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Die Wölfe 3 ~Der Pianist des Paten~

Teil III
von

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~Männergespräche~

Die Tür der Bibliothek öffnet sich. Ein alter Herr, mit am Ansatz ergrautem Haar, tritt ein. Er trägt einen teuren Anzug und in der Hand ein Glas mit Whisky.

Ich ignoriere Aaron und spiele unbeirrt weiter.

Er geht zu einer, mit weißem Stoff bezogenen Bank und setzt sich. Das Glas schwenkt er in der Hand, er trinkt einen Schluck. „Das ist nicht das Stück, das du üben sollst“, stellt er nach Strenge ringend fest.

Dieser Beethoven und Mozart-Mist kommt mir schon zu den Ohren raus. Ich kann es nicht mehr hören, doch mit Aaron darüber zu diskutieren habe ich aufgegeben. Seit kurzen fahre ich auf dem Gebiet eine neue Taktik: Ich schweige beharrlich.

Aaron lehnt sich zurück, er schließt die Augen. Seine Gesichtszüge entspannen sich. So schlimm kann meine Musik also gar nicht sein.

„Es ist schon verrückt, wie schnell du dich mit dem Instrument vertraut gemacht hast. Ich habe deutlich länger dafür gebraucht“, berichtet er.

Wieder schweige ich.

„Ich hoffe heute Abend bist du gesprächiger. Es wird viele Menschen geben, die dich kennenlernen wollen.“

Eigentlich meint er doch nur einen Menschen, dem ich näher kommen soll. Ich atme schwer und nehme die Hände von den Tasten.

Aaron öffnet die Augen.

„Was ist, wenn sie mich nicht leiden kann?“, frage ich gerade heraus. Noch immer habe ich die Hoffnung, Judy könnte mich nicht wollen und ich würde um die geplante Hochzeit herum kommen. Aaron legt den Kopf schief, eine tiefe Falte furcht seine Stirn. „Du wirst selbstverständlich sehr charmant sein, zuvorkommend und einfühlsam. Du wirst ihr keinen Grund geben, dich nicht zu mögen!“ Seine Worte gleichen einem Befehl.

Ich rolle mit den Augen. Meine Aufmerksamkeit wandert durch den Raum, sie bleibt an einem Bild auf dem Sekretär hängen, der neben der Bank steht. Es zeigt zwei junge Frauen in deren Mitte ein Mädchen steht, das einen weißen Sommerhut trägt. Sie lächelt schüchtern in die Kamera.

„Wie ist sie überhaupt so?“ Bisher habe ich noch kein Wort mit ihr gewechselt. Die kurzen Momente, in denen ich sie bei Susen gesehen haben, waren keine Hilfe, mir ein Bild von ihrem Charakter zu machen. Hätte ich geahnt, dass ich sie mal heiraten soll, hätte ich mich mit ihr unterhalten.

Aarons Stirn bekommt eine zusätzliche Falte. Er nimmt einen Schluck Whisky. „Sie ist ein gutes Kind“, sagt er wenig überzeugend, „Sehr lebhaft, aber auch stur. Was sie sich in den Kopf setzt, das zieht sie durch.“ Aarons schwenkt die Flüssigkeit mit großer Aufmerksamkeit. „Schon ganze drei Jahre lang…“, fügt er leiser an.

Das klingt doch nicht verkehrt. Eine Frau, die weiß was sie will. Aarons angespannter Haltung nach zu urteilen, sieht er das anders.

„Machst du dir Sorgen um sie?“, frage ich.

Aaron atmet hörbar aus, sein Blick verliert sich zwischen den Regalreihen. Er braucht einen Moment, bis er antwortet: „Sie wohnt ja zum Glück bei Susen und nicht auf der Straße. Aber ich sähe es lieber, sie würde in den Schutz des Anwesens zurückkehren. Außerdem habe ich etwas gegen den Mann, mit dem sie durchgebrannt ist.“ Seine buschigen Brauen wandern tief in seine Gesichtsmitte, die dunkelbraunen Augen richten sich auf mich. „Und genau da kommst du ins Spiel!“

Mir schnürt sich die Kehle zu. Warum ausgerechnet ich? „Und wenn sie den Kerl liebt?“, halte ich dagegen.

Aaron wendet sich ab, er schmatzt abfällig. „Er war nur Mittel zum Zweck, da bin ich mir sicher. So schlecht kann der Geschmack meiner Tochter nicht sein“, entgegnet er abfällig.

„Wer ist der Kerl überhaupt?“ Wenn ich es hinbekomme, dass er Aaron von sich überzeugen kann, bin ich vielleicht aus dem Schneider.

„Ein armer Schlucker aus der Vorstadt, der meint sich in der Geschäftswelt einen Namen machen zu können.“

„Aaron, ich bin auch nur ein Straßenkind!“ Was sich in meiner Geldbörse befindet, stammt aus Diebstählen und Einbrüchen.

Der alte Herr richtet seine Augen wieder auf mich. Ein unheimliches Lächeln ziert seine Lippen, als er sagt: „Aber nicht doch Enrico. Du bist auf dem besten Wege ein Capo zu werden. Du hast selbst vor Diego, Vincent und Giovanni bestanden. Mein lieber Junge, stelle dein Licht nicht immer so unter den Scheffel.“ Er erhebt sein Glas auf mich.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich geschmeichelt fühlen soll, oder ob er mich nur aufzieht. Die anderen drei Capos haben doch überhaupt keine hohe Meinung von mir. Diego muss die Fabrik mit mir teilen und kotzt deswegen ab, Giovanni hält mich für einen unbedeutenden Grünschnabel, er ignoriert mich und Vincent, der sieht mich lieber tot als lebendig, weil ich mich dagegen gewehrt habe, sein Lustknabe zu werden.

„Ich hoffe du weißt, was es für eine große Ehre ist, dass ich dir meine Jüngste anvertraue“, verkündet Aaron.

Ich spüre seinen durchdringenden Blick auf mir. Wie eine Ehre, fühlt es sich gar nicht an. „Wie man es nimmt …“, murmle ich und wende mich ab.

„Wie war das?“, fragt er harsch.

„Ja, klar! Eine Fremde heiraten, war schon immer ein Herzenswunsch von mir“, erwidere ich leise. Den Sarkasmus kann ich nicht aus meinen Worten verbannen. In der Hoffnung die Unterhaltung damit zu beenden, spiele ich eine unheilvoll klingende Melodie.

Aaron nimmt das Bild vom Sekretär, das Whiskyglas stellt er an seine Stelle. Mit der freien Hand fährt er über Judys Gesicht. „Ich weiß gar nicht, was dich stört. Das Mädchen ist schön, wie ihre Mutter.“ Seine Augen bekommen einen gläsernen Glanz, doch nur für einen kurzen Moment. Als er zu mir schaut, wandern seine Brauen tief in die Gesichtsmitte: „Du solltest dich glücklich schätzen!“

Glücklich? Wirklich? Ich unterbreche das Klavierspiel und sehen in stur an: „Warum ausgerechnet sie Aaron? Du hast drei Töchter. Hätte ich nicht wenigstens aus den Dreien wählen können?“ Robin wäre mir lieber. Sie weiß um mich und Toni und hilft uns dieses Geheimnis zu bewahren. Mit ihr wäre alles viel einfacher. Selbst mit ihr zu schlafen ist irgendwie geil gewesen.

Aaron legt den Kopf schief, sein Blick durchbohrt mich. „Was willst du damit sagen, Enrico?“, fragt er ernst.

Verdammt, ich habe zu viel verraten. Wenn er erfährt, dass ich was mit Robin hatte, wird ihn das mit Sicherheit auf die Palme bringen. Ich schweige und drehe mich zum Klavier.

„Enrico!“, schnauzt er drohend.

„Ich mein ja nur. Robin ist auch eine tolle Frau“, entgegne ich kleinlaut.

„Das mag sein. Aber sie ist zehn Jahre älter als du!“

Spielt keine Rolle, sie sieht trotzdem umwerfend gut aus. Ihr nackter Körper taucht vor meinem inneren Auge auf. Meine Wangen werden warm.

Auf Aarons Lippen bildet sich ein spöttisches Lächeln. „Außerdem wage ich doch stark zu bezweifeln, dass sie Interesse an einem Jungspund wie dir hat.“

Spannend, jetzt bin ich wieder nur ein Jungspund? „Ja, genau“, sage ich und schmunzle bei dem Gedanken an die Nacht mit ihr.

„Glaube mir, Robins Talent verschwende ich bestimmt nicht an irgendeinen Mann. Dafür ist sie zu wertvoll!“

„Also darf sie nie heiraten?“, frage ich überrascht.

„Der Mann, der für sie gut genug wäre, der muss erst noch geboren werden.“

Ich muss wieder schmunzeln. Ja der Mann oder die Frau, Robin ist da nicht so wählerisch. Die Partys in ihrer Villa kommen mir in den Sinn. Der einzige Ort an dem Toni und ich mal sein können, wie wir sind. Wenn ich Robin das nächste Mal sehe, muss ich sie unbedingt danach fragen, wann die nächste stattfindet.

„Enrico, mal unter uns…“, sagt Aaron. Er tauscht das Bild gegen das Whiskyglas.

Mir graut bei seiner tiefen Stimmlage. „Ja?“, frage ich vorsichtig.

„Die Gerüchte, die Erik streut, sind die wahr?“

„Das ich in seinem Bordel war?“, frage ich und versuche unschuldig zu klingen.

„Ja!“

„Ich bin keine Jungfrau mehr, falls du das wissen wolltest.“

„Ich finde es ja gut, dass du Erfahrungen sammelst, aber wenn das mit meiner Tochter was wird und man dich noch mal in so einem Etablissement erwischt, drehe ich dir den Hals eigenhändig um. Ich habe meine Augen und Ohren überall, wie du weißt.“

„Bei allem Respekt Aaron. Noch bin ich nicht mit ihr ausgegangen, oder gar verheiratet. Mit wem ich in die Kiste steige, geht dich nun wirklich nichts an.“

Aaron holt Luft, um etwas zu erwidern, als es an der Tür klopft. Die Klinke bewegt sich. Jester, sein Butler tritt ein. „Das Frühstück ist jetzt angerichtet“, erklärt er.

Aaron erhebt sich.

Ich schlage das Notenbuch auf, die ersten Noten spielend, sage ich: „Ich muss noch üben!“

„Netter Versuch. Los, Abmarsch!“

Ich stöhne und erhebe mich. Essen, noch so ein Thema auf das ich verzichten kann. Ob noch Platz in der hinteren linken Palme ist? Sicher nicht, mein Abendessen wird sie noch nicht verdaut haben. Ich muss dringend durchsetzen, dass die Wachhunde ins Haus dürfen.

Langsamen Schrittes folge ich Aaron nach nebenan. Auf einem langen Tafeltisch sind etliche Speisen aufgetischt. Obst, Brot und Brötchen, Marmeladen, Honig, Wurst und Käse. An den beiden Stirnseiten ist Besteck und Geschirr hergerichtet. Aus den Tassen dampft es, der Duft von Kaffee und Tee liegt in der Luft.

Mir wird schlecht. Ich brauche all meine Beherrschung, mir nichts anmerken zu lassen und zu meinem Platz zu gehen. Am Fenster neben meinem Stuhl steht Toni. Er schaut hinaus in den Garten. Die Arme hat er hinter dem Rück verschränkt. Der schwarze Anzug schmeichelt seiner Figur.

Ich sehe weg und setze mich. Aaron geht auf den Stuhl am anderen Ende des Tisches zu, als der Butler herein kommt.

„Master, ein Telefonat!“, sagt er.

Aaron hält inne, er runzelt die Stirn. „Um diese Uhrzeit?“

„Es scheint dringend zu sein.“

Der alte Herr verlässt den Raum.

Ich atme auf. Wenn er nicht da ist, fühle ich die Last seiner Erwartungen nicht mehr so deutlich auf meinen Schultern. Doch Hunger habe ich trotzdem nicht. Lustlos betrachte ich das Spiegelei und den gebratenen Speck auf meinem Teller. Ich zersteche das Eigelb und sehe dabei zu, wie es auf dem Teller zerfließt. Wenn Toni nicht hier wäre, könnte ich das Frühstück aus dem Fenster werfen. Scotch und Brandy würden sich sicher freuen. Ich stütze den Kopf mit der Hand und seufze.

„Du siehst heute noch genervter aus als sonst. Ist was passiert?“, will Toni wissen.

Eigentlich ist es uns gar nicht erlaubt miteinander zu reden, doch wir sind ja allein, also antworte ich: „Ja! Wenn ich je eine von Aarons Töchter heiraten muss, häng ich mich auf. Mit ihm als Schwiegervater brauche ich keine Drachen mehr als Feinde.“

„So schlimm?“

„Du machst dir kein Bild! Der alte Mann kann einem den ganzen Morgen versauen.“

Toni schmunzelt. „Dann vergiss den Morgen und denke an vergangene Nacht“, schlägt er vor.

Seine Worte entlocken mir ein Lächeln.



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