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Engel

Für die Keltenfürstin
von

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Engel
 

Kalt war es. Ein eisiger Wind wehte um die Häuser. Eine dicke Schneeschicht bedeckte die Stadt. Erst vor ein paar Minuten hatte es aufgehört zu schneien. Tausende Lichter erhellten die Viertel. Und wie ein Dach bedeckten Wolken alles.

Fröstelnd zog ich den Kragen meines Mantels höher und vergrub meine Hände tiefer in seinen Taschen. Der Wind zerrte an mir.

Ich ging weiter.

Immer weiter durch die Straßen.

Bis in die Stadt hinein, wo die Einfamilienhäuser mit den hübschen Gärten, von den unzähligen Hochhäusern abgelöst worden waren, die leeren Bürogebäude wie schwarze Steine zwischen den vielen erleuchteten Fenstern lagen und der Schnee grau und matschig war.

Dunkel lag das Herz der Stadt. Dunkler als in jeder anderen Nacht.

Einzig und allein die Straßenlaternen und die wenigen Ampeln gaben Licht. Nur selten fuhr ein Auto. Kaum jemand war noch unterwegs. Der Schnee an den Straßenrändern war fast schwarz und roch entsetzlich nach Müll.

Manchmal frage ich mich selbst, warum ich ausgerechnet am Heiligen Abend nicht zu Hause bin und Spaziergänge mache. Die Antwort ist ernüchternd. Ich ertrage die Anwesendheit meiner Lieben am Tag der Freude und des Lichtes einfach nicht, denn sie sind genau so grau, so ruhelos, wie ich. Die Stille nagt an mir. Sie sehen nicht ein, dass es nichts mehr zu sagen gibt.

Am Ende düsterer Straßenschluchten - der Markusplatz - eine Lichtung umstellt von hohen alten Häusern, gleich uralten Bäumen und in der Mitte ein Brunnen.

Im milchigen Licht der Straßenlaternen sah ich jemanden sitzen.

Mit baumelnden Beinen saß sie in ihrem dünnen Kleid auf den kalten Steinen. Das dunkel gelockte Haar war stumpf, Kleid und Haut seltsam grau. Gleichwohl schien sie zu leuchten, wie in Form gebrachtes Licht.

Still saß sie auf dem Brunnenrand, wie auf ein Zeichen wartend, der Blick stumpf und unendlich fern. Einem Teil des Brunnens gleich, grau wie Staub.

Ich hatte sie noch nie vorher bemerkt, obwohl ich oft am Brunnen vorüberkam und sie schon sehr lange hier sein musste.

Ich ging zu ihr hin, wollte den Staub fortwischen, um sie in ihrer ganzen Pracht strahlen zu sehen.

Als ich ihren Arm berührte sah sie mich an. Unsagbar tief waren ihre Augen. Unglauben lag in ihnen. Tastend streckte sie ihre Hand nach mir aus, berührte meinen Mantel.

Ich zog sie in meine Arme und wurde mit scheinbar letzter Kraft an ihren schlanken Körper gepresst.

Und sie leuchtete heller und schöner als alles zuvor.

"Engel." Wie ein Windhauch so sanft klang ihre Stimme. So unendlich glücklich, dass es mir heiß und kalt wurde.

"Wieso Engel?", fragte ich.

"Ich kann Deine Flügel sehen.", wisperte sie.

Ich schob sie ein bisschen von mir weg. "Dann bist Du auch einer", sagte ich, "denn ich sehe deine."

Und sie lächelte mich an, wie es nur ein Engel vermochte.



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