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Das Dorf

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Das Dorf

Warst du schon einmal im Freistaat Bayern? Wenn nein, hier gibt es für Touristen viel zu entdecken. Flüsse, Seen, Berge, Schlösser, die eine oder andere schöne Altstadt. Aber auch die Dörfer sind nicht zu verachten; und wenn es nur die jahrhundertealten Kirchen sind, die die Besucher in die ländlicheren Gegenden locken.

Doch sei bei deiner Wanderschaft auf der Hut, denn es gibt ein Dorf, das besonders ist. Das anders ist als die anderen. Dies hier dient nicht nur zu deiner Unterhaltung, sondern auch als Warnung. Und nun höre gut zu.

Um das Dorf zu finden, muss man gezielt danach suchen. Aber es reicht auch oft aus, wenn man, sobald man sich in der richtigen Umgebung befindet, nach einer Raststätte sucht, nach einem Ort um die Vorräte aufzufüllen oder wenn man eine Telefonzelle braucht. So mancher Wanderer, der sich nur ein wenig in einer großflächigeren Gegend sich die Beine vertreten wollte, ist an diesem Tag spurlos verschwunden. Es klappt aber nicht immer, manche wandern so weit, bis sie im Nachbardorf ankommen. Die besten Ergebnisse erzielt man, wenn man direkt nach dem Dorf sucht. Und wenn das Wetter mitspielt. Das Dorf kann sich nur bei Tageslicht und schönem, warmen Wetter zeigen. Regnet ist, fällt Schnee, ist gerade Winter oder versuchst du es nach Anbruch der Dunkelheit, so wirst du nicht fündig werden. Dir wird sich einfach ein ganz normaler Feldweg, wie du ihn bereits seit wenigen Stunden belaufen hast, zeigen. Das Dorf kann in derartigen Wetterverhältnissen nicht existieren, sich nicht zeigen.

 

Du möchtest noch immer das Dorf finden? Nun gut, dann werde ich dir zeigen, wie du es finden kannst. Die Lage ist möglicherweise ein wenig ungewöhnlich, aber du musst wissen, dass das Dorf, wie diverse Dörfer in Bayern, bereits sehr viele Jahre alt ist. Die Autobahn, die sich in der Nähe befindet, ist erst danach gebaut worden. Ja, du musst zu einer Autobahn fahren, das ist der schnellste Weg, um in die richtige Gegend zu finden. Ich werde dir auf Nachfrage die genauen Koordinaten schicken. Es gibt dort, natürlich ausgeschildert, ein Dorf mit Park&Ride Parkplätzen, wo du kostengünstig dein Fahrzeug abstellen kannst. Und jetzt höre mir ganz genau zu, wenn du wieder heil aus der Sache herauskommen möchtest.

Du gehst aus dem Dorf, in welchem nun dein Auto steht, aus dem südöstlichen Eingang heraus. Du wirst keine Beschilderung finden, die Straße wird einfach in einen Feldweg enden. Diesem Feldweg musst du folgen. Vielleicht begegnest du Einwohnern mit Hunden, der eine oder andere könnte dein Ziel erahnen und dich warnen. Aber wenn du das Dorf wirklich finden möchtest, dann musst du weitergehen. Nimm dir am besten ein kleines Getränk mit, du wirst mindestens zwei Stunden unterwegs sein und du wirst all deine Kräfte brauchen. Ein kleiner Snack, falls nötig, sollte sich auch in deiner Tasche befinden.

Der Feldweg wird in einen geteerten Wanderweg münden, dieser wird durch einen Wald führen. Der Wald wird ruhig sein, dir werden kaum Tiere begegnen. Beobachte das Wetter. Ist es bereits im Wald neblig, dann brich ab, du wirst das Dorf nicht finden können und es an einem anderen Tag versuchen müssen. Ist jedoch der Wald klar und du kannst in allen Richtungen etwas erkennen, dann setze deinen Weg fort.

Nachdem du den Wald durchquert hast, wirst du an einer großen Wiese vorbeilaufen. Auf dieser Wiese wächst nichts als Gras und du wirst hier weder Waldtiere, noch Raubvögel sehen. Sie halten sich instinktiv von dieser Gegend fern. Auf der rechten Seite wirst du die Autobahn sehen, beachte sie nicht. Sie spielt für deine Reise keine Rolle und dient nur als Orientierungspunkt. Auch ist es egal, ob die Autobahn gerade wenig, viel oder stark befahren ist. Folge einfach nur dem Wanderweg weiter. Du wirst auch keine Ausschilderung finden, auf dem gesamten Weg noch nicht. Denn eigentlich sollte das Dorf nicht mehr gefunden werden, zumindest nicht, wenn man es vermeiden kann.

Irgendwann kommst du zu einer Art Rastplatz an. Er ist nicht sonderlich groß und besitzt nur eine Bank, auf welcher jedoch bis zu fünf Personen Platz haben. Normal wirst du dort drei Menschen finden, als erstes eine etwas ältere Dame mit blonden Locken und einem roten Oberteil. Neben ihr wird ein älterer Herr sitzen, mit kurzen, weißen Haaren und einem schwarzen Trachtenhut mit einen kleiner Feder, passend zu seiner dunklen Kleidung. Die dritte Person ist ein wenig unscheinbar, mit seiner blauen Steppjacke, seiner Brille und den dunklen Haaren. Er wird nicht viel sagen, wundere dich nicht. Die drei werden dort sitzen, mit dem Rücken zur Autobahn und die Aussicht genießen. Es kann sein, dass sich bereits andere Menschen zu ihnen gesellt haben und es ihnen gleichtun. Das sind höchstwahrscheinlich Abenteurer wie du, die sich auf dem Weg zum mysteriösen Dorf machen. Oder Leute, die einfach nur wandern waren und hierhergefunden haben.

Doch auch den Rastplatz kann man nur zu den von mir genannten Wetterbedingungen finden. Ist es das falsche Wetter, werden dort weder der Platz, noch die Menschen sein. Ist das der Fall oder gab es einen Wetterumschwung, so drehe um und versuche es an einem anderen Tag wieder.

 

Befindest du dich nun auf dem Rastplatz, wirst du sehen, dass von dort zwei Brücken und eine Treppe wegführen. Die eine Brücke wird über die Autobahn führen, hier ist die letzte Abzweigung, die du machen kannst, falls du es dir nochmal anders überlegen solltest. Du kannst ganz normal dem Weg, zu welchem die Überführung dich bringen wird, gehen und dir wird nichts passieren. Es wird wie eine ganz normale Wanderung sein. Die Treppe kannst du hinunter gehen, dort werden immer mehrere ältere Menschen sein und sich über private Dinge amüsieren, aber viel mehr wirst du dort nicht zu Gesicht bekommen. Zumal sie dich ignorieren werden. Es lohnt sich also nicht, die Treppe hinunter zu gehen. Nein, um zum Dorf zu gelangen, musst du über die rechte Brücke gehen, es ist eine einfache, aber stabile Betonbrücke mit blauem Stangengeländer zu beiden Seiten. Was sich unter der Brücke befindet, ist nicht ganz klar und es macht auch keinen wirklichen Sinn. Versuche es nicht zu verstehen, keiner kann das. Zumal jeder dort etwas anderes zu sehen bekommt, nicht einmal die Tiefe stimmt bei zwei Sichtungen überein.

Du kannst aber auch nicht einfach so loslaufen, das würde nicht funktionieren. Leiste stattdessen den drei Personen auf der Bank Gesellschaft. Ist noch ein Platz frei, dann setze dich dazu. Hast du Essen und Trinken dabei, dann nehme es nun zu dir, das wird die drei Menschen erfreuen. Irgendwann jedoch, und das entscheiden die drei, ist es Zeit aufzubrechen. Sie werden sich von der Bank entfernen und sagen, was für eine schöne Zeit es doch war. Erwidere das und gehe beiläufig mit ihnen mit, als müsstest du rein zufällig auch in diese Richtung. Sie werden wissen, wohin du gehen willst, aber sie werden dich nicht einladen. Sie werden nichts sagen, du musst von dir selbst aus mitgehen. Solltest du jedoch sitzen bleiben, gehe raschen Schrittes den gleichen Weg wieder zurück, den du gegangen bist. Drehe dich nicht um und sobald du im Wald angekommen bist, entschuldige dich laut. Lass dir eine Ausrede einfallen, aber keine zu offensichtliche. Der berühmte vergessene Braten im Ofen wird dich nicht retten können, denn sie sind traurig und wütend darüber, dass du nicht mitgekommen bist.

 

Solltest du dich dazu entschließen, mit ihnen mitzukommen, so sage etwas Lobendes über die Landschaft, unabhängig davon, was deine wirkliche Meinung ist. Die Dame mit den Locken wird es positiv aufnehmen und dich dafür im Gegenzug zu einem Rundgang ins Dorf einladen. Du, oder ihr, sollten bereits andere Menschen den Rastplatz gefunden haben, habt es nun geschafft, ihr kommt zu 100% ins Dorf hinein. Nehme die Einladung dankend an.

Kaum bist du mit den Dreien über die Brücke gegangen, wird es nebelig werden. Es wird sich auch ein wenig frisch anfühlen, aber nicht unangenehm. Das kannst du gerne erwähnen, doch du wirst darauf keine Antwort bekommen. Im Dorf angekommen wirst du kein Ortsschild sehen und sollten sich die drei Bewohner vorher darüber unterhalten haben, so wird der Name nicht in deinem Gedächtnis haften bleiben. Möglicherweise wirst du ihn nicht einmal richtig verstanden haben und kannst ihn nicht wiederholen. Doch das macht nichts.

Nach deinen ersten Schritten wirst du auf der rechten Seite ein Gebäude sehen, welches für jeden ein wenig anderes aussieht. Manche sehen dort eine Kirche, andere ein Feuerwehrhaus und wiederum andere entweder eine Bauernhaus, eine Scheune oder ein Einfamilienhaus. Was auch immer es ist, davor befindet sich ein pechschwarzer Stein. Ganz selten werden sich auch Blumen davor befinden. Sieh dir diesen Stein nur aus der Ferne an, gehe aber nicht hin, das werden die Drei nicht so gerne sehen und die Folgen davon willst du nicht kennenlernen.

Während du den Stein ansiehst, wirst du das Gefühl haben, dass der Nebel um ihn herum nicht so dicht ist, wie im restlichen Dorf. Außerdem bekommst du kurzzeitig das Gefühl, mit den Beinen im Wasser zu stehen, doch das ist nicht wirklich der Fall. Sprich es auf keinen Fall an, denke dir das nur. Folge lieber den Bewohnern zu dem Gebäude, zu dem sie dich führen. Der Weg kann unterschiedlich lang sein und außer den Dreien wirst du keine anderen Bewohner sehen, nicht einmal spielende Kinder oder freilaufende Katzen. Doch das Ziel ist immer gleich, es wird das Rathaus sein. Das Gebäude sieht einigermaßen zeitlos aus, du wirst zumindest nicht aus dem Stand sagen können, wann es gebaut wurde.

 

Innen im Rathaus wird es genauso sein, du wirst nicht sagen können, ob es nun modern oder altbacken eingerichtet ist. Wenn ihr das Gebäude betreten habt, werdet ihr in einem weißgekachelten Flur sein, mit holzverkleideten Wänden links und rechts. Auf der rechten Seite befindet sich noch eine kleine Öffnung in der Wand, ein Durchgang ohne Tür und er wird zu einer Art Sitzecke führen, mit altmodischen Sofas und einem genauso aus der Mode gekommenen Wohnzimmertisch. Doch diese Ecke spielt keine Rolle für dich.

Was du stattdessen noch zu Gesicht bekommst, wird für dich viel interessanter sein. Achte auch darauf, was die Dame, welche sich dir nun als die Sekretärin des älteren Herren, des Bürgermeisters, vorstellen wird. Sie wird dir von einem kleinen Brand erzählen, welcher hier vor wenigen Jahren passiert ist. Die Jahreszahl, wie lange der Brand her ist, wird bei jeder ihrer Erwähnungen variieren und auch sonst wird vieles von dem, was sie erzählt, nicht viel Sinn ergeben. Wenn du dich noch im Eingangsbereich befindest, wirst du auf der linken Seite ein Telefon finden, ein öffentliches, welches von jedem Bewohner genutzt werden kann. Direkt daneben eine weiße, zusammengeschmolzene Masse und einen schwarzen Brandfleck, darüber wurde ein weißes Plastikschild aufgestellt. Ein dir wohlbekannter Discounter wird darauf verkünden, dass hier demnächst ein Ersatzgerät bereitgestellt wird.

Doch nicht nur dort wirst du schwarze Brandflecken entdecken.  Je weiter ihr ins Gebäude hineingeht, desto mehr und mehr werden die Brandflecken größer werden und/oder zunehmen. Irgendwann, wenn ihr weiter geradeaus geht, und die Sekretärin dir von dem Brand erzählt, wird sich der Flur aufteilen. Den linken Weg werdet ihr ignorieren, ihr geht immer weiter nach vorne. Ihr werdet durch mehrere Doppeltüren gehen, bis ihr schließlich im Büro der Verwaltung ankommen werdet.

Erschrick nicht, der Anblick wird dich schockieren. Lass dir auch sonst nichts anmerken, das wird den Bewohnern auch nicht gefallen. Es befanden sich, wie du durch einen Blick durch das Büro erkennen kannst, einst sechs Arbeitsplätze dort. Auch hier ist die Einrichtung eine Mischung aus modernen und antiken Gegenständen, auch wirst du erkennen, dass sich an jedem der Arbeitstischen ein PC befunden hat.

Siehst du dir die linke Hälfte des Raums an, wird alles verkohlt sein. Alles ist heruntergebrannt und pechschwarz, selbst auf dem Boden, an den Wänden und an der Decke werden sich schwarze Brandflecken befinden. Diese wirst du auch auf der rechts, unversehrt wirkenden Seite finden, doch lasse dich nicht von der Schönheit blenden. Das ist nur oberflächlich, in Wirklichkeit sieht die rechte Hälfte genauso aus wie die andere.

Die Sekretärin wird dir nun einige Dinge erklären und du darfst ihr nur zuhören, antworte nicht. Nicke hin und wieder, wenn sie etwas gesagt hat, aber sage nichts. Unabhängig davon, ob du ihr glauben möchtest oder nicht, teile ihr nur durch ein Nicken mit, dass du ihr zuhörst.

Sie wird dir erzählen, dass das Unglück durch ein Kabelbrand passiert ist, wem genau, das wird sie nicht erwähnen. Auch hier wird sie wieder unterschiedliche Jahre angeben, wie schon zuvor im Flur. Sie wird dir außerdem erzählen, dass es den Azubi am schlimmsten erwischt haben soll, aber er ist bereits auf dem Weg der Besserung. Auch wird sie dir erzählen, dass die beschädigten Dinge entweder noch ausgetauscht werden, oder bereits ausgetauscht wurden. Deine Augen und der Raum werden dir zwar was anderes sagen, tu aber trotzdem so, als würdest du ihre Aussage glauben.

Solltest du dir nun die Sekretärin und den Bürgermeister genauer ansehen, wird dir auffallen, dass nun ihre gesamten Körper über und über mit Brandnarben übersäht sind. Egal ob im Gesicht, am Hals oder an den Händen, an jeder freien Stelle kannst du sie erkennen. Der dritte Bewohner, welcher sich immer mit ein wenig Abstand zu euch befinden und nichts sagen wird, wird ebenfalls welche haben. Erwähne es nicht, sprich es nicht an! Sie werden nicht gerne über das Thema reden wollen und es als unhöflich empfinden. Sieh darüber hinweg, du kannst dir deine Gedanken machen, lass es dir aber nicht anmerken.

Im Anschluss werden sie dir eine weitere Tour durch das Dorf anbieten und dir noch mehr zeigen wollen. Wenn dir dein Leben und deine Freiheit lieb ist, so ist jetzt die beste Gelegenheit, von hier zu gehen. Sage dabei unbedingt folgende Worte: „Vielen Dank für die Einladung. Allerdings muss ich jetzt gehen, jemand wartet auf mich“ und auch sofort gehen. Sie werden es dir dann nicht übelnehmen und sich von deinem Dank geehrt fühlen. Solltest du nicht alleine mit den Dreien ins Dorf gegangen sein, sondern sollte dich noch jemand begleitet haben, darfst du sie nicht warnen. Weder mündlich, noch schriftlich oder über deine Körpersprache, denn sonst seid ihr verloren. Pokere einfach darauf, dass er oder sie auch meine Erzählung kennt, ansonsten kannst du leider nicht viel für den- oder diejenige tun.

Falls du das Dorf noch nicht verlassen möchtest, kannst du dir gerne noch mehr zeigen lassen, sie wird dir weitere Gebäude zeigen, welche entweder komplett abgebrannt sind, halb verkohlt oder wie ein Neubau aussehen. Du wirst nur wenig Menschen begegnen und auch sie werden überall Brandnarben an ihren Körpern haben. Bedenke nur, wenn du die Tour fortsetzt: Je weiter du ins Dorf hineingehst, desto schwerer wird es für dich sein, wieder herauszukommen. Ab einem gewissen Punkt werden sie dich nicht mehr gehen lassen, egal, wie sehr du dich bedankst und darauf hinweist, dass dort draußen jemand auf dich wartet. Unabhängig davon, ob es stimmt oder nicht, irgendwann wird es sie nicht mehr kümmern. Dann werden sie dich zu einem Teil des Dorfes machen und du wirst deine Ewigkeit dort verbringen.

 

Warst du jedoch so weise, hast auf meinen Rat gehört und hast dich direkt im Rathaus von den Bewohnern verabschiedet, verlasse sofort das Gebäude. Verlasse das Dorf auf dem gleichen Weg, auf welchem du es betreten hast, der Weg wird sehr linear und nicht zu verfehlen sein. Du wirst wieder an dem pechschwarzen Stein und dem Gebäude vorbeikommen, ignoriere sie auch jetzt, es könnte sonst der größte und letzte Fehler deines Lebens sein. Drehe dich nicht um, zu keinem Zeitpunkt, auch nicht, um nur einen kurzen Blick nach hinten zu erhaschen. Benutze nicht einmal einen Spiegel oder ein anderes Hilfsmittel. Sie werden es als Zeichen der Unsicherheit sehen, denken, dass du dir nicht sicher bist, ob du das Dorf verlassen möchtest und dich zum Bleiben zwingen.

Wenn du das Dorf hinter dich gelassen und die Brücke überquert hast, gehe weiter, bleibe nicht stehen. Der Nebel wird verschwunden sein und das Wetter wird genauso sein, wie es zuvor war, bevor du den Bewohnern gefolgt bist. Auch hier ist es noch immer wichtig, dass du dich nicht umdrehst, die Bewohner können dich noch immer sehen.

Gehe ruhigen Schrittes den gleichen Weg zurück, den du gekommen bist. Renne nicht, versuche entspannt zu bleiben. Sie werden es sonst bemerken und entsprechende Schritte für deinen endlosen Aufenthalt unter den ihren einleiten.

Hast du den Wald betreten, darfst du immer noch nicht zurückblicken. Du wirst das Gefühl haben, dass dich jemand verfolgt, und das Bedürfnis bekommen, nachzusehen. Tu es nicht, die Person wird es als Bestätigung sehen und dich mitnehmen. Nehme stattdessen dein Handy heraus und telefoniere. Du kannst natürlich so tun, als ob, aber effektiver ist, wenn du wirklich jemanden anrufst. Keine Angst, egal, in welchem Handynetz sich dein Anbieter befindet, du wirst trotz deiner Lage im Wald vollen Empfang haben. Hast du ein Prepaid-Handy, sollte dein Guthaben nicht leer sein. Ansonsten kannst du nur darauf hoffen, dass dein Verfolger auf deine Finte hereinfällt.

Rufe am besten eine Person an, bei der du weißt, dass sie nicht sofort auflegt, wenn du ein Gespräch vortäuschst. Kennst du den Tipp für Frauen, dass wenn sie nachts eine verdächtige Gestalt auf der Straße treffen, dass sie jemanden anrufen und simulieren, als würden sie mit einem Verwandten sprechen? Den gleichen Trick musst du hier benutzen. Erwähne, dass die Person am anderen Ende der Leitung die Person sei, die auf dich wartet, sage ihr, dass du bereits auf dem Weg bist und dich gegebenenfalls verspätest. Sieh dich dabei nicht um, gehe einfach ganz ruhig weiter.

Dein Verfolger wird deiner Aussage nun glauben und sich zurückziehen. Du bist nun alleine, oder, wenn einer der Begleiter sich mit den gleichen Worten im Rathaus verabschiedet hat, mit dieser Person gemeinsam unterwegs sein. So richtig sicher bist du erst, sobald du den Wald verlassen hast.

 

Wichtig! So sehr es dich auch reizen sollte, gehe nicht ein weiteres Mal in das Dorf! Suche es kein zweites Mal auf, weder ernsthaft, noch zum Spaß. Halte dich von der Gegend fern. Sie haben sich dein Gesicht gemerkt und werden dich wiedererkennen.

Ein weiteres Mal wirst du mit der Ausrede nicht entkommen können, sie werden merken, dass du nur deine eigene Haut retten möchtest und es dir sehr übelnehmen. Erzähle niemanden von dem Dorf und wenn doch, dann zeige ihnen diese Erzählung, damit auch sie wissen, wie sie es wieder verlassen können. Bedenke jedoch, diese Geschichte hier ist kein Stoff für eine Mutprobe, wenn du deinen pubertären Freunden unbedingt deinen Mut beweisen möchtest, dann stehle lieber eine Kaugummipackung im Supermarkt. Denn das hier ist ernst und real, immerhin steht die meiste Zeit dein Leben auf dem Spiel.

 

Du möchtest nun wissen, was es mit dem Dorf auf sich hat? Nun, da du meiner Erzählung bis zum Ende gelauscht hast, wie auch meiner Warnung, möchte ich dich aufklären. Ja, das Dorf ist real, zumindest hat es einst existiert. Es war ein sehr kleines Dorf und ein Brand, ausgelöst durch ein defektes Computerkabel, hat den Brand ausgelöst. Es war ein Sommertag, sonnig und warm und es hatte sehr lange nicht mehr geregnet. Der Brand beschleunigte sich rasch und griff auf die umliegenden Häuser um, es dauerte nicht lange, bis das gesamte Dorf in Flammen stand. Alle Häuser waren abgebrannt, es gab keine Überlebenden.

Der Stein, welchen du gesehen hast nahe des Ortseingangs, ist ein Mahndenkmal. Auf ihm befinden sich alle Namen der Verstorbenen, vom Azubi bis zum Bürgermeister selbst. Hin und wieder kommt ein Verwandter der Verunglückten, legt ein paar Blumen hin, die wirst du möglicherweise gesehen haben.

Warum das Dorf trotzdem noch da ist? Nun, das Unglück kam rasch und unerwartet und dank der brandbeschleunigenden Isolierung, welche sich in jedem Gebäude befand, konnte niemanden diesem Unglück entkommen. Die Dorfbewohner empfinden es als unfair, keine Chance zum Entkommen gehabt zu haben und möchten mit keiner Silbe daran erinnert werden. Auch fanden ihre Seelen bisher keinerlei Erlösung.

Stattdessen locken sie immer wieder ahnungslose und neugierige Fremde an, mit dem Ziel, dass sie das gleiche Schicksal erleiden, wie sie selbst. Geteiltes Leid ist halbes Leid, kennst du das Sprichwort? Nun, es ist das neue Motto der gesamten Dorfgemeinschaft geworden.

Gefangen zwischen dem Hier und dem Dort, ihre einzige Motivation sind ihr Zorn, ihr Schmerz und ihre Sucht nach Rache, nach Vergeltung und dem Gefühl, wenigstens etwas tun zu können. Etwas, was ihnen in ihren letzten Minuten verwehrt geblieben war.

Du siehst also, es ist sehr ernst und darum warne ich dich. Nimm diese Reise nicht auf die leichte Schulter, so mancher Mensch mit viel zu viel Neugierde im Leib hat die Gefahr unterschätzt und wurde seitdem nie wieder gesichtet.

Nun, ich bin auch nur ein Erzähler, keine feste Gestalt, die vor dir steht und dir diese Geschichte erzählt. Sondern nur eine Stimme aus einem Radiorekorder, einer CD oder einem PC, je nach dem, wie weit meine Erzählung in die Moderne hineingetragen wurde. Möglicherweise hat sie dir ein Freund geschickt, um dich zu gruseln. Oder du hast sie, neugierig wie du warst, auf einer fragwürdigen Internetseite gefunden.

Wie dem auch sei, meine Erzählung ist hier zu Ende. Mache mit dieser Information, was du möchtest. Ob du nun nach dem Dorf suchst, ist deine Entscheidung. Sollte doch etwas schief gehen, mach mich nicht dafür verantwortlich. Solltest du aufgrund des Wetters das Dorf nicht finden, betrachte dich als Glückspilz und lasse es. Wenn du es dennoch ein weiteres Mal versuchen möchtest, werde und kann ich dich nicht aufhalten. Doch denk an meine Warnung und halte dich an die Worte, sonst wird es der letzte Fehler deines Lebens sein.



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