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Sammlers Squid Game

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Varian und die Varianten

Varian hatte mit seinen sechzehn Jahren bereits eine ganze Menge durchgemacht und viel angerichtet. Man konnte sagen, er sei in seinem zarten Alter bereits der genialste und gleichzeitig der gefährlichste Kopf in ganz Corona. Dabei war nichts davon je seine Absicht gewesen.

Varian war als einfacher Dorfjunge aufgewachsen, war aber nie wirklich einer gewesen. Er war mit einem unheimlichen Interesse an der Natur und ihren Zusammenhängen auf die Welt gekommen. Von frühester Kindheit an, hatte er alles untersucht. Er hatte herausfinden wollen, wie sich die Dinge miteinander und zueinander verhielten. Er hatte experimentiert, seit er denken konnte und obwohl viel dabei schiefging, konnte niemand leugnen, dass in dem kleinen Varian der Verstand eines Genies heranwuchs.

In seinem Eifer, alle Zusammenhänge der Physik und der Chemie zu begreifen, fiel Varian kaum auf, dass er eine wichtige Wechselwirkung der Natur völlig außer Acht ließ: Das Sozialgefüge der Menschen.

Varian hatte seinen Vater und bei all dem Ärger, den Varians Experimente diesem mit den anderen Dörflern einhandelten, wollte Varian nichts mehr, als seinen Vater stolz zu machen, der doch seine einzige Bezugsperson war.
 

Da die Dörfler meist der Grund waren, aus dem Varians Vater mit ihm schimpfte, fasste der kleine Alchemist den Entschluss, mit seinen Erfindungen das ganze Dorf glücklich zu machen. Wenn die Dörfler sich nicht mehr beschwerten, würde auch Varians Vater stolz auf ihn sein können. Er plante, versuchte und baute und mit vierzehn Jahren war er drauf und dran, das ganze Dorf mit fließendem, warmem Wasser zu versorgen.

Es war nur eine Kleinigkeit, die nicht gestimmt hatte. Es lag nur an seinem Mangel an Erfahrung und der fehlenden Möglichkeit, sich mit anderen Wissenschaftlern auszutauschen, dass sein Vorhaben misslang. Er hatte den Erfolg zu schnell gewollt. Die Heizkessel, die er heimlich unter dem ganzen Dorf aufgebaut hatte, hielten dem Druck des Wasserdampfs nicht stand und rissen das halbe Dorf ein. Er hatte es nicht gewollt, aber es war seine Schuld gewesen.
 

In dieser Lebenslage begegnete ihm das faszinierendste Studienobjekt seit langem: Rapunzel. Sie war mit ihrem Haar nicht nur maßlos interessant, sondern hatte Varian auch eine Freundlichkeit entgegengebracht, die seine Welt aus Substanzen, Reaktionen und Verbindungen kurzerhand für immer verändert hatte. Diese Begegnung hatte eine ganze Reihe großer und beängstigender, aber auch wunderbarer Ereignisse in Gang gesetzt.

Varian hatte Freunde gewonnen, hatte ihnen vertraut, war enttäuscht worden, hatte den König bestohlen, die Königin entführt, war gegen das Königreich in den Krieg gezogen, war geschlagen und eingesperrt worden. Dann hatte er sich befreit, Prinzessin Rapunzel hatte ihm vergeben, er war mit ihr gezogen, um zu helfen, nur um dann zu erleben, wie sich die Cassandra, in die er verliebt war, zum Bösewicht mauserte und ihn erneut gefangen nahm!
 

Er hatte Corona zwischenzeitlich so satt gehabt und doch hielt ihn etwas hier. Hoffnung. Rapunzel strahlte so viel Hoffnung aus! Sie glaubte unerbittlich daran, dass in jedem etwas Gutes steckte, wenn man sich nur die Mühe machte, es zu finden. Aber Varian fiel es immer schwerer, einfach zu glauben und zu hoffen, wenn so viel Verrat um ihn herum passierte. Er glaubte an Rapunzel, denn er hatte gesehen und am eigenen Leib erfahren, zu was sie fähig war. Er hoffte für sie, dass sich ihre Träume erfüllten. Vor allem aber hatte er ihr gegenüber einiges wieder gut zu machwn, darum half er ihr, wo er nur konnte.

Schließlich hatte sie ihn nach der letzten großen Schlacht geheilt und zum königlichen Ingenieur ernannt, sodass er endlich die nötigen Ressourcen für seine Arbeit bekam und in der Lage gewesen war, Corona fließendes, warmes Wasser zu geben. Mit seinem Prototyp der Wasserversorgung hatte er damals versehentlich sein halbes Dorf zerstört, doch er hatte daraus gelernt und es als königlicher Ingenieur fehlerfrei hinbekommen.
 

Wie sich in den zwei Jahren seiner Bekanntschaft mit Rapunzel herausgestellt hatte, war Varian ein alchemistisches und mechanisches Genie, das man nicht zum Feind haben wollte, aber er war auch ein Teenager und neigte zum Wagemut bis hin zum Größenwahn, besonders wenn es um seine Erfindungen ging.

Angespornt durch seinen Erfolg hatte er sich gleich das nächste große Projekt vorgenommen. Auf seinen Erfahrungen mit Wasserdampf aufbauend, hatte er eine Dampfmaschine erfunden, die ein Vehikel antreiben konnte ohne ein Pferd davorspannen zu müssen. Damit aber noch lange nicht genug. Varian stellte wie am Fließband große und kleine, starke und schwache Dampfmaschinen her, die er "Varian-ten" nannte. Seine Varian-ten sollten schwere Güter über Land befördern sowie im Haushalt und bei der Arbeit nützlich sein. Ein dampfbetriebener Hammer für den Schmied, ein dampfbetriebenes Bügeleisen, ein Dampfbähnchen für den Personenverkehr, ein dampfbetriebenes Karussell für die Kinder, eine Dampfpfeife für den Apell der königlichen Stadtwache ...
 

Varian hatte so viele Ideen und wollte sie am liebsten alle auf einmal umsetzen. Er fragte sogar beim König an, ob er Oersonal einstellen dürfe, um die Produktion zu beschleunigen.

Erst vertraute ihm der König nicht, was Varian sehr kränkte und ihn etwas bauen ließ, das den König umstimmen sollte. Doch die Maschine war zu hastig entwickelt worden und drehte durch. Rapunzel half ihm, seine Gedanken zu ordnen, das Chaos zu beseitigen und seine Maschine aufzuhalten. Anschließend baute er sie mit Geduld und Bedacht um, bis er die Maschine entwickelt hatte, die den König endlich umstimmte: Eine Heizung.

Endlich bekam er die Gesellen und Mitarbeiter bewilligt, die er brauchte und schon bald ging er mit seinen Varian-ten in Produktion.

Als er seine Erfindungen der breiten Masse vorführte, waren die Leute erstaunt und nachdem Rapunzel ihnen gezeigt hatte, dass die Erfindungen ungefährlich waren, auch begeistert. Nur die Pferde waren beleidigt gewesen, weil die neuen Dampfkutschen ohne sie funktionierten. Doch er baute ihnen eine dampfbetriebene Futterkrippe und sie waren wieder versöhnlich gewesen. Innerhalb von kürzester Zeit besaß so gut wie jeder in Corona eine Dampfmaschine von Varian und er genoss das Ansehen der Bürger von in vollen Zügen. Alles lief gut für ihn.
 

Doch dann kam dieser besonders heiße Tag im Juli. Die Maschinen überhitzten und drehten durch. Verbrennungen, Explosionen und Unfälle waren die Folge. Das Haus des Schmieds ging sogar in Flammen auf und auch wenn Varian sich sehr sicher war, dass keine seiner Varian-ten dafür verantwortlich sein konnte, und obwohl er bereits den begründeten Verdacht hegte, sabotiert worden zu sein, gab man ihm die Schuld an dem Desaster. Von einem Tag auf den anderen hieß es plötzlich, Varian und seinen Erfindungen sei nicht zu trauen. Manche sagten sogar, er habe versucht Corona zu übernehmen und dass seine Dampfmaschinen allesamt Bomben gewesen seien.

Ein heißer Sommertag brachte ihn vom geachteten königlichen Ingenieur und genialen Wohltäter wieder zurück zum Status: Feind der Nation. Rapunzel und Eugene glaubten ihm, dass er das nicht vorausgeahnt hatte, doch eine Sabotage ließ sich nicht beweisen. Hinzu kam, dass der König ihm die Entführung seiner Frau nicht so einfach verziehen hatte, wie gedacht, und so ließ er Varian erneut in den Kerker werfen, bis sich der Vorwurf des Putschversuchs zerschlagen hätte.
 

Natürlich war niemand in Corona qualifiziert dafür, Varians Erfindungen zu verstehen, selbst seine Mitarbeiter meinten, sie hätten einfach vom Plan abgeschaut und gebaut, verstünden aber selbst nicht recht, wie die Maschinen funktionierten. Allen erschienen die Varian-ten wie magische Büchsen, die plötzlich gewalttätig geworden waren. So schmorte Varian im Gefängnis ohne Hoffnung auf Rehabilitation, bis Rapunzel ihm auf seine flehentliche Bitte hin eine seiner Maschinen brachte. Er sagte, er könne seine Unschuld beweisen, wenn er den Fehler an seinen Maschinen fände, doch dafür müsse er sie untersuchen dürfen. Gutgläubig, wie Rapunzel nun mal war, kaufte sie ihm die Geschichte ab.

Aus Verzweiflung brachte Varian seine Erfindung absichtlich zur Explosion, riss damit die Kerkerwand ein, täuschte seinen eigenen Tod vor und verschwand in die Berge. Dort nutzte er Wasser- und Windenergie, um sich ein neues Labor aufzubauen, wo er unermüdlich forschte und experimenrierte. Seine Gedanken kreisten nur noch um einen Knackpunkt: Er hatte bei seinen Erfindungen nur das Wetter nicht mit einkalkuliert und ein einziger Tag hatte genügt, um ihn vom gefeierten Erfinder wieder zum geächteten Verbrecher zu erklären. Ein verdammter Tag! Er hatte es so satt, für Fehler büßen zu müssen, an denen er keine Schuld trug!
 

Was er nun baute in seiner Abgeschiedenheit, war eine Maschine, die es ihm ermöglichen sollte, in der Zeit zurückzureisen, das Wetter in seine Erfindung mit einzukalkulieren, seine Mitarbeiter besser einzuweisen und sie genau im Auge zu behalten, bevor er Corona seine Varian-ten zum Geschenk machte. Er würde besser sein als jemals ein Mensch vor ihm, vorausschauender, klüger! Mit dieser neuen Maschine würde er jedes Missgeschick sofort wieder ungeschehen machen und somit Unfälle verhindern, bevor sie nachher passiert worden wären. (Das eigentliche Problem mit Zeitmaschinen war die Grammatik, fand Varian in seinen Selbstgesprächen heraus.)

Die Zeit verging. Es wurde Herbst. Es wurde Winter. Varian musste fertig werden, wenn er nicht erfrieren wollte, denn er brauchte sämtliche generierte Energie, um die Maschine nicht einfrieren zu lassen und daran, sich selbst eine Heizung zu installieren, hatte er nicht gedacht. Was Varian eigentlich hätte erfinden sollen, wäre nüchtern betrachtet also eher eine Klimaanlage gewesen. Doch wenn sich sein Verstand einmal an einer Idee festgebissen hatte, war er nicht mehr davon abzubringen.
 

Ironischerweise war der Tag der Fertigstellung seiner Zeitmaschine auch der kälteste Tag des Jahres. Mit steifen Fingern stellte Varian die Maschine auf den Tag ein, an dem er entschieden hatte, dass seine Dampfmaschinen bereit für die Veröffentlichung wären. Mit einem tiefen Atemzug sah er dabei zu, wie seine Erfindung ansprang, wie die Kristalle aufleuchteten und wie die Luft zu knistern begann. Er atmete langsam und kontrolliert wieder aus, dann stellte er sich in den Käfig, der den Mittelpunkt der Maschine bildete und schloss die Gittertür hinter sich.
 

Über ihm zog sich die Luft zusammen. Ein plötzlicher Wind fegte durch die Höhle und wuchs zu einem Sturm. Gewitterwolken bildeten sich an der Höhlendecke. Varian runzelte die Stirn. Er hatte damit gerechnet, dass es Blitze geben würde, daher der Käfig. Aber er hatte diese Entladungen von seinen elektromagnetischen Spulen her erwartet, nicht von einem spontanen, unterirdischen Unwetter. Irgendetwas musste schon wieder schiefgelaufen sein, dachte er noch, als mit einem Mal sämtliche Blitze aus der Sturmwolke gemeinsam in den Käfig einschlugen. Für einen Moment war die Höhle von blendend hellem Licht erfüllt. Dann war der Käfig leer.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Kasperkind
2024-04-26T15:28:03+00:00 26.04.2024 17:28
O-o …
Der arme Kleine!!! T__T
Aber, das ist so typisch:Nie klappt irgendwas, dass er sich in den Kopf gesetzt hat… ^^‘ Die Idee mit den ‚Varianten‘ ist allerdings extrem originell. Ich liebe es! 🥰
Antwort von:  Kasperkind
26.04.2024 17:28
Aber warum hat er OERSONAL eingestellt? XD *Deutschlehrert*


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