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von

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„Ja. Ja, hab ich verstanden.“

 

Piep.

 

„Nein, ich kümmere mich.“

 

Piep.

 

„Ja, ich bin dran.“

 

Piep.

 

Die Gesprächsfetzen, die an Makotos Ohr drangen, mischten sich mit einem hartnäckigen Piepsen, das in regelmäßigen Abständen zu hören war. Träge versuchte er, die schweren Lider zu heben. Beißende Helligkeit stürmte herein und ließ ihn sie schnell wieder schließen. Wo war er?

 

„Ja sicher ist das wichtig. Hast du was von den Itos gehört?“

 

Piep.

 

Makoto schluckte oder versuchte es wenigstens. Seine Zunge schien Tonnen zu wiegen. Klebte an seinem Gaumen. Davon abgesehen fühlte er sich … gut. Leicht. Eigentlich viel zu leicht. Hatte er Drogen genommen?

 

Piep.

 

Das Piepsen. Noch einmal öffnete Makoto die Augen. Nur ein Stück, um sich gegen das eindringende Licht zu wappnen. Dieses Mal sah er mehr. Einen Monitor direkt neben sich, ein Fenster und davor … einen Mann. Einen, den Makoto kannte. Er trug einen weißen Anzug.

 

Piep.

 

„Oh, ich muss Schluss machen. Hab noch was zu erledigen. Ich melde mich.“

 

Piep.

 

Makoto sah, wie Shisu das Handy einklappte und einsteckte. Danach kam er näher, den Blick fest auf Makoto gerichtet. Um ihn herum ein Krankenhaus. Es roch nach Desinfektionsmitteln.
 

„Ah, sieh an, sieh an! Unsere schlafende Schönheit ist endlich erwacht. Wird aber auch Zeit, findest du nicht. Hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“

 

Makoto sah Shisus Augen aufblitzen, als er das sagte. Probeweise versuchte er, seinen Arm zu bewegen. Seine Schulter fühlte sich merkwürdig an. Als würde sie nicht zu ihm gehören. Die Stelle, wo ihn der erste Schuss getroffen hatte, war seltsam taub. Dabei hatte es eigentlich gar nicht wehgetan. Mehr wie ein unfreundlicher Klaps. Ein Schlag mit einer geballten Faust. Er erinnerte sich an das Blut auf seinen Fingern.

 

„Tzz.“ Shisu stieß ein Zischen aus und kam noch näher. „Sieh dich an, da liegst du hier rum und lässt dich zudröhnen, während andere sich um deine Arbeit kümmern. Sind alle ganz schön aus dem Häuschen deswegen. Du hast die kleine Blume entkommen lassen.“

 

Makoto spannte die Kiefer. Er wollte antworten, doch die Dinge, die offenbar in großen Dosen durch die Kanüle in seinem Arm tropften, waren stark. Stärker als er. Sie machten, dass sich das Innere seines Kopfes anfühlte wie Watte. Weiche, süße Zuckerwatte. Makoto lächelte bei dem Gedanken.

 

Shisu entblößte die Vorderzähne.
 

„Grins nicht so blöd. Ich glaube, die geben dir hier ein bisschen zu viel. Warte, das haben wir gleich.“

 

Makoto sah, wie Shisu sich an dem Tropf zu schaffen machte, der neben seinem Bett hing. Kurz darauf merkte er, dass der warme Strom in seinem Blut langsamer wurde. Sein Bein begann zu brennen. Und seine Schulter. Es war, als würde jemand mit einem Schürhaken darin herumbohren. Makoto stöhnte leise.

 

„Ah, jetzt isser bei mir.“
 

Wieder verzogen sich Shisus Lippen, dieses Mal zu einem diebischen Grinsen.
 

„Also, willst du mir jetzt mal erklären, warum ich gerade sämtliche Gefallen der letzten fünf Jahre einfordern muss, um den kleinen Pisser zu finden, auf den du eigentlich aufpassen solltest?“

 

Makoto sah Shisu an. Die Zuckerwatte in seinem Kopf hatte sich mittlerweile in einen zähen Brei verwandelt. Unmöglich dort eine Geschichte herauszufischen, die Shisu glauben würde. Allerdings schien das auch gar nicht notwendig. Shisu fuhr bereits fort.
 

„Weit wird er jedenfalls nicht kommen“, knurrte er. „Sieh dir an, was er mit meinem Auto gemacht hat!“

 

Aufgebracht zerrte Shisu sein Handy wieder hervor. Er tippte darauf herum und hielt Makoto anschließend das Display unter die Nase. Darauf die Schwarz-Weiß-Aufnahme einer Kreuzung. Ein Wagen erschien und rammte, ohne auch nur ein bisschen langsamer zu werden, einen Mast. Fast meinte Makoto das Krachen zu hören, das Bersten von Glas und Metall. Die Lichter an der Rückseite erloschen, dann, ebenso lautlos wie alles andere, öffnete sich die Wagentür. Eine kleine Gestalt stieg aus. Sie trug … ein weißes Unterhemd. Makotos Herzschlag beschleunigte sich.

 

Aki.

 

Der Junge sah sich um. Sein Blick richtete sich genau auf die Kamera und dann auf den Wagen, fast so als wolle er sichergehen, dass sie den Unfall auch gut erfasst hatte. Danach, als wäre nichts gewesen, drehte er sich um und lief aus dem Bild. Zurück blieb das Wrack mit der offenen Tür und dem Kennzeichen, das klar und deutlich in der Mitte des Bildschirm prangte.

 

Die Aufnahme endete, Shisu zog seine Hand zurück.
 

„Siehst du? Total dumm. Keine zehn Minuten, nachdem das passiert war, klingelte mein Telefon. Die Polizei war dran. Sie wollte wissen, ob das mein Wagen sei. Ich hab gesagt Ja und gefragt, wo der Fahrer wäre. Sie sagten, sie wüssten es nicht. Auf deinem Handy nur die Mailbox. Da war mir klar, dass etwas nicht stimmt. Also bin ich hergekommen und was finde ich? Dich. Mit zwei Löchern im Leib, das Vögelchen ausgeflogen, das Haus das reinste Chaos, im Schlafzimmer Spuren eine Orgie. Will ich wissen, was das alles zu bedeuten hat?“

 

Makoto sah zu Shisu auf. Einige der Dinge, die er aufgezählt hatte, ergaben tatsächlich keinen Sinn. Andere taten es, wenngleich auch nicht so, wie Shisu es sich offenbar zusammengereimt hatte. Jedenfalls glaubte Makoto, dass es so war. Er wollte es glauben. Hoffte es.

 

„Du bist also nur wegen des Unfalls gekommen?“

 

Makoto musste es einfach wissen. Er musste sicher sein. Seine Schulter puckerte.

 

Shisu schnaubte.
 

„Natürlich. Hab schließlich angenommen, dass du mit dem kleinen Scheißer zurechtkommst. Ist ja nicht so, dass der gefährlich wäre, oder so.“

 

Während Shisu das sagte, wandte er den Blick ab. Makoto wusste, was das bedeutete. Er wartete, dass die Wut darüber kam, aber da war nichts. Nur Schweigen.
 

„Ich verstehe“, sagte er und merkte, wie seine Kräfte langsam zur Neige gingen. Sein Bein, das, wie er erkennen konnte, dick bandagiert und fixiert worden war, hatte zu schmerzen begonnen. Zu stechen. Irgendetwas war dort definitiv nicht in Ordnung. Makoto erinnerte sich, wie Aki Maß genommen hatte. Gezielt. Ihm in die Augen gesehen.
 

„Leb wohl, Makoto“, hatte er gesagt. „Ich hoffe, du stirbst nicht.“

 

Danach hatte er noch einmal abgedrückt. Dieses Mal hatte Makoto mehr als den Einschlag gespürt. Ein glühendes Reißen, das in eine blinde Taubheit überging. Dazu ein Übelkeit erregendes Knirschen und das Gefühl, mit dem das Projektil ihm die Kniescheibe zerfetzt hatte. Es hatte ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Wortwörtlich. Hilflos hatte er mitansehen müssen, wie Aki die Dinge zusammengesucht hatte, die er brauchte und dann mit einem letzten Blick auf ihn einfach gegangen war. Makoto hatte dagelegen, die Hand auf seine Wunden gepresst in dem verzweifelten Versuch, die Blutungen zu stoppen. Er erinnerte sich, wie er über den Boden gerobbt war, um ein Handtuch zu holen. Irgendetwas, um das Bein abzubinden. Wie ihm schwarz vor Augen geworden war und danach … nichts mehr. Bis jetzt. Bis er in diesem Krankenzimmer aufgewacht war, vor sich einen Shisu, der jetzt, da er Makotos Blick bemerkt hatte, das Gesicht verzog. Seine Augen huschten durch den Raum.
 

„Ach ja. Da ist noch was. Die Ärzte haben gesagt, dass dein Knie hinüber ist. Du wirst wohl nie wieder laufen können. Und wenn, dann garantiert nicht sehr schnell. Du wirst ein Krüppel sein, verstanden?“

 

Makotos Mundwinkel zuckte. Noch so ein Detail, von dem Shisu nicht ahnte, was es zu bedeuten hatte. Sein Herz wurde leichter.
 

„Dann … werde ich wohl auch nicht mehr Auto fahren können. Oder dich beschützen.“
 

Er sagte das, ohne Shisu anzusehen. Der wand sich neben ihm.
 

„Tja, also was das angeht … Ich denk mal, du wirst dir nen neuen Job suchen müssen. Hab schon ein gutes Wort für dich eingelegt, damit sie dich nicht gleich aus deiner Wohnung schmeißen. Und der Boss hat auch zugestimmt. Hast ihm ja immerhin nen Haufen Geld gespart mit dem Lösegeld und so. Und den kleinen Scheißer kriegen wir schon, wart's nur ab. Das kommt wieder in Ordnung.“

 

Makoto unterdrückte ein Grinsen, auch wenn ihm das schwerfiel.
 

„Ja. Natürlich kommt es das“, sagte er mit all der Ernsthaftigkeit, die er anhand der Situation aufbringen konnte.

 

Sein Blick glitt zum Fenster. Draußen waren inzwischen Wolken vor die Sonne gezogen. Bald würde es anfangen zu regnen. Notwendiges Nass, damit die Natur wachsen konnte. Und Aki war irgendwo dort draußen. Vielleicht würde er schwimmen gehen. Oder Ski fahren. Makoto lächelte.

 



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