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Sherman is in the Cellar

von

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Sherman ist im Weinkeller

Die deutsche Version habe ich selbst erstellt.
 

Es war ein Vermächtnis seines Onkels, erklärte mein Freund Sherman. Diesem Onkel hatte ein Nachtclub auf Terra gehört, dessen Einrichtung selbst nach meinen Standards antik war. Weil Sherman weder seine Fördergenehmigung hier im Ring verfallen lassen, noch die Nachtclub-Einrichtung zusammen mit dem Gebäude verkaufen wollte, plante er ein 'Nostalgie Kaffeehaus' auf RingOrsta 75 - mit der Genehmigung der Firmenleitung natürlich.
 

Zu dem Vermächtnis gehörte ein nettes Sümmchen, der Erlös aus dem Verkauf des Hauses kam dazu und daher leistete Sherman es sich, den Bartresen, die kleinen runden Tische, die sehr komfortablen Stühle und den riesigen Spiegel quer durch das Sonsyst befördern zu lassen.
 

*
 

Ich sah die Möbel das erste mal, als ich half, die Conts zu entpacken. Die Einheit, die Sherman für sein Kaffeehaus gemietet hatte, war auf der besseren Seite der Orsta. Deutlich teurer, räumte Sherman ein, aber auch eine sehr viel bessere Klientel und ein sehr ansprechender Blick durch die Bullaugen. Da die Orsta zum größten Teil knapp innerhalb des Rings ihre Kreise zog, konnte sah man immer den zarten Schleier molekülgroßen Abraums aus den Minen sehen, der der Orsta folgte. Beim Blick von oben schimmerte dieser Schleier jedoch im Licht der so viele tausend Spacemiles entfernten Sonne in den Farben des Regenbogens.
 

Sherman wurde sehr sentimental, wenn er über den Bartresen sprach, erzählte mir, wie oft er als Kind an ihm gesessen hatte, nach der Schule und bevor der Nachtclub seine Türen öffnete. Er machte dort seine Hausaufgaben, hörte sich die seltsamen Geschichten an, die sein Onkel so gerne erzählte, und mehr als einmal schnitt er heimlich den Namen eines Schwarms in das rötliche Holz, im Schatten unterhalb der dicken Platte. Er zeigte mir 'Marianne', eine Blondine mit blauen Augen, und dort 'Nasrin', sie war so dunkel wie das gealterte Holz. Und dort... da hatte er nur mit dem 'T' für 'Theresa' begonnen, weil sein Onkel Verdacht geschöpft hatte.
 

Als der Onkel Shermans Messer sah, erzählte er, wie jemand seine Hand auf genau diesem Tresen durch ein Messer verloren hatte. Nicht in einem Streit, wie es scheinen mochte, sondern weil dieser Bartresen immer wieder einmal Blut brauchte. Sherman lachte, als die Erinnerung daran zurückkam, und erzählte, daß er auch damals gelacht hatte. Das hatte seinen Onkel so ernsthaft aufgeregt, daß der eine Rotweinflasche fallen ließ, die genau auf der Falltür zum Weinkeller zerschellte, die hinter dem Tresen gelegen hatte. Sherman zeigte mir, wo diese Falltür auf Terra gewesen war, begann, ihre Kanten mit einem Stück roter Kreide aus einer der Schubladen des Tresens auf dem grauen Plastic-Fußboden zu skizzieren und fügte die Umrisse der Weinpfütze hinzu.
 

"Und DAS hat meinen Onkel erst mal aufgeregt. Denn das war in seinen Augen eine Beleidigung der Geister des Weinkellers gewesen."
 

*
 

Ein paar Tage später hatte nahezu alles aus den Conts seinen Platz gefunden und das kurz vor der Eröffnung stehende Kaffeehaus sah fast genauso aus wie der Nachtclub auf den Fotos, die Sherman mir gezeigt hatte.
 

Sherman sagte, er sei glücklich, aber er sah sehr müde aus. Wahrscheinlich hatte er parallel zur Einrichtung seines Kaffeehauses auch in seiner Mine gearbeitet. Ich fragte ihn, ob ich irgendwie zur Hand gehen oder mit Geld helfen könne. Aber er lehnte mein Angebot ab und lud mich statt dessen zur Eröffnung am nächsten Abend ein. Wir quatschten noch ein bißchen, und als ich 'gute Nacht' sagte, fragte er mich, ob ich an Geister glauben würde. Ich dachte einen Moment darüber nach, aber dann lächelte er. "Ich mach nur Spaß."
 

Die Eröffnung war opulent, mit echtem Kaffee von Terra und selbst gemachtem Kuchen und Keksen von den Nachbarn und der Firmenleitung. Aber Sherman sah furchtbar aus; sein Gesicht war grau und die Hände zitterten, so daß er eine Menge des aromatischen Kaffees verschüttete. Ich versuchte zu erfahren, was los war, aber er ignorierte das. Zufällig hörte ich, wie zwei Gäste sich darüber unterhielten, daß Sherman seit Wochen nicht in seiner Mine gewesen war, also versuchte ich noch einmal herauszubekommen, was mit ihm los war, aber vergeblich.
 

Am nächsten Tag besuchte ich Shermans Kaffeehaus, bevor er öffnete. Ich fragte ihn auf der Türschwelle, was für ein Geist ihn heimsuche, aber er lachte mich nur aus. "Die Geister des Weines kommen nicht dorthin, wo nur synthetischer Alkohol getrunken wird", sagte er und schlug mir die Tür vor der Nase zu.
 

Mehrere Tage versuchte ich, ihn abzupassen, mit ihm zu sprechen, aber er ging mir aus dem Weg. Und so gab ich schließlich auf und begrub traurig unsere Freundschaft, die so lange Bestand gehabt hatte.
 

*
 

Ein oder zwei Monate nach der Eröffnung des Kaffeehauses las ich in den Firmennachrichten, daß die Einheit wieder zu vermieten sei. Ich konnte es nicht glauben, lief zum Kaffeehaus und sah, daß es wirklich geschlossen hatte. Es gelang mir, die Tür mit einem kleinen Taschenmesser zu öffnen - und stand vor den Resten von Shermans antiken Möbeln.
 

Der Spiegel hinter dem Tresen war zersprungen, die meisten Stühle und Tische waren angekokelt, und der Tresen war offenbar mit der Axt schwer beschädigt worden, die noch in der Mitte der Platte steckte. Ich schritt über knirschende Glasscherben, um mir den Schaden des Tresens genauer anzusehen. Und da entdeckte ich, daß jemand etwas mit roter Kreide auf den Boden hinter dem Bartresen geschrieben hatte: "Sherman ist im Weinkeller."
 

Aber hier hatte es nie einen Weinkeller gegeben, nicht hier auf der Orsta. Hier gab es hinter dem Tresen nur das Plastic des Fußbodens, mehrere Isolationsschichten, eiskalten Stahl und leeren Raum. In dem leeren Raum eine Spur molekülgroßer Felspartikel, die hinter der Orsta hertrieben, und darin ein mit ihnen tanzender Kadaver - der Leichnam meines verstorbenen Freundes Sherman.
 

* * *
 



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