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Nemesis

von

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Phantomsprung

Erst nach zwei Tagen erreichten die beiden Commander Hikari eine geeignete Stelle, um einen Phantomsprung zu wagen.

„Wenn wir nur die genaue technische Spezifikation der vorigen Hyperjumpers gehabt hätten!“, fluchte Fireball. „Dann könnten wir von jeder Stelle des Alls aus den Phantomsprung wagen und wären vielleicht schon längst wieder zurück.“

„Fireball! Es ist nun mal nicht zu ändern. Wir können froh sein, dass wir es überhaupt schaffen!“ Fireballs Vater tippte einige Befehle auf seiner Konsole ein und warf seinem Sohn einen aufmunternden Blick zu.

„Mal schauen, wie hoch hier die Gravitationsdichte ist, vielleicht können wir den Sprung ja wagen?“

Ein paar Sekunden später erschien ein dreidimensionales Bild der Gravitationsfläche dieses Sektors auf dem Display. Sie sah ziemlich eben aus. Commander Hikari warf einen prüfenden Blick auf den Monitor.

„Endlich! Das sieht gut aus!“, nickte er zustimmend und machte sich daran, die Koordinaten für den Sprung zu programmieren.

„Schnall dich gut an, mein Sohn! Das wird kein gemütlicher Ausritt!“

Das Outriderschiff beschleunigte, bis die Sterne am Himmel zu weißen Streifen wurden. Das All vor ihnen drehte sich rasend schnell und Fireball musste die Augen schließen, weil ihm schwindelig wurde. Die Beiden wurden in ihre Sitze gepresst, der Tunnel wurde immer heller, verwandelte sich in gleißendes Licht und drehte sich noch schneller.

Dann war plötzlich alles vorbei. Das Outriderschiff verlor in einem schwarzen, fast lichtlosen Weltall an Geschwindigkeit und kam schließlich zum Stillstand.

„Puh!“, stöhnte Fireball und prüfte, ob noch alles an ihm dran war. „Das war heißer als jedes Rennen, das ich jemals gefahren bin. Sind wir jetzt in der Phantomzone?“

„Ja, wir haben es geschafft.“ Der ältere Commander prüfte die Sternkarten, um herauszufinden, wo sie eigentlich angekommen waren. Plötzlich spürte er einen Blasterlauf im Nacken. Erstaunt hielt er in seiner Bewegung inne und blickte sich langsam um. Er hatte nicht bemerkt, dass Fireball aufgestanden war.

„Das Spiel ist vorbei! Sagen Sie mir, wer Sie sind!“

Commander Hikari nahm die Hände nach oben und stand übertrieben langsam aus seinem Cockpitsessel auf und drehte sich mit ernstem Gesicht um.

„Aber Shinji, was soll das?“ Der Blaster war jetzt direkt auf sein Gesicht gerichtet.

„Für Sie immer noch Commander Hikari“, sagte Fireball forsch. „Ich frage noch einmal – wer sind Sie?“

„Aber Shinji, ich bin dein Vater...“

„Das wüsste ich aber!“, zischte der Star Sheriff und trat einen Schritt näher. „Sie sind nicht mein Vater! Meine Mutter hieß Miyuki und nicht Madoka, und mein echter Vater wüsste das!“

Ein unglaublich hässliches Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Mannes aus, der wie Fireballs Vater aussah. Dann begann er lauthals zu lachen, als er verstand, dass er in eine Falle gelaufen war.

„Gar nicht schlecht, mich so aufs Glatteis zu führen! Das hätte ich deinem unterentwickelten Grips gar nicht zugetraut!“, freute sich der Unbewaffnete.

„Ich glaube doch nicht jeder dahergelaufenen Person, die behauptet, mein Vater zu sein! Wer sind Sie?“, fragte Fireball noch einmal; seine Augen blitzten wütend. Wie konnte es diese Person nur wagen, den Namen seines Vaters in den Schmutz zu ziehen?

„Und du hast mich nicht an deine Freunde verraten? Das finde ich aber sehr nett von dir!“, spottete der Unbekannte, woraufhin der Star Sheriff seine Lippen zu einer schmalen Linie zusammenpresste. Er hatte seinen Freunden nichts verraten, weil er einerseits die geringste Hoffnung hegte, dass sein langjähriger Traum, seinen Vater doch noch zu finden, vielleicht doch noch wahr werden würde. Andererseits war Fireball der Meinung, dass er als derjenige, der die Falle gestellt hatte, die besseren Karten hatte und somit den Unbekannten einfach überwältigen konnte.

Der andere Mann sah Fireball herablassend an und der Star Sheriff konnte deutlich den Triumph auf dessen Gesicht sehen.

„Du hast dich mal wieder überschätzt, nicht wahr?“, grinste der Mann wissend und bemerkte nicht noch einmal extra, dass er damit unterschätzt worden war.

„Wer sind Sie?“, wollte Fireball erneut wissen ohne auf die Sticheleien seines Gegenübers einzugehen. Zumal dieser Recht hatte – und das wollte der Star Sheriff nicht zugeben.

„Fireball, du enttäuschst mich. So lange ist es doch noch gar nicht her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben. Ich kann nicht glauben, dass du mich so schnell vergessen hast.“

Der Mann zuckte mit den Schultern und begann umherzuschlendern.

„Zugegeben, damals hab ich noch etwas anders ausgesehen, aber ich musste mich ja dem Aussehen deines Daddys anpassen. Meine Ärzte haben ganze Arbeit geleistet, findest du nicht?“

Fireball schwieg. Wer um alles in der Welt stand da vor ihm? Der Mann benahm sich ganz und gar nicht so, als ob ein Blaster auf ihn gerichtet war. Das irritierte den Star Sheriff, aber er ließ sich nichts von seiner Unsicherheit anmerken.

„Du kannst den Blaster ruhig wegnehmen“, lächelte der Mann und trat einen Schritt näher zu Fireball.

„Nichts dergleichen werde ich tun!“, erwiderte der Star Sheriff und zielte weiterhin auf seinen vermeintlichen Vater.

„Wie du meinst.“ Betont lässig ließ der ältere Commander seine rechte Hand zu seinem Blaster gleiten. Fireball zögerte nicht. Aber außer einem leisen Klicken war nichts zu hören.

Mit einem wütenden Schnauben warf der Star Sheriff seinen Blaster auf den Boden und nun war es an ihm, die Hände zu heben, als nun die Waffe gegen ihn gerichtet wurde.

„So ist es fein“, grinste ihn sein Gegenüber an. Sein Hochgefühl war nicht zu übersehen. „Auch ich wiege mich gerne in Sicherheit, wenn du verstehst, was ich meine.“ Er hob Fireballs nutzlosen Blaster hoch, ohne den Star Sheriff aus den Augen zu lassen, und steckte ihn in seinen Waffengürtel.

„Schönes Teil“, sagte er anerkennend. Fireball erwiderte nichts, er war so wütend auf sich selbst, dass er auf so einen billigen Trick hereingefallen war. Warum hatte er nicht noch einmal die Munition überprüft? Immerhin wusste er ja, auf was er sich hier eingelassen hatte. Nicht umsonst hatte er bei der ersten Begegnung seiner Mutter einen falschen Vornamen gegeben. Und dann passierte ihm so ein Anfängerfehler!

Der falsche Commander Hikari hielt weiter den Blaster auf ihn gerichtet und ging prüfend um ihn herum. Fireball wagte nicht, sich zu bewegen.

„Hände auf den Rücken!“

Der Star Sheriff tat, wie ihm geheißen. Als er an seinem linken Handgelenk kalten Stahl einrasten spürte, ergriff er die Gelegenheit. Mit einem kräftigen Ruck riss er seinen Arm nach vorne und schleuderte seinen Gegner von sich weg. Dieser, überrascht von der plötzlichen Aktion, fiel vornüber, aber rollte sich geschickt ab, so dass er im Liegen sofort wieder auf Fireball zielen konnte.

„Netter Versuch, Star Sheriff.“ Seine gute Laune war langsam vorbei, wie man an dem wütenden Unterton in seiner Stimme hören konnte.

Fireball verlor keine Zeit und war sofort wieder über ihm. Als er sich auf ihn stürzte, ertönte ein einzelner Schuss. Der Jüngere wurde von der Wucht nach hinten geworfen, wo er mit einem schweren Stöhnen hart auf dem Boden aufkam.

‚Wie in meinem Traum’, dachte Fireball und ließ schwer seine Hand auf seine rechte Bauchseite fallen, wo der Schuss durch den Raumanzug gedrungen war. Er konnte die geschmolzene Oberfläche spüren und das Blut, das daraus hervorquoll.

„Star Sheriff!“ Verächtlich grinsend kniete sich der Mann neben Fireball auf den Boden. „Du hast es nicht anders gewollt.“

Fireball hatte die Augen geschlossen und atmete schwer. Er antwortete nicht, so sehr benebelten ihn die Schmerzen. Trotzdem versuchte er, sich aufzurichten und sah seinen „Vater“ an.

„Wer bist du?“, keuchte er mit gepresster Stimme.

„Du bist echt schwer von Begriff, Fireball!“ Kopfschüttelnd legte er den Blaster beiseite und machte sich daran, die Handschellen weiter anzulegen. Von seinem Gefangenen ging keine Gefahr mehr aus. Dann zog er den Star Sheriff an den Handschellen auf die Füße und warf ihn auf den Copilotensitz, wo er die Wunde versorgte. Viel konnte er nicht tun, da der Raumanzug teilweise mit der Haut verschmolzen war.

„So, und jetzt machen wir uns endlich auf den Weg zum Hauptquartier!“
 

Der Flug zum Hauptquartier verlief schweigend. Fireball musste alle Kraft darauf verwenden, nicht vor Schmerzen das Bewusstsein zu verlieren. Verwirrende Gedanken mischten sich mit den Schmerzen und zogen den Flug endlos in die Länge. Unbewaffnet, verletzt und gefesselt sah er im Moment nicht die Möglichkeit eines Angriffs, aber vielleicht würde sich an ihrem Zielort etwas ergeben. Im Laufe der Jahre hatte der Star Sheriff gelernt, etwas geduldiger zu sein und dass es manchmal besser war, die Dinge auf sich zukommen zu lassen.
 

Einige Zeit später landeten sie im Hangar des Planeten Gondar, der neuen Heimat der Outrider. Der Gefangene wurde unsanft am Ellenbogen gepackt und ins Innere der Raumstation geführt, wo die beiden ein Rollband betraten.

„Gleich wirst du unseren König kennenlernen, er verlangt nach dir!“

„Pah! Darauf könnte ich liebend gern verzichten“, erwiderte er giftig, den einzigen Kraftakt, den er gegenwärtig zustande brachte.

„Steh gerade, wenn du ihn triffst. Du siehst erbärmlich aus!“

Fireball zog es vor, auf diese Bemerkung lieber nichts zu erwidern. Er wollte seine Kräfte lieber für den neuen König der Phantomzone aufsparen.

Das Rollband endete nach ein paar Minuten vor einem großen, schweren Portal. Auf ein Zeichen hin öffnete es sich automatisch und gab den Blick auf einen riesigen, dunklen mit Säulen durchsetzten Saal frei.

Der Rennfahrer wurde wieder weiter geschoben und direkt zu einem Mann geführt, der kaum in dem schlecht beleuchteten Raum auffiel. Er war ungefähr in seinem Alter und von beeindruckender Statur. Seine dunklen Augen blickten den Gefangenen erwartungsvoll an. Auch seine Haare, die ihm den kompletten Rücken hinab reichten, waren schwarz. Obwohl sein Aussehen schon unheimlich dunkel war, wurde diese Aura noch dadurch verstärkt, dass dieser Mann ebenfalls komplett in schwarz gekleidet war.

Fireball war irgendwie fasziniert von dieser Erscheinung, er konnte kaum die Augen abwenden und vergaß für einen Moment seine Schmerzen.

Plötzlich trat sein „Vater“ ihm unsanft in die Kniekehlen, so dass er hart auf seinen Knien landete.

„Knie nieder vor unserem König und Anführer Nemesis!“, sagte er kalt.

Fireball fing sich ungeschickt mit seinen gefesselten Händen ab und starrte dann ungläubig den jungen Mann an.

„Nemesis? Aber...wie...?“

„Das wirst du zu gegebener Zeit erfahren, Fireball“, erwiderte Nemesis ruhig. Seine Stimme war warm und tief. Das metallische, das Fireball immer noch in seinen Ohren hatte, war vollständig aus ihr gewichen. „Ich werde es dir bald erklären. Wir werden viel Zeit miteinander verbringen, denn wir haben große Pläne mit dir. Wie Jesse mir berichtete, war es relativ einfach dich hierher zu locken. Wir...“

„Jesse...?“

„Ich hab dir doch gesagt, dass du schwer von Begriff bist“, grinste Jesse, der eindeutig wie Commander Hikari Senior aussah. Jesse zog ein Messer aus dem Halfter, das er am Gürtel trug, und klappte es auf. Dann machte er einen langsamen vorsichtigen Schnitt an seiner Kehle entlang. Es erschien kein Blut. Als er seinen Eingriff beendet hatte, zog er vorsichtig die perfekte Maske ab. Lange, blaue Haarsträhnen fielen auf seine Schultern herunter und Jesses Gesicht erschien. Er warf die Maske verächtlich beiseite und entfernte dann noch die Kontaktlinsen. Dann lockerte er seine blaue Mähne auf, die ihm am Kopf klebte und schaute Fireball, der das Szenario geschockt verfolgte, direkt in die Augen.

„Ja, Fireball, ich bin’s, lebendig wie eh und je.“

Der Star Sheriff musste schwer schlucken und seine Stimme wollte ihm kaum gehorchen, als er sprach. „Ich wusste, dass du nicht mein Vater bis, aber mit dir hab ich am Allerwenigsten gerechnet. Wie konntest du die Explosion der Tritonmaterie überleben?“

„Tja, mein Lieber, Unkraut vergeht nicht“, antwortete Jesse trocken, ohne genauere Angaben zu machen. „Aber ich denke, dass Nemesis dir später alles weitere erklären möchte.“ Ein leichtes Nicken seitens Nemesis bestätigte Jesses Vermutung.

„Da wir dich unversehrt in unserer Heimat begrüßen möchten, werden wir uns zuerst um deine Wunden kümmern“, erklärte der Herrscher und gab Jesse damit zu verstehen, dass er diese Aufgabe zu überwachen hatte.

Mit einer leichten Verbeugung deutete dieser an, dass er verstanden hatte und zog den Gefangenen wieder auf die Füße. Durch eine unauffällige Seitentür verließen sie den Thronsaal. Die Gänge dahinter waren steril und Fireball versuchte immer wieder, sich loszureißen.

„Treib’s nicht auf die Spitze, Blechstern!“, warnte Jesse ihn gereizt und stieß ihm warnend seinen Blaster auf die Wirbelsäule. Dann bog er in eine Seitentür ab und sie standen in einem Untersuchungsraum.

„Willkommen, General Blue!“, wurde Jesse dreistimmig begrüßt.

Erst jetzt bemerkte Fireball die drei Outrider, die sich mit ihren weißen Kitteln kaum von der Wand abhoben. Auch ihre Hautfarbe war untypisch blass für Phantomwesen, die normalerweise ins bläuliche ging.

„Das ist er also“, bemerkte der rechte der Drei, Professor Nikron und grinste unsympathisch. Seine spitzen Ohren, die neben seiner Glatze prangten, die schmale Brille und seine langen Zähne verliehen ihm das Aussehen eines Vampirs.

„Ja, das ist er“, antwortete Jesse kurz angebunden, sicherte seinen Blaster und steckte ihn weg. „Versorgt ihn!“, kam der kurze Befehl. „Ich warte solange draußen.“

Die Drei kamen wie die Geier näher und ergriffen Fireballs Arme.

„Hey, Jesse!“, rief dieser panisch, als der Blauhaarige den Raum verlassen wollte. „Was soll das werden, hä? Jesse!“

Doch der Angesprochene antwortete nicht, sondern sonnte sich in seinem Machtgefühl. Die Panik in Fireballs Stimme war Musik in seinen Ohren und er grinste, als die Tür hinter ihm zu glitt.
 

Fireball wurde auf die Liege gedrängt und der dickere Outriderarzt, Professor Nikron, hielt ihn an den Schultern fest, während seine Beine angebunden wurden.

„Lasst mich los!“, brüllte Fireball und wand sich unter dem Phantomwesen heraus, doch die drei waren auf der Hut und konnten den Star Sheriff schnell wieder unter Kontrolle bringen.

Schnell war er wieder in eine liegende Position gebracht worden. Schwer atmend beobachtete er das weitere Vorgehen der Ärzte.

Aus den Augenwinkeln konnte der Star Sheriff erkennen, wie jetzt Professor Durac Gummihandschuhe über seine langen Outriderfinger zog und dann von der anderen Seite an ihn herantrat.

„Wir sollen also seine Verletzungen heilen“, fasste er ihre Befehle noch einmal für seine Kollegen zusammen und deutete auf die Schusswunde, die von vertrocknetem Blut umgeben war. „Wir brauchen ihn intakt!“ Professor Mordred, der dickere Outriderarzt nickte zustimmend.

‚Intakt?!‘, wiederholte Fireball entsetzt in seinen Gedanken.

„Fangen wir an, seinen Raumanzug zu entfernen“, beschloss Professor Nikron. Fireball verkrampfte sich unwillkürlich, als sich die Outrider daran machten, die metallene Panzerung zu entfernen, aus der sein Schutzanzug bestand. Auch die Handschellen wurden ihm abgenommen, aber trotzdem bot sich keine Möglichkeit zur Flucht.

Laut brüllte Fireball auf, als schließlich der Teil entfernt wurde, durch den der Schuss gedrungen worden war. Er spürte wie sich seine Haut spannte und sich mit einem ekelhaften Reißen von ihm löste. Schmerzestränen schossen in seine Augen, als er sich aufbäumte und die Qualen hinausschrie.

„Festhalten!“, befahl Professor Mordred, der die letzte Panzerplatte entfernte und beiseite stellte.

Fireball zitterte am ganzen Körper und spürte wie das Blut über seine Hüfte und seine Seite lief und sich unter ihm sammelte. Sein Atem ging schnell und ihm war furchtbar schwindelig, weshalb er die Augen schloss. Er spürte, dass sein Microfaser-Anzug, den er unter dem Raumanzug trug, zerschnitten und entfernt wurde. Der leichte Luftzug, der über seine vom Schweiß überzogene Haut strich, verschaffte ihm eine kurze Erleichterung.

„Ich werde etwas Wasser zum Auswaschen und Desinfektionsmittel holen“, sagte Professor Mordred.

„Gut“, antworteten seine beiden Kollegen, die sich über die Schusswunde beugten. Fireball ließ es geschehen, er war zu erschöpft, um sich zu wehren.

Kurz darauf tauchte der dicke Outrider mit einer Schüssel lauwarmen Wassers wieder neben dem Gefesselten auf und begann, die Blutkruste mit einem Schwamm abzutupfen. Der Star Sheriff stöhnte erneut laut auf und wand sich auf der Liege, als der Arzt die Verletzung berührte.

„Haltet ihn fest!“, bat Mordred seine beiden Kollegen. „Ich glaube, der Schuss ist sehr tief eingedrungen.“

Nikron packte den Star Sheriff wieder an den Schultern und drückte in auf die Liege, während Durac dessen Hüfte im Zaum hielt. Mordred fuhr mit seiner Arbeit fort.

„Aaaah!“, schrie Fireball und versuchte wieder, der Berührung zu entkommen, was ihm natürlich nicht gelang. ‚Jesse hat mich wirklich voll erwischt! Verdammt! Tut das weh!‘

Nicht nur dem Star Sheriff lief der Schweiß in Strömen herunter, sondern auch die Ärzte schwitzten bei dieser anstrengenden Tätigkeit. Aber schließlich war es geschafft, die Wunde war gereinigt und desinfiziert.

Neugierig betrachtete Mordred sein Werk und Fireball entspannte sich keuchend.

„Das wird wohl ne Zeitlang dauern, bis das abgeheilt ist“, bemerkte der dicke Arzt nüchtern. „Es sieht so aus, als ob die Legierung seines Raumanzug durch den Schuss geschmolzen ist und mit seiner Haut eine Verbindung eingegangen ist. Deswegen hat er wohl auch so geschrieen, als wir ihm seinen Schutzanzug abgenommen haben. Wir haben ihm quasi die Haut abgerissen. Ich hoffe, dass die Entzündung nicht allzu schlimm wird.“ Er deutete auf die Rötung, die sich bereits um die verbrannten Hautpartien abzeichnete. In der Mitte prangte ein tiefschwarzes Loch, aus dem jetzt wieder hellrotes Blut hervorquoll. Mordred holte Verbandszeug, um die Blutung zu stoppen.

„Wir müssen ihn losmachen, sonst kann ich den Verband nicht anlegen“, sagte der dicke Arzt. Sofort waren die beiden anderen wieder an seiner Seite, um ihn zu unterstützen. Nikron und Durac befolgten die Anweisungen ihres Kollegen und richteten ihren Patienten auf, der keinen Widerstand leistete. Der Star Sheriff war inzwischen schon so ausgezehrt, dass er sich nicht mehr alleine gerade halten konnte. Deshalb hielt der glatzköpfige Outrider den Gefangenen aufrecht, der erschöpft in seinen Armen hing.

„Mann, der ist ganz schön schwer!“, beschwerte sich Durac. „Beeil‘ dich gefälligst!“

Der dicke Outrider wickelte den Verband mit geübten Griffen um den Rumpf des Gefangenen, so dass Durac ihn bald wieder hinlegen konnte.

„Das wäre geschafft“, stellte Professor Nikron fest. „Ich werde General Blue informieren.“
 

Jesse trat ein paar Minuten später ein, in denen die Ärzte dem Gefangenen einen einfachen Anzug angezogen hatten. Jesse betrachtete den abgekämpften Fireball abschätzend und entschied dann, ihm noch eine Pause zu gönnen, damit er sich von den Strapazen erholen konnte.

„Nemesis erwartet dich. Bist zu bereit?“, fragte Jesse neutral nach einer Weile, in der sich Fireballs Atmung beruhigt hatte.

„Hab ich eine Wahl?“, entgegnete Fireball müde. Aber er stellte sich nur müde, vielleicht gab es gleich eine Fluchtgelegenheit?

„Nein“, antwortete Jesse und packte den Star Sheriff am Oberarm, um ihn von der Liege hochzuziehen. Er legte seinem Gefangenen die Handschellen an, die sich kalt um seine Handgelenke schlossen. Dann wurde er wieder in den Thronsaal geführt, wo Nemesis den Gefangenen erwartete. Jesse übergab den Gefangenen an seinen Anführer, der sich freundschaftlich bei Fireball unterhakte. Der Star Sheriff kommentierte dies mit einem unwilligen Brummen, täuschte aber immer noch Erschöpfung und Müdigkeit vor.

„Ich halte mich im Hintergrund auf“, erklärte General Blue, verbeugte sich leicht vor Nemesis und zog sich zurück.
 

Nemesis führte seinen Gast nach draußen, in einen unwirtlichen Steingarten und begann auf dem Weg dorthin eine Unterhaltung.

„Du hast gefragt, wie das möglich ist, dass ich noch lebe. Ich will es dir erklären. Du wirst unseren Planeten sowieso nicht mehr verlassen, also sollten wir keine Geheimnisse mehr voreinander haben, mein Freund.“

„Ich bin nicht dein Freund!“

Nemesis lachte schallend. „Noch nicht, noch nicht!“, meinte er nur, ehe er fortfuhr: „Ich bin jetzt so alt wie du in Menschenjahren gerechnet. Als dein Vater uns damals vernichtet hat, konnte nur ein Teil von mir überleben. Meine Ärzte haben mein Gehirn in die Tritonmaterie eingebaut; das war die einzige Möglichkeit für mich wiederzukehren.“

‚Dieser Teil der Geschichte ist also wahr!‘, bemerkte Fireball für sich.

Der dunkle Herrscher führte den Gefangenen um eine kleine Biegung herum. Ein riesiger Moai-Kopf tauchte vor ihnen auf und Nemesis drückte auf einen unauffälligen Knopf an der Seite des Kopfes.

„Du verstehst sicherlich, dass es unheimlich langweilig ist, den ganzen Tag als Großrechner zu dienen ohne die geringste Bewegungsfreiheit. Nach und nach ließ ich Cyborgs bauen, mit denen ich mir wenigstens etwas Abwechslung verschaffen konnte. Und natürlich wollte ich Rache für den verlorenen ersten Krieg. Mit Jesse hatte ich den perfekten Partner gefunden, aber als er im entscheidenden Moment die Kontrolle über den Phantomplaneten übernehmen wollte, konnte ich ihm nicht länger vertrauen und musste selbst alles in die Hand nehmen. Leider seid ihr mir dann dazwischen gekommen.“

Die Tür ging auf und die beiden traten in den Fahrstuhl ein, der sich sofort nach unten bewegte.

„Aber jetzt bist du aus Fleisch und Blut, wie geht das?“, fragte Fireball, der sich erschöpft gegen die Fahrstuhlwand lehnte.

„Auch das will ich dir erklären. Meine Ärzte entnahmen meinem Gehirn Proben lebenden Gewebes, bevor sie es in die Tritonmaterie einsetzten, und klonten es. Es gibt viele weitere Klone von mir, aber sie sind alle in einem Tiefschlaf. Dennoch teilen wir unser Wissen bis ins kleinste Detail, und falls mir etwas zustößt, tritt der Nächste an meine Stelle.“

Die beiden Männer traten aus dem Fahrstuhl heraus und stiegen erneut auf ein Rollband, das sie zu einem ähnlichen Portal führte, wie es am Thronsaal angebracht war.

Nemesis öffnete die massive Pforte und ein eiskalter Wind schlug den beiden Männern entgegen. Fireball hob seine Hand und schirmte seine Augen vor dem gleißenden Licht ab. Als er wieder sehen konnte, traute der Star Sheriff seinen Augen nicht. Vor ihm türmten sich zwanzig Meter hohe Phantomkammern, alle voller Energie und alle gefüllt mit Hunderten, ja vielleicht Tausenden von Nemesis-Klonen.

Der Star Sheriff ahnte, was das für das Neue Grenzland bedeutete und er sank schwermütig auf seine Knie. Nemesis beobachtete dies mit Genugtuung aus seinen Augenwinkeln heraus. Es gehörte mit zu seinem Plan, den Willen dieses Feindes zu brechen.

Der dunkle König zog ihn wieder auf die Füße und legte stützend einen Arm um seinen Gefangenen. Dann setzte er mit ihm zusammen seinen Weg fort, hinein in das große Lager seiner Nachfahren. Die Klone schlugen alle gleichzeitig die Augen auf und verfolgten den Weg ihres Bruders und seines Begleiters. Ein eiskalter Schauer überlief Fireballs Rücken, als er die tausend Augenpaare auf sich spürte. Noch wochenlang würde er in Alpträumen von diesen Blicken verfolgt werden.

Ungefähr in der Mitte hielt Nemesis an.

„Meine Brüder! Heute ist uns ein großer Fang gelungen. Wir haben den Star Sheriff Fireball in unsere Dimension gelockt!“, erzählte er mit wohl klingender, lauter Stimme.

Die Klone antworteten nicht, sondern starrten die beiden weiter mit ihren großen Augen an.

„Ich werde euch heute Abend ausführlich davon berichten, aber ich wollte ihn euch vorstellen und ihn auch in eurem Namen willkommen heißen.“

Der Rennfahrer spürte, wie ihm schwindelig wurde und klammerte sich an den dunklen Mann. ‚Ich darf nicht umkippen! Ich muss meinem Feind aufrecht in die Augen blicken!‘, ermahnte er sich selbst. Nemesis bemerkte jedoch den Schwächeanfall seines Gefangenen und stützte ihn besser, während er mit einem freundlichen Lächeln auf den eineinhalb Köpfe Kleineren hinab blickte.

Fireball bereute, dass er an seinem Feind Halt gesucht hatte und wandte sich angewidert ab, was in Nemesis‘ Lächeln einige spitze Zähne hervorblitzen ließ. Dann wandte er sich wieder an seine Brüder: „Unser Gast fühlt sich nicht wohl. Bevor ich ihn jedoch in sein Zimmer bringen lasse, möchte ich unserem neuen Freund noch etwas zeigen.“ Er machte mit seiner freien Hand eine leichte Bewegung, woraufhin die Klone ihre Augen wieder schlossen.

„Komm, mein Freund!“ Der Star Sheriff ließ sich widerwillig am Arm seinem neuen Ziel entgegen ziehen und schlurfte schweigend neben dem Anführer der Outrider her. Seine Gedanken rasten so schnell und scheinbar in mehreren Schichten gleichzeitig, dass er ihnen kaum folgen konnte.

Sie nahmen wieder den Lift nach oben und gingen erneut nach draußen in den Steingarten. Auf einem kleinen Hügel in der Nähe des Moai-Kopfes war eine Steinplatte errichtet. Dorthin führte ihr Weg.

Der Himmel über ihnen war dunkel, aber Tausende Sterne schickten ihr spärliches Licht auf den kargen Garten hinab.

‚Wirklich komisch, dass es selbst in der Phantomzone etwas Schönes geben kann‘, dachte Fireball und schaute nach oben. Tränen glitzerten in seinen Augen, als er an das Neue Grenzland und seine Freunde dachte, die auf immer verloren waren.

„Hier ist es.“ Nemesis deutete auf die Steinplatte. Die Gravur lautete:
 

Hier ruht

COMMANDER SHINJIRO H I K A R I

Anführer des Tsunami-Geschwaders von Königreich Jarr
 

„Ich habe eure Bräuche über die letzte Ruhestätte eines Menschen studiert. Obwohl ich sie nicht verstehe, dachte ich, ich müsste meinem ebenbürtigen Feind ein solches Begräbnis gewährleisten. Ich dachte, du wolltest es vielleicht sehen.“

Fireball trat vor und berührte leicht den Stein. Die Tränen, die vorher noch in seinen Augen glitzerten liefen jetzt seine Wangen hinab.

„Wie du vielleicht schon von Jesse erfahren hast, war er einer von uns. Er hat uns jahrelang unter dem Namen Gattler in eurer Dimension gedient. Aber auch er wurde abtrünnig. Ich musste ihn sofort beseitigen.“ Sofort tauchten die Bilder im Kopf des Star Sheriffs auf, als er Gattler mit seinem Blaster zurück in die Phantomdimension geschickt hatte. ‚Hätte ich damals gewusst, dass ich mich mit meinen Vater duelliere!‘ Fireball blickte hasserfüllt zu Nemesis.

„Du kannst die Zeremonie eines Begräbnisses auch nie verstehen, weil ihr Outrider keine Gefühle habt!“, zischte er.

Nemesis trat näher, berührte Fireballs Tränen und zerrieb sie zwischen seinen Fingern. „Du hast Recht, wir haben keine Gefühle. Aber es ist ein Zeichen von Schwäche und macht klare Gedanken unmöglich. Deshalb konntet ihr unseren Plan nicht durchschauen. Eure Dimension wird es nicht mehr lange geben...“

„Das werden wir ja sehen!“ Fireball rammte seinen Ellenbogen mit aller Kraft in Nemesis‘ Magen und stürmte dann weiter in Richtung Moai-Kopf. Ein einzelner Gedanke hatte von ihm Besitz ergriffen.

Würde das Neue Grenzland ebenfalls untergehen, wenn er die ganzen Klone zerstörte?

Doch als er in den Steinkopf eintreten wollte, rannte er direkt in Jesses Arme.

„Ich habe doch gesagt, ich bleibe im Hintergrund.“ Jesse packte ihn wieder an den Handschellen, die Fireball immer noch trug, und schubste ihn wieder zu Nemesis, der schmerzgekrümmt an der Grabsteinplatte lehnte. Als zusätzliche Bedrohung außer seiner bloßen Anwesenheit hatte er nun noch seinen Blaster gezogen und presste ihn hart auf Fireballs Wirbelsäule.

„Ich hab unseren Heißsporn wieder, Nemesis.“

„Gut“, keuchte der Angesprochene. „Wir sollten bald mit unserem Vorhaben beginnen, ehe er noch einmal so etwas macht. Bewache ihn gut!“ Alle Wärme, die Fireball gehört hatte, war aus der Stimme des Outriderkönigs verschwunden.

„Was habt ihr vor mit mir?“, fragte Fireball kalt.

„Das wirst du schon noch sehen, Commander Hikari!“ Nemesis machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand, woraufhin Jesse den Gefangenen abführte.

Fireball gab sich für den Moment friedlich, aber sein neuer Gedanke ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Vielleicht war es ja wirklich die einzige Möglichkeit, das Neue Grenzland zu retten? Er durfte nicht sterben, nicht bevor er es nicht wenigstens versucht hatte!
 

Jesse führte den Star Sheriff wieder in den Thronsaal. Dort bog er in einen unscheinbaren Seitengang ab und gelangte so in die riesige Basis, die sich dahinter verbarg. Fireball schaute sich alles ganz genau an, achtete dabei aber darauf, dass sein Bewacher von diesen Beobachtungen nichts mitbekam. Zum Glück war er schon lange nicht mehr beim Friseur gewesen, so dass ihm die Haare über die Augen hingen und seine forschenden, wachsamen Blicke verdeckten.

Die Gänge waren hoch und lang. Überall waren Überwachungskameras und Sensoren angebracht. Ein Entkommen schien quasi unmöglich zu sein.

„Wohin bringst du mich?“

„Dorthin, wo es kein Entkommen für dich gibt. Du kannst vielleicht Fragen stellen!“ Jesse schnaubte verächtlich. Eine andere Antwort konnte Fireball wohl kaum erwarten, also entschied er sich zu schweigen.

Ein Hangarschott glitt beiseite, als sie darauf zugingen, und gab den Blick auf eine Art Garage frei. Jesse steuerte auf einen roten Wranglerturbo zu und öffnete ihn.

„Los, rein da!“

Der Rennfahrer nahm auf dem Beifahrersitz Platz. ‚Mal sehn, wohin die Reise geht‘, dachte er und verhielt sich weiterhin unauffällig ruhig. Seine Schusswunde pochte unangenehm, aber es war erträglich. Nachdem auch Jesse eingestiegen war und sich angeschnallt hatte ging die Fahrt los, hinaus in die unwirtliche Gegend des Planeten Gondar. Eine Straße oder wenigstens ein Schotterweg waren nicht zu erkennen.

‚Hoffentlich finde ich wieder zurück. Ich brauche ein Schiff, um hier ‘nen Schnellabgang zu machen. Und ich weiß nicht, ob es dort Raumschiffe gibt, wohin auch immer wir fahren.‘, meinte der Star Sheriff in seinen Gedanken zu sich selbst.

Hin und wieder waren eine kleine verfallene Hütte oder ein Labortrakt zu sehen, aber sonst gab es keinerlei Lebenszeichen, nur Steine. Nicht einmal kleine Büsche wuchsen hier und Fireball fragte sich, wovon sich die Outrider eigentlich ernährten.

Die Fahrt dauerte ziemlich lange und Jesse machte nach wie vor keine Anstalten, eine Unterhaltung zu beginnen.

„Muss ja wirklich ein ganz besonderes Örtchen sein, an das du mich bringst“, meinte Fireball zynisch.

„In der Tat. Wir wollen ja nicht, dass du uns verloren gehst, nicht wahr?“, erwiderte Jesse kühl. Aber sein Blick zeigte Belustigung und noch etwas, was der Star Sheriff nicht richtig deuten konnte.

‚Irgendwie ist Jesse anders geworden‘, überlegte er und schaute ihn dabei prüfend von der Seite an, ‚Er ist nicht mehr der pure Egoist, der er früher war. Wenn Nemesis ihn nicht beseitigt hat, obwohl er von Jesse hintergangen worden ist, dann kann das einfach nichts Gutes bedeuten. Er ist gefährlicher als früher!‘

„Was starrst du mich so an?“, fragte Jesse ohne seinen Blick von der für Fireball unsichtbaren Straße zu nehmen.

„Och, nichts, ich habe nur überlegt, dass du irgendwie anders aussiehst“, log Fireball ohne rot zu werden.

Jesse wusste nicht, wie er diesen Spruch einschätzen sollte und schwieg daraufhin wieder.

Sie fuhren gerade an einer tiefen Schlucht vorbei, bevor sie wieder um eine Kurve bogen und die Schlucht in eine andere Richtung verlief. Fireball registrierte in der Ferne einige aufsteigende Rauchsäulen.

„Was ist da hinten?“, wollte er wissen.

„Das sind unsere Minen. Wir bauen dort Kristalle und Erze verschiedenster Art ab, aus denen wir unsere Energie gewinnen. Aber das ist nicht unser Ziel“, erklärte der Blauhaarige einigermaßen bereitwillig.

„Wie kommt es eigentlich, dass dich der große Nemesis nach deinem Verrat wieder aufgenommen hat?“

„Das brauchst du nicht wissen, Blechstern. Beobachte lieber weiter, wohin ich dich bringe. Du wirst sowieso nicht entkommen können“, erwiderte Jesse kühl.

‚Verdammt, er ist wirklich noch viel abgebrühter als früher!‘ Fireball wandte sich von seinem Bewacher ab und schaute nachdenklich aus dem Fenster. Er zog es vor, im Moment besser keine Unterhaltung mehr mit ihm zu führen.

„Na, was ist? Magst du nicht mehr versuchen, noch mehr Informationen aus mir herauszuholen?“ Als von dem Star Sheriff keine Reaktion kam, lachte Jesse schallend los, so wie er es früher schon immer getan hatte, wenn einer seiner fiesen Pläne aufgegangen war.
 

Eine Zeitlang später hielt der Wagen vor einem großen Felsmassiv an. Nichts war in der näheren Umgebung zu sehen.

„Wo sind wir? Willst du mich hier umbringen?“, fragte Fireball, der während der langweiligen Fahrt durch das eintönige Gelände fast eingeschlafen war.

„Sei nicht dumm, Blechstern. Nemesis hat großes mit dir vor“ ‚Und ich werde ebenfalls meinen Spaß haben‘, fügte der Blauhaarige in Gedanken hinzu und vermied, seine Vorfreude auf seinem Gesicht erscheinen zu lassen.

Plötzlich erschien ein blaues Licht aus dem Felsen, das den Wranglerturbo erfasste. Fireball erschreckte kurz vor dem Lichtblitz, aber Jesse verzog keine Miene.

Der Scan war ein paar Augenblicke später abgeschlossen, und in dem Berg zeichneten sich die Konturen eines riesigen Schotts ab. Langsam fuhr es beiseite und gab den Eingang frei.

„Willkommen in deinem neuen Zuhause“, grinste Jesse einladend und fuhr auf den Eingang zu. Der Rennfahrer presste resignierend seine Lippen zusammen, als sich die Türen hinter ihm schlossen.

‚Schätze, eine Flucht wird doch nicht so einfach werden. Aber ich muss aufpassen, ich muss mir jeder verdammte Kleinigkeit einprägen!‘ Allerdings war das gar nicht so einfach. Etliche hundert Meter fuhren sie ins nur spärlich beleuchtete Berginnere hinein. Jesse folgte ohne ein erkennbares Muster dem Labyrinth aus unzähligen Kreuzungen. Anfangs hatte Fireball versucht, sich den Weg zu merken, aber eine Abzweigung sah genauso aus wie die nächste, weshalb er das Zählen schon bald wieder aufgegeben hatte.

„Du kommst hier doch nicht raus, also gib dir erst gar keine Mühe!“, kommentierte Nemesis‘ rechte Hand die lächerlichen Fluchtversuche des Star Sheriffs. Dann zog er das Lenkrad nach links und folgte dem Straßenverlauf in eine lang gestreckte Kurve. Bald darauf verlangsamte sich der Wranglerturbo und kam vor einem steril wirkenden Gang zum Stillstand, der heller beleuchtet war als der Rest der unterirdischen Basis.

„Da sind wir!“ Jesse löste erst seinen Gurt und dann den von Fireball. Jetzt hatte er seinen Blaster auch wieder in der Hand.

„Los, aussteigen!“

Unter Schmerzen bewegte der Star Sheriff sein Bein und ein lautes Stöhnen entfuhr seiner Kehle, als er sich aus dem Auto erhob und sich vor seinem Bewacher aufrichtete.

„Das werde ich dir noch heimzahlen, Jesse!“, giftete Fireball, aber Jesse lachte nur.

„Du bist wirklich witzig geworden, Rennsemmel. Und jetzt komm, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit!“ Unsanft schob er seinen Gefangenen vorwärts und stieß ihm ab und zu den Blasterlauf in den Rücken.

Tief im Inneren des Berges war es sehr kalt. Einige Wassertropfen liefen die Felswände herunter, und eine Art dunkelbraunes Moos hatte sich an den immerfeuchten Stellen gebildet. Fireball wunderte sich, dass hier unten überhaupt etwas wuchs.

Doch in diesem sterilen Gang, der fast wie ein OP-Saal des Yuma-Memorial-Hospitals wirkte, war es trocken. Die Beleuchtung flackerte etwas, bot aber ausreichend Licht, so dass Fireball die Schleuse erkennen konnte, auf die er zugeschoben wurde.

„Was ist das für eine Einrichtung, Jesse?“, fragte Fireball, dem langsam etwas mulmig zumute wurde. Er hatte mit einem kalten, ungemütlichen Verlies gerechnet, aber nicht mit einer Zelle, die mit weißen Fliesen ausgelegt war, und den Eindruck eines Sanatoriums erweckte. Krankenhäuser hatte er schon immer gehasst, und dass die Outrider ein solches hatten, machte sein Befinden nicht gerade besser.

„Hast du etwa Angst, Blechstern?“ Der Blauhaarige liebte es, seinen ewigen Gegner so zu sehen: Gefesselt, ängstlich, verletzt – und in seinen Händen. Er konnte alles mit ihm tun, was er wollte! Wie lange hatte er doch auf diesen Augenblick gewartet!

Der Star Sheriff verlangsamte seine Schritte, je mehr sie sich der Schleuse näherten.

„Geh weiter!“ Er gab seinem Gefangenen einen neuerlichen, harten Stoß. Fireball hatte nicht damit gerechnet und stolperte über seine eigenen Füße. Hart kam er auf dem Boden auf. Jesse wurde ärgerlich.

„Willst du mit mir Spielchen spielen?“, fragte Jesse kalt, packte den Rennfahrer am Hinterkopf und zerrte ihn an den Haaren weiter zur Schleuse. Fireball versuchte so gut es ging, mit Jesse Schritt zu halten, aber dieser gab ein so forsches Tempo vor, dass es ihm kaum gelang. An der Schleuse wurde er wieder zu Boden geworfen und der Blaster auf ihn gerichtet.

„Beweg dich nicht!“ Jesse gab schnell einen Code an der Schleuse ein, woraufhin den Beiden Einlass gewährt wurde. Wieder wurde der Star Sheriff unsanft auf die Beine gezerrt und ins Innere dieses sterilen Gebäudes gezogen. Danach fuhren die dicken Stahlstifte des Schlosses wieder in ihre vorherige Position.
 

Jesse zerrte seinen Gefangenen immer weiter. Zwei Outriderwachen schlossen sich ihnen an. Ein paar sterile Gänge weiter hielt er schließlich an. Sie standen vor einer massiven Stahltür, in die nur ein kleines Fenster eingelassen war.

Fireball hielt die Luft an. ‚Das wird doch nicht...‘

„Aufmachen!“, befahl Jesse und verstärkte seinen Griff, um den Gefangenen am Wegrennen zu hindern.

Eine der Wachen öffnete die Tür mittels einer Chipkarte. Der Star Sheriff versuchte immer dringender, von seinem Bewacher loszukommen, aber dessen Kraft schien immens zu sein. Er spürte jeden einzelnen von Jesses Fingern in seinen Muskeln, ein Griff, der hart wie Eisen war.

„Hör auf zu zappeln, Fireball. Du kannst uns ja doch nicht entkommen“, riet er, ohne die geringste Spur von Anstrengung in seiner Stimme. „Du wirst Labor 5 nicht mehr verlassen, das verspreche ich dir!“

Damit warf er ihn in die Zelle, so dass Fireball über den kalten, stählernen Boden rutschte und kurz vor der gegenüberliegenden Wand liegen blieb. Dann zog Jesse wieder seinen Blaster und trat ebenfalls ein. Die komplett aus Edelstahl gefertigte Zelle maß vier Quadratmeter. Es gab ein Waschbecken, eine Toilette und eine Pritsche, auf der jedoch weder eine Decke noch ein Kissen zu finden waren.

Mit gezücktem Blaster trat Jesse näher zu dem am Boden liegenden Star Sheriff und drehte ihn mit seiner Stiefelspitze auf den Rücken. Fireball konnte nun das triumphierende Lächeln auf seinem Gesicht erkennen und spürte Zorn in sich aufkeimen.

„Nun hab ich dich endlich da, wo ich dich haben wollte, Fireball! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie glücklich mich das macht.“ Seine Augen leuchteten, als er neben dem Gefangenen in die Hocke ging. „Du wirst es hier gut haben“, fuhr er zynisch fort. „Die Raumtemperatur beträgt angenehme 21°C, Zimmerservice inklusive. Außerdem bieten wir ein einmaliges, abwechslungsreiches Unterhaltungsprogramm, was dir deinen Aufenthalt versüßen wird.“

Plötzlich fuhr der Star Sheriff herum und trat nach seinem Widersacher. Durch die hektische Bewegung riss die Schusswunde wieder auf und färbte den Stoff von Fireballs Anzug rot. Jesse wich der Attacke jedoch mühelos aus. Allerdings konnte er so etwas nicht auf sich sitzen lassen. Seine Miene verfinsterte sich und er verpasste dem Gefangenen eine so harte Ohrfeige, dass dessen Kopf gegen die Wand prallte. Dann packte er den Benommenen am Kragen und zog ihn hoch, bis dieser nur noch Zentimeter von seinem Gesicht entfernt war.

„Ich werde mich jetzt endlich um April kümmern, du bist mir ja jetzt nicht mehr im Weg“, zischte er. Dann änderte er seinen Tonfall in eine freundliche Variante. „Die Gute dürfte inzwischen im ganzen Grenzland gejagt werden, schließlich hat sie König Jared ermordet. Ich werde nun ihr Retter sein und sie vorm Hackebeil des Henkers befreien. Dann endlich wird sie einsehen, dass sie zu mir gehört.“

„April?“, stammelte Fireball. Speichel lief ihm aus dem Mundwinkel und seine Augen zuckten wild hin und her. Er hatte zwar alles verstanden, was Jesse zu ihm gesagt hatte, aber er war noch zu benebelt von dem festen Schlag, um ihn ernsthaft angreifen zu können.

„Du bist so widerlich!“ Verächtlich warf der Blauhaarige den Star Sheriff wieder zu Boden, der den Aufprall mit seinen auf dem Rücken gefesselten Händen kaum abfangen konnte. Dennoch, versuchte Fireball gleich wieder, sich aufzurichten. Ein paar Augenblicke lang beobachtete Jesse teils amüsiert, teils wütend die verzweifelten Versuche seines Gefangenen, auf die Beine zu kommen, aber dann wandte er sich zum Gehen. Zu den zwei Wachen sagte er: „Richtet den Professoren Nekron, Mordred und Durac aus, dass sie morgen mit dem Projekt Gorgath beginnen sollen. Ich muss zurück zu Nemesis. Sie sollen mich auf dem Laufenden halten! Täglich!“

Das war das Letzte, was Fireball hörte, bevor sich die Zellentür schloss, und er in einsamer Stille und Dunkelheit zurückgelassen wurde.

Erschöpft entspannte er sich auf dem kahlen Boden und verharrte in seiner Position. Der kühle Stahlboden fühlte sich angenehm an auf seiner Stirn. Langsam, ganz langsam klärten sich seine Sinne wieder und er konnte jeden einzelnen seiner Knochen spüren und das Blut, das an seinem Bauch klebte und sich unter ihm auf dem Boden in einer kleinen Lache ausbreitete. Dennoch bewegte er sich nicht.

‚April eine Mörderin? Was sagt er da? Henker? Hackbeil? Die Klone! Nemesis lebt! Ich muss die Phantomkammern vernichten! Mein Vater...mein Vater war Gattler? König Jared...‘ Tausend Gedanken rasten nur so in Fireballs Kopf, dass er sie gar nicht sortieren konnte. Irgendwann schlief der Star Sheriff erschöpft ein.
 

Die drei Professoren fanden den Gefangenen am nächsten Tag so vor, wie Jesse ihn verlassen hatte. Als sie die Zellentür öffneten, standen zwei von ihnen mit gezogenen Blastern davor und der Dritte, näherte sich ihm vorsichtig wie einem wilden Tier.

Fireball hörte zwar die Schritte, die sich ihm näherten, aber er bewegte sich immer noch nicht. Er hatte jegliche Perspektive verloren und konnte sich aus seinem Tief nicht befreien. Widerstandslos ließ er sich von dem dicken Arzt auf den Rücken drehen. Das grelle Deckenlicht blendete, und er kniff seine blutunterlaufenen Augen zusammen.

„Wir beginnen nun mit unserer Arbeit, Gefangener. Los, steh auf!“ Dieser machte aber keine Anstalten, der Aufforderung Folge zu leisten.

Der dicke Vampir wurde mutiger, als er Fireballs Reaktion sah. Von diesem Insassen würde wohl kaum Gefahr ausgehen. Trotzdem warf er einen kurzen Blick zu seinen Kollegen am Zelleneingang und war beruhigt, sie dort mit ihren Phantomgewehren zu sehen.

„Sei vorsichtig, Mordred!“, rief der glatzköpfige, schmächtige Arzt ihm zu.

„Ich pass schon auf! Erschreck mich nicht so!“ Beherzt ergriff Mordred die kurze Kette zwischen den Handschellen und zog den Star Sheriff ruckartig auf die Beine. Fireball trottete artig vor ihm her wie ein Hund, der an der Leine Gassi geführt wurde. Die beiden anderen folgten ihnen ins Labor, und behielten ihre Blaster im Anschlag.

Auf dem Weg dorthin fiel dem Star Sheriff auf, dass heute viel mehr Outrider-Ärzte zu sehen waren als gestern. Geschäftig eilten sie durch die Gänge, trugen Reagenzgläser und digitale Notepads hin und her. Trotz der Eile, die sie alle an den Tag legten, ging es nicht laut zu, was Fireball am Rande bemerkte. Auch einige weibliche Outrider konnte er in dem Gewirr entdecken.

Als sie in dem Bereich ankamen, der für die drei Vampire bestimmt war, wurde die Tür wieder von innen verriegelt. Mordred zog den Gefangenen auf eine Liege und schnallte ihn an Kopf, Armen und Beinen fest. Fireball ließ das alles über sich ergehen, aber in seinem Inneren regten sich wieder erste Gedanken um seine Fluchtmöglichkeiten. Auf seinem Gesicht ließ er jedoch den gleichen unbeteiligten Ausdruck stehen.

„Meine Herren, starten wir die Aufzeichnungen!“ sagte der glatzköpfige Outrider. Er betätigte eine Taste an einem Display, die die Aufnahme startete.

„Heute beginnen wir mit Projekt Gorgath. Die durchführenden Ärzte sind Professor Nikron, Professor Mordred und meine Wenigkeit, Professor Durac. Als Objekt wurde uns der Star Sheriff Commander Shinji Hikari, auch bekannt unter dem Namen Fireball gebracht. Heute werden wir die Basisuntersuchungen vornehmen, um die Voraussetzungen festzustellen.“

Während Professor Durac weiterredete, fühlte sich Fireball auf seinem Platz immer schlechter. Als Objekt bezeichnet zu werden, gehörte nicht zu seinen Gewohnheiten. Es kostete ihn einige Mühe, seine desinteressierte Miene weiterhin aufrecht zu erhalten. Was war Projekt Gorgath? Was würde mit ihm geschehen?

Einzelne Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn und liefen seitlich hinunter.

„Der Gefangene ist nüchtern“, notierte Durac in seinem Sprach-Protokoll. „Als erstes wird eine Blutprobe entnommen.“

Schon tauchte Nikron mit einer Spritze neben seinem linken Arm auf und schob den Ärmel nach oben.

‚Blutprobe geht noch!‘, beruhigte sich Fireball und entspannte ein wenig. Als der Outrider die Nadel in seine Vene bohrte, zuckte der Star Sheriff nicht. Fünf Ampullen wurden ihm abgenommen, die Nikron in auf ein Tablett legte und sich dann weiter damit beschäftigte.

Jetzt tauchte Mordred wieder neben der Liege auf und klebte ihm ein Pflaster auf die Einstichstelle. Fireball war sehr verwundert darüber, behielt seine Gesichtszüge aber weiterhin unter Kontrolle.

‚Was kommt als nächstes?‘
 

Den ganzen Tag lang behielten die drei Professoren Fireball in ihrem Labor. Sie säuberten seine weiteren Verletzungen, überprüften seine Herzfrequenz und den Blutdruck. Außerdem wurde er geröntgt und komplett vermessen. Er kam sich vor wie ein Bauwerk, das einer TÜV-Untersuchung standhalten musste. Die drei Vampire vermaßen seinen Kopf, seine Arm- und Beinlänge, ja sogar jeder einzelne Finger entkam dem Metermaß nicht.

Der Star Sheriff ließ alles über sich ergehen und war froh, als er Stunden später endlich wieder in seine Zelle gebracht wurde. Das Essen, das die Outrider ihm brachte, verschmähte er, nicht zuletzt, weil er von den Anstrengungen des Tages zu müde war. Schnell schlief er auf seiner Pritsche ein und erwachte tief in der Nacht, als das Fieber über ihn kam.
 

Professor Mordreds Vermutung bestätigte sich. Projekt Gorgath verzögerte sich um fast zwei Wochen, weil der Heilungsprozess des Gefangenen nur langsam voran ging. Der geschmolzene Raumanzug, hatte in den betroffenen Partien durch chemische Reaktion eine giftige Lösung gebildet, die in Fireballs Körper wütete. Leider hatten die drei Ärzte dies zu spät festgestellt und konnten die Infektion und den Fieberwahn nicht mehr verhindern. Auch die regenerativen Mittel, die sie ihm spritzten, bewirkten nicht viel, außer dass die Haare des Gefangenen unheimlich schnell wuchsen.

General Blue war in der Tat nicht sehr erfreut darüber, als er diese Nachricht empfing. Seitdem tauchte er täglich im Labor 5 auf, um nach seinem ausgemergelten Gefangenen zu sehen, und das Projekt weiter voran zu treiben.



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