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Von Hoffnung und Verrat

von

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„Nein! Nein, das geht zu weit!“

Sigurd tobte, als er sah, wie Eivor das fremde Mädchen in ihren Schlafraum brachte.

Randvi versuchte, ihn zu beruhigen.

„Lass uns erst einmal mit Eivor allein darüber reden, ich denke nicht, dass die Fremde das mitbekommen sollte. Wer weiß, warum sie hier ist.“

Sigurd schnaubte wütend, während er ungeduldig im Raum auf und ab ging.

Er wusste, dass Eivor ihren eigenen Kopf hatte, doch noch war er der Jarl und noch dazu hatte er das gesamte Dorf im Hintergrund, das dem Neuankömmling genau so skeptisch gegenüber stand.

„Eivor! Komm sofort zu mir!“, hallte seine Stimme durch das Langhaus.
 

Eivor half Eysa indes auf ihr Bett.

„Bleib hier und sag kein Wort, ich komme wieder, nachdem ich mich dem Sturm gestellt habe.“

Eysa nickte und sah sich im Raum um, während Eivor verschwand.

Sie betrachtete sämtliche Jagdtrophäen und Waffen, die zur Dekoration und auch als Andenken an Eivors große Kämpfe überall an den Wänden hingen.

Sie musste wirklich eine große Kriegerin sein.

Und eine gutherzige noch dazu. Eysa musste lächeln. Obwohl sie wusste, dass niemand sie hier haben wollte. Außer Eivor.

Und was konnten ihr die Menschen schon anhaben, wenn sie unter dem Schutz einer solchen Kriegerin stand?

Laute Stimmen durchbrachen plötzlich die Stille.
 

„Ich halte sie für eine Späherin, Eivor!“ Sigurd schlug mit der Faust auf den Tisch und sah Eivor wütend an.

„Warum sollte sich eine Späherin so verhalten? Sunnifa hat sie ohne große Mühen ausfindig machen können und Dag hat sie gefangen genommen. Ein guter Späher ist nicht so leichtsinnig“, gab Eivor gelassen zurück.

„Sei es drum! Diese Geschichte... ich halte sie für äußerst ungewöhnlich. Nehmen wir an, es stimmt, was sie sagt und sie ist geflohen. Warum kommt sie ausgerechnet hier an? Bei uns? So nahe bei Hræfnathorp?“

„Warum sind wir damals hier, genau hier angekommen? Es ist der übliche Weg vom offenen Meer ins Inland. Diesen haben wir genommen. Und so auch sie.“

Eivor verschränkte die Arme vor der Brust.

„Wir wollten zu den Ragnarssons stoßen, die hier ihr Lager aufgeschlagen hatten! Das ist ein Unterschied!“ Sigurd war rasend vor Wut.

Warum war Eivor bloß immer so blind für das offensichtlich Ungewöhnliche?
 

„Die Menschen im Dorf trauen ihr nicht, Eivor. Und Randvi und ich auch nicht. Das muss ich als Jarl durchaus bedenken. Wenn ich dir das durchgehen lasse, wenn wir sie hier beherbergen, dann ist das ein großer Vertrauensbruch von mir an den Clan. Bitte, versteh das.“ Sigurds Stimme wurde erheblich ruhiger. Er hoffte, so zu Eivor durchdringen zu können.

„Schick sie fort, Eivor. Ich weiß, was du denkst. Du willst ihr helfen, weil du dich und deine Vergangenheit in ihr siehst. Du hast Ähnliches durchmachen müssen und das war schrecklich. Aber wir können nicht jedem unser Vertrauen schenken, der hier einfach so auftaucht.“

Es war Randvi, die das sagte.

Eivor sah zu Boden. Sie konnte das nicht. Dieses Mädchen hatte etwas. Sie konnte noch nicht sagen, was es war. Doch ihr Gefühl sagte ihr, dass sie sie nicht wegschicken durfte.

„Sigurd... Randvi... ich verstehe, was ihr sagt. Aber ich kann das nicht tun. Ich kann sie nicht wegschicken.“ Eivor wandte sich nun Sigurd zu.

„Sie hat etwas an sich. Sigurd, ich bitte dich als mein Jarl und als mein Bruder... lass sie mich aufnehmen. Ich trage die volle Verantwortung, wenn etwas passiert.“

Sigurds und Randvis Blicke trafen sich. Beide atmeten tief ein, unsicher, was sie nun tun sollten. Es war riskant, doch Eivors Urteilsvermögen über Menschen hatte sie alle noch nie getrübt. Und Sigurd wusste das.

Er atmete noch zwei, drei Mal tief ein und aus, bevor er Eivor mit ernstem Blick musterte und sagte:„Du redest mit den Menschen da draußen. Du sorgst dafür, dass sie sich nicht unsicher fühlen müssen. Und du sorgst auch dafür, dass sie keine Probleme macht. Ich vertraue dir, Eivor. Enttäusch mich nicht.“
 

Eivor nickte dankend.

„Das werde ich nicht, Bruder. Glaub mir.“

Sie verließ den Raum ohne ein weiteres Wort und kehrte direkt zurück zu Eysa.

„Komm mit mir. Wir gehen dich waschen.“

Eysa nickte dankend und folgte Eivor nach draußen.

Sie hatte nicht damit gerechnet, so schnell aufgenommen zu werden. Wenigstens von einer Person. Während sie den Weg zum Fluss entlanggingen, trafen Eysa viele, argwöhnische Blicke. Sie sagte nichts, sondern schenkte den Menschen im Dorf ein verlegenes Lächeln. Sie wollte wohl einfach die Spannungen zwischen ihr und den Menschen so klein wie möglich halten.

„Nimm dir ihre Blicke nicht zu Herzen. Ich werde später mit ihnen reden... So, da wären wir. Du kannst dich hier waschen. Ich bleibe in deiner Nähe, wenn es dir nichts ausmacht?“

„Nein, das ist schon in Ordnung“, murmelte Eysa, während sie etwas versteckt hinter einem Baum begann, ihre Kleidung auszuziehen.

Das Wasser war angenehm kühl auf ihrer Haut. Hier in England war es so viel wärmer als in ihrer Heimat. Sie ließ sich im kühlen Wasser treiben und blickte gen Himmel. Auch, wenn sie sich noch unsicher fühlte, versuchte sie, ihre Gedanken zu beruhigen.

Die Überfahrt hierher war lang und das Wetter auf dem offenen Meer rau gewesen.

So wie jetzt hatte sie den Himmel schon lang nicht mehr gesehen. Wenig wolkenverhangen und tiefblau.
 

„Eivor?“, fragte sie, ohne den Blick vom Himmel abzuwenden.

„Was ist?“

„Dieser Rabe dort oben, er fliegt die ganze Zeit über uns. Glaubst du, das ist ein schlechtes Zeichen?“

Eivor lachte amüsiert und schüttelte den Kopf.

„Nein, das ist Synin. Sie gehört zu mir... Ich kann durch sie sehen.“

Nun hob Eysa doch den Kopf.

„Durch sie sehen? Du meinst, so wie Odin?“

„Nun... ich denke, das könnte man so vergleichen, ja.“

Eysas Neugierde war geweckt.

„Das möchte ich auch können. Zeigst du es mir?“

Für einen kurzen Moment überlegte sie, ob sie wohl zu viel verlangt hatte. Ob es Misstrauen in Eivor weckte, wenn sie sie bereits jetzt nach solchen Dingen fragte. Doch Eivor lachte nur entspannt.

„Ich kann es versuchen. Aber jetzt muss ich erst einmal zu Valka. Also... falls du fertig bist?“

Eysa nickte und stieg aus dem Wasser. Das Nötigste bedeckte sie noch mit ihrer alten Kleidung, als sie sich auf den Weg zurück zum Langhaus machten.

„Darf ich fragen, wer Valka ist?“, fragte Eysa mit zitternden Lippen. So nass und ohne Kleidung fror sie nun doch etwas.

„Valka ist unsere Seherin. Sie hilft mir bei... bei etwas Persönlichem.“ Eivor senkte den Kopf. Sie wollte nicht, dass die Erinnerungen an den Traum wieder hoch kamen.

Nicht jetzt. Hier war nicht der richtige Zeitpunkt.
 

Beim Langhaus angekommen, bedeutete Eivor Eysa, hinein zu gehen.

„In meinem Schlafraum findest du eine Kiste neben dem Bett. Dort drin sind Kleidung und Stoffe, damit du dich trocknen kannst. Bedien dich ruhig und ruh dich etwas aus. Ich komme wieder, nachdem ich mit Valka geredet habe.“
 

Eysa nickte unsicher. Es war befremdlich, einfach so an die persönlichen Dinge anderer zu gehen. Besonders, wenn man die Person nicht länger als einige Stunden kannte.

Doch Eivor schien das nicht zu stören. Sonst hätte sie es wohl kaum angeboten.

Sie betrat das Langhaus. Allein.

Am Ende der Halle erkannte sie den Jarl der Siedlung. Wie hieß er noch? Sigurd, glaubte sie. Und eine Frau. Randvi?

Sie unterhielten sich und gestikulierten wild herum. Eysa konnte nicht verstehen, was sie sagten. Sie wollte jedoch auf keinen Fall die Aufmerksamkeit der beiden auf sich ziehen und schlich schnell weiter in Eivors Schlafraum.

Es war ihr immer noch unheimlich, in der Kleidung zu wühlen, doch fand sie einige Stücke, die ihr gut gefielen.

Gewaschen und angezogen fiel sie in Eivors Bett. Ursprünglich hatte sie vor gehabt, sich hier noch einmal genauer umzusehen, doch wie sie so da lag, überkam sie die Müdigkeit. Eysa schlief ein.



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