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Der Geburtstagskuchen

von

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Muss das wirklich sein, Mami?“, fragte Bibi Blocksberg ihre Mutter Barbara. Die drehte sich mit ihrem Besen in der Hand zu Bibi um.

„Du weißt, ich habe diesen Ausflug Monate lang geplant. Und meine Freundin Amanda freut sich auch schon sehr auf mich.“

„Ich weiß, Mami“, entgegnete Bibi und schenkte ihrer Mutter einen unglücklichen Blick. „Ich weiß nur nicht, wie wir das alles hinbekommen sollen.“

Barbara Blocksberg lächelte aufmunternd. „Mach dir mal keine Sorgen Bibi. Tinas Geburtstag ist doch erst übermorgen. Das ist mehr als genug Zeit, um ihr morgen Nachmittag noch einen leckeren Spinnenbeinkuchen zu backen.“

Bibi bemühte sich ebenfalls um ein Lächeln, doch es wirkte bestenfalls gequält. „Ich weiß nicht, ob Tina sich über einen Spinnenbeinkuchen freuen wird“, gab sie zu bedenken. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie ihr Vater tiefer hinter seiner Zeitung verschwand.

Ihre Mutter winkte einfach ab. „Darüber können wir nochmal reden, wenn ich morgen früh zurückkomme“, erklärte sie. „Also Bibi, Bernhard. Seid brav und keine Zauberei!“

„Ja, Mami“, antwortete Bibi im gleichen Moment, während ihr Vater „Ja, Liebling“ murmelte. Barbara Blocksberg musterte sie noch einmal.

„Na gut, dann bin ich jetzt unterwegs. Eene meene Moos, Baldrian flieg los! Hex-hex!

 

Bibi blickte ihrer Mutter nach, als diese aus dem Küchenfenster flog, dann seufzte sie schwer. „Papi?“, fragte sie.

„Ja, Liebling?“, antwortete die Zeitung.

Bibi schenkte ihr einen bösen Blick, bis ihr Vater sie schließlich herunternahm. Er sah müde aus. „Kannst du mir nicht mit dem Kuchen helfen?“, fragte sie ihn.

Ihr Vater musterte sie einen Augenblick, dann schüttelte er den Kopf. „Du hast deine Mutter doch gehört, die geplante Zeit reicht auf alle Fälle für einen Spinnenbeinkuchen. Außerdem habe ich keine Ahnung, wie man so einen Kuchen backt.“

„Ich würde auch lieber einen Marmorkuchen backen“, gestand ihm Bibi.

Ihr Vater schenkte ihr ein Lächeln. „Ich bin mir sicher, ihr werdet morgen Nachmittag etwas Schönes zaubern. Mach dir keine Sorgen.“

„Ich weiß nicht“, murmelte Bibi noch einmal. Doch ihr Vater schien das Ganze bereits abgehakt zu haben. Langsam erhob er sich, gähnte noch einmal, dann wandte er sich noch einmal seiner Tochter zu.

„Ich lege mich noch mal hin“, erklärte er ihr. „Nach den ganzen Überstunden letzte Woche muss ich wirklich ein wenig Schlaf nachholen. Bitte sei leise, wenn du deine Hausaufgaben machst.“

Bibi nickte artig. „Ja, Papi“, entgegnete sie ihm. „Schlaf gut Papi.“

Ihr Vater murmelte noch etwas, was halb in einem weiteren Gähnen unterging, dann verschwand er im elterlichen Schlafzimmer und Bibi blieb allein zurück.

„Armer Papi“, dachte sie sich, während sie begann, das benutzte Geschirr in die Spüle zu räumen, „Er hat wirklich müde ausgesehen. Ich muss heute besonders leise sein, damit er sich mal wieder richtig ausschlafen kann.“

Auf Zehenspitzen schlich sich Bibi ein weiteres Mal zum Küchentisch, um diesen mit einem feuchten Lappen abzuwischen. Sie würde dafür sorgen, dass es später keine Klagen gab. So schwer konnte das mit dem Leise-Sein, ja auch nicht werden.

 

Eine Dreiviertelstunde später klappte Bibi ihr Matheheft zu. Die Aufgaben waren schwierig gewesen, doch sie hatte sie alle gelöst. Ihr Vater würde stolz auf sie sein, wenn er wieder aufgestanden war. Aber bis dahin blieben ihr wohl noch ein paar Stunden Zeit, und das bedeutete, sie brauchte eine andere Beschäftigung. Eine leise Beschäftigung.

Bibi seufzte. Sie wünschte, ihre Mutter wäre da. Dann könnten sie jetzt gemeinsam ihre Hände waschen und Tinas Geburtstagskuchen backen. Eine riesige Schokoladentorte vielleicht oder ein großes Blech voll Pflaumenkuchen.

Bei dem Gedanken lief Bibi das Wasser im Mund zusammen. Vielleicht konnte sie ja einen Blick in Mamas Kochbuch werfen. In das normale, aus dem Buchladen, nicht das hochgradig magische, das sie von Bibis Oma bekommen hatte. Vielleicht würde sich da ja ein einfaches Rezept finden, das sowohl lecker als auch spinnenbeinfrei war.

Tina würde sich sicher darüber freuen.

Gesagt, getan. Erneut schlich Bibi sich auf Zehenspitzen durch die Küche, bis sie vor dem Regal stand, auf dem Barbaras Kochbücher thronten. Sie musste sich ganz lang machen, um überhaupt bis an das Buch zu kommen. Doch mit ein bisschen Strecken gelang es Bibi, es aus dem Regal zu ziehen.

 

Es war ein hübsches Buch mit blauem Einband und großen Bildern von jedem Gericht, das in dem Buch beschrieben wurde. Bibi sah Spaghetti in hundert verschiedenen Farben, Schnitzel, Steak und gebratene Aubergine. Sogar ein Foto von einem Gänsebraten war dabei. Bei all den leckeren Sachen auf den Fotos lief Bibi das Wasser im Mund zusammen. Doch sie blätterte tapfer weiter.

 

Nachdem sie eine Weile geblättert hatte, erschienen die ersten Kuchen. Sie sah ein Blech voll nichtssagendem Zuckerkuchen, gefolgt von einem appetitlich dreinschauenden Apfelkuchen. Bibi blätterte weiter. So weit sie wusste, hatten sie keine Äpfel im Haus.

Ähnlich verfuhr sie mit dem Pfirsich- und schließlich auch mit dem Erdbeerkuchen. So lecker sie auch aussahen, es brachte nichts einen Kuchen backen zu wollen, dessen Zutaten sie nicht im Haus hatten. Am Ende tauschte ihre Mutter die Früchte gegen ihre geliebten Spinnenbeine aus.

Ein weiteres mal blätterte Bibi um. Käsekuchen fand sie auch nicht überzeugend. Wer mochte schon Kuchen mit Käse drin? Herzhaft und süß? Das klang irgendwie nicht nach Tinas Geschmack.

Auf der neuen Seite hielt sie inne. Ja, das war ein toller Kuchen. Schon auf dem Foto sah er einfach zum Anbeißen aus. Er war weiß wie Sabrinas Mähne, mit hübschen, hellbraunen Streuseln darauf, die sie spontan an Amadeus denken ließen. Die roten Kirschen, die hingebungsvoll auf kleinen Sahnehäufchen drapiert waren, ließen den Kuchen unglaublich erhaben wirken. So ein Kuchen würde Tina gewiss gefallen.

Neugierig begann Bibi das Rezept zu lesen. Wie schlug man denn ein Eigelb steif? Und wie hob man es unter den Kuchen? Oh weh, und sie bräuchte Kirschwasser. Das war Alkohol, und den würde ihre Mutter ganz bestimmt nicht erlauben. Traurig schüttelte sie den Kopf.

Nein, dieser Kuchen war wohl doch eine Nummer zu groß für sie.

Ein weiteres Mal blätterte Bibi um. Der Kuchen auf der neuen Seite sah sehr viel schlichter aus als die schicke Schwarzwälder Kirschtorte. Und Bibi hätte sicher einfach weitergeblättert, wäre ihr Blick nicht im letzten Moment an der Überschrift hängengeblieben. „Saftiger Zitronenkuchen“ stand dort in großen Buchstaben.

 

„Zitronenkuchen?“, murmelte Bibi. Diesen Kuchen kannte sie sogar. Ihre Freundin Monika hatte vor kurzem ein Stück davon mit zur Schule gebracht und sie hatten ihn sich schwesterlich geteilt. Er war sehr lecker gewesen, und die Backanleitung sah auch sehr viel überschaubarer aus als die für die Schwarzwälder Kirschtorte.

Je länger Bibi darüber nachdachte, desto besser gefiel ihr die Idee. Sie würden einen Zitronenkuchen backen. Das war normal, nicht magisch und einfach genug, dass sie es in der kürze der Zeit hinbekommen konnten, wenn sie sich beeilten.

Unwillkürlich wanderten Bibis Augen zur Küchenuhr. Auch wenn es sich anders angefühlt hatte, war nicht viel Zeit vergangen. Sie musste sich immer noch eine Beschäftigung suchen. Es war aber auch doof. Jetzt hatte sie Zeit übrig, die ihr morgen Nachmittag sicher fehlen würde. Es sei denn ...

Ihr Blick glitt ein erneut zum Kochbuch. So schwierig sah das Rezept nun wirklich nicht aus. Vielleicht konnte sie ja schon mal ein bisschen daran arbeiten?

 

Bibi schlich durch die Küche. Sie hatte die Margarine aus dem Kühlschrank geholt und ebenso sechs Eier. Jetzt suchte sie die übrigen Zutaten aus den verschiedenen Schränken zusammen. Das Mehl war leicht zu finden gewesen, ebenso das Backpulver und der Vanillezucker. Puderzucker hatte sie keinen gefunden, aber das war sicherlich nicht schlimm. Sie würde einfach mehr von dem Vanillezucker nehmen.

 

Jetzt fehlten nur noch die Zitronen, und überraschender Weise entwickelte sich das zu einem Problem. Bibi hatte im Kühlschrank nachgeschaut, in der Schublade, die für Obst und Gemüse reserviert war. Doch dort hatte sie nur eine Stange Schnittlauch und eine Packung Kiwis gefunden. Keine Zitronen.

Dann hatte sie es im Schrank bei den Konserven versucht. Vielleicht gab es Zitronen ja im Glas, und sie hatte es bislang nur noch nicht mitbekommen? Fehlanzeige. Da waren die ekligen Pilze, die Mami manchmal in ihre Suppen rührte, aber von Zitronen keine Spur.

Es war doch nicht zu fassen. Da hatte sie endlich den perfekten Kuchen für ihre Freundin gefunden und scheiterte schon beim allerersten Zubereitungsschritt: dem Herauslegen der Zutaten.

Das durfte doch nicht wahr sein. Am liebsten wäre sie zum Supermarkt gelaufen und hätte dort ein paar Zitronen gekauft, doch ohne Papis Erlaubnis durfte sie das natürlich nicht. Und wenn sie ihn jetzt weckte, war all ihre Mühe mit dem Leise sein umsonst.

Nein, das konnte sie nicht machen. „Papi hat hart gearbeitet“, sagte sie zu sich selbst, „Ich kann ihn unmöglich wegen ein paar fehlender Zitronen wecken.“

Aber wenn sie keine Zitronen hatte und keine Zitronen holen konnte, gab es nur eine Möglichkeit, das Problem zu lösen.

Ganz vorsichtig holte Bibi die Kiwis aus dem Schrank und legte sie auf die Küchenarbeitsplatte. Wenigstens die Form stimmte schon einmal, trotzdem ... Den Zauber würde sie improvisieren müssen.

„Eene meene Mondenschein, die Kiwis sollen Zitronen sein! Hex-Hex!

Und tatsächlich begannen die Kiwis augenblicklich ihre Haartracht zu verlieren. Außerdem wurden sie langsam gelber und sahen auch gleich ein ganzes Stück zitroniger aus. Bibi nickte sehr zufrieden. Der Zauber war ihr offensichtlich gut gelungen.

Neugierig beugte sie sich über das Kochbuch.

„Zunächst die Schale von drei Zitronen abreiben“, las sie vor. Nun, wie man das machte, konnte sie sich denken. Immerhin besaß ihre Mutter eine Kartoffelreibe. Da würde sie die Zitronen einfach drüberziehen und dann würde das schon gehen. Eifrig holte Bibi die Reibe hervor.

Dieser Kuchen backte sich ja förmlich von selbst.

 

Nun ja, vielleicht nicht ganz von selbst, wie sie merken musste, als sie die Zitrone über die Reibe zog. Es brauchte ganz schön Kraft, um mit dem Ding etwas von der Frucht abzubekommen. Außerdem hatte sie ein wenig Angst um ihre Fingerkuppen. Ihre Mami sagte ihr schließlich immer, dass die Kartoffelreibe ziemlich scharf war. Vielleicht sollte sie doch noch einmal zaubern, nur der Sicherheit ihrer Finger zuliebe.

Bibi ließ die Reibe sinken. So ganz glücklich war sie damit ja nicht. Immerhin predigte ihre Mutter immer, dass sie Alltagsdinge magielos regeln sollte. Andererseits sagte sie auch immer, dass Bibi auf sich aufpassen sollte. Bibi seufzte. Es ging eben nur eins. „Eene meene Duft so fein, Zitronenschale soll’s nun sein!“, befahl sie. „Hex-Hex!

Und tatsächlich schälten sich die Zitronen nun von selbst. Es dauerte keine drei Sekunden, da hatte sie drei lange gelbe Streifen, so wie Papi sie hatte, wenn er einen Apfel schälte. Perfekt!

 

„Pressen Sie zwei Zitronen aus“, las Bibi aus ihrem Kochbuch vor. Na, das war doch mal eine klare Anweisung. Und sie wusste auch schon genau, wie sie das umsetzen würde. Nachdem sie die Zitronen jetzt schon geschält hatte, würde sie sie einfach in den Mixer werfen. Der würde sie ganz bestimmt zu perfektem Zitronensaft verarbeiten.

Und dieses Mal war die Nutzung des Geräts auch kein bisschen gefährlich. Bibi trug die Zitronen zum Mixer hinüber, klappte ihn auf und warf zwei der schalenlosen Zitronen hinein. Jetzt musste sie nur noch ...

Bibi hielt in der Bewegung inne. Der Mixer war doch schon ziemlich laut. Wenn sie den jetzt anmachte, weckte sie am Ende Papi auf. Es sei denn natürlich ...

Eene meene Müh' und Rühr', leise sei der Mixer hier. Hex-hex!

Hatte sie sich beim letzten Zauber schuldig gefühlt, dieses Mal war absolut kein schlechtes Gewissen dabei. Sie hätte den Zauber nicht sprechen müssen, um einen tollen Zitronenkuchen zu bekommen. Sie hatte es einzig und alleine für ihren Papi getan.

 

Während der Mixer leise rührte, wandte sich Bibi wieder ihrem Rezept zu. Jetzt sollte sie „Eier und Zucker schaumig rühren“. Sorgsam maß Bibi 350 g Zucker ab und schlug die Eier auf. Das konnte sie schon richtig gut. Sie griff nach dem großen Holzlöffel, mit dem ihre Mutter immer die Suppen umrührte, und begann das alles zu vermengen.

So richtig wusste sie nicht, wie lange es dauerte, bis alles schaumig gerührt war. Hatte man da dann wirklich Schaum, so wie in der Badewanne, oder war das nur ein weiterer komischer Kochausdruck?

Als sie alles so weit verrührt hatte, befand sie es für gut. Auch Mehl, Vanillezucker, Backpulver und Margarine in die Mischung zu werfen, war wirklich kein Problem. Sie hatte vielleicht keine Ahnung, was 1 TL Backpulver bedeuten sollte, aber Mamis guter alter Suppenlöffel würde es schon tun.

Der Teig sah vielleicht ein bisschen komisch aus, als sie die Zitronenschale hineinwarf. Aber egal, Bibi hatte sich zu hundert Prozent an das Rezept gehalten. Wenn das Ergebnis jetzt seltsam aussah, dann tat es das sicher, weil dieser Kuchen immer seltsam aussah, bevor er in den Ofen kam.

Wie im Rezept angegeben, kippte sie ihre Mischung auf ein Backblech. Die Zitronenschale drapierte sie der Optik halber noch hübsch bis in die Mitte und schob dann das Backblech in den Ofen. Jetzt musste sie ihn nur noch richtig einstellen und dann war sie fast fertig.

 

Leise summend wandte sie sich wieder dem Mixer zu. Dieser hatte inzwischen aus den Zitronen einen schönen, dicken Brei gemacht. Laut dem Rezept war das gut. Die Glasur sollte dickflüssig werden. Bibi streute den Vanillezucker dazu und ließ den Mixer weitermachen. Er würde ihr sicher eine wunderbare Glasur herstellen.

 

Erschöpft blickte sich Bibi in der Küche um. Sie hatte doch ein ziemliches Chaos veranstaltet. Die Kartoffelreibe stand auf der Arbeitsplatte, direkt neben ihrer Rührschüssel mit dem dicken Suppenlöffel und sie hatte eine kleine Mehlspur hinterlassen, die sich sowohl über die Arbeitsplatte als auch über den Fußboden zog. Außerdem hatte sie mit den Eiern gekleckert und musste die verbliebenen Kiwis zurückverwandeln, bevor jemand sie vermisste.

Backen war doch ganz schön arbeitsintensiv.

 

Zunächst ging sie auf die übriggebliebenen Zitronen zu. "Eene meene Früchtespiel“, befahl sie, „Zitronen werden Kiwis, das ist euer Ziel. Hex-Hex!" Und tatsächlich wechselten die Zitronen ein weiteres Mal ihr Aussehen. Sie wurden wieder bräunlicher und bildeten die kiwitypischen, braunen Härchen aus.

Bibi war erfreut. Selten war ihr ein Zauber beim ersten Versuch so gut gelungen. Summend lief sie zum Kühlschrank, um das verbliebene Obst zu verstauen. Vielleicht, dachte sie, war sie ja ein Naturtalent im Backen. Vielleicht würde sie eines Tages Bäckerin oder Konditorin werden, und dann würden die Leute ihr ihre köstlichen Kuchen und Törtchen förmlich aus den Händen reißen. So wie Tina ihr den Zitronenkuchen aus den Händen reißen würde.

Summend lief sie zum Ofen und blickte durch das Glas zu ihrem Kuchen hinein.

Der Kuchen war schon ein ganzes Stück größer geworden. Er füllte jetzt fast das komplette Backblech aus. Ausgezeichnet.

 

Noch immer mit einem Liedchen auf den Lippen, wandte sie sich der Arbeitsplatte zu. Sie würde das ganze benutzte Zeug abwaschen müssen. Bestens gelaunt ließ sie Wasser ins Waschbecken laufen. Wenn sie schon dabei war, konnte sie das Frühstücksgeschirr gleich mit spülen. Das würde Papi gefallen und verhindern, dass er sich über ihren Alleingang ärgerte. Immerhin hatte sie es für ihre beste Freundin getan.

 

Das Abwaschen dauerte eine ganze Weile. Besonders die Kartoffelreibe erwies sich als hartnäckig. Doch schließlich überwand Bibis Ehrgeiz auch diesen Gegner. Als endlich alles wieder verstaut war und sogar das Kochbuch seinen Platz im Regal gefunden hatte, beschloss Bibi, noch einmal nach ihrem Kuchen zu sehen.

Sicher hatte er die Zeit genutzt und war herrlich braun geworden. Zumindest ein bisschen, denn soweit Bibi sich erinnerte, war Monikas Zitronenkuchen eher gelb als braun gewesen. Egal. Freudig wandte sie sich dem Ofen zu, blickte durch die Glastür und wurde blass. Ihr Kuchen! Inzwischen füllte er den ganzen Ofen aus.

 

Bibi riss die Ofentür auf und sofort quoll ihr eine dicke, zähflüssige Masse entgegen! Wie konnte das nur passieren?! Sie wollte den Teig zurückdrücken, doch er war kochend heiß. Bibi machte einen Schritt zurück und suchte mit den Augen nach den Ofenhandschuhen, die sie jedoch auf dem Herd liegen gelassen hatte. Das war nicht gut, überhaupt nicht gut.

Sie schluckte nervös. Irgendetwas war gewaltig schiefgelaufen! Und es hörte einfach nicht auf ! Immer mehr Teig quoll aus dem Ofen und verteilte sich zischend auf dem Boden. Oh verdammt, das würde Ärger geben! Vielleicht konnte sie den Teig weghexen oder zumindest stoppen, wenn ihr nur ein passender Zauber einfallen würde. Aber nichts! Ihr Kopf war wie leer. So blieb ihr nur, Schritt für Schritt vor den sich ausbreitenden Teigmassen zurückzuweichen.

 

„Bibi?“, erklang da die wohlvertraute Stimme ihres Vaters. Nichtsahnend bog er um die Ecke, sah die Teigmassen und erstarrte. „BIBI?!“, rief er noch einmal. Bibi konnte die Panik in seiner Stimme hören. Es dauerte keinen Augenblick, da riss er sie an der Schulter von dem immer noch wachsenden Teigklumpen weg.

„Was hast du getan?!“

Bibi schluckte. Sie spürte seine Angst und seine Wut und auf einmal kam sie sich ganz klein und hilflos vor. „I-Ich“, flüsterte sie. „Ich wollte nur helfen.“

Ihr Vater starrte den Teigberg an. „Helfen?“, wiederholte er. „Wie oft habe ich euch gesagt, in der Küche wird nicht gezaubert?“

Bibi spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. „I-Ich habe den Teig nicht verzaubert“, gab sie kleinlaut zurück. „Nur den Mixer und die Zitronen ...“

„Was für Zitronen?“ Ihr Vater hatte inzwischen Mamis großen Holzlöffel ergriffen und versuchte damit, die Teigmassen zurückzudrängen.

Die ließ sein Tun ziemlich kalt.

„Die Kiwi“, erklärte sie. „Aber ich weiß nicht, wieso der Teig plötzlich so angeschwollen ist. Das habe ich nicht beabsichtigt.“

Ihr Vater drückte gegen den Teig. „Schon gut, schon gut. Ich glaube dir. Glaubst du, dass du das hier irgendwie verkleinern kannst?“

Bibi starrte den Teig an. Ob sie den verkleinern konnte? „I-Ich weiß nicht“, murmelte sie unsicher.

„Versuch es!“, ermutigte ihr Vater sie. „Du vergrößerst und verkleinerst doch ständig Dinge. Stell dir vor, es wäre ein Radiergummi. In der Schule.“

Bibi war sich nicht sicher, ob sie das schaffen konnte. Dennoch trat sie einen weiteren Schritt von den Teigmassen weg und schloss die Augen.

Die Schule. Gedanklich versetzte sie sich in die Schule. Sie stand neben ihrem Pult und blickte an die Tafel. Vor ihr lag ein viel zu großer Radiergummi. Sie musste ihn verkleinern. Die Geräusche der anderen Schüler, die fleißig auf ihren Blättern kritzelten, blendete sie aus. Für Bibi gab es nur noch sich und den Radiergummi.

"Eene meene Zauberpakt, Teigklumpen, sei nun kompakt. Hex-Hex!"
 

Es gab einen dumpfen Knall, der Bibi dazu brachte, die Augen wieder aufzureißen. Das Erste, was sie sah, war: Der Teigklumpen war verschwunden. Und ihr Vater war auch weg.

Sie hörte ein leises Stöhnen und senkte ihren Blick nach unten. Dort lag ihr Vater auf dem Küchenboden, immer noch den Löffel von Mami in der Hand.

Eilig lief Bibi zu ihm. "Papi, hast du dich verletzt?"

Er rappelte sich langsam auf. "Nein", flüsterte er. "Nein, aber die Küche... Unsere Küche sieht aus..." Und er hatte recht. Überall klebten Teigreste und eine einsame Kiwischale lag fast wie eine Mahnung mitten im Ofen. "Wenn deine Mutter das sieht, sind wir dran", sprach ihr Vater aus, was Bibi bereits ahnte. "Wir müssen aufräumen."

"Ich könnte...", begann sie, aber er schüttelte streng den Kopf. "Ich denke, du hast heute schon genug gezaubert. Hol den Eimer und den Mopp. Wir werden die Küche auf die altmodische Art putzen."

 

Bibi nickte ergeben. „Ja, Papi.“

 

 

Die Putzaktion dauerte viele länger als Bibis Backaktion. Die Teigreste waren wirklich hartnäckig.

„Weißt du was ich mich wundert?“, fragte ihr Vater, während er mit spitzen Fingern die Kiwischale aus dem Backofen fischte.

„Nein, Papi“, erwiderte Bibi, während sie eine Schrankfront schrubbte.

„Was für einen Kuchen wolltest du eigentlich backen? Kiwikuchen?“

„Zitronenkuchen“, murmelte Bibi verlegen.

Ihr Vater warf die Schale in den Biomüll. „Mit Kiwi drin?“

„Als ich den Kuchen in den Ofen gestellt habe, waren es noch Zitronen“, verteidigte sich Bibi.

Bernhard Blocksberg schüttelte den Kopf. „Du weißt aber schon, dass man Zitronenkuchen in jedem Supermarkt kaufen kann, oder? Wenn du deiner Freundin keinen Spinnenbeinkuchen präsentieren wolltest, kann ich das ja verstehen, aber du hättest wirklich auf deine Mutter warten können. Und wenn es knapp geworden wäre, wären wir eben in den Supermarkt gegangen.“

Bibi seufzte. „Es ist nur ...“, begann sie leise, „Tina ist meine beste Freundin. Ich wollte ihr einfach etwas Gutes tun. Ohne Spinnenbeine.“

Bernhard hielt inne. Er sah seine Tochter einen Moment lang an, dann schüttelte er den Kopf. „Na schön“, gab er schließlich nach, „Hol deine Sachen.“

„Wofür?“, fragte Bibi verwirrt.

„Wir fahren in den Supermarkt. Wir brauchen Zitronen, Backpulver, Puderzucker und noch ein paar andere Dinge.“

Bibi schaute ihn ungläubig an. „Wirklich Papi?“

„Wirklich. Aber wenn deine Mutter fragt, warum wir einen Kuchen ohne Spinnenbeine gebacken haben, musst du dir eine passende Ausrede für sie einfallen lassen.“

Bibi nickte dankbar. Das würde sie auf alle Fälle tun.

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Solltest Du nach dem lesen das dringende Bedürfnis verspüren, Dir einen Zitronenkuchen backen zu wollen, hast Du hier das tolle Rezept aus Barbara Blocksbergs Koch- und Backbuch:

Zutaten:

350 g Margarine
350 g Mehl
350 g Zucker
1 Pck. Vanillezucker
2 TL, gehäuft Backpulver
6 Eier
3 Zitronen
300 g Puderzucker

Zubereitung:

Den Backofen auf 175 °C - 195 °C Ober-/Unterhitze vorheizen.

Zuerst die Schale von den 3 Zitronen abreiben, zwei Zitronen davon auspressen.

Dann Eier und Zucker schaumig rühren. Das Mehl sieben und mit Vanillezucker, Backpulver, Zitronenschale und Margarine nach und nach dazugeben. Alles gut mixen. Den Teig auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech streichen. In den vorgeheizten Backofen schieben und ca. 20 Min. auf der mittleren Schiene backen.

Nun aus dem Zitronensaft und dem Puderzucker nach und nach eine Glasur mischen - bitte sehr sparsam mit dem Zitronensaft umgehen, die Glasur muss schön dickflüssig sein.

Solange der Kuchen noch warm ist, mit einer Gabel überall einstechen. So wird er schön saftig, denn die Glasur kann so einsickern. Dann schnell die Glasur auf dem warmen Kuchen verstreichen und auskühlen lassen. Komplett anzeigen

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