ihr das Frühstück servierten. Taiki sah kurz zu Yaten und seufzte dann. „Du weißt, dass wir dir keine Antwort darauf geben können. Mister Kou kommt dann, wenn er es für angemessen hält. Er hat einige Geschäfte und Aufträge zu erledigen.“

„Ein schweres Los, der Liebling vom Boss zu sein“, warf Yaten mit einem Augenrollen ein, worauf er sofort einen drohenden Blick seines Kollegen ergatterte. Denn persönliche Informationen hatten an einem Ort wie diesem nichts zu suchen. Keine Person von Außerhalb sollte einen Einblick in die „geheime Welt“ des Oberhauptes bekommen. So waren die Regeln. Yaten vergaß dies ab und zu, vielleicht weil er unbewusst auch etwas eifersüchtig auf Seiyas Stellung war. Doch das konnte Usagi wieder einmal nur vermuten. Aber sie hatte schließlich alle Zeit der Welt, um sich unnütze Gedanken, um jeden und alles zu machen. So lange sie hier gefangen war, waren die Menschen um sie herum, wie ein spannendes Rätsel, was sie zu lösen versuchte.
 

~*~
 

Da war überall Blut.
 

Es klebte an den Wänden und lief über den Boden. Sie stand inmitten einer roten Pfütze. Dann starrte sie auf ihre Hände, die ebenfalls blutbefleckt waren. Fassungslos bemerkte sie das Messer in ihrer rechten Hand. Ihre Augen weiteten sich, als sie sie die leblosen Körper entdeckte, die überall im Raum verteilt lagen. Es waren die Leichen ihrer Familie.
 

„Deine Familie hat sich ins Unglück gestürzt. Es war deine Aufgabe sie zu bestrafen.“ Eine ihr unbekannte Stimme drang zu ihrem Ohr und eine Gänsehaut breitete sich auf ihrem ganzen Körper aus. „Nein … Ich habe sie nicht umgebracht“, wisperte Usagi vor sich hin, doch die Stimme bestätigte ihre Tat. „Doch, das hast du.“
 

Usagi schrie. „Nein, das habe ich nicht!“
 

Dann wachte sie schweißgebadet auf. Ihr Herz raste wie verrückt gegen ihre Brust. Sie kontrollierte ihre Hände – da war kein Blut. Und da war auch kein Messer in ihren Händen.
 

„Du hattest einen Alptraum, Schätzchen“
 

Seine Stimme riss sie völlig aus ihren Gedanken. Verwirrt schweifte ihr Blick umher und da saß er wieder. Auf dem Stuhl vor „seinem“ Bett. Die gleiche Position wie das letzte Mal, als sie ihn gesehen hatte. Er starrte sie an, musterte sie argwöhnisch und legte dann den Kopf schief. „Möchtest du duschen gehen oder soll ich dir ein Bad einlassen?“
 

Usagis Blick war ebenso starr, doch eher vor Schreck und Überraschung. „Seiya …“, war das Einzige, das sie herausbrachte. Der Angesprochene grinste. „So ist mein Name. Ich wusste, er wird dir nicht aus dem Kopf gehen.“
 

Usagi ignorierte seine Flirtversuche und biss sich auf die Unterlippe. „Seiya …“, wiederholte sie. „Geht es meiner Familie gut? Bitte sei ehrlich.“ Es klang fast wie ein Flehen. Sorge und Angst lagen in ihrer Stimme. Fast, als wäre ihre Hoffnung schon fast erloschen. Seiya seufzte und rieb sich die Stirn. „Ich habe ihnen nichts getan“, gab er kühl von sich und sah ihr dabei direkt in die Augen, sodass sie erkennen konnte, dass er es trotz seiner eisigen Stimme, ernst meinte.
 

Ein kleines Lächeln durchzog ihre Wangen und sie atmete erleichtert auf. „Wissen sie, dass es mir gut geht?“, lautete ihre nächste Frage und Seiya nickte sacht. „Du bist ein Druckmittel, ich habe ihnen sicher nicht erzählt, dass du hier wie im Schlaraffenland lebst, aber sie wissen, dass du noch lebst“

Seine Antwort stellte sie zufrieden, da es logisch erschien, dass er ihrer Familie keine Fotos von dem üppigen Frühstück oder den teuren Klamotten schickte, die er ihr schenkte. Zumal er ihr das als Geisel eigentlich nicht hätte bieten müssen …
 

„Danke.“ Es war nur ein Flüstern, doch Seiya vernahm es genau. Ihr Gesichtsausdruck machte deutlich, wie hoch sie ihm diese Worte anrechnete, obwohl sie nicht einmal wusste, ob er nun wirklich die Wahrheit ausgesprochen hatte. Vielleicht war sie leichtgläubig … Etwas naiv und unglaublich süß. Wie sie so da saß, versuchte ihre Blöße mit der Bettdecke zu verdecken und ihre zwei kindischen Zöpfe, die man eigentlich mit über dreißig nicht mehr trug … Ja, er hatte in ihren Ausweis geschaut, er hatte ihre Akte studiert, bevor er sie entführt hatte, und dennoch gab es anscheinend noch so viel an ihr zu entdecken.
 

~*~
 

Usagi musste eingeschlafen sein. Sie wusste nicht mehr genau wie alles abgelaufen war. Sie hatte noch ein paar belanglose Fragen gestellt, er hatte kurzweilig geantwortet. Dennoch hatte sie sich an keine Verabschiedung erinnern können ...
 

Sie blinzelte als die Sonnenstrahlen durch das Fenster ihre Nasenspitze kitzelten. Sie wollte sich strecken, als sie bemerkte, dass sie nicht allein im Bett lag. Kurz zuckte sie zusammen, als sie Seiya erblickte, der oberkörperfrei neben ihr schlummerte.
 

Usagi betrachtete seinen Körper. Er war durchtrainiert und seine Haut war so glatt … Und einladend. Kurz hob sie ihre linke Hand und wollte über seinen Bauch streifen, doch sie hielt sich zurück. Erst jetzt bemerkte sie, wie lang sein Haar eigentlich war. Da er sonst einen nachhinten gezogenen Zopf trug, hatte sie nie wirklich wahrgenommen, dass seine Haare bis zu seinem Becken liefen. Ein so pechschwarzes Haar hatte sie selten gesehen, es schien sogar noch dichter und dunkler als das von Mamoru. Er war wirklich ein schöner Mann. Usagi biss sich auf die Unterlippe, ihr Herz schlug immer schneller bei dem Gedanken, dass er plötzlich aufwachen würde, sie packen würde und …
 

Hastig schüttelte sie ihren Kopf. Sie hatte wirklich zu lange auf Sex verzichtet, dass sie sich selbst wünschte mit ihrem Entführer zu schlafen. Nannte man das nicht Stockholm-Syndrom? Bei dem Gedanken wurde ihr noch heißer und leise entfernte sie sich von ihm. Er schien tief und fest zu schlafen, sodass sie auf Zehenspitzen an ihm vorbei gehen konnte, nachdem sie es aus dem Bett geschafft hatte. Vorsichtig legte sie die Hand an den Türgriff und drückte ihn hinunter.
 

Ihr Herz blieb fast stehen. Die Tür war nicht verschlossen. Ein leises Knarren war zu hören, als sie diese öffnete, doch Seiya schien in seiner Tiefschlafphase zu sein.

Mit angehaltenem Atem verschloss sie die Tür wieder und tapste den langen dunklen Flur entlang. Sie hatte nur ein Nachthemd an und die Fenster auf dem Gang waren geöffnet. Sie fröstelte leicht und rieb sich die Arme. Am Ende des Ganges vernahm sie Stimmen. Fast schon etwas neugierig trat sie näher. Hinter einer großen Tür aus schwarzem Stein, die nur angelehnt war, flackerte ein Licht.

Usagi folgte den Stimmen so nah sie konnte. Sie konnte etwas erspähen, doch verstand zuerst nicht, was sie dort sah.
 

Ein Mann, gefesselt auf einem Stuhl, versuchte etwas zu sagen, doch sein Mund war durch ein Klebeband verschlossen. Schweißperlen liefen ihm über das ganze Gesicht. Sein Körper war übersäht mit Blut. Es tropfte von seinem Hals hinunter zu seinen Schultern und dann zum Boden. Erst jetzt bemerkte Usagi das Messer, welches an seine Kehle gehalten wurde. Ihre Augen weiteten sich, als sich das Messer durch die Haut des Mannes zog. Ganz langsam und fein. Noch mehr rote Farbe ruinierte den Anzug des Opfers. „Rede endlich oder du wirst den Sonnenaufgang morgen nicht mehr erleben“, hörte sie eine raue Stimme, die anscheinend zu dem Mann mit dem Messer gehörte. Usagi presste die Lippen aufeinander, als eine weitere Gestalt das Opfer packte und ihm mitten ins Gesicht schlug. Blut spritzte aus seiner Nase – sie war nun vermutlich gebrochen.

Dann wanderte das Messer in die Tasche des anderen Mannes und er machte kehrt, schien etwas zu holen. Eine Schranktür war zu hören, die sich öffnete und wieder schloss. Dann kam er zurück, in seiner Hand eine Axt. Usagi wollte aufschreien, doch bevor sie dies konnte wurde sie an den Haaren zurückgezogen und eine Hand presste sich hart auf ihre Lippen. Sie blickte in die erzürnten Augen von Seiya, der seine Finger hob. „Ein Wort und ich überlasse dich meinen Kollegen dort drinnen“, zischte er leise, dann riss er sie hinter sich her. Sie stolperte fast, doch er griff sie erneut und packte sie auf seine Schulter. Alles ging so schnell, dass sie kaum atmen konnte. Und schon befand sie sich wieder in seinem Schlafzimmer. Er schloss sie Tür, drehte einen Schlüssel um und schmiss Usagi dann aufs Bett. Sogleich war er wieder über ihr und packte sie am Kinn. „Warum musst du mich immer provozieren, Schätzchen?“
 

Usagi blickte in die zornigen Augen ihres vermeintlichen Entführers. Ein Schauer überkam sie. Denn da war etwas in seinen Augen, das sich verändert hatte oder dass sie erst jetzt bemerkt hatte: Entschlossenheit.
 

Er war bereit sie zu verletzen, sie vielleicht sogar zu töten, wenn es sein musste. Obgleich sie sich zu Seiya hingezogen fühlte, selbst in diesem Moment, wo sie Angst vor seinen Augen hatte, diesen tiefblauen Augen, die jede noch so kleine Bewegung von ihr erfassten.

Sie schluckte und erst jetzt fiel ihr ein, dass sie nicht einmal nach dem Datum gefragt hatte. Sie war seit Tagen, wenn nicht Wochen hier gefangen. Sie hatte die ersten Weihnachtsfeiertage verpasst und auch Silvester. Ihre Familie war bereits tot oder hatte immer noch keinen Weg gefunden ihre Schulden zu begleichen. Es fiel ihr wie Schuppen von den Augen. Es gab nur diese zwei Möglichkeiten, warum war sie sonst noch immer hier?

War sie ihrer Familie nicht annähernd so wichtig wie sie dachte? Oder war es nie der Plan gewesen sie gehen zu lassen? Usagis Atem beschleunigte sich… warum hatte sie diese Gedanken erst jetzt? War sie so blind gewesen immer wieder die falschen Fragen zu stellen? Natürlich sie hatte ihn gefragt, ob es ihrer Familie gut ging, doch was, wenn Seiya einfach ein brillanter Lügner war? Wenn Galaxia in so geschult hatte, dass er jeder Frau das Blaue von Himmel erzählen konnte?
 

Ihr Körper fing leicht an zu zittern. Nicht nur seine körperliche Präsenz, sondern auch seine Physische erdrückte sie zunehmend. Seine Aura legte sich um sie wie Dornen, und es gab kein Entkommen…
 

Ihre Lippen bewegte sich leicht, es war nur ein Hauchen, das sich verschreckt und verunsichert an sein Kinn schmiegte: „Es gab nie Hoffnung für mich, habe ich Recht?“
 

Während die zwei Gestalten sich nah und doch so fern waren und zugleich in ihrer Haltung erstarrten, hörte man aus dem anderen Teil des Hauses einen dumpfen Schrei. Blut floss über den Steinboden des Flures…



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