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Falsche Liebe

Neuvillette/OC, Wriothesley/OC, Neuvillette/Furina
von

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Sie wusste gar keinen anderen Weg mehr, Neuvillette zur Vernunft zu bringen. Ihre Augen waren geweitet und ihre nackte Brust bebte mit starkem Hecheln, während Tränen ihre Wangen hinunter liefen. „Hör endlich auf..“
 

Die Augen des Hydrodrachens blitzten kurz animalisch auf, bevor seine Pupillen wieder die normale Form annahmen und sie leicht geschockt anblickten. Er stoppte seine Bewegungen in ihr und blickte sie mit Unverständnis an, als er den Schmerz an seiner Wange und die vorangegangene Ohrfeige zu registrieren versuchte.
 

„Was.. sollte das?“, fragte er und zog sich aus ihr, bevor Minako auf dem Bett zurück wich und die Beine zusammen zog. Sie wirkte verstört und hatte geweint. Aber Neuvillette konnte sich nicht erklären, was mit ihr los war. Alles was er wusste war, dass sie ihn mitten während eines leidenschaftlichen Liebesaktes einfach so geschlagen hatte.
 

„Du.. hast auf nichts mehr reagiert.“, begann die Blonde. „Es war, als hättest du vollständig die Kontrolle verloren. Deine.. Handlungen wurden immer aggressiver, immer härter und du hast mir nur noch weh getan. Ich habe .. mehrfach versucht dich aus dieser Trance zu wecken, aber du hast alles ignoriert.“, erklärte sie.
 

Die Augen des hohen Richters weiteten sich ungläubig. Er hatte zwar bemerkt, dass er sich in den letzten Tagen seltsam in ihrer Gegenwart fühlte und irgendwelche Urinstinkte in ihm geweckt waren, aber er war doch immer noch er?!
 

„Was.. redest du da? Ich war doch wie immer, meine Liebe?“, meinte er und hielt sich die gerötete Wange, seine Augen zeigten Verwirrung und auch Enttäuschung. „Und dann hast du mich grundlos geschlagen.“, seine Stimme war so sanft wie immer, jedoch enthielten sie eine Art unterschwelligen Vorwurfs.
 

„Grundlos?“, fragte die Blondine und öffnete den Mund. „Neuvillette, du hast mich wie eine wilde Bestie in das Bett gedrückt und mit großer Brutalität in mich gestoßen.“
 

„...“, Neuvillette blieb nach dieser – in seinen Augen - Anschuldigung kurz still, bevor sich seine Augen leicht verletzt verengten. „Ich weiß, wie ich während unserer Liebesakte bin, Minako.“, erklärte er ruhig. „Und ich würde dich niemals wie ein wildes Tier einfach überfallen. Deine Sicherheit und dein Vergnügen stehen bei mir an oberster Stelle.“, erklärte er. Minako konnte es nicht glauben. Wieso schien er die letzten Minuten nicht bemerkt zu haben, dass er sich eben doch anders verhalten hatte? „Es schmerzt mich, dass du mir das zutraust.“, fügte er hinzu.
 

„DU HAST ES GETAN!“, nun war die junge Frau lauter als beabsichtigt und Neuvillettes Augen verengten sich ein wenig mehr aus Irritation und leichter Frustration. „Warum tust du so, als wäre alles wie immer gewesen? Diese animalischen Grunzlaute, deine Aggressivität.. du warst wie in Trance..“
 

„Das ist..“, er suchte nach den richtigen Worten, bevor er den Kopf schüttelte. „Nein, das würde ich niemals tun..! Ich bin kein animalisches Monster..Was für eine Art Spiel ist das, was du hier treibst?“
 

Minakos Gesicht fiel und wurde leicht blass. Er dachte sie spielte mit ihm? Als sie darauf nicht sofort antwortete, wertete Neuvillette das als Zugeständnis und er setzte sich auf die Bettkante. „Bitte zieh dich an und verlasse das Zimmer.“
 

….
 

„Neuvill-“
 

„Bitte.“
 

Minako zitterte vor Frustration und den vielen Tränen, doch sie gehorchte. Sie zog sich wortlos an und verließ dann das Schlafzimmer. Neuvillette sah ihr mit einem gebrochenen Gesichtsausdruck nach und das Vertrauen, dass er in den letzten Monaten zu ihr aufgebaut hatte, schien mit einem Mal zerrüttet. Vielleicht war es Einbildung, aber es war als hörte er Focalors verächtliche Worte in seinem Geiste: 'Das hast du nun davon, dich auf einen Menschen einzulassen.'
 

Neuvillette saß noch einige Momente auf seinem Bett und versuchte das gerade Geschehene zu verarbeiten. Es war noch nicht oft, seit sich die beiden in ihrer Beziehung auf die sexuelle Ebene gewagt hatten, aber er konnte mit Sicherheit sagen, dass er sie niemals so grob behandeln würde, wie sie ihm das unterstellt hatte.
 

Nach einiger Zeit zog er sich auch an und machte sich auf den Weg zu Furinas Büro, da er ein Treffen mit ihr bezüglich der in Kürze in Fontaine eintreffenden Fatui Harbinger Arlecchino hatte. Die Tür öffnete sich und Furina rannte zu ihm. Neuvillette wich etwas erschrocken zurück, als der Archon Fontaines vor ihm stand mit den Händen an den Hüften und einem Schmollmund.
 

„Du bist viel zu spät! Du kannst mich doch nicht so einfach warten lassen!“, beschwerte sie sich theatralisch.
 

„Verzeihung. Ich hatte.. noch etwas wichtiges zu erledigen.“, entschuldigte sich Neuvillette und räusperte sich.
 

„Was kann wichtiger als ein Treffen mit deinem Archon.. Bei den Sieben.. Was hast du denn mit deiner Wange gemacht?“, fragte Furina und bevor Neuvillette sich ihrer Berührung entziehen konnte, griff sie nach seinem Kinn und drehte es zur Seite, wo sie ein rötliches Hämatom in Form einer Handfläche erblickte.
 

„Das ist.. nichts. Können wir uns bitte auf das Wesentliche konzentrieren?“, seufzte Neuvillette und packte Furinas Handgelenk, um ihre Hand von seinem Kinn zu entfernen.
 

„Das tue ich. Mich interessiert gerade brennend, wer dem hohen Richter diese Respektlosigkeit angetan hat.“, meinte Furina und wirkte nun doch ein klein wenig sehr ungehalten, selbst für ihre Verhältnisse. Als Neuvillette weiter schwieg, verschränkte Furina ihre Arme. „Es war die kleine Opernsängerin, mit der du seit einiger Zeit zusammen bist, oder?“
 

„Woher weißt-“
 

„Oh, Neuvi.. Ich wäre ein schlechter Archon, wenn ich über sowas nicht Bescheid wüsste.“, schmunzelte sie und schüttelte den Kopf. „Außerdem solltet ihr euch nicht den leeren Opernsaal für eure Aktivitäten aussuchen. Das Echo drang bis zu meiner Loge vor.“, fügte sie hinzu, woraufhin Neuvillette gleichzeitig verlegen als auch gestresst wirkte.
 

„Verzeih, aber das ist meine private Angelegenheit.“
 

„Da irrst du dich.“, meinte Furina und wedelte mit ihrem Zeigefinger. „Mit dieser Aktion hat sie das Gesetz Fontaines missachtet. Und das in einem sehr schwerwiegenden Extrem. Ich fürchte, ich muss sie deswegen anklagen.“, fügte sie grinsend hinzu.
 

„Lady Furina.. bitte tu das nicht. Es.. gab da ein Missverständnis und das ist kein Grund..“, versuchte Neuvillette sie davon abzuhalten, aber er wusste wie stur Furina sein konnte.
 

„Keine Widerworte. Ich werde sie sofort kommen lassen. Du machst dich besser auch schon auf den Weg zur Opera Epiclese.“, lachte sie.
 

„Lady Furina..“
 

„Keine Sorge, eure pikanten Details werden privat behandelt. Die Gerichtsverhandlung wird nur sie, uns und einige Zeugen beinhalten.“
 

„...“
 

Das beruhigte den Hydrodachen nicht so wirklich und er hatte ein schlechtes Gefühl bei dieser Sache.
 

Minako hatte sich in der Zwischenzeit mit ihrer besten Freundin getroffen. Die Anführerin der Spina di Rosula, Navia. Die beiden Blondinen lernten sich vor einigen Jahren kennen und aufgrund ihrer äußerlichen Ähnlichkeiten bauten sie relativ schnell eine freundschaftliche Bindung zueinander auf. Die beiden saßen in Navias Lieblingscafe bei einer Tasse Kaffee und Gebäck. Navia war außerdem eine der beiden Personen, die von Minakos Beziehung mit Neuvillette wussten. Allerdings wusste nur Navia die wahre Identität des hohen Richters nicht.
 

„Ich verstehe das nicht. Wie konntet ihr euch streiten, wenn es bisher immer so harmonisch zwischen euch war?“, fragte Navia und nippte an ihrem Getränk. Natürlich konnte Minako ihr nicht sagen, dass Neuvillette wohl aufgrund seiner Drachenurinstinkte seine Kontrolle verloren hatte. Aber wie sollte sie sonst erklären, warum sie gestritten hatten?
 

„Jeder.. streitet sich mal. Und auch bei Harmonie kann es mal zu Schwingungen kommen.“, erklärte Minako leise. „Wir haben wohl beide Fehler gemacht.“
 

„Hm?“
 

„Ich habe.. ihn-“
 

„Miss Minako.“, eine weibliche Stimme holte die beiden Frauen aus ihrer Konversation. Minako und Navia blickten zu Clorinde, der persönlichen Leibwächterin Furinas und einer herausragenden Duellantin am Hofe von Fontaine.
 

„Miss Clorinde? Kann ich etwas für dich tun?“, fragte Minako perplex.
 

„Ja, ich möchte, dass du mich unverzüglich zur Opera Epiclese begleitest. Eine Anordnung von Lady Furina.“, sprach die Dunkelhaarige ernst.
 

„Anordnung von.. Lady Furina? Warum..?“
 

„Dein Gerichtsprozess wegen Missachtung und Verletzung der Unantastbarkeit unseres oberen Richters beginnt in Kürze.“
 


 

Die beiden Frauen erschraken, ihre Augen weiteten sich ungläubig.
 

„Das ist ein schlechter Scherz..“, murmelte Minako.
 

Navia schluckte. „Geht Lady Furina nicht ein klein wenig zu weit?“, wollte sie wissen. Clorinde blickte zu der Anführerin des Spina di Rosula und schloss ihre Augen.
 

„Das müssen Monsieur Neuvillette und das richterliche Urteil des Oratrice entscheiden.“, sprach sie und hielt der Blonden die Hand entgegen. „Würdest du nun also mitkommen? Ich möchte ungern den Herzog aus Fort Meropide hierher bemühen, um dich abführen zu lassen.“, bei diesen Worten zuckte Minako zusammen und ballte ihre Hände zur Faust. Sie schloss die Augen und dachte an den enttäuschten und geschockten Gesichtsausdruck, den Wriothesley sicher haben wird, wenn er erfährt weswegen eine seiner engsten Vertrauten angeklagt wird.
 

„Das ist nicht nötig. Ich komme. Aber wieso kommst du persönlich und lässt mich nicht durch ein Mitglied der Gendarme bringen?“, fragte die Blonde, als sie aufstand. Clorinde zog ihren Degen und führte ihren Zeigefinger elegant die Klinge entlang.
 

„Eine reine Vorsichtsmaßnahme, falls du Widerstand leistest. Jemanden mit einem göttlichen Auge werden die Gendarme nicht so einfach überwältigen können.“, antwortete Clorinde und blickte auf das leuchtende Hydro-Auge, welches das Dekolletee von Minakos Kleid zierte. Minako nickte und bevor sie sich von Navia verabschieden konnte, stand diese ebenfalls auf.
 

„Ich komme auch mit.“
 

„Bedaure, aber das ist nicht möglich.“, hielt Clorinde ein, weswegen die beiden Frauen sie perplex anschauten. „Lady Furina erbittet das höchste Maß an Privatsphäre. Die Gerichtsverhandlung ist nicht der Öffentlichkeit zugänglich, da sie private Details zu Monsieur Neuvillette's Privatleben beinhaltet.“, erklärte die Duellantin. Navia verschränkte die Arme und legte den Kopf leicht schief.
 

„Ich verstehe. Darf ich trotzdem bis zu den Toren mitkommen und draußen auf sie warten?“, fragte sie dann weiter.
 

„Sicherlich.“, nickte Clorinde und Minako schenkte ihrer besten Freundin ein dankbares Lächeln.
 

„Danke, Navia.“
 

„Gerne. Ich lasse dich da nicht alleine. Ich bin bei dir, okay? Ich stehe zwar draußen, aber.. du bist da drin nicht alleine.“, versprach Navia lächelnd und aufmunternd, als die beiden Frauen von Clorinde zum Austragungsort des Gerichtsprozesses geführt wurden. Minako hatte ein flaues Gefühl in der Magengegend und schluckte unsicher.
 

Im Gerichtssaal, der normalerweise die Bühne ihrer Auftritte war, stand Minako nun vor Neuvillette als Richter und Furina als Anklägerin. Neben ihnen war nur Clorinde noch anwesend, die natürlich gebührenden Abstand hielt und nicht hinhörte, wenn es um private Angelegenheiten ging. Minako schluckte als sie in das Gesicht von Neuvillette blickte. Er sah sie zwar leicht entschuldigend, aber auch noch sehr enttäuscht an.
 

„Ich bitte um Ruhe.“, Furina begann dann. „Im Namen der Gerechtigkeit und der Ordnung von Fontaine erhebe ich, Furina, Archon dieser großartigen Region, Anklage gegen die Angeklagte Minako. Die vorliegenden Anschuldigungen sind gravierend und werfen ein besorgniserregendes Licht auf die Missachtung der grundlegenden Gesetze und der Unantastbarkeit der Justiz in unserer Gesellschaft. Am heutigen Tag, beging die Angeklagte, Minako, eine unentschuldbare Tat der Körperverletzung gegen den ehrenwerten Hohen Richter Neuvillette, indem sie ihm eine Ohrfeige versetzte. Diese Handlung stellt nicht nur eine direkte körperliche Attacke dar, sondern ist auch ein inakzeptabler Akt der Missachtung gegenüber der Würde und der Autorität eines hohen Amtsträgers in Fontaine.“, begann Furina ihre Klageschrift. „Durch diesen Akt hat Minako nicht nur den Richter Neuvillette persönlich verletzt, sondern auch das Fundament unserer Rechtsstaatlichkeit und das Vertrauen der Bürger in die Unverletzlichkeit unserer Justiz beschädigt. Eine solche Tat kann und darf in einer gerechten Gesellschaft nicht unbeantwortet bleiben.“
 

Minako schwieg, ihr Kopf senkte sich und sie war sich sicher, dass sie keinen fairen Prozess erwarten konnte, bis Furina weiter sprach.
 

„Jedoch, im Geiste der Fairness und der Gerechtigkeit, die unsere Region prägt, fordere ich die Angeklagte Minako auf, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Es ist unerlässlich, dass alle Umstände und Hintergründe dieser Tat vollumfänglich erfasst werden, bevor ein Urteil gefällt wird. Die große Furina ist dazu bereit, aufmerksam zuzuhören und alle relevanten Fakten zu berücksichtigen. In Anbetracht der Schwere der Anschuldigungen fordere ich eine angemessene Strafe, sollte sich die Angeklagte als schuldig erweisen. Die Wahrung der Gerechtigkeit und der Integrität unseres Justizsystems muss in Fontaine oberste Priorität haben.“, beendete Furina ihre Ansprache und deutete mit dem Finger auf Minako, damit diese ihre Sicht erklären konnte.
 

Die Blondine nickte und stand von ihrer Anklagebank auf. „Vielen Dank, Lady Furina. Ich möchte die vorgetragenen Anschuldigungen zurückweisen, denn es war .. genau genommen Notwehr.“, sprach sie dann. Furina hob daraufhin ungläubig eine Augenbraue.
 

„In welcher Situation, hervorgerufen durch Monsieur Neuvillette, erachtest du eine Ohrfeige als Notwehr?“, wollte sie wissen. Minako errötete und blickte zu Neuvillette.
 

„Dazu.. muss ich ausführen, was wir bei der besagten Tatzeit getan haben..“, begann sie und wartete ab, als ob sie vorher Neuvillettes Einverständnis wollte, um weiter zu reden.
 

„Mir ist eure Beziehung bekannt, Minako. Du kannst also frei sprechen.“, meinte Furina und verschränkte ihre Arme. Minako seufzte leicht, ihr Kopf war noch gerötet.
 

„Nun.. Monsieur Neuvillette und ich waren gerade im Bett und haben uns.. geliebt. Und ich bemerkte eine Veränderung in seinem Verhalten. Er wurde zunehmend brutaler und verlor anscheinend die Kontrolle über sich. Ich bat ihn, aufzuhören weil er mir weh getan hat, aber als Antwort bekam ich nur seltsame Geräusche, wie ein Knurren oder ein Jaulen. Mein ganzer Körper hat angefangen wehzutun und es fühlte sich an, als würde er gleich meinen Körper mit seiner Brutalität spalten. Als letzten Ausweg, ihn wieder zur Vernunft zu bringen, habe ich ihn geschlagen. Erst danach kam er wieder zu sich.“, erklärte die Blondine mit gesenktem Kopf.
 

Furina blickte daraufhin zu Neuvillette. „Stimmt das so, wie die Angeklagte das vorgetragen hat?“, fragte sie den hohen Richter.
 

„Der erste Teil stimmt, ja. Wir hatten uns tatsächlich gerade geliebt. Aber ich schwöre auf meine Ehre und meinen Titel, dass ich nicht die Kontrolle über mich verloren habe. Ich würde ihr niemals weh tun und schon gar nicht in dem Ausmaß, wie sie es erklärt.“, seine Worte ließen Minako die Augen schließen. Er glaubte ihr einfach nicht. Furina schien auch zu überlegen.
 

„Nun, ich kenne dich seit mehreren Hundert Jahren und auch ich traue dir so ein Verhalten nicht zu. Minako, hast du irgendwelche Beweise für deine Behauptungen?“, fragte Furina dann und deutete erneut mit dem Finger auf sie. Die Blondine, der nun leicht Tränen in die Augen stiegen, schüttelte nur geschlagen den Kopf.
 

„Nein.. Ich.. Wie soll ich das beweisen können, dass er mir weh getan hat und nicht auf mich reagiert hat? Ich gebe euch aber mein Wort, dass es die Wahrheit ist. Aus welchem Grund sollte ich lügen?“, fragte die junge Frau.
 

„Emotionale Manipulation.“, antwortete Neuvillette und Minakos Augen weiteten sich daraufhin. „In meiner Funktion als Richter, habe ich hier schon unzählige Fälle gehabt, in denen ein Partner – meistens der weibliche Partner – den anderen emotional manipuliert hat. Sie hat Streit herbei geführt, um sich in den Mittelpunkt zu stellen und den Partner als toxisch hinzustellen. Einige haben es auch genossen, auf ihren Partner emotionalen Druck auszuüben. Und wieder andere.. haben versucht durch gezielte Anschuldigungen Schadensersatzansprüche zu stellen. Beispielsweise indem sie einvernehmlichen Geschlechtsverkehr als Vergewaltigung hingestellt haben. Ich habe so viele Abgründe von menschlicher Dunkelheit erlebt, Minako. Und dein Verhalten heute war so nah daran, dass ich ernsthafte Zweifel habe, ob deine Gefühle jemals aufrichtig waren. Oder ob du nicht einfach nur vor deinen Freunden prahlen wolltest, mit dem hohen Richter eine Beziehung zu führen.“
 

Seine Worte verletzten sie, aber sie blieb ruhig. „Das ist nicht wahr. Bis auf meine engsten Vertrauten wusste niemand von unserer Beziehung.“, erklärte sie.
 

„Aha? Und warum nicht?“, fragte Furina nun.
 

„Es war Monsieur Neuvillettes Wille. Er wollte mich schützen und auch unsere Beziehung. Ich habe seinen Wunsch akzeptiert und deswegen haben wir in der Öffentlichkeit nie Zärtlichkeiten ausgetauscht.“
 

„Stimmt das, Monsieur Neuvillette?“, mit dieser Frage richtete sich Furina wieder zu dem Richter.
 

„Ja, das stimmt. Aber eventuell gehörte das ja alles zu deinem Plan. Ich hätte dir so eine Anschuldigung niemals zugetraut.“
 

Minako seufzte leise. „Es war keine Anschuldigung..“
 

„Nun, dann wollen wir doch mal einen Zeugen befragen.“, grinste Furina dann.
 

„Du hast einen Zeugen?“, fragte Minako mit geweiteten Augen.
 

„Nun, es ist jemand, der in einer ähnlichen Situation wie Monsieur Neuvillette ist. Jemand, mit dem du auch mal zusammen warst. Ich rufe Guillaume in den Zeugenstand!“, als Minako diesen Namen hörte, zog sich alles in ihr zusammen und sie biss sich auf die Lippe. Die Beziehung zu diesem jungen Mann hatte kein schönes Ende genommen, als sie gemerkt hatte, dass er nur auf Sex aus war.
 

Die Tür öffnete sich und ein junger Mann mit dunklem Teint und braunen Haaren trat hinein. Er setzte sich vor in den Zeugenstand und sah zu Minako mit einem bösen Grinsen. Minako schluckte.
 

„Monsieur Guillaume.“, begann Furina. „Erkläre dem hohen Gericht doch bitte einmal deine Erfahrungen, als du Miss Minakos Freund warst. Wie war die Beziehung?“, fragte der Archon neugierig.
 

„Furchtbar.“, antwortete Guillaume wie aus der Pistole geschossen. „Sie war egoistisch, hat mich emotional erpresst und wenn ich ihr nicht die Sachen gekauft habe, die sie wollte, hatte sie mich bei allen schlecht gemacht.“, erklärte er mit einem süffisanten Grinsen.
 

Minako stand auf und ballte ihre Fäuste. „Lüge! Alles Lüge! Du mieser-“
 

„Miss Minako.“, Neuvillettes autoritäre Stimme ließ die junge Frau verstummen. Sie sah geschockt auf und blickte in Neuvillettes emotionsloses Gesicht. Zumindest versuchte er emotionslos zu sein, aber der stark einsetzende Regen draußen verriet seine wahren Gefühle. „Du hattest vorhin die Zeit, deine Tat zu erklären. Nun ist der Zeuge an der Reihe, daher erbitte ich absolute Ruhe.“, meinte er weiter. Minako schloss die Augen und wandte den Blick ab, als sie sich wieder hin gesetzt hatte.
 

„Tut mir leid..“
 

Guillaume lachte nur erheitert. „Da seht ihr? Sie hat sich nicht unter Kontrolle. So war sie bei bei mir auch immer! Als sie mir dann unterstellt hat, dass ich fremdgehen würde, habe ich mit ihr Schluss gemacht.“, erklärte er.
 

„Bitte verzeih diese private Frage, Monsieur.“, begann Furina. „Aber für den Fall ist es von außerordentlicher Wichtigkeit. Ist Miss Minako während des Geschlechtsverkehrs schon einmal handgreiflich dir gegenüber geworden? Hat sie dir zum Beispiel einfach so eine Ohrfeige verpasst?“
 

„Na klar!“, Minakos Herz sank vor Wut, als sie ihn weiter lügen hörte. Tränen sammelten sich in ihren Augen und die Stimmen um sie herum wurden immer dumpfer, als Guillaume Furina und Neuvillette mit weiteren infantilen Lügen einlullte. Erst als das Oratrice in Bewegung ging, bemerkte Minako dass es nun Zeit für die Urteilsverkündung war.
 

Ihre Augen waren geschlossen, sie sah also nicht welches Urteil gefällt werden würde. Aber Neuvillettes endgültiges Urteil ließ sie zusammen zucken. „Schuldig.“
 

„Minako, du wirst hiermit zu einem Jahr Gefängnis in der Festung Meropide verurteilt.“, seine Worte ließen ihre Augen sich weiten. Ein ganzes Jahr für eine Ohrfeige?
 

„Clorinde, würdest du sie bitte nach Meropide bringen?“, fragte Furina und warf Handschellen hinunter. Clorinde nickte, als sie der aufgelösten Minako die Handschellen anlegte.
 

„Das schaffst du schon. Meropide ist für dich schließlich kein Neuland.“, meinte sie und Minako nickte leicht.
 

„Als Insassin schon..“
 

Clorinde verweilte still, während sie Minako abtransportierte. Navias Augen weiteten sich geschockt, als sie ihre beste Freundin in Handschellen erblickte, abgeführt wie eine Verbrecherin. Das Urteil ließ auch sie schockiert zurück und sie ballte die Fäuste, als sie den beiden Frauen nach blickte.
 

„Irgendwas stimmt hier nicht. Ich werde in diesem Fall nachforschen und sie da raus holen.“, schwor sich die Anführerin der Spina di Rosula.
 

Der Weg zum Aufzug nach Festung Meropide war still, bevor Minako kurz neben sich blickte. „Miss Clorinde? Glaubst du auch, dass ich eine Lügnerin bin?“, fragte sie dann. Clorinde schaute zu ihr.
 

„Es steht mir nicht zu, den Fall zu beurteilen und ich kenne dich nicht gut genug, um zu sagen, wie ehrlich du bist. Aber du wirkst mir nicht wie jemand, der Monsieur Neuvillette etwas anhängen würde.“, gestand sie dann.
 

„Das würde ich niemals.“
 

„Dann wird sich die Sache auch klären.“
 

„Huh?“
 

Clorinde schmunzelte. „Es gibt jemanden, der für falsch inhaftierte Insassen kämpft und sie um jeden Preis wieder heraus holt. Besonders wenn es um dich geht.“, sprach sie dann.
 

„Du meinst Wrio- ich meine den Herzog? Aber in meinem Fall darf er doch gar nichts machen, sonst denken die Leute noch, er bevorzugt mich..“, seufzte die junge Frau.
 

„Oh, du denkst du wirst bevorzugt, wenn er für dich dasselbe macht, wie für jeden anderen Häftling auch?“, lachte die Duellantin und hielt sich ihre Hand vor den Mund. „Ganz im Gegenteil. Würde er es nicht tun, wäre es eine Spezialbehandlung. Und glaub mir, er wird für dich kämpfen. Vielleicht sogar mehr als für jeden anderen sonst.“, fügte sie hinzu. „Schließlich seid ihr schon seit einer Dekade befreundet.“
 

„Freunde hin oder her, ich möchte nicht, dass er wegen mir seine Integrität als Herzog aufs Spiel setzt. Wenn die anderen Insassen das bemerken, wie sollen sie ihm dann weiter vertrauen?“, fragte die Blondine, als sie vor den Toren der Unterwasserfestung standen. Clorinde schloss daraufhin die Augen.
 

'Nun bin ich von ihrer Unschuld überzeugt. Navia wird schon alles ins Rollen gebracht haben. Sie hat wirklich tolle Freunde.', dachte sich Clorinde, bevor sie Minako an die Rezeption übergab. „Ich gehe dann mal. Viel Glück, Minako.“
 

„Danke, Miss Clorinde.“
 

An der Rezeption musste Minako dann noch einmal ihre Personalien angeben und die Dame am Schalter ließ die Akte von einer Melusine zum Herzog bringen. „Ein ganzes Jahr also? Ich hoffe, du kannst dich schnell eingewöhnen.“, lächelte die Dame am Empfang sympathisch, bevor sie den Kopf schief legte. „Sag mal, sind wir uns nicht schon mal begegnet? Du kommst mir bekannt vor.“, überlegte sie dann.
 

Minako lächelte. „Gehst du öfter in die Oper?“
 

„Eigentlich nicht.“, antwortete die Rezeptionistin. „Also.. Ich lasse dann einen Wächter kommen, der wird dich kurz herumführen und dann zu deiner Zelle bringen. Dort nimmt er dir dann die Handschellen ab. Als erstes musst du aber noch-“
 

Minako und die Rezeptionistin wurden plötzlich unterbrochen, als sie sahen, wie eine bekannte Person angerannt kam. Sein maskulines Hecheln verstummte, als er endlich da war. Die Dame am Empfang erhob sich verwundert. „Oh.. Herzog! Alles in Ordnung?“, fragte sie. Wriothesley schien sie zu ignorieren und musterte die Blonde, die ihn besorgt anschaute.
 

„Ich hatte gehofft, dass in der Akte ein falscher Name stand.. Archons, das bist ja wirklich du.“, begann Wriothesley und verschränkte seine Arme.
 

„Uhm..“, begann Minako und sah zu Boden, als sie den Blick beschämt abwandte. Wriothesley blickte sich um, die Insassen und Mitarbeiter hatten langsam alles Augenmerk zur Rezeption.
 

„Lass uns in mein Büro. Dort können wir über alles reden.“, meinte Wriothesley dann und ohne auf die Antwort der jungen Frau zu warten, packte er sie am Handgelenk. Als er merkte, dass Minako noch immer wie angewurzelt da stand, seufzte er und mit einer gezielten und kraftvollen Bewegung, hatte er die Blondine über seine Schulter geworfen. „Dann halt so.“
 

„Wrio?!“, entwich es der jungen Frau erschrocken, als er sie über der Schulter zu seinem Büro trug, während Insassen und Gefängniswächter den beiden seltsame Blicke zuwarfen.
 

In seinem Büro ließ er die junge Frau auf dem Sofa nieder und entfernte ihre Handschellen. „Wrio ich-“
 

„Ssht. Einen Moment.“, unterbrach er sie und lief zu seinem Schreibtisch. Er drückte auf die Fernsprechanlage, die zu Sigewinnes Station führte. „Sigewinne? Bringst du mir bitte frischen Tee?“, fragte er. „Und zwei Tassen.“
 

„Gerne, Herzog. Welche Sorte?“, fragte Sigewinne zurück.
 

„Sakurablüten-Erdbeer-Sencha-Tee.“,meinte Wriothesley und Minako wurde leicht rot um die Nase. Das war ihre Lieblingssorte aus Inazuma.
 

„Alles klar, kommt sofort!“
 

Danach setzte er sich zu ihr und legte seine Hand auf ihren Oberschenkel. „Dann erzähl mal, wie du in diese Lage kommen konntest. Ich kenne dich besser, als jeder andere. Und das letzte, was du tun würdest, ist gegen das Gesetz zu verstoßen.“, meinte der Herzog leicht besorgt und musterte sie. Minako nickte leicht.
 

„Also.. das war so..“, begann sie und erklärte die Situation mit Neuvillette und wie Lady Furina daraus dann eine große Sache gemacht hatte. Sie konnte sich nicht erklären, warum Neuvillette nach wie vor an ihr zweifelte. Wriothesley hörte ihr zu und seine Hände ballten sich zur Faust, als er hörte wie Neuvillette im Bett mit ihr umgesprungen war, ob bewusst oder unbewusst. Minakos Blick wandte sich beim Reden nach unten und zur Seite, jedoch hielt Wriothesley ihr Gesicht mit seiner Hand sanft nach oben.
 

„Schau mich bitte an.“, meinte er und blickte in ihre Augen. Minako wusste weswegen. Wriothesley war jemand, der Menschen ansehen konnte, ob sie logen oder die Wahrheit sprachen. Sein Blick wurde sanfter und er nickte ihr zu. „Ich glaube dir.“, meinte er dann. „Und ich weiß, dass du ein reines Herz hast und niemandem etwas böses willst. Wenn du also wirklich zu solchen Maßnahmen greifst, dann aus gutem Grund.“, erklärte er.
 

Minako lächelte dankbar und lehnte sich an seine Seite. „Ich danke dir. Ich verstehe nur nicht, warum Monsieur Neuvillette so tut, als wäre das nicht passiert. Wie kann es sein, dass er sich nicht daran erinnert?“, murmelte sie und spürte wie Wriothesley einen Arm um sie legte und an sich drückte.
 

„Das gilt es heraus zu finden. Keine Sorge, niemand muss hier zu Unrecht sitzen. Bei einem Fehlurteil, werde ich alles in meiner Macht stehende tun, um zu helfen.“, versprach er. Minako lächelte und schloss die Augen.
 

„Danke. Aber.. du solltest mich trotzdem wie jeden hier sonst auch behandeln. Nur weil wir Freunde sind, möchte ich keine Extrabehandlung.“, erklärte sie leise. Wriothesley schmunzelte und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht.
 

„Du denkst, ich würde das nicht für jeden hier tun? Ich kann dir gerne den Aktenschrank zeigen, wo die Dokumente all derer sind, die unschuldig verurteilt wurden und die ich wieder heraus geboxt habe.“, meinte er erheitert. Minakos Lächeln wurde breiter.
 

„Natürlich. Aber ich habe dennoch das Gefühl, dass du mich ein klein wenig bevorzugst.“, flüsterte sie.
 

„Und warum das?“, fragte er neugierig. Minako schloss ihre Augen und genoss die Nähe zu ihm, eine ungeheure Wärme keimte in ihrem Herzen auf. Eine Wärme, die sie die letzten Monate Neuvillette Zuliebe unterdrückt hatte.
 

„Bietest du allen Insassen ihren Lieblingstee an, wenn du sie verhörst?“
 

„Manchmal.“
 

„Nimmst du alle Insassen in den Arm, wenn du ihnen zuhörst?“
 

„Nein.“
 

„Und nimmst du allen Insassen die Handschellen persönlich ab, bevor sie in ihre Zellen geführt wurden?“
 

„Touché.“, gab Wriothesley dann geschlagen auf und drückte ihre Schulter affektiert, als er sie mehr an sich drückte. „Aber hier in diesen vier Wänden bist du auch keine Insassin für mich. Du bist du und ich bin ich. Außerhalb muss ich dich natürlich wie die anderen behandeln. Aber hier in meinem kleinen Refugium.. hat sich seit damals nichts geändert.“, sprach er sanft. Minako schloss ihre Augen und schwelgte in Erinnerungen.
 

„Dabei war unser Refugium damals die Mensa.“, überlegte sie und Wriothesley schmunzelte leise und schloss nun ebenfalls seine Augen.
 

[10 Jahre zuvor]
 

Eine 14jährige Minako war gerade mit ihrem Vater, einem internationalem Lieferanten für frische Fisch- und Fleischprodukte aus Inazuma, in der Festung Meropide zu Besuch. Es war das erste Mal, dass sie dabei war, denn seine übliche Begleitung fiel aufgrund einer Krankheit aus und als gut erzogene Tochter, half sie ihrem Vater natürlich bei seinen Geschäften.
 

„Eine Sache noch, mein Kind.“, sprach der Vater. „Der Administrator von Meropide ist ein einschüchternder Mann. Monsieur Durand kann bedrohlich wirken und glaub mir, das ist er auch. Also überlass das Reden komplett mir, einverstanden? Verhalte dich still und weiche nicht von meiner Seite. Dort wimmelt es vor Verbrechern.“
 

„Ja Vater, ich werde aufpassen.“, nickte die Blondine und folgte ihrem Vater von der Melusinen-Fähre, die sie von der Hauptstadt zum Gefängnis brachte. Als sie die kahlen Mauern betrat, überkam dem Mädchen sofort eine bedrückende und einklemmende Aura. Sie spürte, wie sich alles in ihrer Magengegend zusammen zog, als sie die ganzen Insassen sah, während sie mit ihrem Vater und der Ware zum Büro des Administrators ging.
 

„Monsieur Durand erwartet Sie bereits. Einen Moment bitte.“, sprach die Wache vor dem Büro und keine zwei Minuten später, öffnete sich die Tür und ein Mann trat heraus. Minakos Atem stockte beinahe, als sie die imposante jedoch bedrohliche Aura des Mannes spürte. Er war ein großer Mann, mit breiten Schultern und einem scharf geschnittenen Kinn und stechenden kalten Augen. Er trug außerdem eine schwarze Adelstracht mit goldenen Verzierungen. Sein Blick fiel auf sie und die Teenagerin schluckte, bevor sie sich hinter ihrem Vater versteckte.
 

„Ah, Monsieur Mizutani. Heute mit weiblicher Begleitung wie ich sehe. Es scheint, dass die Arbeitsschutzbedingungen in Inazuma lockerer sind, als bei uns. Das ist ja noch ein halbes Kind.“, sprach Durand, seine Stimme kalt und rau.
 

„Das ist meine Tochter, Minako. Sie hilft mir diese Woche aus, da Hiroshi wegen Krankheit ausfällt.“, erklärte der Vater mit einem Schmunzeln, als er den Kopf seiner verängstigten Tochter tätschelte.
 

„Ich verstehe. Nun, ich möchte gerne etwas vertrauliches mit Ihnen besprechen. Würden Sie bitte in mein Büro mitkommen?“, fragte Durand dann und sah wieder zu Minako. „Unter vier Augen.“
 

„Mit Verlaub, aber ich möchte meine Tochter nicht hier alleine stehen lassen. Das ist immer noch ein Gefängnis voller Verbrecher.“, wehrte sich der Vater.
 

„Die Wachen werden auf sie Acht geben. Nun kommen Sie, sofern Sie noch Interesse an einer geschäftlichen Beziehung haben.“
 

„...“
 

Diesem Argument konnte der Vater nichts mehr entgegen setzen und er ballte die Fäuste. „Tut mir leid, Minako. Warte hier auf mich, ja?“
 

„Papa..“
 

Minako sah nur, wie beide Männer im Büro verschwanden, bevor sie deprimiert auf den Fischcontainern Platz nahm. Nach einigen Minuten schaute sie sich um und erblickte einen schwarzhaarigen Jungen, der kaum älter als sie wirkte. 'Die sperren sogar Teenager ein? Was für eine Grausamkeit..', dachte sie und fühlte sich irgendwie von diesem merkwürdigen Jungen angezogen.
 

Wer war er?

Was hatte er verbrochen, dass er in dem zarten Alter schon in so einem Gefängnis war?
 

Die Neugierde übermannte sie und sie folgte ihm in die Richtung, in die er gegangen war. Sie wollte mit ihm reden, aber sie wusste nicht einmal warum oder worüber. Alles was sie wusste war, dass sie ihn aus den Augen verloren hatte.
 

„Ich bin mir sicher, dass er hier abgebo-“
 

„Du wirst deinen Platz an diesem Ort noch lernen, Abschaum.“
 

Minakos Gedankengänge wurde unterbrochen, als sie, nachdem sie um eine Ecke eingebogen war, auf eine Gruppe von Insassen traf. Es war eine Frau mit langen schwarzen Haaren und einer noch bedrohlicheren Aura als Durand. Neben ihr standen einige halbstark aussehende Männer und ein anderer junger Mann lag am Boden. Er sah übel zugerichtet aus. Aber das schlimmste war: Zwei Wachmänner waren in unmittelbarer Sichtweite und schritten nicht ein. Was sollte das?
 

„Wenn du deine Freilassung noch erleben willst, dann musst du Schutzgeld zahlen.“, lachte die Frau gehässig.
 

„Aber wir sind hier im Gefängnis, hier gibt es kein Geld..“, wimmerte der Mann am Boden und spuckte einen Zahn aus. Minako hielt sich die Hand vor den Mund. So übel war er also zugerichtet.
 

„Sei nicht dumm. Hier gibt es Coupons. Verdien welche und zahle damit.“, antwortete einer der Männer.
 

„A-Aber.. die brauche ich doch, um mir etwas zu Essen und Trinken einzutauschen..“, murmelte der Mann und war den Tränen nahe.
 

„Keine Sorge, wir lassen dir genug übrig, damit du gerade so über die Runden kommst. Vorausgesetzt... du überlebst 5 Tage ohne Nahrung.“, kicherte ein weiterer Mann.
 

„Das könnt ihr nicht machen.. Bitte.. ich..“
 

„Halt deinen Mund!“
 

Minako schloss die Augen, als der Mann am Boden vor Schmerz aufschrie, weil einer der Männer gegen seinen Kopf getreten hatte. Ihre Beine bewegten sich beinahe von selbst und sie wollte einschreiten, obwohl sie nicht die geringste Chance hätte. Als sie einen Schritt nach vorne getan hatte, spürte sie, wie jemand ihren Oberarm festhielt. Das Mädchen sah den schwarzhaarigen Jungen, den sie gesucht hatte. Ohne ein Wort zu sagen, zog der Junge sie vom Geschehen weg und in Sicherheit.
 

„Bist du lebensmüde? Diese Frau macht hat keine Skrupel jeden Zeugen oder Helfer verschwinden zu lassen.“, meinte der Junge, als er ihre Hand wieder los ließ. Minako drehte sich zu ihm, ihre Augen voller Tränen von der Szene, die sich eben vor ihr abgespielt hatte.
 

„Aber.. da waren doch Wachen.. Warum sind die nicht eingeschritten? Wie können sie zulassen, dass hier sowas passiert?“, fragte das Mädchen. Die Augen des Jungen verengten sich etwas und er blickte zur Seite. Minakos Augen weiteten sich, als sie bemerkte, dass er unter seinem rechten Auge eine Narbe hatte. Aber nicht nur dort, sie erkannte unter seiner zerlumpten Kleidung noch weitere Narben am Körper.
 

„So läuft das hier an diesem Ort. Der Administrator Durand..“, beim Sprechen knirschte der Junge mit den Zähnen. „...ihm ist es egal, ob sich die Insassen gegenseitig umbringen. Er hat auch allen Wachmännern gesagt, dass sie sich nicht einmischen sollen, außer wenn sie merken, dass wir einen Aufstand planen.“, erklärte er und ballte seine Fäuste.
 

„Was für ein furchtbarer Mann.. Schlimmer als alle, die hier eingesperrt sind..“, murmelte die Teenagerin. Der Junge sah dann zu ihr.
 

„Du siehst aber nicht wie eine neue Insassin aus, deine Kleidung ist außerdem sehr merkwürdig.. Wer bist du?“, fragte er dann.
 

„Oh.. Ich heiße Minako. Ich bin mit meinem Vater aus Inazuma hierher gekommen, wir beliefern diesen Ort mit Fleisch und Fisch.“, lächelte sie. „Und wie heißt du?“, fragte sie zurück.
 

„..Wriothesley.“, antwortete der Junge zögerlich.
 

„Schön dich kennen zu lernen, Wriothesley. Es ist ungewohnt, hier jemandem in meinem Alter zu sehen.. Warum bist du hier?“, diese Frage schien einen Nerv getroffen zu haben und er wandte den Blick ab. „Oh.. Entschuldige, wenn das zu privat war. Das musst du mir natürlich nicht verraten.“, meinte sie dann und wedelte mit den Händen.
 

„Mm. Danke.“, sprach er. „Wo ist dein Vater? Ich bringe dich zurück.“
 

„Oh.. vielen Dank. Er ist im Büro von diesem Durand.“, erklärte sie und verbeugte sich dankbar für seine Fürsorge, sie zurück zu bringen. Wriothesley nickte und als er sich vor dem Büro wieder verabschiedete, blickte Minako ihm lange nach. Er wirkte zwar reserviert und verschlossen, aber er war sehr hilfsbereit. Er wirkte nicht so, wie die anderen Insassen.. Das war ihr auf Anhieb klar.
 

Zwei Monate später.
 

Minako hatte ihren Vater nun immer wieder begleitet, denn sie wollte Wriothesley wieder sehen. Nach ein paar Besuchen fand sie sich auch schon gut in der Festung zurecht, sodass sie schon zur Mensa lief, wenn der Vater für seine „Gespräche“ mit Durand in dessen Büro verschwand.
 

„Wrio..!“, rief sie vergnügt und setzte sich zu dem Jungen.
 

„Oh.. ist schon wieder der erste des Monats?“, fragte der Junge und stoppte seine Bewegung, als er gerade in ein alt aussehendes Brötchen beißen wollte.
 

„Jepp. Wir haben außerdem das Fleisch von den saftigsten.. Nanu?“, Minako stoppte ihren Satz und sah das unappetitlich aussehende Essen auf seinem Teller. Das, was sie für Fleisch hielt, sah verdorben und nicht essbar aus. „Warum.. Ihr bekommt doch das Beste, was die Meere aus Inazuma zu bieten haben..“, meinte sie erstaunt.
 

„Die Preise für die Gerichte, in denen das benutzt wird, sind lächerlich hoch. Allein ein Lachssteak kostet 40.000 Coupons.“, erklärte Wriothesley trocken.
 

„Coupons..? Achso, die Währung, die ihr hier für eure Arbeit bekommt.. Das heißt, dass ihr trotz der guten Arbeit nicht genug Geld für anständiges Essen habt..?“, fragte sie.
 

„Korrekt. Das einzige, was gut sein kann, ist das Überraschungsmenü, welches es nur Freitags gibt.“
 

„Oh! Das ist heute.“, überlegte Minako und Wriothesley nickte, als er auf den zugedeckten Teller neben sich blickte.
 

„Ja, da kann alles drin sein. Das hochwertigste, leckerste Essen. Aber auch noch was viel schlimmeres als.. Nun.. das hier. Aber ich habe nie Glück bei diesem Menü. Deswegen traue ich mich nicht nachzusehen, was darin ist.“, gab er dann zu und aß weiter.
 

„Oh? Soll ich mal schauen für dich?“, fragte sie neugierig und hielt ihre Hand bereits über dem Tuch, welches das Menü abdeckte. Wriothesley nickte nur und Minako hob das Tuch hoch. Darunter war ein gedämpftes Brötchen, die Minako als „Bun“ aus ihrer Heimat kannte. „Ooh.. Ich glaube du hast den Jackpot gewonnen. Die sind super mega lecker!“, kicherte Minako und Wriothesley nahm das weiße Dampfbrötchen in die Hand.
 

„Du.. hast Recht. Das ist das Spezialmenü.. Ein mit Inazuma-Wagyu Fleisch gefülltes Dampfbrötchen. Das kostet so viele Coupons, dass man Jahrzehnte dafür arbeiten müsste.“, murmelte Wriothesley und sah ungläubig auf das Dampfbrötchen. Danach blickte er zu der lächelnden Minako, danach wieder auf das Dampfbrötchen. Ohne etwas weiteres zu sagen, teilte er das Bun in zwei gleiche Teile und gab ihr die eine Hälfte. „Hier.“
 

„Aber das kann ich doch nicht annehmen.“, meinte sie und schüttelte den Kopf.
 

„Aber du hast es dir verdient. Ohne dich hätte ich das Menü vermutlich nicht angerührt. Nun nimm schon.“, murmelte der Junge und wandte den Blick etwas zur Seite. Er wirkte etwas.. verlegen? Das junge Mädchen lächelte und nahm die Hälfte dann dankbar.
 

„Na gut. Vielen Dank.“, lächelte sie und die beiden aßen in gemütlicher Zweisamkeit, bis ihr Vater das Mädchen wieder abholte. Als Minako ihm noch einmal mit einem Lächeln zuwinkte, spürte Wriothesley ein seltsames und unbekanntes Gefühl in seiner Brust.
 

[Flashback Ende]
 

„Es ist so erstaunlich, was du in dieser Zeit aus diesem Ort gemacht hast.“, meinte die Blondine leise und hatte gar nicht bemerkt, dass sie noch immer an den Herzog geschmiegt war. Er strich ihr eine verirrte Strähne aus dem Gesicht und schmunzelte.
 

„Ich habe lediglich ein paar.. Reformierungen vorgenommen. Den großen Teil davon, den erarbeiten sich die Insassen selbst mit ihrer Kooperation.“, erklärte er.
 

„Du bist so bescheiden.“, lachte sie dann und vergaß beinahe, dass sie doch jetzt selbst Insassin war.

„Weil ich die Wahrheit sage?“, fragte Wriothesley neckisch und tätschelte ihr Haar. „Aber mach dir keine Sorgen. Ich werde nicht eher ruhen, bis ich diesen Justizirrtum aufgedeckt habe. Und wenn Monsieur Neuvillette's Integrität darunter leidet.“, versprach er.
 

„Wrio.. Nicht. Ist dir bewusst, was du da sagst?“, flüsterte die Blondine und blickte in seine Augen. Sie waren ernst, aber schimmerten mit einer ungeheuren Wärme, die ihr viele Schmetterlinge im Bauch bescherte.
 

Wriothesley verschränkte seine Arme auf Minakos Worte. „Natürlich ist mir das bewusst.“, meinte er mit einem Schmunzeln. „Aber keine Sorge, ich habe nicht vor ihn bloßzustellen. Wobei es nicht schaden kann, ihm zu zeigen, dass auch seine richterliche Unantastbarkeit Grenzen hat.“, überlegte er. Minako lächelte dankbar und strich ihm eine schwarze Strähne hinter das Ohr.
 

„Tu das nicht. Am Ende landest du auch noch vor Gericht. Der Herzog als Gefängnisinsasse... dein Ruf wäre für immer hinüber.“, seufzte sie. Wriothesley grinste und tätschelte ihren Haarschopf sanft.
 

„Das ist keine Neuheit. Allerdings.. beides gleichzeitig wohl schon. Sorge dich nicht um einen dummen Ruf. Menschen, die andere durch einen Ruf verurteilen sind meine Aufmerksamkeit nicht wert.“, sprach er und die Blonde könnte schwören, dass sie sich gerade erneut in ihn.. Moment, nein. Das war falsch. Auch wenn es Probleme gab, so war sie doch mit Neuvillette zusammen. Sie durfte nicht zulassen, dass ihre einseitigen Gefühle für Wriothesley wieder aufkeimten. Aber sie konnte sich einfach nicht helfen..
 

„Hier ist der Tee, Herzog. Oh! Minako! Schön dich mal wieder zu sehen. .. Wieso trägst du Gefängniskleidung?!“, fragte Sigewinne, als sie durch die Tür kam.
 

„Eine lange Geschichte.“, schmunzelte Minako und winkte ab. Wriothesley legte den Kopf leicht schief.
 

„Danke, Sigewinne. Tust du mir noch einen Gefallen?“
 

„Natürlich. Was gibt es denn?“
 

„Unterziehe Minako einer genauen medizinischen Untersuchung.“
 

„Wie?“
 

Wriothesley lief zu der Melusine und kniete sich vor ihr, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern. Minako wusste zwar nicht was, aber sie fühlte Hitze in ihre Wangen steigen, als sie Sigewinnes Gesichtsausdruck sah.
 

„Ich habe verstanden! Folgst du mir dann bitte auf die Krankenstation? Keine Sorge, es sind keine weiteren Patienten dort und ich werde die Untersuchung in meinem Büro vornehmen.“, lächelte Sigewinne.
 

„Warum klingt das so, als wäre die Untersuchung.. uhm.. anders als eine normale Routineuntersuchung für Häftlinge?“, fragte Minako unsicher, bevor sie Wriothesley leise lachen hörte.
 

„Das wirst du schon sehen. Untersuche dich bitte erstmal und danach reden wir weiter. Bis dahin ist der Tee auch nicht mehr zu heiß.“, meinte er mit einem Zwinkern. Minako nickte und folgte Sigewinne schließlich auf die Krankenstation…
 

Eine halbe Stunde später klopfte es wieder an Wriothesleys Tür. „Herein.“, sprach er mit gelassener Stimme und als er Minako sah, die mit leicht rotem Kopf eintrat, grinste er. „Wie war die Untersuchung?“, fragte er. Die Blonde schaute ihn leicht mit einem Schmollmund an und setzte sich auf das Sofa.
 

„Bück dich doch mal, dann demonstriere ich es dir.“, meinte sie im Scherz und neckisch, woraufhin Wriothesley auflachen musste.
 

„Mm, ein verlockendes Angebot, aber ich muss leider ablehnen.“, schmunzelte er und setzte sich zu ihr, um seine Hand auf ihre Schulter zu legen. „So schlimm, hm?“
 

„Sigewinnes.. Untersuchungsmethoden sind.. grenzwertig.“, gab sie dann zu und räusperte sich verlegen. „Aber ich weiß, was du herausfinden wolltest.. Du.. hattest Recht.“, flüsterte sie dann leise und spürte, wie er seinen Arm um sie legte.
 

„Das ist der erste Beweis für deine Unschuld. Beziehungsweise... dass es sich um eine Notsituation gehandelt hat.“, meinte er fürsorglich und Minako kuschelte sich an ihn als sie ihren Kopf auf seine Schulter legte.
 

„Aber wird das Ausreichen?“, fragte sie unsicher.
 

„Vermutlich nicht. Aber Miss Navia war eben hier, als du bei Sigewinne warst. Sie ist einer heißen Spur auf der Fährte.“, erklärte Wriothesley und Minako blinzelte.
 

„So schnell?“
 

„Ja, man sollte die Spina di Rosula wohl nicht unterschätzen.“, lachte er und zwinkerte erneut, als er mit ihr noch eine Weile weitersprach, bis er merkte, dass sie ihr Gewicht an seiner Schulter mehr wurde. Er blickte neben sich und bemerkte, dass ihre Augen geschlossen waren. „War ein harter Tag für dich, huh..?“; flüsterte er und strich ihr eine weitere Strähne hinter das Ohr, bevor er sie behutsam auf seine Arme hob und zu einer der bequemeren Zellen trug, die ein richtiges Bett hatten. Er legte sie hinein und deckte sie zu, bevor er ihre Wange streichelte. „Mach dir keine Gedanken, mein Kätzchen. Wir holen dich hier raus.“, flüsterte er entschlossen und lehnte sich hinunter, um einen kurzen Kuss auf ihre Stirn zu hauchen. Anschließend lief er zurück zur Zellentür und drehte sich ein letztes Mal zu ihr mit einem sehnsüchtigen Blick, bevor er verschwand.
 

[Flashback – vor 9 Jahren]
 

Wriothesley stöhnte vor Schmerzen auf, als Minako seine Wunden verarztete. „Hör auf zu meckern. Du bist doch selbst schuld.“, seufzte die 15jährige mütterlich und desinfizierte eine tiefe Wunde an seiner Stirn. „Was hast du dir dabei gedacht, diesen Cerdan, Carpentie and McCormack gleichzeitig im Pankration-Ring herauszufordern? Die Typen sind Profiboxer.“, mahnte sie sanft.
 

„Ich konnte mich nicht einzeln mit ihnen abgeben, sonst hätte ich deinen Besuch verpasst.“, murmelte er schuldbewusst und sah zur Seite. Minakos Gesicht wurde sanfter und sie strich ihm über die Wange.
 

„Du Blödmann. Und jetzt verbringen wir den Besuch auf der Krankenstation statt in der Mensa.“, meinte sie leise. „Du solltest echt mit den Kämpfen aufhören..Am Ende bringst du dich noch selbst um.“, flüsterte sie.
 

„Ich kann nicht aufhören.“, meinte er nur und ballte seine Fäuste. „Nicht solange ich nicht bewiesen habe, dass ich der Beste bin.“
 

„Wieso willst du der Beste sein?! Du bist besser als die anderen Schläger..“, murmelte die Blonde und blickte zur Seite.
 

„Ich muss besser werden, damit.. .. Ich Durand herausfordern kann.“
 

Minakos Augen weiteten sich. „W-Was?“
 

„Ich muss ihn herausfordern und besiegen. Er hat den Titel „Herzog“ nicht verdient.“, sprach er durch gefletschte Zähne.
 

„Wrio..“, begann die Blonde und legte ihre Hände auf seine Schultern. „Bitte bringe dich nicht unnötig in Gefahr. Ich möchte..nicht noch schlimmere Verletzungen verarzten müssen oder überhaupt Wunden versorgen.“, sprach sie leise. Wriothesley schwieg einen Moment, bevor er seine Augen schloss.
 

„Ich passe schon auf mich auf. Pass du aber auch auf dich auf, diese Tarana scheint dich nicht zu mögen.“, murmelte er und Minako dachte an ihre erste Begegnung mit dieser Frau. Als der arme Mann am Boden lag und von ihr und ihren Schergen bedroht wurde.
 

„Das beruht auf Gegenseitigkeit.“, antwortete sie und schloss ihre Augen. Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. Sie blickte auf und sah in Wriothesleys ernstes Gesicht. Seine blauen Augen durchbohrten sie eindringlich.
 

„Halte dich von ihr fern. Versprich mir das.“
 

„Wrio?“
 

„Versprich es.“
 

Die Blondine schluckte, so kannte sie ihn kaum. Dann nickte sie und sein Gesichtsausdruck wurde erleichterter. „Danke.“, murmelte er dann und ließ von ihr ab. Danach herrschte eine leicht unbehagliche Stille über den Beiden, als sie überall hinschauten außer zueinander.
 

An diesem Tag wurde Wriothesley klar, wie wichtig sie ihm geworden war.
 

[Flashback Ende]
 

Einige Tage verstrichen, seit Minako in Fort Meropide als Insassin gekommen war. Sie hatte sich inzwischen etwas daran gewöhnt, da sie ja vorher schon oft ein und ausgegangen war. Die anderen Gefangenen waren größtenteils auch freundlich, weil Wriothesleys Regime fair aber streng war. Niemand würde es wagen, aus der Reihe zu tanzen. Nicht aus Angst vor einer Strafe, sondern weil sie die Gutmütigkeit und Chance des Herzogs nicht verspielen wollten.
 

Minako hatte gerade einen Arbeitstag im Produktionstrakt beendet, als sie durch die Räume schlenderte. Sie fragte sich, ob ihre Freunde schon Neuigkeiten hatten, wollte aber nicht nachhaken. Auch wenn sie nicht leugnen konnte, dass sie jede Ausrede, Wriothesley zu treffen, gerne nahm.
 

„Minako!“, Sigewinnes Stimme holte die junge Frau aus den Gedanken. Die Blondine beugte sich hinunter, als die Melusine auf sie zukam.
 

„Hallo, Sigewinne. Suchst du nach mir?“, fragte sie lächelnd. Sigewinne nickte eifrig und hielt ihr einen Zettel entgegen.
 

„Das soll ich dir vom Herzog geben!“, meinte sie und Minako blinzelte als sie den Zettel nahm und die Zeilen las.
 

‚Miss Navia hat etwas Interessantes herausgefunden. Wir stehen kurz davor, das Revisionsverfahren in die Wege zu leiten. Halte dich bereit, also keine Arbeit mehr bis dahin. Wenn du Coupons brauchst, wende dich vertrauensvoll an mich, aber das bleibt unter uns 😉 Ps. Ich würde mich darüber freuen, wenn wir uns nachher zu einer gemütlichen Tasse Tee treffen. Wriothesley.‘
 

Minakos Herz erwärmte sich und sie lächelte, bevor sie den Zettel an ihre Brust drückte. Sigewinne legte ihren Kopf mit einem Grinsen schief. „Der Tee ist fast fertig. Du solltest den Herzog nicht warten lassen. Es ist unhöflich, seine Einladung auszuschlagen.“, kicherte sie und die Blondine lächelte.
 

„Danke, Sigewinne.“, lächelte die Blonde und machte sich direkt auf dem Weg zu ihrem Lieblingsort in Meropide, das Büro des Herzogs. Nach einem sanften Klopfen wartete sie auf sein maskulines ‚Herein‘, bevor sie eintrat.
 

„Ah, du hast die Nachricht erhalten, wie ich sehe.“, schmunzelte Wriothesley, als er von seiner Arbeit aufblickte.
 

„Woher weißt du, dass ich dich nicht einfach so besuchen komme?“, fragte Minako und blinzelte.
 

„Weil du über das gesamte Gesicht strahlst.“
 

„Und du glaubst, dass ich nicht so strahle, wenn ich dich so besuchen komme?“, fragte sie dann leicht lachend und Wriothesley lachte leise auf, bevor er aufstand.
 

„Ich wüsste nicht, weshalb du das tun solltest.“, gab er dann zu und deutete auf das Sofa. Minako folgte ihm und setzte sich hin.
 

„Also mal ehrlich, wir kennen uns doch mittlerweile lange genug und du denkst immer noch, dass ich diesen Ort nicht mag oder deine Gesellschaft.“, sprach Minako neckisch und stupste sein Knie mit ihrem Fuß an. Wriothesley fing ihren Fuß rechtzeitig und hielt ihn verspielt fest. Er streichelte mit seinen Fingerspitzen vorsichtig beruhigende Kreise um ihren Fußknöchel, als er sie anschaute.
 

„Ich zieh dich doch nur auf.“, seufzte er dann leise und Minako bekam von seiner harmlosen Liebkosung eine Gänsehaut. Beinahe hätte sie sich durch einen Laut verraten, wie sehr ihr Herz gerade raste. Nicht einmal bei Neuvillette fühlte sie sich so hilflos ihren eigenen Gefühle gegenüber.
 

„Ich dich doch auch.“, erwiderte sie und zog ihren Fuß widerwillig von seinen Liebkosungen weg, als er sie mit einem Lächeln anschaute. „Wollt ihr mich aber nicht langsam mal einweihen, wie und was ihr herausgefunden habt?“, fragte sie dann, da sie noch immer im Unklaren steckte, was ihre Freunde genau vorhatten.
 

„Lass dich überraschen. Wenn du es weißt, würdest du uns vermutlich davon abhalten.“, gab Wriothesley dann lachend zu und der Blonden entgleisten kurz die Gesichtszüge.
 

„Ihr wollt Neuvillette doch nicht wirklich bloßstellen..?!“
 

„Das ist das falsche Wort. Allerdings.. weiß ich nicht, was nach der Verhandlung wird. Es sind.. Dinge ans Licht gekommen, die vielleicht die Dinge zwischen dir und ihm komplizierter machen.“, meinte er leise und schloss seine Augen. Er wollte es nicht zugeben, aber ein Teil in ihm hoffte auf eine endgültige Trennung. Denn danach würde er seinen Zug machen. Das Risiko, sie nochmal an jemand anderen zu verlieren, wollte er definitiv nicht eingehen.
 

„Ich weiß nicht genau, ob ich das verstehe, aber.. Ich vertraue euch.“, gab sie zu und Wriothesley lächelte, als er die Hand auf ihre Schulter legte.
 

„Wir werden das Vertrauen nicht enttäuschen. In ein paar Tagen bist du wieder draußen. Aber du bist natürlich weiterhin herzlich willkommen.“, fügte er mit einem Zwinkern hinzu. Die Blondine nickte und lehnte sich zu ihm, um seine Wange zu küssen.
 

„Das weiß ich doch, Wrio. Und auch, dass ich diese Einladung gerne annehme. Jederzeit.“, versprach sie. Wriothesley lächelte und nickte, bevor Sigewinne den Tee brachte und die beiden über alles Mögliche sprachen. Die Stimmung war ausgelassen und locker und die beiden vergaßen all ihre Sorgen für diesen Moment der Harmonie, der nur ihnen beiden gehörte.
 

Drei Tage später. Minako wurde von Wriothesley – in Handschellen, da sie gesetzlich noch als Gefangene zählte – zur Opera Epiclese geführt. Der Tag ihrer Revisionsverhandlung war gekommen. Die Blondine schluckte unsicher und blickte zu dem Herzog. „Danke, dass du das so schnell regeln konntest. Und danke, für deine Unterstützung hier. Ohne dich.. würde ich das nicht durchstehen..“, flüsterte sie und lehnte sich an ihn, als sie im Aufzug nach oben von Meropide an die Oberfläche fuhren. Wriothesley drückte sie mit einem Arm an sich, die Handschellen machten es ein wenig schwer für sie die Balance zu halten, als sie an ihn gedrückt wurde.
 

„Keine Ursache. Ich bin immer für dich da. Genau wie du es immer für mich warst.“, sprach er sanft und Minako lächelte dankbar, als sie an ein Ereignis vor ein paar Monaten zurück dachte.
 

[Flashback – vor einigen Monaten bevor Minako mit Neuvillette zusammen kam]
 

„Danke, dass du mich begleitest. Ich möchte nicht, dass das kleine Mädchen Angst bekommt, wenn nur fremde Männer kommen, um ihren Vater abzuholen.“, meinte Wriothesley, als er seine fingerlosen Handschuhe richtig überzog und seine rote Krawatte richtete. Minako schüttelte leicht den Kopf.
 

„Keine Ursache. Ich finde es rührend, dass du dich um sie sorgst. Darf ich fragen, was ihr Vater getan hat?“, fragte die Blondine, als sie mit Wriothesley und einem blonden Mann, den die Vormundschaftsbehörde als vorläufigen Vormund für das kleine Mädchen bestimmt hat, da sie außer ihrem Vater keine Verwandten hatte, unterwegs zum Haus des verurteilten Verbrechers war.
 

„Er hat mehrere schwere Diebstähle begangen, um seine Spielschulden zu tilgen. Durch die Unsummen, die er bei illegalem Glücksspiel verloren hat, konnte er sich und seiner Tochter kein richtiges Essen mehr kaufen. Das Kind war schon mehrfach wegen Unterernährung oder Nährstoffmangel in ärztlicher Behandlung. Ihr selbst hat er immer erzählt, dass er das Geld 'sparen' muss, um ihr irgendwann etwas ganz schönes und großes zu kaufen, deswegen sieht sie zu ihm auf und gehorcht ihm ohne Widerworte, da er gesagt hat, dass er es nur tut, wenn sie 'brav' ist. Außerdem hat er sich nie um sie gekümmert. Sie ist einmal mit Fremden mitgegangen, weil er sie nie davor gewarnt hat, bei Fremden vorsichtig zu sein.“, führte Wriothesley an. „Und bei.. seinem letzten Raubzug hat er .. ein Kind entführt, um Lösegeld zu verlangen. Er war tagelang in einem Unterschlupf und das Kind hatte Todesangst.“
 

„Wie schrecklich.. Konnte es gerettet werden?“, fragte Minako und machte sich Sorgen um die Tochter. Wriothesley nickte.
 

„Ja, wir konnten ihm rechtzeitig das Handwerk legen und dazu bringen, uns das Versteck zu verraten. Allerdings mussten wir ihn solange in seinem Haus unter „Arrest“ stellen, bis wir einen Vormund für seine Tochter gefunden haben. Sie wäre sonst ganz alleine gewesen. Daher sind wir jetzt hier, um ihn mitzunehmen, damit er seine gerechte Strafe antreten kann.“, erklärte Wriothesley und klopfte sanft an der Tür.
 

Einige Sekunden verstrichen und ein kleines Mädchen mit kurzen dunkelblonden Haaren und violetten Augen machte ihnen auf. „Hallo, wer ist da?“
 

„Ich bin ein Kollege deines Vaters, Wriothesley mein Name. Und ich bin mit zwei Freunden von ihm hier.“, stellte sich Wriothesley vor, er verbeugte sich leicht dabei und hielt die Hand, mit der er geklopft hatte, respektvoll an seine Brust, die Augen fest geschlossen.
 

„Oh, bitte kommt doch herein.“, lächelte das Mädchen und ließ die drei in das Haus. Beim herumführen durch die gemütliche Einrichtung summte sie vergnügt. „Papa packt noch etwas ein. Es dauert also noch ein wenig.“
 

Wriothesley schwieg kurz, bevor er antwortete. „Das macht nichts. Er hat schließlich einen weiten Weg vor sich..“
 

Während der Vater sich von seiner Tochter verabschiedete, betrachtete Wriothesley ein Bild, welches er von der kleinen Familie fand. Minako schaute über seine Schulter und ihr Blick wurde etwas besorgt. Das schien ihn nicht kalt zu lassen. Er wirkte zwar kühl und unnahbar, aber jeder, der ihn kannte, wusste, dass Wriothesley ein sehr empathischer und freundlicher Mann war. Es schmerzte die Blondine sogar etwas, ihn so zu sehen. Sie legte ihre Hand sanft auf seine Schulter und lehnte sich nah an ihn.
 

„Sie ist in guten Händen. Monsieur Louisioux hat schon auf viele Kinder aufgepasst und hat sie immer gut behandelt.“, lächelte sie aufmunternd, als Wriothesley mit einem schwachen Lächeln zu ihr blickte. Im Hintergrund hörten sie das Gespräch von Vater und Tochter.
 

„Benimm dich, solange du bei Papa's Freund bist, ja? Mach' ihm keine Umstände.“, meinte der Vater, als er vor seiner Tochter kniete und ihre Hände hielt.
 

„Ja, er ist wirklich nett!“, antwortete das Mädchen lächelnd. „Nicht wie der andere, der so gemein aussieht..“, fügte sie leise hinzu. Diese Worte veranlassten Minako nun, sich umzudrehen und zu den Dreien zu gehen. Sie kniete sich nun ebenfalls hinunter und tätschelte den Kopf der Kleinen.
 

„Na na, das ist aber unhöflich. Es kommt nicht auf das Aussehen an, meine Kleine.“, begann sie. „Der Charakter ist entscheidend. Das ist sehr wichtig. Du darfst niemals jemanden nur nach dem Äußeren beurteilen.“, sprach sie sanft, aber mit entschlossenen Augen. Das Mädchen blinzelte und blickte zuerst zu Minako und danach zu Wriothesley, der mit leicht geöffnetem Mund da stand.
 

„O-Okay! Tut mir leid.. Ich dachte, der grimmig aussehende Mann wäre böse.“, meinte sie schuldbewusst und sah zu Boden. Minako lächelte und stand wieder auf.
 

„Der erste Eindruck ist nicht immer der Richtige. Glaub mir, es gibt keinen Mann, der so ein gutes Herz hat, wie Wriothesley. Er wird dafür sorgen, dass dein Papa auf seiner Reise viel Spaß hat.“, versicherte sie ihr. Die Augen des Mädchens strahlten.
 

„Wirklich?“
 

Minako nickte. „Ja, wirklich.“
 

Das kleine Mädchen nickte und lief dann zu Wriothesley. „Entschuldigung! Ich verspreche, niemals wieder jemanden nach dem Aussehen zu beurteilen.“
 

Wriothesley, der gerade gegen die verräterisch anmutende Röte seiner Wangen kämpfen musste, lachte leise, als er zur Seite blickte. „Haha, das ist schon in Ordnung.“, lächelte er mit einem Auflachen, um zu verbergen wie verlegen ihn die Worte der Blonden machten.
 

Nachdem das Mädchen mit Louisioux mitgegangen war, kamen dem Vater die Tränen und er blickte zu Wriothesley, der den beiden nachschaute. „Vielen Dank für dein Mitgefühl, Herzog Wriothesley..“, begann er. „Dass ich sie noch einmal wiedersehen darf.“
 

Wriothesley blickte zu ihm, er holte seine Handschellen bereits von der Halterung seiner Hose. „Mein Mitgefühl gilt nur ihr.“, sprach er und legte ihm die Handschellen an. „Liebe bedeutet eigentlich Herzenswärme. Aber in deinem Fall.. ist sie zugleich eine Bestrafung.“, mit diesen Worten begann er ihn abzuführen. „Und wenn du deine Tochter irgendwann wieder siehst, wirst du hoffentlich ein besserer Vater sein.“
 

Minako folgte ihm stillschweigend, als sie gemeinsam den Mann nach Fort Meropide brachten. Es herrschte eine sehr unangenehme Stille, die nur hin und wieder von dem Schluchzen des Mannes unterbrochen wurde. Nach ihrer Rückkehr in die Unterwasserfestung, brachte Wriothesley den Mann in seine Zelle und betrat anschließend sein Büro, wo Minako auf ihn wartete.
 

„Ich habe dir in der Zeit, als du ihn weggebracht hast, deinen Lieblingstee gemacht.“, meinte die Blonde aufmunternd. Wriothesley schenkte ihr ein Lächeln und setzte sich neben sie auf die rote Couch, die in der Ecke seines Büros stand. Aus dem Schallplattenspieler ertönte eine sanfte und melancholische Melodie, als die beiden dort saßen.
 

„Minako.“
 

„Ja?“
 

„Findest du eigentlich auch, dass ich gemein aussehe?“
 

Minako blinzelte. Warum beschäftigte ihn das so sehr? Sie lächelte und nippte an dem Tee aus ihrer Tasse, bevor sie die Tasse behutsam abstellte. „Nein.“, war ihre knappe Antwort. Als er den Mund öffnete, um etwas weiteres zu sagen, schnitt sie ihm das Wort ab. „Du hast zwar eine autoritäre Aura und könntest für manche einschüchternd wirken, aber.. sobald man dir in die Augen sieht, sieht man deine Güte und deine eigene Herzenswärme.“
 

Wriothesley schien durch ihre Worte kurz sprachlos zu sein, sein Mund stand etwas offen und er sah sie kurz mit einem unlesbaren Blick an, bevor er sich entspannte und lächelnd die Augen schloss.
 

„Danke.. Minako. Für alles.“, sprach er dann. Die Blondine lächelte und legte ihre Hand auf seine.
 

„Immer gerne, Wrio.“, antwortete sie und merkte, wie er ihre Hand in seine nahm und leicht affektiert drückte.
 

Die Herzen der beiden schlugen so laut füreinander und doch.. schien keiner der beiden es zu bemerken.
 

[Flashback Ende]
 

Die Eröffnung der Sitzung holte Minako aus ihren Erinnerungen. Sie schluckte, als sie Neuvillette auf dem Podium sitzen sah. Er wirkte noch immer recht verhalten.
 

„Hiermit erkläre ich die Revisionsprüfung im Fall von Minako für eröffnet. Welche Widersprüche bringt die Gegenseite zu Protokoll?“, fragte Minako, als Wriothesley sich erhob und die Arme verschränkte.
 

„Oberster Richter, die Vorwürfe gegen die Angeklagte sind haltlos, denn sie hat aus reiner Notwehr gehandelt. Und Handlungen aus Notwehr sind gesetzlich durch Immunität geschützt. Auch wenn das ‚Opfer‘ in diesem Falle du selbst bist. Es bleibt Notwehr.“, erklärte Wriothesley.
 

„Und welche Beweise für diese Behauptung bringst du uns dafür?“, fragte Furina und verschränkte ebenfalls die Arme. „So weit waren wir nämlich schon.“, fügte sie hinzu. Wriothesley grinste.
 

„Ich weiß, aber Minako war einigen Details nicht gewahr.“, begann er und zückte aus seinem Mantel ein Buch. „Ich habe über die Verhaltensweisen von Drachen und Drachengenen geforscht.“
 

„Einen Moment. Willst du damit andeuten, dass dieses Buch relevant für diesen Fall ist?“, hielt Furina ein und blickte zu Navia, die ja nicht eingeweiht sein sollte in Neuvillettes wahre Identität. Die Anführerin der Spina di Rosula schmunzelte nur.
 

„Mir ist Monsieur Neuvillettes wahre Identität mittlerweile bekannt. Er ist der Hydrodrache.“
 

Neuvillette wurde still, bevor er zu Minako blickte. „Hast du-“
 

„Nein! Natürlich nicht.“
 

„Herzog..“
 

„Nein, ich habe es alleine durch meine Nachforschungen herausgefunden. Aber lasst zunächst den Herzog aussprechen.“, lächelte Navia und gab Wriothesley einen Daumen nach oben, damit er fortfuhr. 
 

„Um es kurz zu machen: Ja, Drachen und Menschen mit Drachengenen haben Urinstinkte, die tief in ihnen verankert sind und durch gewisse Umstände verstärkt werden. Einige dieser Umstände sind Stress- oder Gefahrensituationen, aber auch bestimmte Monate, sind für Drachen schwierig. Denn Drachen haben, wie viele andere Lebewesen neben uns Menschen, eine Paarungszeit. In dieser Zeit kocht das Drachenblut vor Verlangen und sorgt dafür, dass der Betroffene besitzergreifend und aggressiver werden kann. Ja, sogar vollständig die Kontrolle über sich verlieren kann. Es ist nachgewiesen, dass dieses Phänomen bei allen Lebewesen mit Drachenblut auftritt.“, erklärte Wriothesley.
 

„Das.. in dem Buch kann alles Mögliche stehen!!! Das sind keine wissenschaftlichen Beweise!“, meinte Furina und deutete mit dem Finger auf ihn. Wriothesley grinste süffisant, denn er hatte erwartet, dass das nicht ausreichte.
 

„Nun, ist es ein wissenschaftlicher Beweis, wenn wir jemanden fragen, der die gleichen körperlichen Bedingungen wie Monsieur Neuvillette hat?“, fragte er und Minako blinzelte, als Wriothesley zur Tür ging und eine weitere Person hineinließ. Es war der Berater des Bestattungsinstituts Wangshengs in Liyue, Zhongli. Er war zudem der Geo-Archon der Region und genau wie Neuvillette ein Drache in Menschengestalt.
 

„Monsieur Zhongli..“, sprach Neuvillette langsam und ungläubig.
 

„Neuvillette. Dass wir uns unter solchen Umständen wieder sehen.“, sprach Zhongli gelassen und setzte sich in den Zeugenstand. Wriothesley lief auf ihn zu und sah ihn an.
 

„Würdest du bitte bestätigen, dass dieses Buch über das Verhalten von Drachen wissenschaftlich korrekt ist?“, fragte er und übergab dem Geo-Archon das Buch, die betreffende Seite bereits aufgeschlagen.
 

Die nächsten Momente herrschte eine peinliche Stille, bevor Zhongli seine Augen schloss. „Ja, das ist korrekt.“, sprach er dann. „Selbst wenn wir in unserer Menschengestalt seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden leben, so wird unser Drachenblut immer über unsere Emotionen dominieren. Besonders in der besagten Paarungszeit. Die Paarungszeit ist für gewöhnlich in den Herbstmonaten.“, begann er dann und Neuvillette schloss seine Augen. Herbst war gerade.
 

„Ich verstehe. Bemerkt ihr, wenn ihr die Kontrolle verliert oder erinnert ihr euch nicht mehr daran?“, fragte Wriothesley dann weiter.
 

„…“
 

„Ich weiß, das wird relativ privat, aber es geht darum, eine Person von falschen Vorwürfen freizusprechen.“
 

Zhongli seufzte leise, bevor er seine Arme verschränkte. „Manchmal, ja. In den meisten Fällen sind wir zwar noch einigermaßen Herr unserer Sinne, jedoch kann es – vor allem bei unerfahrenen und jungen Drachen – vorkommen, dass sie sich so sehr in der Hitze verlieren, dass sie keine Erinnerung mehr daran haben.“, erklärte Zhongli weiter.
 

„Passiert neben dem Verhalten noch etwas anderes bei euch? Beispielsweise.. eine physische Veränderung?“, fragte Wriothesley nun und legte seine Hand in einer Denkerpose unter sein Kinn.  
 

„Ja. Es kann eine partielle Verwandlung in unsere Drachengestalt erfolgen.“, erklärte Zhongli. „Wir verwandeln uns nicht in riesige Drachen, aber Drachenschuppen, hintere Schwanzfortsätze, scharfe Klauen statt Hände, längere und geschuppte Hörner.. Meistens betrifft das allerdings eine andere Körperstelle, die.. essentiell zur Paarungszeit ist.“, meinte Zhongli dann leise. „Ich gehe davon aus, dass ich nicht mehr ins Detail gehen brauche.“
 

Wriothesley schmunzelte. „Nein, musst du nicht. Vielen Dank für die Erklärungen, Zhongli. Das hat uns sehr weiter geholfen.“, meinte er und Zhongli nickte, bevor er den Saal wieder verließ. „Nun haben wir den Beweis, für Minakos Erklärung erhalten, jedoch ist das kein eindeutiges Indiz, dass es auch tatsächlich so eingetreten ist, nicht wahr?“, fragte er dann. „Darum rufe ich nun Sigewinne als Zeugin auf.“
 

Minako blinzelte, als nun die kleine Melusine in den Zeugenstand trat.
 

„Sigewinne, du hast Minako am Tage der Tat einer genauen medizinischen Untersuchung unterzogen, richtig?“, fragte Wriothesley.
 

„Das ist richtig.“, nickte die Oberschwester und blickte zu Minako mit einem aufmunternden Lächeln.
 

„Würdest du Monsieur Neuvillette und Lady Furina dann bitte den absoluten Beweis zeigen, der Neuvillettes Verwandlung beweist?“
 

Neuvillettes Augen weiteten sich, als Sigewinne eine kleine Schuppe in einem Glas hervorholte. „Diese Schuppe habe ich im Körper von Minako gefunden.“, erklärte sie.
 

„IM Körper? Wo genau?“, fragte Wriothesley und sah, wie Minako auf ihrem Platz immer kleiner wurde und sich errötet abwandte.
 

„In ihrer Gebärmutter.“
 

„…“
 

„….“
 

„Zhongli erwähnte eben, dass sich bei diesen Urinstinkten auch physisch etwas bei Lebewesen mit Drachenblut verändert – besonders diese eine essentielle Sache, die bei der Paarung relevant ist. Die Schuppe beweist, dass Monsieur Neuvillette sein Drachenblut nicht mehr unter Kontrolle hatte und eine partielle Verwandlung durchlebt hat. Bei normalem Geschlechtsverkehr ist es unmöglich, dass eine Schuppe so weit in ihren Körper hineingelangt. Nur mit aggressivem und stürmischem Verhalten, seine Partnerin.. nun.. im Sinne der Vermehrung zu besamen.“, seine Worte ließen alle Anwesenden erröten, aber Wriothesley wusste, dass er direkt sein musste.
 

„Das…verändert natürlich die Situation.“, murmelte Neuvillette nachdenklich. „Aber warum habe ich diese Urinstinkte vor diesem Tag noch nie gespürt? Ich war im Herbst niemals.. anders oder habe etwas in meinem Blut gespürt. Und ich hatte auch keine Bedürfnisse mich zu vermehren. Erst seit .. einigen Tagen vor dieser Sache, habe ich eine Änderung bemerkt.“, gestand er dann.
 

„Natürlich hast du vorher nichts gemerkt.“, mischte sich Navia nun ein und stand auf. Sie lief nach vorne und offenbarte allen einen kleinen Flakon mit einer Flüssigkeit. Furina sah schockiert aus und fiel fast vom Balkon oben, als sie auf Navia zeigte.
 

„WOHER HAST DU DAS?! HAST DU IN MEINEM PRIVATEN HAUS GESCHNÜFFELT?!“, fragte sie laut und empört.
 

„Was ist das für eine Flüssigkeit?“, fragte Neuvillette unsicher.
 

„Das ist ein Serum aus einer sehr seltenen Pflanze, die es nur in Snezhnaya gibt. Sie wird aus der Blume der „Drachenruh“ gewonnen und hat, einfach ausgedrückt, die gegenteilige Wirkung eines Aphrodisiakums.“, erklärte Navia.
 

„Was?“, fragte Minako ungläubig. „Drachenruh..? Heißt das, das Mittel unterdrückt die Urinstinkte des Drachen?“
 

Navia nickte. „Korrekt, Minako! Durch dieses Serum wurde das Drachenblut von Monsieur Neuvillette Jahrhundertelang in Schach gehalten. Allerdings sieht es so aus, als hätte er es ohne sein Wissen eingenommen.“, schmunzelte die blonde Anführerin und Furina schluckte. Neuvillette blickte zu der Hydro-Archon.
 

„Wärst du so gütig mir das zu erklären? Hast du mir all die Jahre heimlich ein Serum gegen meine Dracheninstinkte verabreicht?“, fragte er und Furina sah sich in der Sackgasse. Sie konnte es nicht mehr abstreiten.
 

„Okay, okay.. Ja, ich gebe es zu. Ich.. wollte nicht, dass deine Dracheninstinkte so stark werden, dass du dir romantische Partner suchst. Leider kam dann Minako auf den Plan, in die du dich auch ohne diese Instinkte verliebt hast.“, murmelte sie und spielte mit ihrem göttlichen Auge an ihrem Kleid, als wäre sie ein beleidigtes Kind, das gerade schmollte.
 

Für einen Moment war eine unbehagliche Stille, bevor Neuvillette wieder das Wort ergriff. „Also sind diese Vorwürfe tatsächlich wahr? Als meine Urinstinkte wach waren, habe ich komplett die Kontrolle über mich verloren..?“
 

„Ja, diese Drachenschuppe ist der Beweis.“, meinte Minako leise.
 

„Woher willst du wissen, dass das sein Beweis ist? Die kann ja auch einfach so abgefallen sein.“, schüttelte Furina den Kopf. Sie versuchte noch immer, Minako von ihrer Schuld zu überzeugen.
 

„Weil..“
 

„Ist schon gut.“, unterbrach Neuvillette und schloss seine Augen. „Ich weiß, was du sagen wolltest und ja.. Es ist der eindeutige Beweis. Es scheint, als hätten wir einen großen Fehler begangen. Hiermit spreche ich dich, Minako Mizutani, von allen Anschuldigungen frei. Der Grund: Notwehr. Du wirst natürlich für die Zeit in Fort Meropide vergütet.“, meinte Neuvillette dann und Navia und Wriothesley sahen einander grinsend an, bevor sie sich ein High Five gaben. Alles lief super.
 

„Eine Vergütung ist nicht notwendig. Ich freue mich, dass alles gut lief.“, meinte Minako und war ebenso erleichtert. Neuvillette nickte und sprach das Urteil, Minakos sofortige Freilassung zu veranlassen und diese seltsame Gerichtsverhandlung hoffentlich alsbald in Vergessenheit geraten zu lassen.
 

Draußen traf sich Minako mit Navia und Wriothesley und zog beide in ihre Arme, mit jeweils einen Arm um jeden sie. „Das war echt top! Ich war begeistert von eurer Beweisführung und wie ihr die beiden richtig alt aussehen gelassen habt.“, lachte sie leise und mit Freudentränen in den Augen. Navia und Wriothesley erwiderten die Gruppenumarmung und drückten sich eng an Minako.
 

„Das lief wirklich super. Aber das Lady Furina absichtlich so ein Mittel abgesetzt hat, damit du als Konkurrentin aus dem Weg bist..“, überlegte Navia.
 

„Ich bin ihr nicht böse. Ich verstehe sie sogar. Sie muss sehr eifersüchtig gewesen sein.“, lächtelte Minako, als sie von den beiden abließ.
 

„Und, was nun?“, fragte Wriothesley und verschränkte die Arme, als er den Kopf leicht schief legte.
 

„Nun werde ich erst einmal das Gespräch mit Neuvillette suchen. Seit diesem Vorfall haben wir nicht mehr miteinander gesprochen und wir sind ja eigentlich noch zusammen..“, murmelte sie.
 

„...Noch?“, fragten Navia und Wriothesley unisono. Minako nickte.
 

„Mir ist etwas klar geworden. Und.. es wäre unfair, Neuvillettes Herz weiter zu behalten, obwohl es nicht mir gehört. Und meines.. nicht ihm.“
 

„Mina? Wovon redest du?“, fragte Navia und legte eine Hand auf die Schulter ihrer besten Freundin. Minako lächelte und schloss die Augen.
 

„Davon, dass wir beide uns die ganze Zeit nur etwas vorgemacht haben, um die kalte Einsamkeit unserer Herzen zu erwärmen. Manchmal bedeutet Herzenswärme nicht Liebe, sondern Zuflucht. Für jemanden wie Neuvillette, der beides nicht kannte, war es einfach beides zu verwechseln. Und tief in mir drin wusste ich, dass es bei mir nicht anders war.“, meinte sie leise. „Wartet ihr hier auf mich?“
 

„Natürlich!“, nickte Navia.
 

„...“
 

„Wrio..?“, fragte Minako als sie den Blick des Herzogs sah.
 

„Ich würde gerne, aber ich habe so viel in Meropide zu tun. Die Entlassungspapiere vorbereiten zum Beispiel.“, lächelte er dann wieder mit einem Zwinkern. „Wenn du alles erledigt hast, komm in mein Büro, in Ordnung?“, fragte er und Minako nickte. „Also dann.. Miss Navia, es war angenehm dich mal wieder zu sehen. Bis irgendwann.“, sprach Wriothesley und drehte sich um, doch bevor er gehen konnte, packte jemand seinen Arm.
 

Wriothesley drehte sich um und sah wie Minako ihn festhielt. Sie lächelte und zog ihn ohne zu Zögern in eine feste Umarmung. „Danke für alles. Wirklich. Ohne euch wüsste ich nicht, was ich tun sollte..“, flüsterte sie in, als sie ihre Nase in seinen Hals vergrub und ihre Nase seine Haus hätschelte. Der Herzog erschauderte durch diese Geste und drückte sie aus Reflex an sich.
 

„Keine Ursache. Du weißt doch, dass ich gegen Ungerechtigkeit kämpfe. Das schließt natürlich falsche Urteile mit ein.“, meinte er und legte sein Kinn auf ihren Haarschopf. Navia beobachtete die beiden mit einem leichten Grinsen und sie verschränkte ihre Arme, bevor sie den Kopf schief legte.
 

„Soll ich euch alleine lassen?“, fragte sie dann neckisch, denn sie wusste ja von den Gefühlen, die zumindest die Blondine für den Herzog hegte. Das Pärchen löste sich wieder voneinander, aber nicht ohne sich gegenseitig noch sehnsüchtige Blicke zuzuwerfen, bevor sie sich räusperten und ihre Fassung wieder wahrten.
 

„Ich sollte jetzt wieder zurück gehen. Bis dann, Miss Navia. Bis später, Minako.“, und mit diesen Worten drehte sich Wriothesley um und verließ die beiden Blondinen. Minako sah ihm lange nach, bevor sie von Navia wieder aus ihrer Trance gerissen wird.
 

„Du liebst ihn immer noch, oder?“, fragte sie dann. Minako sah zu ihrer besten Freundin und nickte leicht.
 

„Ja. Ich habe gehofft, dass mein Herz bei Neuvillette von Wriothesley los kommt, aber.. wie er sich für mich eingesetzt hat, und wie er sich um mich gekümmert hat..“, begann Minako und hielt sich beide Hände vor die Brust, genau wo ihr Herz schlag. „Ich habe mir nur etwas vorgemacht. Wie konnte ich glauben, dass ich jemals jemand anderen wollen würde als ihn..?“, fragte sie mit einem Seufzen.
 

„Aber du hast ihm deine Gefühle doch nie gestanden. Er hat dich also nicht abgewiesen. Warum gehst du lieber zu jemand anderen, als Wriothesley deine Gefühle zu gestehen?“, wollte die Anführerin der Spina di Rosula dann wissen.
 

„Ich wollte meine Freundschaft zu ihm nicht ruinieren. Er behandelt mich wie eine kleine Schwester und das seit fast 10 Jahren. Eine einseitige Liebe hätte das ganze nur zu kompliziert gemacht.“
 

„Woher willst du wissen, dass sie einseitig ist?“
 

„Navia, ich weiß du meinst es gut, aber könnten wir das bitte nicht weiter vertiefen?“, seufzte die Blondine und Navia seufzte ebenfalls.
 

„Entschuldige. Ich finde nur, dass du das zu negativ siehst. Ich kenne ihn zwar nicht so gut wie du, aber ich denke, selbst wenn er deine Gefühle nicht auf die Art erwidert, habt ihr mittlerweile ein viel zu enges Band geknüpft. Das würde eure Freundschaft nicht gleich zerstören. Eventuell bräuchtet ihr etwas Zeit, aber.. Ihr würdet nicht das verlieren, was ihr euch über die Jahre aufgebaut hat.“, erklärte sie und legte beide Hände auf die Schultern ihrer Freundin. Minako lächelte leicht und legte ihre Hand auf die von Navia.
 

„Danke, Navia. Lass mich erst einmal mit Neuvillette reden, danach kümmere ich mich um meine Gefühlsachterbahn im Herzen.“, meinte sie und Navia nickte, bevor sie von ihr abließ und Minako zum Parlais Memoria ging, wo sich das Büro von Neuvillette verbarg. Sie wusste, dass er nach einer Verhandlung oder Revision meist dort noch stundenlang verweilte, um den Papierkram zu erledigen. Das war etwas, was er mit Wriothesley gemeinsam hatte. Beide wurden regelmäßig von Bürokratie erschlagen.
 

Neuvillette befand sich tatsächlich in seinem Büro und er blickte von einer Akte auf, als er ein sanftes Klopfen hörte. „Herein.“
 

„Neuvillette, können wir reden?“, fragte Minako und Neuvillette legte die Akte beiseite, als er auf den freien Stuhl vor sich deutete.
 

„Natürlich. Wir haben uns seit dieser Sache nicht mehr unterhalten.“
 

Minako nickte. „Hör mal, ich-“
 

„Darf ich zuerst sprechen?“, fragte er und Minako verstummte, bevor sie nickte.
 

„Natürlich.“
 

„Danke. Ich möchte mich für die Unannehmlichkeiten entschuldigen. Und dass ich dir keinen Glauben geschenkt habe.“, begann Neuvillette schuldbewusst.
 

„Das schlimmste war nicht mal, dass du mir nicht geglaubt hast, sondern die Anklage..“, meinte die Blondine und Neuvillette schüttelte den Kopf.
 

„Das war Lady Furinas Werk. Bitte glaub mir, ich hätte dich deswegen niemals angeklagt. Aber als sie den Abdruck der Ohrfeige gesehen hat.. Du weißt ja, wie sie ist.“, seufzte er dann. Minako lächelte.
 

„Allerdings, vor allem jetzt wo wir wissen warum sie es getan hat. Aber das ist auch der Grund, warum ich mit dir reden muss.. Hör mal.. Ich.. glaube, dass diese Sache zwischen uns, also dieser Vorfall, gar nicht so schlecht war. Im Gegenteil. Es hat uns gezeigt, dass unsere Herzen nicht ganz beieinander waren und das aus verschiedenen Gründen.“, erklärte die Blondine.
 

„Ich fürchte, ich kann dir gerade nicht ganz folgen.“, gab Neuvillette zu und legte den Kopf leicht schief.
 

Minako holte tief Luft und schloss ihre Augen. „Neuvillette, diese Sache hat uns gezeigt, dass wir uns nicht vollständig vertrauen. Du vertraust mir nicht von ganzem Herzen und ich offenbar dir nicht, weil ich dir zugetraut habe, dass die Anklage von dir war. Aber wenn man mit jemandem zusammen ist, sollte ein blindes Vertrauen eine feste Grundlage sein. Wir sind zusammengekommen, ohne das uns bewusst war, dass wir nur aufgrund von Sehnsucht nach Nähe gefunden haben. Unsere Herzen waren einsam, sehnten sich nach Liebe und diese gemeinsame Einsamkeit haben wir als Zuneigung aufgenommen. Aber eine Beziehung sollte viel mehr sein, als nur Zuneigung. Ich schätze dich sehr, Neuvillette. Ich habe die letzten Monate mit dir auch sehr genossen, nur.. fühlte sich mein Herz trotz dieser Zeit leer und schmerzend an.“, sprach sie weiter.
 

Neuvillette verweilte still, für ihn waren die ganzen Emotionen noch immer neu, aber er legte eine Hand tröstend auf ihre Schulter. „Irgendwas hat sich falsch angefühlt, wenn wir zusammen waren, richtig?“
 

„Ja.. Warte.. bei dir auch?“, fragte Minako und sah perplex auf.
 

Neuvillette nickte leicht. „Wie du sicherlich weißt, sind mir menschliche Gefühle selbst in meiner – im Vergleich zu euch sehr kurzen – langen Lebenszeit auch heute noch ein Rätsel. Als ich von Liebe und Zuneigung hörte, konnte ich mir nicht viel darunter vorstellen, aber als ich andere Paare beobachtet hatte, fiel mir auf, dass es sicherlich schön wäre, das auch zu haben.“, erklärte er und schloss seine Augen. „Genau wie du habe ich mich von der Einsamkeit meines Herzens hinreißen lassen. Ich habe versucht eine Leere zu füllen, die mich mein ganzes Leben schon begleitet. Und du hast versucht deinen wahren Gefühlen zu entkommen.“, erklärte der Hydro-Drache. Minako nickte, bevor sie realisierte, was er da über sie gesagt hatte.
 

„Meinen wahren Gefühlen entkommen?“, fragte sie und legte den Kopf schief. Neuvillette schaute sie an, dabei zierte ein leichtes Lächeln seine blassen Lippen.
 

„Lady Furina hat auch ein wenig Nachforschungen betrieben.“, begann er. „Zwischen Wriothesley und dir.. besteht eine so intensive Chemie, die viel viel stärker ist, als alles was wir jemals hatten.“
 

Minako fühlte sich ertappt und sie sah leicht zur Seite. „Wriothesley und ich sind aber nur Freunde. Wir kennen uns seit damals, als er in Meropide als Häftling war und haben uns angefreundet.“
 

„Ich weiß, wie du Freunde ansiehst, Minako.“
 

„Was?“
 

„Ich sehe es an deinen Augen, wenn du mit Miss Navia redest oder mit den Melusinen. Oder.. mit mir. Aber wenn du mit ihm redest, verändert sich deine Aura. Du beginnst zu strahlen, deine Pupillen vibrieren und deine Körperhaltung verändert sich. Ich mag mich nicht mit Gefühlen auskennen, aber ich erkenne Veränderungen an einer Person. Und ihn siehst du anders an, als deine Freunde. Oder mich.“, meinte Neuvillette und verschränkte seine Arme, da Minako immer nervöser wurde.
 

„Aber spielt das denn eine Rolle, Neuvillette? Wir leben in der realen Welt und nicht im Märchen. Hier bekommt nicht jedes Mädchen ihren Traumprinzen.“, lächelte sie. „Außerdem.. Schätze ich dich nicht weniger. Du bist ein sehr toller Mann, Neuvillette. Gerecht, herzlich und empathisch.“, meinte sie dann.
 

Neuvillette lächelte, als Minako plötzlich Regentropfen an die Scheiben prallen hörte. Sie wurde leicht panisch und war an seiner Seite. „Entschuldige, ich wollte dich nicht zum.. uhm..“
 

„Schon in Ordnung. Es ist nur.. sehr lange her, seit jemand sowas zu mir gesagt hat. Ich meine, vor dir. Und diese Worte haben mir gefehlt.“, gab er leicht zu. „Aber wir sollten mit dieser Scharade nicht weiter machen. Wir würden niemals richtig glücklich werden dadurch.“, meinte er. Minako nickte, als sie die Arme um ihn in eine enge und tröstende Umarmung legte.
 

„Du hast Recht.. das sollten wir nicht..“, flüsterte sie in seinen Mantel. „Danke, dass du das verstehst. Und.. es tut mir leid. Wirklich.“
 

„Das muss es nicht.“; meinte Neuvillette und strich ihr zärtlich durchs Haar. „Wir haben beide Trost in den Armen des Anderen gefunden. Und das ist nichts Schlimmes oder Negatives. Es tat uns beiden gut.“, meinte er.
 

Minako lehnte sich in die zärtliche Berührung und sie umarmte ihn daraufhin fest. „Ja, es tat wirklich sehr gut den Schmerz im Herzen für eine Zeit lang zu vergessen.“, flüsterte sie in seine Halsbeuge, bevor sie sich wieder voneinander lösten. „Wie geht es nun weiter? Wirst du Lady Furina eine Chance geben? Es ist ja offensichtlich, dass sie das aus Liebe zu dir getan hat.“, lächelte die Blondine dann und strich ihm eine lange Haarsträhne aus dem Gesicht. Neuvillette errötete und blickte leicht zur Seite.
 

„Ich.. müsste wohl lügen, wenn ich sagen würde, dass mich Lady Furinas Gefühle nicht ehren oder .. ein sehr warmes Gefühl in meinem Herzen auslösen. Aber.. sie ist doch immerhin der Archon und ich bin ihre Gunst nicht wert.“, meinte er leise.
 

„Blödsinn.“, unterbrach Minako ihn mit einem Kopfschütteln. „Du bist doch nicht weniger wichtig als sie – oder irgendein anderes Lebewesen. Und wenn dich ihre Gefühle glücklich machen, dann solltet ihr euch eine Chance geben.“
 

„Und das wäre okay für dich?“, fragte er und Minako erkannte nun, warum er sich noch zurückhielt. Sie lächelte sanft und lehnte sich vor für einen letzten, innigen Kuss auf seine Lippen.
 

„Du brauchst keine Gewissensbisse wegen uns zu haben. Unsere Trennung ist einvernehmlich. Ich möchte nur, dass du glücklich wirst. Und wenn sie dich glücklich macht, dann bin ich auch glücklich.“, sprach sie und Neuvillettes Augen wurden feucht, der Regen in Fontaine wurde zu starken Sturmböen mit Starkregen, als Minako beruhigend über seinen Rücken streichelte. „Du bist ein sehr lieber Mensch, Neuvillette. Danke für Alles.“
 

„Nein, ich danke dir.. Du hast mir gezeigt, dass es noch Hoffnung gibt und Menschen, die ein wirklich großes und reines Herz besitzen. Ich möchte auch, dass du glücklich wirst.“, sprach Neuvillette, als sich die beiden voneinander lösten.
 

„Ich danke dir.“, lächelte sie mit einem traurigen Blick, der Neuvillette alarmierte. Er hielt ihre Wange sanft mit seiner großen Handfläche und streichelte ihre Haut.
 

„Darf ich dir eine Frage stellen?“, fragte er dann.
 

„Natürlich, welche denn?“
 

„Hast du Wriothesley jemals von deinen Gefühlen erzählt?“
 

„…“, sie sah zur Seite auf diese Frage. „Ich wollte es mal, aber.. dann wurde mir klar, dass es sinnlos ist, weil Wriothesley einfach nicht der Mensch für Beziehungen ist.“, meinte sie dann.
 

„Wie kommst du denn darauf?“
 

„Euer Gespräch letztens.. Im Untergeschoss seines Büros. Ich habe durch Zufall einen Teil mitgehört.“, erklärte sie und Neuvillettes Augen weiteten sich leicht, als er sich an den Moment zurückerinnerte.
 

[Flashback, einige Monate bevor Minako mit Neuvillette zusammenkam]
 

Es war der 14. Februar, ein Tag, der in Fontaine als der Tag der Liebenden bekannt war. Frauen suchten die Männer auf, für die sie romantische Gefühle hegten und boten ihnen Schokolade an. Akzeptierte er diese Schokolade, so war das ein Zeichen dafür, dass er die Gefühle erwiderte. Natürlich spielte Minako seit Jahren mit dem Gedanken, Wriothesley mit einer solchen Geste mit ihren wahren Gefühlen zu konfrontieren, aber bisher fehlte ihr leider der Mut. Bis Navia und Taiko, ihre besten Freundinnen, ihr mit der Zubereitung und Vorbereitung halfen. Und nun stand sie da, mit einer selbstgemischten Teemischung als speziellen Blättern einer Kakaopflanze, die dem Tee einen kakaoähnlichen Geschmack verlieh. Er war süßlich und schmeckte überraschend lecker.
 

Mit diesem Geschenk machte sich die Blondine auf nach Meropide. Den Wachen war sie bereits als Wriothesleys engste Vertraute bekannt, weswegen sie von allen freundlich begrüßt wurde. Sie lief zum Büro des Herzogs und klopfte an, bevor sie eintrat. Zu ihrer Verwunderung jedoch, war das Büro leer.
 

„Nanu?“, murmelte sie. „Jetzt ist doch seine Teezeit. Die verbringt er immer hier.“, meinte sie leise, bevor sie sah, wie der Gang zum Untergeschoss offen war. Normalerweise war die Luke verschlossen und sie konnte männliche Stimmen von unten ausmachen. Die Blondine stoppte auf der Treppe, als sie sah dass Wriothesley nicht alleine war. Neuvillette war auch da und sie konnte das Gespräch der beiden nun gut hören.
 

„…Ich bin beeindruckt. Du hast in der kurzen Zeit ein so beachtliches Bauwerk konzipiert und sogar gebaut. Lass uns hoffen, dass es nie gebraucht wird.“, sprach Neuvillette, als er mit Wriothesley zu dem riesigen Rettungsschiff blickte, das Wriothesley unterhalb der Festung aufbewahrte.
 

„Das hoffe ich auch. Aber das Siegel scheint mir in letzter Zeit.. instabiler geworden zu sein.“, murmelte Wriothesley und verschränkte die Arme. Er wirkte in Gedanken und trotzdem wirkte er, als bedrückte ihn etwas.
 

„Das Siegel sollte aber trotzdem halten. Und falls es Probleme geben sollte, zögere nicht mich sofort zu holen.“, meinte Neuvillette und Wriothesley nickte. „Aber mal was anderes, was hast du denn mit der ganzen Schokolade gemacht, die heute morgen auf deinem Schreibtisch war?“, wollte Neuvillette dann wissen.
 

„Ach.. die habe ich den Melusinen geschenkt und ein paar habe ich Avice und Faissolle für ihre Hochzeit gegeben. Jedes Jahr das gleiche. Diese ganzen Überhäufungen gehen mir so auf die Nerven.“, gab er dann zu.
 

„Du bist eben sehr beliebt bei den Frauen, obwohl du für jüngere Mädchen eher gruselig wirkst.“, kommentierte der Hydro-Drache mit einem Schmunzeln. Wriothesley seufzte.
 

„Sie sollen endlich merken, dass ich nicht interessiert bin. Diese ganzen Liebesbekundungen.. Ich bin ein gebrochener Mann, Neuvillette. Und Liebe ist das Letzte, was ich brauche.“, sprach Wriothesley und Minakos Herz sank schmerzend zusammen bei diesen Worten. Sie sah auf ihr Geschenk und entschied sich, dass es das Beste war, ihre Gefühle für sich zu behalten.
 

Sie verließ das Büro wieder, gab Sigewinne den Tee mit der Bitte ihn selbst zu trinken und verdrängte seither den Gedanken, dass Wriothesley nicht an Liebesbeziehungen interessiert war
 

[Flashback Ende]
 

„..Danach bin ich gegangen.“, erklärte Minako mit einem Seufzen. Neuvillette verweilte still.
 

„Das war ein Fehler.“
 

„Huh?“
 

„Du hast einen wichtigen Teil des Gesprächs verpasst..“
 

Minako legte den Kopf schief, aber Neuvillette hüllte sich in Schweigen.
 

„Neuvillette bitte.. Was habe ich verpasst?“, fragte die junge Frau und Neuvillette seufzte.
 

„Ich habe versprochen, dir nichts zu sagen.. Auch wenn er mich davon entbunden hatte, als wir zusammen kamen, da er dachte, dass du für ihn unerreichbar wärst.“
 

„W-Was?“
 

[Flashback nachdem Mina gegangen war]
 

„…Liebe ist das Letzte, was ich brauche.“, seufzte Wriothesley und schloss seine Augen. „…zumindest dachte ich das immer.“, fügte er dann leise hinzu.
 

„Wie meinst du das?“, fragte Neuvillette interessiert. Menschliche Emotionen waren ja schon immer ein persönliches Hobby für ihn. Wriothesley seufzte und fuhr sich durch sein ungestümes kurzes Haar.
 

„Weißt du, Neuvillette, es gab eine Zeit, in der ich dachte, dass die Stärke meiner Gefühle für eine gewisse Person durch bloße Freundschaft und Kameradschaft erklärt werden könnte. Minako und ich... wir haben so viele Jahre Seite an Seite verbracht, uns durch Herausforderungen und Freuden gekämpft, dass ich das Band zwischen uns für selbstverständlich gehalten habe.“, begann er und pausierte kurz, als sein Blick in die Ferne schweifte, als würde er in den Erinnerungen schwelgen.
 

„Aber mit der Zeit...“, fuhr er fort, „..habe ich begonnen, die kleinen Momente zu bemerken, die die Gewichtung unserer Verbindung hervorzuheben schien. Die Art, wie sie lächelt, wie sie in schwierigen Zeiten für mich da ist, wie sie mich ohne Worte versteht. Diese Gefühle... sie wurden stärker, intensiver und ließen sich nicht mehr leugnen.“
 

Wriothesley schloss kurz die Augen, als ob er Probleme hatte, seine Fassung zu wahren. „Ich habe versucht, diese Emotionen zu unterdrücken, zu rationalisieren, aber letztendlich...“ Seine Stimme wurde leiser, fast flüsternd. „... musste ich mir eingestehen, dass das, was ich fühle, mehr als nur platonische Zuneigung ist. Es ist eine tiefe Sehnsucht, die ich nur mit dem Wort 'Liebe' beschreiben kann.“
 

Nach diesen Worten blickte der Herzog Neuvillette direkt an, seine Augen zeigten eine Spur Verletzlichkeit, aber auch etwas wie.. Resignation? „Das Problem ist, ich bin mir ziemlich sicher, dass Minako diese Gefühle nicht erwidert. Sie sieht mich als Bruder, als engen Freund, und ich fürchte, wenn ich meine wahren Gefühle offenbare, könnte das alles zerstören, was wir haben.“, meinte er weiter. Neuvillette verblieb still, denn er wusste nicht, wie er Wriothesley trösten konnte. Die beiden standen still für mehrere Minuten vor dem großen Sichtfenster zum Schiff.
 

[Flashback Ende]
 

„So war das.. und als du dann meintest, dass du Gefühle für mich hättest, dachte ich, dass er Recht hatte mit dieser Einseitigkeit. Und doch hatte ich wegen Wriothesley Gewissensbisse. Aber ich wusste nicht, dass du in Wahrheit.. also.. dass dein Herz in Wahrheit nur für ihn geschlagen hat. Du musst mit ihm reden. Unbedingt.“, meinte Neuvillette und Minako war gerade geschockt.
 

Sie brauchte einige Momente, um zu realisieren, was der Hydrodrache da gesagt hatte. „Er.. hat das wirklich gesagt?“, fragte sie und Tränen sammelten sich in ihren Augen. Neuvillette nahm sein Taschentuch aus seiner Pochette (Der Brusttasche seines Mantels) und trocknete ihre Tränen damit.
 

„Ja, das hat er. Es scheint als hättet ihr beide diese Gefühle für einseitig gehalten. Ein echtes Melodrama also.“, schmunzelte er und verwies mit dem Wort Melodrama auf Minakos Position in der Opera Epiclese als Schauspielerin und Sängerin.
 

„Ich.. weiß gar nicht was ich sagen soll.. Danke, Neuvillette..“, flüsterte sie und umarmte ihn. Er erwiderte die Umarmung mit einem Lächeln und rieb ihren Rücken mit seiner Handfläche, eine Geste sie zu beruhigen.
 

„Keine Ursache. Versprecht mir aber, dass ihr das klärt. Ihr beiden Kindsköpfe seid sturer als Lady Furina, wenn es um eure Gefühle geht.“, meinte er mit leicht neckischem Ton. Minako lachte leise und löste sich von ihm,
 

„Mache ich. Und du viel Glück mit Lady Furina. Wir bleiben gute Freunde, ja?“
 

„Natürlich.“, nickte er und lächelte ebenfalls, der Himmel in Fontaine klarte wieder auf. „Nun lass den Herzog nicht länger schmoren.“, mit diesen Worten schob er die Blondine zur Tür hinaus und Minako machte sich auf den Weg nach Meropide, mit einem glücklichen Lächeln. Ja, es wurde endlich Zeit..
 

Als Minako in Meropide ankam, schlug ihr Herz rapide gegen ihren Brustkorb. Sie wusste zwar, dass Wriothesley das gleiche empfand, aber.. war das denn noch der Fall? Vielleicht hatte sein Herz ihre Beziehung mit Neuvillette nicht vertragen und seine Gefühle waren nun nicht mehr präsent..? Daran mochte sie nicht glauben, als sie schneller vor seinem Büro stand, als ihr lieb war. Sie atmete tief durch, bevor sie klopfte und hinein trat.
 

„Wrio, ich-“, sie stoppte ihren Satz abrupt als sie sah, dass Wriothesley nicht alleine war. Guillaume, ihr Exfreund, der so viele Lügen über sie erzählt hatte, war ebenfalls anwesend. Ihr Herz sank zusammen, da Wriothesley mit einem leicht wütenden Gesicht zu ihr sah. Hoffentlich hatte Guillaume ihm jetzt nicht auch irgendwelchen Blödsinn eingeredet.
 

„Wir sind dann fertig, Monsieur. Ziehen Sie sich in Ihre Zelle zurück.“, sprach Wriothesley etwas kühl und Guillaume grinste, als er aufstand und mit einem süffisanten Grinsen an Minako vorbei lief. Nachdem er das Büro verlassen hatte, sah sie zu ihm und befürchtete schon das Schlimmste.
 

„Was macht er denn hier?“, fragte sie leise.
 

„Für seine Falschaussage bei deinem Prozess.“, antwortete Wriothesley knapp und setzte sich auf seinen Stuhl.
 

„Oh.. Tut mir leid, dass du wegen mir so viel Papierkram hast.“, meinte sie leise und schaute betreten zur Seite. Wriothesley bemerkte ihre Traurigkeit und lehnte sich nach vorne, um seine Hand auf ihre Schulter zu legen.
 

„Es ist nicht deine Schuld, mach dir keine Vorwürfe.“, meinte er, seine Stimme wurde wieder sanfter, wie sie es von ihm kannte. Minako atmete erleichtert auf und lächelte leicht.
 

„Danke. Du hast gerade so angespannt und sauer gewirkt und dachte es war wegen mir.“, flüsterte sie zurück und legte ihre Hand auf seine um sie sanft zu drücken. Wriothesley schloss seine Augen und seufzte leicht.
 

„Indirekt hat es etwas mit dir zu tun..“, gab er zu und als Minakos Gesicht fiel, lächelte er wieder. „Keine Sorge, die Wut galt nicht dir. Sondern ihm.“, meinte er beruhigend und Minako nickte.
 

„Hat er wieder versucht seine Lügen als Wahrheit hinzustellen?“
 

Wriothesley schwieg kurz. „Könnte man so sagen. Er meinte du seist manipulativ und spielst mit den Gefühlen von Männern. Und Neuvillette wäre nur das nächste Opfer, dass du dann eiskalt fallen lassen würdest.“
 

Minako schluckte und sah leicht zur Seite. Ja, die aktuelle Situation könnte tatsächlich so aussehen, als hätte sie mit seinen Gefühlen gespielt.
 

„Mhm? Was ist los?“, fragte Wriothesley und legte den Kopf leicht schief.
 

„Was Neuvillette und mich angeht, wir sind nicht mehr zusammen.“, begann sie und sah Wriothesleys ungläubiges Gesicht. „A-Aber ich habe nicht mit seinen Gefühlen gespielt! Die Trennung war beidseitig einvernehmlich..“, fügte sie hinzu und hoffte, dass sie ihm Glauben schenkte.
 

„Ich verstehe das nicht. Ich dachte, er tut dir gut?“, fragte er dann und verschränkte seine Arme. Minako nickte.
 

„Das tat er auch.. Also.. Zumindest dachte ich das.“
 

„Wie meinst du das?“
 

„Neuvillette und ich haben uns nur etwas vorgemacht, Wrio. Wir waren beide einsam und unsere Herzen haben sich nach Nähe gesehnt. Nähe, die wir gebraucht haben. Und da haben wir in einem Moment der Schwäche diese Sehnsucht für Liebe gehalten.“, erklärte sie. Wriothesley verweilte kurz still.
 

„Ich verstehe.“
 

„Es war aber nicht richtig, bei ihm zu bleiben. Weder für ihn, noch für Lady Furina und am wenigsten für mich. Denn ich habe mich die ganze Zeit über nur selbst belogen. Denn mein Herz gehört doch schon lange jemandem.“, begann sie dann und sah ihn lächelnd an. Wriothesley blinzelte und lehnte sich zurück auf seinem Stuhl.
 

„Ich verstehe dich nicht richtig, wenn ich ehrlich sein soll.. Du warst mit Neuvillette zusammen, obwohl dein Herz für einen anderen schlägt? Das klingt nicht nach dir. Du würdest nicht leichtfertig mit jemandem eine Beziehung führen, wenn du jemand anderen liebst.“, meinte er mit einem leichten Stirnrunzeln. Minako nickte leicht.
 

„Ich weiß, das war eine sehr dumme Idee. Aber ich musste davon ausgehen, dass meine Gefühle unerwidert bleiben, also habe ich versucht mich neu zu verlieben. Nur ohne Erfolg..“
 

Wriothesleys Augenausdruck war unlesbar als er sie musterte. Er stand von seinem Platz auf und lief auf sie zu, seine Hände auf ihrer Schulter. „Warum hast du nie mit mir über deine Probleme geredet? Ich dachte, du würdest mir so weit vertrauen, dass du mich in deine Gefühlswelt lässt. Ich hätte dir sicherlich helfen können.“, sprach er und Minako lächelte, als sie ihre Hand auf seine legte.
 

„Weil wir beide zu blind waren, das offensichtliche zu erkennen.“, sprach sie und Wriothesley war kurz sprachlos, bevor ihm dämmerte, was sie meinte.
 

„Minako.. Sag nicht, dass..“, begann er, aber sein Mund schloss sich instinktiv als sie ihren Zeigefinger auf seine Lippen legte und ihn mit einem Nicken anlächelte.
 

„Genau das, Wriothesley. Du bist derjenige, der mein Herz besitzt. Ich dachte aber, dass du in mir nur eine kleine Schwester siehst.. Und dass du..“
 

Weiter kam sie nicht mehr. Im nächsten Moment fand sie sich an die nächste Wand gedrückt wieder und Wriothesleys Lippen eroberten ihre in einer stürmischen, jedoch sanften Art und Weise. Sie atmete einmal durch die Nase, um sich zu entspannen, bevor sie den Kuss erwiderte und ihre Arme um seine Schultern legte, um den Kuss zu vertiefen. Die beiden lösten sich erst voneinander, als der Sauerstoffmangel zu erheblich wurde und beide sich gegenseitig leicht ankeuchten.
 

„Du ahnst gar nicht, wie lange ich auf diesen Moment gewartet habe.“, meinte der Herzog leise und bevor Minako reagieren konnte, zog er sie in einen weiteren Kuss. Dieses Mal brach die Leidenschaft Bahn, als seine Zunge direkt durch die Barriere ihrer Lippen in ihre Mundhöhle glitt und jeden Winkel erkundete, als wolle er sich jeden Millimeter einprägen. Der Blonden entwich ein leises Keuchen, als sie sich an ihm festhielt.
 

„Ich habe auch zu lange darauf gewartet, Wriothesley.. Damals.. am Tag der Liebenden.. wollte ich dir meine Gefühle gestehen, aber ich kam durch Zufall dazu, als du mit Neuvillette über Liebe gesprochen hast.“, meinte sie und Wriothesley erinnerte sich daran. „Du meintest, dass du nicht an sowas interessiert seist und bevor du weiter sprechen konntest, war ich gegangen..“, fügte sie leise hinzu. Wriothesley streichelte ihre Wange und zog sie näher an sich, als er sie mit einem sanfteren Blick musterte.
 

„Deswegen dachtest du, dass deine Gefühle definitiv einseitig sind. Und warum du nicht mit mir darüber reden konntest.“, meinte er und Minako nickte, als sie ihre Handfläche an seine Wange legte und seine Lippen sanft küsste.
 

„Genau deswegen. Ich weiß aber, dass ich am Ende nur uns alle drei damit verletzt habe.. Nein, halt.. Vier. Lady Furina muss auch gelitten haben.“, meinte sie leise und seufzte. Wriothesley führte seinen Finger unter ihr Kinn, um ihren Kopf anzuheben, dabei sah er in ihre Augen.
 

„Aber nun können wir alle glücklich werden..“, flüsterte er und lehnte sich für einen weiteren sanften Kuss zu ihr. Minako küsste ihn direkt zurück und merkte, wie er sie hochhob und zu seinem Schreibtisch trug. Er setzte sie behutsam ab und stellte sich zwischen ihre Beine, als er sie weiter küsste.
 

Einige Minuten vergingen und Minako und Wriothesley bemerkten gar nicht, dass jederzeit die Tür aufgehen könnte, als sie ihre zu lange verdrängten Gefühle endlich ausleben konnten. Ihre Hände fanden in sein Haar, kämmten fürsorglich und zärtlich durch seine Strähnen, während Wriothesleys Hände kreisend um ihre Hüften streichelten. Er zögerte zunächst, doch schon bald verschwand seine Hand unter ihr Shirt und strich über die bare Haut ihres Unterbauches. Minako seufzte wohlig auf über diese Berührung und zog ihn näher an sich heran, bis beide Körper intim aneinandergepresst waren.
 

„Ich liebe dich..“, flüsterte er gegen ihre Lippen und Minakos Herz schwellte in ihrer Brust mit Wärme und Zuneigung. Sie zog ihn noch näher an sich heran, ihre Lippen verteilten kurze, süße Schmetterlingsküsse an seinen Lippen zu seinem Kinn und Hals.
 

„Ich liebe dich auch, Wriothesley..“, flüsterte sie zurück und merkte, wie seine unschuldigen Berührungen immer experimenteller wurden, als seine Finger neckisch mit dem Träger ihres BHs spielten.
 

„Herzog, welchen Tee möchtest du heu- .. Oh, störe ich etwa?“, die erheiterte Stimme von Sigewinne ließ das junge Paar erröten und Wriothesley war sofort aus dieser intimen Pose zurückgewichen, als Minako von seinem Schreibtisch sprang und ihr Kleid richtete. Die kleine Melusine verschränkte ihre Arme und sah zu den beiden, als wäre sie eine Mutter, die ihre Kinder ausschimpfen wollte. „Ich finde es ja großartig, dass ihr endlich zueinander gefunden habt. Aber denkt auch bitte an die armen Leute, die hier sauber machen müssen, wenn ihr hier Unordnung reinbringt. Ganz zu schweigen von den hygienischen-“
 

„S-Sigewinne..!“, stammelte das Paar unisono als die Melusine weiter sprechen wollte, bevor sie stoppte und kicherte.
 

„Ich meine ja nur. Außerdem wollt ihr doch keine ungebetenen Zuschauer oder?“, fragte Sigewinne und kicherte, als sie die Tür öffnete und einige neugierige Freunde – Navia und Taiko – plötzlich hinein fielen.
 

„Wir haben nicht gelauscht! Und wir wollten auch nicht zu sehen!“, wehrte sich die Rothaarige und schüttelte ihre Hände defensiv. Navia kicherte und verschränkte ihre Arme.
 

„Wir haben nur nach dem Rechten sehen wollen, aber als wir die leidenschaftlichen Geräusche aus dem Büro gehört haben, wollten wir nicht stören.“
 

„Naaavia..“, seufzte Minako und lächelte dankbar, als sie zu Wriothesley schaute, der fürsorglich ihre Hand nahm. Er drückte sie affektiert und Minako erwiderte das Drücken, als sie sich an ihn lehnte. „Danke, für alles. Ihr seid echt die tollsten Menschen, die man sich vorstellen kann..“
 

„Aww. Gruppenkuscheln?“, fragte Taiko und Navia hielt sie auf, bevor sie das junge Paar umwerfen konnte.
 

„Später. Wir müssen noch Nachforschungen über die verschwundenen Insassen anstellen. Das ist der eigentliche Grund unseres Kommens.“, erklärte sie dann.
 

Minako nickte und als sie sich an Wriothesley lehnte, spürte sie, dass ab jetzt alles besser werden würde. Kein Herzschmerz mehr und sie hoffte von Herzen, dass Neuvillette mit Furina ebenfalls sein Glück fand..
 

ENDE

 

EXTENDED ENDING
 

„Macht so ein Doppel-Date nicht total viel Laune?“, lachte Furina, als sie gerade eine große Schale mit exotischen Desserts vor sich hielt und mit einem Löffel eine riesige Portion Eis schaufelte. Minako, Wriothesley and Neuvillette schwiegen leicht bedröppelt, als der Archon wie ein kleines Kind das Eis aß und dabei theatralisch vor sich hin seufzte.
 

„Nun, es ist schon etwas entspannend, aber.. solltest du dich nicht erhabener benehmen?“, fragte Minako und lächelte, als Furina sie mit dem Mund voller Schokoladensoße anschaute.
 

„Ich bin hier nicht als Archon, ich bin hier in meiner Freizeit. Da brauche ich nicht erhaben sein.“, meinte sie und Neuvillette seufzte, als er eine Serviette nahm und behutsam den Mund der Archon säuberte. Furina setzte sich auf seinen Schoß und schnurrte leise, als sie sich so betüdeln ließ.
 

„Das ist ein guter Punkt. Ich bin auch nicht als Herzog hier, sonst müsste ich euch wegen öffentlicher Zurschaustellung von Zärtlichkeiten festnehmen.“, scherzte Wriothesley mit einem Schmunzeln.
 

„Ha ha ha.“, lachte Furina sarkastisch und deutete auf das Paar gegenüber. „Dann musst du dich aber auch verhaften. Glaubt nicht ich hab nich mitgekriegt wo eure Hände unter dem Tisch sind.“, meinte sie und Neuvillette schüttelte leicht erheitert den Kopf.
 

„Seine Hand liegt doch nur auf meinem Oberschenkel.“, wehrte sich die Blondine.
 

„Jajajaja und ab und zu rutscht sie etwas aus und geht in- Aaau! Hey, wieso zwickst du mich?“; fragte Furina gespielt empört und sah zum Hohen Richter auf.
 

„Du hast versprochen sie nicht in Verlegenheit zu bringen.“
 

„..“
 

„Ist schon in Ordnung. Es wäre nicht unsere Lady Furina, wenn sie nicht irgendwann jemanden in Verlegenheit bringen würde.“, schmunzelte Minako, woraufhin Furina gespielt gekränkt zu ihr schaute.
 

„Was soll das denn heißen?!“
 

Die vier Freunde lachten und hatten eine ausgelassene Zeit miteinander, bis Wriothesley doch eine Frage hatte, die den obersten Richter die Schamesröte ins Gesicht trieb.
 

„Sagt mal, so ganz unter uns gerade. Da gibt es etwas, dass ich gerne wissen würde.“
 

„Mhm?“, fragten Minako und Furina unisono.
 

„Bei der Revisionsverhandlung, hätte es einen weiteren Beweis für die Schuppe in Minas Körper gegeben.. aber keiner von euch hat angeführt, was es war. Ich habe in den Büchern dazu auch nichts gefunden. Was ist denn der unwiderlegbare Beweis, dass die Schuppe Monsieur Neuvillettes Verwandlung bestätigt hat?“
 

Es wurde still. Minako sah zur Seite und kratzte sich an der Wange. Furina blinzelte und zuckte mit den Schultern.
 

„In dieser Form ist Neuvillette ein Mensch. Das betrifft alle Körperteile. Aber in der Verwandlung mit seinen Urinstinkten verwandelt sich sein Penis-“
 

„Okay, okay, ich glaube ich habe es verstanden.“, winkte Wriothesley mit entgleisten Gesichtszügen ab, bevor Neuvillette sein Gesicht hinter seinem Ärmel vergrub und die beiden Frauen sich ansahen und ein Kichern teilten.
 

Diese lockere Seite von den Dreien war selten anzusehen, daher genoss Minako jede Sekunde davon.



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