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Welcome Home, Army!

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Kapitel 1

Kapitel 1

"Y/N, wir müssen noch auf den letzten Fahrer warten…" Augenrollend schaute mich meine Kollegin Elena an. Mal wieder kam die letzte Tour zu spät. Gähnend setzte ich mich und schaute Elena an. "Wird Zeit, dass wir nach Hause kommen." Sie nickte und schaute auf die große sterile Uhr, die an der Wand hing. Es war kurz nach Acht und die Zeit zog sich. Mein Blick wanderte durch den Raum und blieb an der großen Laborstraße hängen, die fleißig Blutproben untersuchte. Es war schon immer mein Traum gewesen in einem großen Labor zu arbeiten. Das leise Rumpeln der Pipettierarme und der metallisch-schmeckende Geruch nach Eisen beruhigten mich. Vor allem nachts musste man aufpassen, dass man nicht weg döste. Tagsüber war es meist sehr hektisch, aber jeder wusste, was er zu tun hatte. Wir waren wie viele kleine Zahnräder, die alle in einander griffen, damit die Patienten möglichst schnell ihre Werte bekamen und die Ärzte ihre Diagnosen stellen konnten. Ein leichtes Lächeln umspielte meine Lippen. Ich liebte meinen Beruf einfach.

"Y/N!" Ich schreckte auf und schaute Elena an, die grinsend mit der letzten Probe in der Hand auf mich zu marschierte. Ich sprang auf und setzte die Zentrifuge in Gang, in die Elena die letzten Röhrchen getan hatte. In einer halben Stunde könnte ich endlich gemütlich auf dem Sofa liegen und Netflix schauen. Ich zog mein Handy aus dem Laborkittel. Eine Nachricht von Artemis. Ich grinste. Auch sie liebte ich. Arty war meine kleine Cousine, die für mich aber eher wie eine kleine Schwester war und total der koreanischen Popkultur verfallen war. Die Nachrichtenanzeige verriet mir, dass sie mir wieder eins dieser Tanzvideo von irgendwelchen asiatischen "Idols" schickte. Ein plötzliches Klingeln riss mich aus meinen Gedanken. Ich ließ das Handy wieder in die Tasche des Laborkittels gleiten und nahm das Telefon ab. "Y/N? Könntest du bitte mal in mein Büro kommen?", drang es an mein Ohr. Ich schluckte. Wenn der Dr. Seidel anrief, versprach es meist nichts Gutes. Mein Blick traf auf Elena, die mich nur fragend anschaute. Ich versprach meinem Chef sofort vorbei zu kommen und presste den roten Knopf. "Ich soll zum Chef…", murmelte ich. Während Elena nur noch ein "Viel Glück" gluckste, machte ich mich auf den Weg. Vor der Tür holte ich noch einmal tief Luft und klopfte an. Als von drinnen ein leises "Mhh" ertönte, drückte ich die Klinke herunter und öffnete die Tür. "Ah, Y/N…", sagte er und deutete mit einer Handbewegung auf den freien Stuhl vor sich. Leise trat ich ein und schloss die Tür. "Setzen Sie sich." Ich tat wie mir geheißen und setzte mich auf den freien Stuhl vor seinem Schreibtisch, der übersät von Unterlagen war. Ich bekam sofort den Drang diese Akten zu sortieren, denn ich kam nicht gut mit Unordnung und Chaos zurecht. Dr. Seidel räusperte sich. Ich blickte zu ihm und sah Müdigkeit in seinen Augen. Die Erschöpfung stand ihm ins Gesicht geschrieben. "Sie schauen doch immer diese asiatischen Trickfilme, oder?", fragte er plötzlich. Ich stutzte und schaute verunsichert von seinem Gesicht zum Computer und wieder zurück. "Ehm… falls sie Animes meinen…", nuschelte ich in meinen Laborkittel hinein und nickte zur Bestätigung. "Ganz wunderbar. Dann sind Sie ja auch an der Sprache und Kultur der Japaner interessiert, oder? Wir sind nämlich gerade dabei einen weiteren Standort für unser Labor zu eröffnen und dafür brauche ich fachbezogenes Personal vor Ort. Also, falls Sie Interesse haben, wäre das eine einmalige Chance." Mein Herz raste und ich merkte, wie das Blut in meinen Kopf schoss. "Aber… ich kann gar kein Japanisch", rief ich plötzlich laut und fühlte schon, wie diese Gelegenheit meinen Fingern entglitt. Ich konnte mir kaum etwas Cooleres vorstellen, als in dieses Land auszuwandern – zumindest übergangsweise. "Ach das", winkte Dr. Seidel ab. "Kein Problem. Ich habe hier schon etwas raus gesucht…", sprach er und deutete auf eine Anzeige auf dem Computermonitor. Interessiert rutsche ich mit dem Stuhl näher heran und sah die Internetseite eines Japanischen Workshops, der einwandfreies Sprechen der Sprache und der Schriftzeichen nach nur 4 Wochen garantierte. "4 Wochen?", fragte ich ungläubig und schaute zu Dr. Seidel. "Wann soll es denn losgehen?" – "In 6 Wochen", antwortete er und schaute mich hoffnungsvoll an. Das Telefon klingelte und Dr. Seidel hob ab. "Mh? Okay. Schönen Feierabend. Bis Montag!" Dann wandte er sich zu mir. "Elena hat gerade die letzte Probe validiert. Ich erwarte Ihre Antwort am Montag", fügte er noch hinzu und entließ mich. Ich schloss die Tür hinter mir und machte mich auf den Weg zum Umkleideraum, wo Elena schon wissbegierig auf mich wartete. In meinem Kopf drehte sich alles. Ich sollte nach Japan auswandern? Und das schon in sechs Wochen?! Würde ich es denn schaffen die Sprache in 4 Wochen zu lernen? Und wie teuer sind die Unterhaltskosten in Japan? Das müsste ich erst einmal googeln. Elenas fragender Blick, wich einem Besorgtem. "Alles ok?" Ich nickte, während ich meinen Kittel auszog und ihn in meinen Spind hing. Auf dem Weg zur Bahnstation erzählte ich Elena von dem Angebot, die jetzt schon ein Tränchen verdrückte: "Ich weiß ja, dass du schon immer mal nach Tokyo wolltest. Aber gleich auswandern? Dann sehen wir uns ja nicht mehr." Ich lächelte. "Ich ruf dich an", schmunzelte ich und beruhigte sie somit ein wenig. An der Station verabschiedeten wir uns.

Die Bahn fuhr ein und ich stieg ein. Nachdem ich mich auf den nächstbesten Sitz schmiss, holte ich meine Kopfhörer hervor und schaute mir das Tanzvideo an, das Arty mir geschickt hatte. Der Song war wirklich gut. Ich schaute auf die Beschreibung: [CHOREOGRAPHY] BTS (방탄소년단) '피 땀 눈물 (Blood Sweat & Tears)' Dance Practice. Schnell suchte ich das Lied bei Spotify und fügte es meinen Favoriten hinzu. Eine halbe Stunde später schloss ich die Tür zu meiner Wohnung auf. Ich zog meine Jacke und Schuhe aus und schaute belanglos in den Kühlschrank. Gähnende Leere. Ich seufzte und überlegte kurz, ob ich noch einkaufen gehen sollte, beschloss aber dies nicht zu tun und bestellte mir kurzerhand eine Pizza. Ich ging ins Bad, entledigte mich meiner Sachen und sprang unter die Dusche. Nach einer kurzen heißen Katzenwäsche, verließ ich das Badezimmer, zog mir einen Pyjama an. Kurz darauf läutete es an der Tür: die Pizza. Breit grinsend nahm ich dem Boten meine Lieferung ab und verkrümelte mich mit Netflix und Pizza aufs Sofa, wo ich das ganze Wochenende verbringen würde.

Ein schrilles Klingeln riss mich aus meinem Traum. Blind tastete ich nach meinem Handy um den Wecker abzuschalten. Mit einem Auge linste ich auf die Uhrzeit: 6:45 Uhr. Montag. Ich seufzte. Wie konnte ein Wochenende nur so schnell vergehen? Unmotiviert rollte ich mich aus dem Bett, schlurfte ins Badezimmer, wobei ich mir erst einmal den Schlaf aus den Augen rieb. Gähnend stellte ich das Wasser der Dusche an und schnappte mir die Zahnbürste. Ein Blick in den Spiegel verriet mir, dass meine Haare zu allen Seiten abstanden. Ich sah aus wie eine Verrückte. Der Gedanke ließ mich Schmunzeln. Kein Wunder, dass ich Single bin, dachte ich. Bei dem Anblick würde jeder Reißaus nehmen. Eine halbe Stunde später schnappte ich mir meinen Haustürschlüssel und verließ die Wohnung. Ich war ein wenig aufgeregt, denn ich hatte eine Entscheidung getroffen. Ich würde auf jeden Fall nach Japan gehen! Im Labor angekommen, klopfte ich zuerst im Büro von Dr. Seidel an, um ihm meine Entscheidung mitzuteilen. Er freute sich 'jemand so Kompetentes nach Japan schicken zu dürfen, dem er vertraut'. Auch wenn es nur eine Floskel war, machte mich das Kompliment glücklich. Ich war so euphorisch, dass heute nichts schieflaufen konnte. Nach der Mittagspause verkrümelte ich mich ins Büro. Ab sofort sollte ich nun die Hälfte meiner Arbeitszeit damit verbringen, möglichst viel zu Lernen. Die nächsten vier Wochen gingen erstaunlich schnell um. Neben meinem Japanisch Workshop musste ich zusätzlich einmal wöchentlich zu einem externen Kurs gehen, damit ich auch die Aussprache üben konnte. Alle waren sehr zufrieden mit mir. Und ich? Ich konnte endlich meine geliebten Animes ohne Untertitel schauen. Ein richtiger Life-Changer. Naja, für mich jedenfalls.

Der Tag der Tage war gekommen. Heute würde ich den neuen CEO der Zweitstelle kennenlernen. "Y/N, jetzt komm' mal runter. Du machst dir ja gleich in die Hose", scherzte Elena und versuchte mich zu beruhigen. Ich schaute nervös auf meinen Spickzettel, auf dem ich alle möglichen Sätze aufgeschrieben hatte, die ich gebrauchen könnte. Das war natürlich absolut unnötig, denn ich beherrschte die Sprache mittlerweile wirklich gut. Aber sicher war sicher. Ungeduldig lief ich durch das Labor und schaute jede Minute auf die große Uhr, die an der Wand hing. "Mensch, Y/N!", maulte Elena. "Du machst mich auch schon ganz verrückt!" In diesem Moment kam Dr. Seidel um die Ecke auf mich zu und nickte mir zu. Ich folgte ihm, während mir mein Herz fast aus der Brust sprang. Im Eingangsbereich standen drei hochgewachsene asiatische Männer im Anzug. Kalter Schweiß trat auf meiner Stirn hervor und ich versteckte mich halb hinter meinem Chef. Sollte er doch den Anfang machen. Das tat er dann auch und begrüßte die Herren auf Englisch. Sie nickten höflich und Dr. Seidel schob mich voran. Ich spürte, wie das Blut in meinen Kopf schoss, doch ich riss mich zusammen. Bevor ich etwas sagen konnte, verbeugte sich einer der Männer höflich: "Annyeonghaseyo!" Ich stutzte und schaute ungläubig von den Koreanern zu meinem Chef und wieder zurück. Mein Hals wurde ganz trocken. Ich wandte mich zu Dr. Seidel und fiepste: "Das ist Koreanisch! Nicht Japanisch!"



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