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Sommer, Sonne und die verfluchte Liebe

die Digikids im Urlaub
von

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Der elfte Tag: Die Nachtwanderung (Geständnisse)

Wow, ich habe es endlich geschafft. Das nächste Kapitel ist fertig. Feedback ist natürlich gern gesehen. Ansonsten vielen Dank fürs Lesen und auch viel Spaß dabei. Gute Nacht.
 


 

Als die Freunde am nächsten Tag zum Frühstück gingen, sah der Himmel bereits furchtbar dunkelgrau aus und als sie wieder auf dem Weg in ihre Apartments waren, regnete es schon in Strömen.

„Mal ehrlich, hier regnet es doch nur zwei Tage im Jahr, oder?“, murrte Tai als sie sich gerade ins trockene Hotel gerettet hatten.

„Nein, das stimmt nicht. Im Mai und im Juni gibt es hier ausgeprägte Regenzeiten“, berichtigte Joe ihn, woraufhin er sich nur einen genervten Blick einfing.

„Erzählst du den beiden von heute Abend?“, fragte Yolei leise an Sora gewandt. Ihre Augen leuchteten schon jetzt vor Aufregung.

„Ja, mach ich.“

Eine halbe Stunde später hatte sich der größte Teil der Gruppe in Regenmäntel gepackt auf den Weg gemacht. Sora war froh, dass sie suchen musste, auch wenn ihr die anderen Leid taten, die jetzt draußen im Regen herum rannten. Sora und der Rest wollten sich in die Lobby des Hotels setzen und dort zumindest den Vormittag verbringen. Allerdings musste Sora vorher noch mit Matt sprechen. Nur wo sollte sie das ungestört tun? Dafür mussten sie das Apartment verlassen, denn gerade lag Mimi auf ihrem Bett und blätterte in einer Zeitschrift, während Tai missmutig und verkatert im Wohnzimmer vor dem Fernseher saß. Matt saß neben ihm, aber blätterte wie Mimi in irgendeiner Zeitschrift. Sora stand im Raum und räusperte sich. Die beiden Jungen sahen sie fragend an.

„Ähm, also, kann ich mal mit dir sprechen, Matt?“

Zum Glück verstand Matt sofort, dass Tai das nicht unbedingt hören sollte und stand auf.

„Gehen wir einfach kurz raus“, schlug er vor, nahm den Schlüssel und ging zur Tür hinaus. Sora folgte ihm und schloss die Tür. In dem hellen Treppenhaus war kein Mensch zu sehen oder zu hören. Anscheinend hatten sich alle in ihren Zimmern verschanzt bei dem Wetter. Sora und Matt setzten sich nebeneinander auf die Treppe.

„Hat Tai dir erzählt, was gestern passiert ist?“, fragte Sora ohne Umschweife.

„Nein, hat er nicht. Er hat sich nur über Mimi aufgeregt und ist dann sofort eingeschlafen“, antwortete Matt verwundert. Seine blauen Augen waren auf Sora gerichtet. Um nicht völlig abgelenkt zu werden, wandte Sora den Blick ab und erzählte weiter. „Anscheinend kam Minami dazu und hat Tai betrunken gemacht und mit ihm geflirtet.“

„Was? Sie hat... was?“ Ungläubig starrte Matt Sora an.

„Ja, Mimi war total sauer“, erzählte Sora weiter. „Ich dachte, du wüsstest vielleicht, was plötzlich in Minami gefahren ist. Du hast doch so viel mit ihr zu tun.“

„Naja, ich glaube, nachdem ich sie gestern verärgert habe, werde ich wohl nichts mehr mit ihr zu tun haben“, meinte Matt nachdenklich. „Aber sie hat nie nach Tai gefragt, wenn ich mich recht erinnere. Sie meinte sogar, Tai und Mimi würden ein gutes Paar abgeben. Keine Ahnung, was sie jetzt von ihm will.“

Eigenartig, Matt wusste also auch nichts. Sollte Minami es auf einmal tatsächlich auf Tai abgesehen haben, nachdem Matt ihr unmissverständlich gesagt hatte, dass aus ihm und ihr nichts werden konnte?

„Hoffentlich treffen wir sie heute nicht wieder“, murmelte Sora mehr zu sich selbst als zu Matt.

„Magst du sie nicht?“, fragte Matt. Langsam drehte Sora ihren Kopf zu Matt um zu sehen, ob er diese Frage wirklich ernst meinte. Aber er schien es tatsächlich nicht zu wissen.

„Ähm... doch, sie ist sehr nett“, antwortete sie und hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt. Nachdem Minami nun auch noch Mimi das Date versaut hatte, konnte Sora sie gar nicht mehr leiden.

„Und was ist mit dir? Magst du sie?“, fragte Sora möglichst beiläufig.

„Ja, schon. Aber als Freundin würde ich sie nicht haben wollen“, meinte Matt lächelnd. „Sie ist doch ein wenig eigen.“

„Mehr so als Sexfreundin“, rutschte es Sora heraus und wieder hätte sie sich am liebsten geohrfeigt.

„Was? Das war ein einziges Mal“, erwiderte Matt lachend.

„Also eher ein One-Night-Stand“, stellte Sora fest, obwohl sie nicht wusste, warum sie noch weiter redete. Sie sollte eigentlich den Mund halten und das Thema nie wieder ansprechen.

„Ja, so in der Art“, antwortete Matt grinsend.

„Wow, na dann... machst du das öfter?“, fragte Sora weiter.

„Ach, naja, hast du noch nie das Bedürfnis gehabt, einfach mal mit jemandem eine Nacht ohne Verpflichtungen zu verbringen?“ Irgendwie schien Matt das Ganze sehr amüsant zu finden, denn das Grinsen wollte nicht von seinem Gesicht verschwinden. Sora dagegen wollte verschwinden, weshalb sie aufstand. Außerdem fand sie, dass sie mit ihren sechzehn Jahren nicht in einem Alter war, in dem es üblich war, dass jeder schon einen One-Night-Stand hatte.

„Nein, eigentlich nicht“, antwortete sie in einem schnippischen Ton, nahm Matt den Schlüssel aus der Hand und ging zurück ins Apartment. Dieses Gespräch war ja wohl ein Reinfall. Sie hatte nicht erfahren, weshalb sich Minami auf einmal Tai an den Hals warf und außerdem hatte sie Matt ihre Eifersucht gezeigt.

„Oh man, was soll man denn an so einem Tag machen?“, seufzte Mimi, als Sora zurück in ihr Schlafzimmer kam.

„Wir gehen gleich runter in die Lobby und dann sehen wir weiter“, antwortete Sora. Sogleich gingen die Vier auch hinunter in die Lobby des Hotels. Davis und Ken saßen schon dort und kicherten miteinander. Sora und Mimi setzten sich nebeneinander auf eine kleine Couch, während Matt auf einem Sessel Platz nahm.

„Ich geh zur Bar und hole mir etwas zu trinken. Will noch jemand was?“, fragte Tai, der stehen geblieben war.

„Ich hätte gerne einen Erdbeermilchshake“, meldete Sora sich.

„Ich will eine Cola“, rief Davis.

„Ich nehme einen Orangensaft“, sagte Ken.

„Leute, ich habe nur zwei Hände“, murrte Tai und hielt seine Hände wie zum Beweis hoch. Ken erbarmte sich und stand auf um Tai zu helfen.

„Mimi willst du auch was?“, fragte Tai und sah zu dem Mädchen. Diese warf ihm einen Blick zu, als hoffte sie, ihn damit erschießen zu können, aber sagte kein Wort.

„Ein einfaches 'Nein' hätte auch gereicht“, murmelte Tai genervt und ging mit Ken los.

„Bist du etwa sauer auf Tai?“, fragte Davis als die Beiden außer Hörweite waren.

„Was geht dich das an“, fauchte Mimi und bedachte nun auch Davis mit einem bösen Blick.

„Ich habe doch nur gefragt“, verteidigte Davis sich ängstlich. „Gut, dass wir heute die Nachtwanderung geplant haben.“

Matt, der Davis am nächsten saß, verpasste ihm einen heftigen Fußtritt, während Sora einen gespielt überraschten Gesichtsausdruck aufsetzte.

„Nachtwanderung? Was meinst du?“, fragte Mimi in einem noch immer unfreundlichen Ton und sah Davis prüfend an.

„Ähm... Nachtwanderung? Tja, also... welche Nachtwanderung?“, stotterte Davis und wich Mimis Blick aus.

„Wovon redet er?“, fragte Mimi forsch, nun an Sora gewandt.

„Keine Ahnung.“ Sora zuckte mit den Schultern und bemühte sich um einen unschuldigen Blick.

Nun wandte Mimi sich an den letzten momentan Anwesenden. „Matt?“

„Ja?“, sagte dieser zögerlich, als hätte er nicht zugehört.

„Um was für eine Nachtwanderung geht es hier?“, fragte Mimi ungeduldig. Ihr Gesicht wurde immer finsterer.

„Was? Was fragst du mich das?“ Auch Matt setzte eine unschuldige Miene auf und tat, als wüsste er von nichts.

Mimi blickte noch einmal alle Drei an, doch sie schien festzustellen, dass sie nicht mehr erfahren würde. „Also falls hier irgendjemand eine Nachtwanderung plant, könnt ihr vergessen, dass ich dabei bin.“

„Niemand plant eine Nachtwanderung“, log Matt mit einem unschuldigen Lächeln.

Mimi sank in ihr Sofa zurück und starrte mies gelaunt vor sich hin.

Da an der Bar nicht viel los war, kamen Tai und Ken schnell mit den Getränken zurück und stellten sie auf dem Tisch in der Mitte ab. Sora griff dankend nach ihrem Erdbeermilchshake und nippte am Strohhalm. Er schmeckte ausgesprochen köstlich, wenigstens etwas Gutes an diesem Vormittag.

„Wo sind eigentlich die anderen alle?“, fragte Tai verwundert. „Kommen die noch?“

„Ähm, also Joe und Izzy sind noch oben und kommen bestimmt gleich“, antwortete Ken schnell.

„Ja und T.K. meinte vorhin, er will mit den anderen Dreien noch was einkaufen gehen“, fügte Matt hinzu.

Sora bemerkte, dass Mimi wieder einen prüfenden Blick durch die Runde schweifen ließ. Tai schien diese Antworten einfach hinzunehmen und nicht weiter darüber nachzudenken.

Wie die anderen Leute in der Lobby saßen auch die sechs Freunde nur zusammen, tranken ihre Getränke und unterhielten sich. Sora hörte allerdings den Gesprächen kaum zu, da sie über Minami nachdachte. Sie konnte diese Verhaltensweise einfach nicht verstehen. Mit Mimi hatte es sich dieses Mädchen nun sicher ganz verscherzt, da sie ihr das Date versaut hatte. Aber wie Sora Mimi kannte, war diese hauptsächlich auf Tai wütend. Hoffentlich beruhigte sie sich bis zum Abend wieder. Ihre momentane Laune war kaum auszuhalten.

„Sora, Mimi, ihr sagt gar nichts“, stellte Davis fest und riss Sora damit aus ihren Gedanken.

„Tut mir Leid, ich habe gerade nicht zugehört“, entschuldigte Sora sich.

„Mimi anscheinend auch nicht“, meinte Matt.

„Ich habe wohl zugehört, aber muss ich denn immer zu allem was sagen?“, motzte Mimi ihn an. Matt zog eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts. Er war cool genug, Mimis Laune einfach über sich ergehen zu lassen. Tai dagegen nicht.

„Na sonst gibst du ja auch überall deinen Senf dazu“, sagte er grinsend.

Sora war sich sicher, dass dieser Kommentar der Auflockerung dienen sollte und ein Versuch war, sein altes Verhältnis zu Mimi wieder herzustellen, doch er schien nicht bemerkt zu haben, dass dies noch nicht der richtige Zeitpunkt war.

„Na schön, Tai! Ich werde den ganzen restlichen Urlaub kein Wort mehr zu dir sagen!“, rief Mimi aufgebracht.

„Versprochen?“, fragte Tai und grinste noch immer. Das brachte das Fass zum Überlaufen.

„Du bist einfach das Allerletzte! Ich hasse dich!“ Mit diesen Worten sprang Mimi auf und stolzierte davon. Sora und die anderen sahen ihr verblüfft hinterher.

„Was hab ich denn falsch gemacht?“, fragte Tai verunsichert.

„Das fragst du noch?“, entgegnete Matt. „Du hast das Taktgefühl eines Kühlschranks.“

„Mimi übertreibt total“, meinte Tai nur.

Sora stand auf. „Ich sehe mal lieber nach ihr.“

„Sag ihr von mir, sie soll sich nicht so anstellen“, rief Tai ihr hinterher, als sie die Lobby schon fast verlassen hatte. Das werde ich sicher nicht, dachte sie genervt. Sie ging die Treppe hinauf zu ihrem Apartment. Mimi konnte nur dort sein. Sie trat ein und schloss die Tür leise hinter sich. Aus ihrem Schlafzimmer hörte sie schluchzende Geräusche. Als sie vorsichtig hineinging, sah sie Mimi auf dem Bett sitzen und weinen. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie hatte eher eine tobende Mimi erwartet, die sie anschreien würde. Vorsichtig setzte sie sich neben ihre Freundin und legte eine Hand auf ihre Schulter.

„Hey, nimm es dir doch nicht so zu Herzen“, sagte sie leise mit einer möglichst einfühlsamen Stimme.

Mimi sah sie an. Dicke Tränen kullerten über ihre Wangen und tropften auf ihren Schoß. Bei diesem Anblick nahm Sora sich vor, mal eindringlich mit Tai zu sprechen. Offenbar war Mimi sehr verletzt.

„Ich hasse ihn einfach. Nie kann er mich in Ruhe lassen, immer fällt ihm irgendetwas Neues ein, obwohl ich diesmal gar nichts gesagt habe“, schluchzte Mimi. Sora nahm ein Taschentuch von ihrem Nachttisch und drückte es ihr in die Hand. Mimi schnäuzte sich geräuschvoll, hörte aber nicht auf zu weinen.

„Ach Mimi, er meint das nicht so“, sagte Sora einfühlsam und legte einen Arm um sie. „Du weißt doch, dass er gerne redet ohne nachzudenken und außerdem total taktlos ist.“

„Ich weiß, aber das war einfach überflüssig. Er wird schon sehen, was er davon hat, wenn ich nicht mehr mit ihm rede!“

„Das ist doch aber sinnlos. Du weißt, er wird dich sowieso ärgern“, meinte Sora. „Ärgere lieber zurück.“

„Und das gestern war auch total blöd von ihm. Er hat sich noch nicht mal entschuldigt“, schluchzte Mimi weiter, ohne auf Sora einzugehen. Sora nahm sich vor, auch das mit Tai anzusprechen. Eine Entschuldigung war auch aus ihrer Sicht das Mindeste.

„Das macht er bestimmt noch. Ihm fällt so was doch immer schwer, weil er nie einsehen kann, dass er einen Fehler gemacht hat“, sagte Sora aufmunternd.

„Ach Sora, wieso bist du kein Mann?“ Mimi lächelte ihre Freundin an und umarmte sie.

„Ich wäre bestimmt ein schrecklicher Mann“, lachte Sora. Keine Frau wollte einen Mann, der alles mit sich machen ließ und dem man auf der Nase herumtanzen konnte. Sora war überzeugt davon, dass sie genau so ein Mann wäre.

Auch Mimi lachte nun ein wenig und wischte sich die Tränen ab. Nun beschlich Sora ein schlechtes Gewissen, weil sie Mimi wegen heute Abend angelogen hatte. Wieder fühlte sie sich, als würde sie sie hintergehen. Was sollte sie nur tun? Eigentlich sollte sie Mimi gleich sagen, was heute Abend passieren würde. Wenn die anderen es ihr später erzählten, würde sie Sora für eine Verräterin halten.

„Du Mimi, ich muss dir etwas sagen, aber bitte hasse mich dafür nicht“, fing Sora vorsichtig an.

„Ich hasse dich doch nicht, ich bin maximal ewig sauer auf dich“, erwiderte Mimi nun wieder ein wenig besser gelaunt. „Um was geht es denn?“

„Aber du sollst auch nicht ewig sauer auf mich sein, aber das wirst du bestimmt, wenn ich dir das sage“, murmelte Sora, den Blick auf den Boden gerichtet.

„Es gibt doch eine Nachtwanderung, hab ich Recht?“, sagte Mimi in einem Ton, der vermuten ließ, dass sie alles Andere als begeistert war.

„Nun... ja“, gab Sora zu. „Wir haben uns das gestern ausgedacht, während ihr ein... während ihr unterwegs wart.“

„Soll ich etwa irgendetwas mit Tai zusammen machen?“, fragte Mimi scharf.

Sora erklärte ihr stammelnd, wie die Nachtwanderung geplant war und weshalb die Anderen nicht da waren.

„Sag mal, wollt ihr Tai und mich verkuppeln?“ Empört starrte Mimi sie an, nachdem Sora geendet hatte.

„Nein, wir wollten eigentlich nur, dass ihr euch besser vertragt und nicht mehr so viel streitet“, antwortete Sora entschuldigend.

„Da könnt ihr euch eure Nachtwanderung sparen, denn wir werden nicht mehr streiten. Weil ich nämlich nicht mehr mit ihm reden werde!“ Stimmt, das hatte sie ja vor ein paar Minuten schon angekündigt.

„Aber Mimi, bitte“, fing Sora an, doch Mimi unterbrach sie.

„Nichts 'aber Mimi', das hat er sich selbst eingebrockt. Vielleicht lernt er so ja, dass er mit mir nicht machen kann, was er will, und dass er zu weit gegangen ist.“

Sora seufzte resigniert. Hier konnte sie vorerst nichts mehr bewirken, sondern nur hoffen, dass ihre Freundin von allein wieder zur Besinnung kam. Langsam ging sie zurück in die Lobby des Hotels und überlegte, was sie als nächstes tun konnte. Mit Tai reden. Ja genau, das war eine gute Idee. Vielleicht konnte sie ihn dazu überreden, sich bei Mimi zu entschuldigen. So steuerte sie gleich auf Tai zu.

„Kann ich dich mal sprechen?“, fragte sie ohne Umschweife.

Tai sah sie fragend an, stand aber auf um mit ihr irgendwo ungestört zu reden. Sora war schon froh, dass er sie nicht aufgefordert hatte, doch gleich vor den anderen darüber zu reden. Auch Matt sah sie fragend an, sagte aber nichts.

Die Beiden gingen ins Treppenhaus und setzten sich auf eine der Treppenstufen. Das war für Sora das zweite Treppenhausgespräch an diesem Tag.

„Was ist denn mit Mimi? Ist sie eingeschnappt?“, fragte Tai ungeduldig.

„Na ja“, fing Sora an. „Ich glaube, du hast das Fass vorhin einfach zum Überlaufen gebracht. Sie war sowieso schon schlecht drauf wegen gestern.“

„Ich weiß kaum noch, was gestern war“, gestand Tai schuldbewusst. „Ich war betrunken.“

„Mimi sagte, Minami war auf einmal bei euch.“

„Ja, schon.“ Er kratzte sich nachdenklich am Kopf. „Aber was ist schlimm daran? Ich dachte, Mimi mag Minami.“

Irgendwie war Tai wirklich niedlich auf seine Weise. Er schien tatsächlich nicht zu verstehen, weshalb Mimi sauer wegen des vorherigen Abends war.

„Aber Tai, du hattest eine Verabredung mit Mimi. Und wenn du dann nur mit einer anderen quatschst, ist das ganz schön blöd für sie. Das musst du doch verstehen“, versuchte Sora ihm das Problem zu erklären.

„Vielleicht war das wirklich blöd für sie. Aber Minami ist ganz okay.“

Nein, ist sie nicht, dachte Sora.

„Stell dir vor, du hast eine Verabredung mit Mimi“, begann Sora langsam. „Dann kommt plötzlich ein Typ angelaufen und setzt sich zu euch. Daraufhin redet Mimi nur noch mit ihm und beachtet dich nicht mehr. Wie würdest du das finden?“

Tai schien es sich vorzustellen und runzelte die Stirn. „Ich denke, ich wäre sauer.“

Erwartungsvoll sah Sora ihn an. „Also kannst du sie verstehen?“

„Ich denke schon“, murmelte er. „Ich finde trotzdem, sie kann auch mal gleich sagen, was sie hat, ohne immer herum zu zicken und nicht mit mir zu reden.“

Zufällig kam in diesem Moment Mimi mit einem Regenschirm in der Hand die Treppe hinunter stolziert. Tai sprang sofort auf, als er sie sah, und hob die Hände, um sie dazu zu bringen, stehen zu bleiben. Mimi ignorierte diese Geste und quetschte sich an ihm vorbei.

„Mimi, warte! Ich muss dir was sagen“, rief Tai und machte Anstalten, ihr nachzulaufen.

„Will ich nicht hören“, antwortete Mimi abweisend ohne sich umzudrehen. Tai hielt sie an der Schulter fest und wollte sie zu sich herum drehen.

„Das mit gestern Abend tut mir Leid“, sagte er und ein flehender Ton schwang in seiner Stimme mit.

„Lass mich in Ruhe!“ Mimi riss sich von ihm los und ging durch die Tür nach draußen. Tai wollte ihr weiter nachlaufen, doch Sora hielt ihn auf.

„Lass sie“, sagte sie ruhig. „Sie kriegt sich schon wieder ein.“
 

Mit viel Betteln, Flehen und Bestechung hatte Sora es bis zum Abend doch noch geschafft, Mimi zu überreden, bei der Nachtwanderung mitzumachen und auch mit Tai zusammen zu gehen, allerdings nur unter der Bedingung, dass er sich benahm und Mimi nicht auf die Palme brachte. Sollte er auch nur ein falsches Wort sagen, würde sie sofort zurück zum Hotel gehen und wirklich den restlichen Urlaub kein Wort mehr mit ihm wechseln.

Am späten Abend machten sich die vier zusammen mit Davis und Ken auf den Weg zu dem kleinen Wäldchen am Strand, das die Freunde für die Nachtwanderung ausgesucht hatten. Es war ein relativ dichter kleiner Wald, der aus vielen verschiedenen Pflanzen bestand, die Sora noch nie gesehen hatte. Sie gingen bis an den Rand des Wäldchens. Man konnte das Rauschen des Meeres hören.

„Los, worauf wartet ihr? Die ersten beiden können gehen“, meinte Davis ungeduldig.

„Ich geh mit Sora“, verkündete Mimi plötzlich und wollte die Hand ihrer Freundin schnappen, doch Matt war schneller.

„Du gehst mit Tai, Sora ist meine Partnerin“, erwiderte er und stellte sich zwischen die zwei Mädchen.

„Und wenn irgendwas Schlimmes passiert? Ich brauche doch jemanden, der mich beschützt!“, widersprach Mimi heftig.

„Und dafür soll Sora besser geeignet sein als ich?“ Tai blickte sie verdutzt an. Sora kicherte.

„Dafür ist so ziemlich jeder besser geeignet als du“, fauchte Mimi.

„Jetzt hört auf zu quatschen!“ Davis und Ken schoben die beiden Streitenden in den Wald hinein, nicht ohne ihnen vorher noch ein Lampion in die Hand zu drücken.

„Hey, woher sollen wir wissen, wo wir lang laufen müssen?“, rief Mimi wütend.

„Das seht ihr schon“, antwortete Ken lächelnd.

„Am liebsten würde ich euch alle dafür töten!“, war das Letzte, das Sora von Mimi vernahm, dann konnte sie die beiden nicht mehr sehen.

„Hoffentlich wird es so gut, wie wir es uns vorgestellt haben“, sagte Ken und lächelte vielsagend.

„Bestimmt, und am Ende lieben die beiden sich“, meinte Davis zuversichtlich und grinste.

„Wann dürfen wir eigentlich gehen?“, fragte Matt ungeduldig.

„In zehn Minuten“, antwortete Ken.

Sora sah auf die Uhr auf ihrem Handy, das sie in einer kleinen Handtasche verstaut hatte. Wenn man warten musste, konnten zehn Minuten ewig dauern.

„Wieso sollen wir das eigentlich mitmachen? Wir streiten uns doch gar nicht und außerdem sind Tai und Mimi ja jetzt schon losgelaufen“, fragte Matt auf einmal und sah die beiden anderen Jungs an.

Davis blickte ertappt drein. „Ähm... also...“

„Es wäre ja gemein, wenn Tai und Mimi das nur zu zweit machen müssten“, warf Ken schnell ein.

Misstrauisch sah Matt die beiden abwechselnd an. Auch Sora war klar, dass da noch mehr dahinter steckte.

„Nun los, geht schon“, sagte Davis, übergab den beiden je einen Lampion und machte eine Handbewegung als wollte er eine lästige Fliege verscheuchen.

Nichts lieber als das, Hauptsache, diese blöde Nachtwanderung war schnell vorbei. Sora mochte die Dunkelheit nicht, erst recht nicht dunkle Wälder.

Langsam gingen sie und Matt in den Wald hinein. Ängstlich sah Sora sich zu allen Seiten um. Sie fühlte sich jetzt schon verfolgt und wenn sie sich vorstellte, wie einer ihrer Freunde gleich hinter dem nächsten Baum hervorspringen und schreien würde, wollte sie am liebsten sofort wieder umdrehen und sich in ihrem Bett verkriechen.

„Ganz ruhig, deine Hände sind ja schon ganz kalt“, meinte Matt lächelnd. Erst da fiel Sora auf, dass sie sich mit der freien Hand in Matts Unterarm gekrallt hatte. Als sie seinen Arm losließ, erkannte sie im Schein der Lampions die roten Spuren, die ihre Fingernägel hinterlassen hatten.

„Tut mir Leid“, sagte sie erschrocken.

„Ist doch nicht schlimm“, meinte Matt abwinkend.

„Mir ist halt nachts im Wald nicht geheuer“, erklärte Sora leise.

„Im Wald ist man doch aber am sichersten vor bösen Leuten. Die trauen sich doch auch nicht hierher“, antwortete Matt lachend. „Entspann dich einfach, dir passiert schon nichts.“

„Vor bösen Leuten vielleicht, aber nicht vor Monstern“, zischte Sora.

„Wenn ein Monster sich hierher wagt, verpass' ich ihm einfach eine Tracht Prügel“, verkündete Matt laut. „Ich pass schon auf, dass dich nichts und niemand wegfängt.“ Er nahm ihre Hand und es fühlte sich angenehm warm an, sodass Soras Herz sofort schneller schlug. Ja, Matt passte auf sie auf.

Plötzlich hörten sie ein grässliches Stöhnen links neben sich. Sora erstarrte und drehte langsam den Kopf in die Richtung aus der das Stöhnen kam. Eine dreckverschmierte Gestalt kam mit erhobenen Armen auf sie zu und stieß entsetzliche Laute aus.

Sora riss die Augen auf. Sie wollte schreien, aber brachte keinen Ton hervor. Sie wollte weglaufen, doch ihre Beine waren erstarrt. Die Gestalt näherte sich ihnen langsam. Sora hoffte, dass Matt irgendetwas unternahm, egal was. Doch auch der rührte sich nicht.

Als die Gestalt sie fast erreicht hatte, konnte Sora plötzlich doch einen ohrenbetäubenden Schrei ausstoßen und ihre Beine funktionierten wieder. Sie sprintete los in irgendeine Richtung und hielt erst an, als sie nichts mehr hörte. Ihren Lampion hatte sie fallen lassen.

Wo bin ich?, dachte sie panisch. Ihre Augen mussten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen und während sie fast nichts sah, starb sie fast vor Angst. Wo war nur Matt? Gerade als sie überlegte, ob sie einfach hier bleiben und heulen sollte, hörte sie seine Stimme.

„Sora? Wo bist du?“, rief er. „Das war doch nur Yolei!“

Yolei? Gott sei Dank! Wie konnte sie sich nur so aufführen und in Panik geraten? Sie wusste doch, dass ihre Freunde hier etwas vorbereitet hatten.

„Ich bin hier!“, rief sie schließlich zurück. Zwischen den Büschen einige Meter von ihr entfernt sah sie die Lampions aufleuchten. Sie lief schnell auf die sich bewegenden Lichter zu und war heilfroh und peinlich berührt zugleich, als sie Matt erblickte.

„Tut mir Leid, ich hab mich total erschrocken“, gestand sie und sah zu Boden.

„Schon okay“, lachte Matt und gab ihr ihren Lampion zurück. „Wenn du das nächste Mal eine komische Gestalt siehst, dann denk dran: Das ist einer von uns. Aber bitte renne nicht noch mal weg.“

„Nein“, murmelte Sora und lief rot an. Wie peinlich.

„Naja, Yolei sah ja auch echt gruselig aus“, räumte Matt ein. Sora kicherte, denn da hatte er allerdings recht. Yolei könnte gut in einer Geisterbahn arbeiten.

Sie gingen weiter durch die Dunkelheit und erblickten einen leuchtend weißen Pfeil, der mit Kreide auf einen Baumstamm gemalt worden war. Er zeigte nach rechts und unbeirrt ging Matt nach rechts. Sora allerdings fragte sich, ob der Pfeil nicht vielleicht schon vorher da gewesen war. Was, wenn sie sich in diesem Wald verliefen? Quatsch, der war ja nur klein.

Plötzlich sprangen zwei Gestalten aus einem Graben hervor. Ihre Haut war weiß, die Augen dunkel schattiert. Sora bekam wieder einen furchtbaren Schreck und schrie auf, doch diesmal erinnerte sie sich rechtzeitig daran, dass das keine bösen Monster waren.

„Wuuuuuuuuhh“, riefen die beiden Gestalten und kamen auf Matt und Sora zu gerannt. Jede der beiden packte einen von ihnen und Tat, als würde sie ihn gefangen nehmen und mitschleifen wollen. Sora betrachtete die Gestalt, die sie gepackt hatte, genauer, und erkannte Kari.

„Hey, ihr seht super aus“, lobte sie die beiden.

„Findest du? Danke.“ Kari ließ sie los und grinste. „Wir haben uns auch viel Mühe gegeben.“

Die andere Gestalt war natürlich T.K., der nun Matt losließ.

„Na, haben wir euch erschreckt?“, fragte T.K. lachend an seinen Bruder gewandt.

„Nein, denn du siehst sonst auch nicht gruseliger aus als jetzt“, neckte Matt den Jüngeren.

„Haha“, murrte T.K. und fuhr sich mit den Fingern durch das schmutzige blonde Haar.

„Und wie ist es bei Tai und Mimi gelaufen?“, fragte Sora neugierig.

„Mimi hat sich Tai in die Arme geworfen und geschrien“, erzählte T.K. lachend. „Es macht aber auch echt Spaß, Monster zu spielen, oder Kari?“

„Ja“, antwortete die Angesprochene lächelnd. „Und unser Plan scheint auch noch zu funktionieren. Mimi wollte meinen Bruder gar nicht wieder loslassen.“

Das waren ja gute Neuigkeiten. Vielleicht war der Streit zwischen Tai und Mimi nun endlich vorbei.

„Los, T.K., lass uns zu Davis und Ken zurückgehen“, meinte Kari nun an T.K. gewandt.

„Ja, wir warten dann auf euch“, fügte T.K. an Matt und Sora gewandt hinzu.

„Die sahen wirklich gut aus“, bemerkte Sora, als die beiden außer Sichtweite waren.

„Ja, ich bin gespannt, wer oder was uns hier noch so erwartet“, stimmte Matt zu und ging weiter. Sora folgte ihm. Sie musste aufpassen, dass sie nicht stolperte, da sich auf dem Boden allerlei Wurzeln und Gestrüpp tummelten. So leuchtete sie mit ihrem Lampion den Weg aus.

„Sora, sag mal...“ Matt blieb auf einmal stehen, sodass Sora fast gegen ihn gelaufen wäre.

„Hm?“, machte sie und blieb dicht hinter ihm stehen. Er drehte sich zu ihr um.

„Wie fandest du es eigentlich vorgestern?“, fragte er unvermittelt.

„Ähm... was?“ Sora war verwirrt und lief rot an. Warum fragte er das jetzt? Und wie kam er jetzt darauf, wo sie doch gerade durch einen dunklen Wald liefen.

„Ich meine unser Date. Hat es dir gefallen?“

„Ja“, sagte Sora langsam. „Dir etwa nicht?“

„Hm“, machte Matt nun und setzte sich wieder in Bewegung. Sora lief neben ihm. Seine Reaktion beunruhigte sie. Was sollte denn „hm“ bedeuten?

„Doch, schon“, sprach er schließlich weiter. „Aber ich weiß nicht so richtig, was das jetzt zu bedeuten hat.“

Tja, das würde sie ebenfalls gern wissen. Sie hoffte, dass sie nicht ebenfalls eine war, mit der er sich hier die Zeit vertrieb. Vielleicht war er ja jemand geworden, der unbedingt immer von Mädchen umgeben sein musste? Und wenn sie wieder zu Hause waren, ließ er sie links liegen. Oh nein, daran wollte Sora jetzt nicht denken.

„Ich weiß auch nicht“, sagte sie stattdessen verlegen.

„Vielleicht sollten wir... oh, was ist das denn?“ Er blieb wie angewurzelt stehen. Sora folgte seinem Blick und sah eine relativ kleine schwarze Gestalt an einem Baum stehen. Sie hatte ihnen den Rücken zugewandt. Das war bestimmt wieder einer ihrer Freunde, doch die Gestalt machte keine Anstalten, sich zu bewegen.

„Hey, wir haben dich gesehen“, rief Sora. Von der Größe her konnte es eigentlich nur Cody sein. Die Gestalt reagierte noch immer nicht, also stapfte Sora zu ihr hinüber. „Du kannst dich zu erkennen geben, Co- .... Aaaaahhhhh!“ Mit weit aufgerissenen Augen stolperte sie rückwärts und fiel zu Boden. Die Gestalt hatte sich zu ihr umgedreht. Ihr Gesicht war von einer abscheulichen Maske bedeckt. Es war eine grässliche Fratze und da Sora nicht mit so etwas gerechnet hatte, hatte sie sich schon wieder erschrocken.

Cody schob die Maske nach oben und kam auf Sora zu. „Ich wollte dich nicht so sehr erschrecken, tut mir Leid“, meinte er mit einem schuldbewussten Blick.

„Schon okay“, seufzte Sora. Sie saß noch immer auf dem Boden und wollte noch kurz sitzen bleiben, bis der Schreck wieder aus ihren Gliedern gewichen war. Matt hockte sich neben sie und legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter.

„Du kannst ja nichts dafür, dass Sora so ein Angsthase ist“, sagte er grinsend.

„Es tut mir trotzdem Leid.“ Cody beugte sich ein wenig zu Sora hinunter. „Geht's wieder?“

„Ja, ist schon okay“, antwortete Sora und stand wieder auf.

„Sag mal, bist du ganz allein hier?“, fragte Matt an Cody gewandt.

„Nein, ist er nicht.“ Joe kam aus dem Gebüsch heraus und grinste verlegen. Auch er trug schwarze Sachen und eine Maske, die er sich auf den Kopf geschoben hatte. „Ich musste nur gerade mal.“

„Ah, dann fehlt ja nur noch Izzy“, stellte Matt fest.

„Ja, der kommt fast am Ende“, erwiderte Cody. „Also wenn ihr bei ihm seid, dann habt ihr es geschafft.“

„Dann gehen wir mal besser, damit wir hier wieder heraus kommen“verkündete Matt und machte sich schon auf den Weg.

„Bis nachher“, sagte Sora zu Joe und Cody und folgte ihm. Na super, bevor Cody sie erschrocken hatte, hatten sie gerade über den Kuss geredet. Wie konnte sie nun das Thema wieder anschneiden?

Schweigend liefen sie nebeneinander durch den Wald, wahrscheinlich jeder in seinen eigenen Gedanken versunken. Sora konnte es kaum noch erwarten, aus dem Wald herauszukommen, auch wenn dann ihre Zweisamkeit mit Matt erst einmal wieder vorbei war. Aber hier war es einfach zu unheimlich. Ein paar weitere Pfeile mit Kreide auf Baumstämme gemalt ließen sie ein paar mal abbiegen, bis sie plötzlich ein dämonisches Lachen aus einem Gebüsch hörten. Das musste dann wohl Izzy sein.

„Izzy, wir haben dich gehört, du kannst raus kommen“, rief Sora in die Dunkelheit. Izzy tauchte aus dem Busch auf. Sein Lachen verstummte und er starrte sie an, als würde er sie zum ersten Mal sehen. Hätte Sora nicht gewusst, dass es Izzy war, hätte sie ihn nicht erkannt. Sein Gesicht war komplett dunkel und dreckverschmiert, sein Haar stand wild von seinem Kopf ab und war ebenfalls voller Dreck und Blätter. Seine Klamotten waren zerrissen und ebenfalls dreckig. Der Blick, mit dem er sie anstarrte, wirkte fast schon animalisch.

„Du kannst jetzt zurück zu den anderen gehen“, sagte Matt. „Wir sind ja auch gleich da.“

Er rührte sich noch immer nicht und starrte sie weiter an. Sora runzelte die Stirn. Da nahm wohl jemand seine Aufgabe zu ernst.

Izzy duckte sich ein wenig, als wollte er zum Sprung ansetzen, stieß ein lautes Fauchen aus, drehte sich um und rannte davon. Matt und Sora tauschten einen entgeisterten Blick.

„Was sollte das denn?“, fragte Sora und schüttelte den Kopf.

„Er hat sich wohl ein wenig zu sehr hineingesteigert“, fügte Matt hinzu. Wenigstens war diese Nachtwanderung nun vorbei. Sie gingen schnell weiter, um den Wald zu verlassen, doch als sie das Ende schon sahen, sprang plötzlich jemand von einem Ast herunter direkt ihnen vor die Füße und brüllte: „Wuuuuaaaahhh!“.

„Izzy?!“ Sora starrte den Freund fassungslos an. Matt klappte die Kinnlade herunter.

„Ihr solltet euch eigentlich erschrecken“, grummelte Izzy. Er hatte sein Gesicht vermutlich mit Kohle verschmiert, denn es war schwarz. Ansonsten sah er völlig normal aus, keine zerrissenen Klamotten, keine zu Berge stehenden Haare.

Erschrocken war Sora allerdings.

„Wenn du hier bist...“ Sie spürte, wie ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief. „Wer war dann das gerade eben?“

„Was? Wen meinst du?“, fragte Izzy verdutzt. „Vor euch kamen Joe und Cody, habt ihr sie nicht erkannt?“

Hektisch sah sich Matt nach allen Seiten um. Dann packte er Izzy und Sora jeweils mit einem Arm und schleifte sie in Richtung Waldrand. „Da war gerade eben jemand, von dem wir dachten, du wärst es“, zischte er Izzy zu. Die drei beeilten sich, dass sie aus dem Wald herauskamen, weg von diesem unheimlichen Geschöpf, was immer es auch gewesen sein mochte.

„Was?“, Izzy sah Matt und Sora verstört an. „Das kann eigentlich nicht sein.“

Sie traten aus dem Wald heraus. Ihre Freunde klatschten fröhlich, als sie sahen, dass sie es heil überstanden hatten, jedoch ließen sie sich von ihren entgeisterten Blicken offenbar verunsichern.

Yolei lief auf Sora zu. „Das mit Tai und Mimi hat super geklappt“, berichtete sie grinsend. „Und tut mir echt Leid, dass ich dich vorhin so erschreckt habe. Ich wusste gar nicht, dass ich so überzeugend sein kann.“

Sora konnte sich kaum auf das konzentrieren, was Yolei sagte. Besorgt ging sie ihre Freunde durch. Es waren alle da, bis auf...

„Wo sind T.K. und Kari?“, fragte Matt forsch.

„Keine Ahnung, vermutlich noch im Wald, wenn sie noch nicht hier sind“, antwortete Joe stirnrunzelnd. „Ist irgendwas nicht in Ordnung?“

Schnell berichtete Matt allen, was soeben vorgefallen war. Alle blickten völlig durcheinander drein. Tai war der Erste, der reagierte. „Wir müssen sie suchen!“ Und schon wollte er wieder in den Wald stürzen.

„Halt!“ Matt hielt ihn am Oberarm fest. „Wir können nicht einfach alle kopflos da rein rennen. Es müssen auch welche hier bleiben, falls sie hier auftauchen.“

„Ja, du hast recht. Die Mädchen sollten hier bleiben“, stimmte Tai ihm zu und sah sich zu seinen Freunden um.

„Was? Und was ist, wenn der Verrückte den Wald verlässt und herkommt?“, rief Mimi empört.

„Ich bleibe auch hier. Zu viert werden wir schon mit ihm fertig“, bot Joe sich an.

Tai nickte und wollte schon loslaufen, doch Sora hielt ihn noch kurz am Arm fest. „Passt auf euch auf“, sagte sie leise. Ihr Blick war besorgt. Tai nickte kurz und schließlich liefen alle bis auf Joe und die drei Mädchen zurück in den Wald. Yolei hatte sich inzwischen ängstlich an Soras Arm geklammert. Dicht zusammen gedrängt setzten sich die vier in den Sand und warteten und bangten.

„Ob das ein Kannibale war?“, fragte Yolei plötzlich.

„Oh nein, ich dachte, die gibt’s nur tief in den Dschungeln Asiens.“ Mimi sah ängstlich zu Joe, als erwartete sie nun eine fachkundige Antwort von ihm.

„Ich weiß es leider auch nicht so genau. Ich hätte nicht gedacht, dass es hier welche gibt“, antwortete Joe. Er sah nachdenklich aus.

„Hoffentlich kommen alle heil zurück“, warf Yolei ein. Sie zitterte am ganzen Körper und ihr Blick war angsterfüllt. Sora hatte vor Anspannung die Hände zu Fäusten geballt. Wieder und wieder hatte sie den irren Anblick dieses Wesens vor Augen und fragte sich, was das nun wirklich war.

„Vielleicht war es auch einfach nur ein Obdachloser, der im Wald lebt, und wir haben ihn erschreckt“, überlegte sie schließlich.

„Möglich“, meinte Joe.

Mimi zog die Beine dicht an den Körper und schlang die Arme um die Knie. Sie wippte nervös hin und her. Yolei sah sich ständig ängstlich um. Es war gut, dass Joe bei ihnen geblieben war. Er strahlte eine gewisse Ruhe aus.

Der Mond schien hell und tauchte sie alle in silbernes Licht. Alles wirkte sehr friedlich, wäre da nicht diese unheimliche Sache gewesen.

Nach weniger als einer halben Stunde tauchten ihre Freunde wieder auf. Sora und die anderen richteten sich sofort auf und kamen auf sie zu gelaufen. Sora atmete auf, als sie sah, dass T.K. und Kari dabei waren, die allerdings sehr missmutig und auch genervt dreinschauten. Yolei umarmte Kari stürmisch. „Wo wart ihr denn? Ist alles okay mit euch?“

„Ja“, murmelte Kari.

„Wir waren nur noch ein bisschen spazieren“, fügte T.K. schulterzuckend hinzu.

Tai und Matt hatten beide einen strengen Blick aufgesetzt.

„Ihr könnt doch nicht so einfach machen, was ihr wollt, und keinem Bescheid sagen“, rügte Matt die beiden.

„Was denkt ihr euch eigentlich dabei? Wir wissen nicht, was es mit diesem Irren auf sich hat und ihr rennt allein im Wald rum“, pflichtete Tai ihm bei.

T.K. und Kari wirkten nun noch genervter.

„Jetzt seid nicht so streng mit ihnen. Bestimmt wussten sie nicht mal, dass da so jemand sein Unwesen treibt, oder?“, versuchte Sora zu schlichten. Sie lächelte beide Parteien aufmunternd an.

„Genau, wir sollten lieber froh sein, dass wir alle noch heil hier sind“, stimmte Joe zu.

„Ja, lasst uns jetzt lieber zurück ins Hotel fahren“, meinte auch Izzy.
 

Als die Freunde gerade aus dem Bus ausstiegen, konnte Sora sich nicht entscheiden, was sie nun lieber tun wollte. Einerseits wollte sie natürlich unbedingt das Gespräch mit Matt fortsetzen und ihm endlich sagen, dass sie sich in ihn verliebt hatte, doch andererseits wollte sie sich auch von Mimi berichten lassen, wie genau die Nachtwanderung mit Tai war. Während der Busfahrt war Sora nicht entgangen, wie die beiden ständig verstohlene Blicke miteinander getauscht hatten, die sie nicht zu deuten wusste. Sie sah zu Matt. Ob er wohl irgendwelche Anstalten machen würde, sie in ein Gespräch zu verwickeln? Doch der unterhielt sich gerade angeregt mit T.K. und beachtete sie gar nicht.

Mimi alberte mit Yolei herum und sah nicht so aus, als wollte sie unbedingt jetzt Sora von ihrem nächtlichen Abenteuer erzählen, weshalb Sora sich ein Herz fasste und mit weichen Knien zu Matt ging. Einige Sekunden später hatte T.K. ausgeredet und so wandte Matt sich mit fragendem Blick an Sora. Diese sah kurz unschlüssig zu T.K., der sofort verstand, vielsagend grinste und zu Kari hinüber schlenderte. Warum konnte Matt nicht auch so ein Blitzmerker sein? Dann hätte sie sich das nun folgende Gespräch sparen können.

„Wollen wir vielleicht noch eine Runde an den Strand gehen?“, fragte sie und war bemüht, unbefangen zu klingen.

„Klar“, antwortete dieser und wandte sich an den Rest der Gruppe. „Leute, geht schon mal vor, wir kommen später nach.“

Alle drehten sich zu ihnen um und Sora konnte spüren, wie ihre Wangen ganz heiß wurden. Mimi sah sie mit großen Augen an, woraufhin Sora kaum merklich nickte. Mimi lächelte ihr aufmunternd zu und wandte sich dann, wie auch die anderen zum Gehen um.

Sora und Matt bogen nach rechts auf den Strand ab. Matt hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und schien darauf zu warten, dass Sora etwas sagte. Die beiden schlenderten durch den weißen Sand, der im Mondlicht silbern wirkte. Das Meer rauschte sanft, es wehte kaum ein Wind.

„Eine schöne Nacht“, meinte Matt schließlich, wahrscheinlich um ein Gespräch in Gang zu bringen.

„Mhm“, machte Sora zustimmend und sah in die Sterne. Es war wirklich eine schöne Nacht. Sie holte Luft, um etwas zu sagen, doch hielt sich wieder zurück. Wie sollte sie nur anfangen? Sie hatte sich vorher keine Sätze zurechtgelegt. Wie konnte man so ein Gespräch nur beginnen? Ihr Herz klopfte wild und ihre Beine fühlten sich wackelig an. Sie atmete schneller als normal.

„Also, ich wollte...“, fing sie an, doch sie wusste nicht, wie sie diesen Satz beenden sollte. Matt sah sie auffordernd an.

„Ähm... erinnerst du dich an Weihnachten vor eineinhalb Jahren?“, fragte sie schließlich mit zittriger Stimme.

Matt schien zu überlegen, dann lächelte er belustigt und nickte. „Da waren wir verknallt ineinander.“

„Ja, aber ich glaube, damals war es noch zu früh für eine richtige Beziehung. Zumindest für mich“, sagte sie langsam.

„Für mich irgendwie auch. Kein Wunder, dass das nicht lange gut gegangen ist damals“, meinte Matt. Er sah aufs Meer hinaus, als würde er Blickkontakt mit ihr meiden wollen.

„Naja, also ich glaube, dass es heute besser laufen würde.“ Oh Gott, was rede ich hier eigentlich?, dachte Sora bei sich. So hatte sie das Gespräch eigentlich nicht in die Richtung lenken wollen. Was sollte Matt von dieser Aussage halten?

Stirnrunzelnd sah er sie an. „Was willst du damit sagen?“

Sie kniff die Lippen zusammen und zögerte. Krampfhaft überlegte sie, was sie nun sagen sollte und wie. Schließlich seufzte sie und blieb stehen. „Verdammt Matt, warum begreifst du das nicht? Ich habe mich in dich verliebt und will mit dir zusammen sein und nicht mehr nur befreundet. Ich will, dass du mich auch wahrnimmst, und nicht nur diese Minami. Ich will deine Freundin sein, und zwar deine Feste.“ So, nun war es endlich heraus. Sie hatte es gesagt und konnte es nicht mehr rückgängig machen. Eigentlich hatte sie sich dieses Gespräch ganz anders vorgestellt. Es würde sie kein bisschen wundern, wenn er jetzt lachen oder wortlos zum Hotel gehen würde. Sie erwartete fast schon, dass er lachte, doch er tat es nicht.

„Oh“, brachte er stattdessen heraus und starrte sie an. „Damit habe ich irgendwie nicht gerechnet.“

„Aber Matt!“, stieß Sora hervor. „Was glaubst du denn sonst, was die letzten Tage ablief? Warum ich so verletzt war als du... am Inselfestabend. Warum ich dich geküsst habe und mich auf das Date mit dir gefreut habe. Warum ich so schlecht gelaunt war, wenn Minami in der Nähe war. Was glaubst du war der Grund dafür?“

„Ich, also...“ Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Ich weiß auch nicht. Ich stand wohl auf dem Schlauch.“ Er sah sie verzweifelt an und machte keine Anstalten, sie zu küssen oder zu umarmen oder sonst irgendwie positiv auf ihr Geständnis einzugehen. Enttäuscht und traurig sah sie ihn an. Natürlich hatte sie sich eine andere Reaktion erhofft.

„Ich gehe jetzt besser schlafen“, sagte sie leise und wollte schon gehen, doch Matt hielt sie am Handgelenk fest. Er ließ sich in den Sand fallen und zog sie zu sich herunter.

„Entschuldige, das war wohl nicht die Reaktion, auf die du gehofft hast“, sagte er betrübt. „Und auch nicht die, die du verdienst.“

Oh nein, wollte er jetzt etwa mit „Du bist ein tolles Mädchen, aber...“ anfangen? Dann würde sie sofort gehen, denn wenn er das sagte, würde sie vermutlich heulen.

„Weißt du, ich weiß einfach nicht, ob ich momentan eine Beziehung mit irgendwem will“, fing er an. Das klang nicht nach dem befürchteten Satz. „Ich bin viel unterwegs mit der Band, ich muss die Schule nebenbei hinbekommen und außerdem lerne ich unterwegs viele Mädchen kennen. Keine, die mich wirklich interessieren würden, aber sie sind da. Ich glaube nicht, dass ich jemand wäre, der dir gerecht werden kann und der dich so behandelt, wie du es verdient hast.“

„Aber wie willst du das wissen, ohne es versucht zu haben?“ Nun sah Sora ihn wieder an.

„Ach, weißt du, es ist einfach so eine Angst, dass ich dich enttäuschen könnte. Seit unserem Date ist da irgendwas. Ich sehe dich jetzt ganz anders, du bist mehr als nur eine Freundin. Du bist anders als die meisten anderen. Ich fühle mich total angezogen von dir.“ Mit starrem Blick sah er aufs Meer hinaus und Sora konnte kaum glauben, was sie da gerade gehört hatte. Sie starrte ihn mit offenem Mund an.

„Aber was brauchst du noch, um es wenigstens zu versuchen? Was?“, fragte sie verzweifelt.

„Lass mich einfach bitte eine Nacht darüber schlafen, okay?“

„Okay.“
 

Wieder zurück in ihrem Hotelzimmer ließ Sora sich seufzend auf ihr Bett fallen.

„Und? Wie ist es gelaufen? Hast du's ihm gesagt?“, fragte Mimi neugierig und sah ihre Freundin erwartungsfroh an.

„Ja, ich hab's ihm gesagt“, antwortete Sora und schloss die Augen.

„Und?“ Mimis Stimme klang ganz aufgeregt.

„Ich weiß auch nicht. Er muss eine Nacht darüber schlafen, hat er gesagt, weil er glaubt, er könnte mich nicht so behandeln, wie ich es verdient hätte.“

„Typisch Männer. Aber das ist zumindest kein Korb.“

Sora öffnete die Augen wieder und setzte sich auf. „Wie lief es denn eigentlich bei dir und Tai heute Abend?“ Sie lächelte spitzbübisch.

Mimi wurde plötzlich rot. „Es war ganz okay. Er hat sich immer beschützend vor mich gestellt und wir haben viel geredet.“

„Worüber?“, hakte Sora weiter nach.

„Na über uns hauptsächlich. Er hat betont, dass er mich mag und mich nur deswegen dauernd nervt. Und dass er mich vielleicht ein bisschen mehr mag als die anderen“, berichtete Mimi und das Rot auf ihren Wangen verdunkelte sich.

Zumindest das schien geklappt zu haben, stellte Sora zufrieden fest. Vermutlich würde es die letzten Tage auf Jamaika weniger Streitereien zwischen Tai und Mimi geben und vielleicht fanden die beiden ja noch zueinander. Was sich neckt, das liebt sich, sagt man doch.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  UrrSharrador
2012-07-10T17:37:35+00:00 10.07.2012 19:37
Ah, ein Regentag. Gehört ja zu jedem Urlaub iwie dazu^^
Matt ist immer noch ein zwielichtiger Typ, wenn du mich fragst. Tut alles, was er mit Minami hatte, einfach so lässig ab. Also ich an Soras Stelle ... na gut, keine Ahnung, was ich machen würde, aber ich glaube nicht, dass ich weiterhin so vernarrt in ihn wäre. Und Tai lebt wirklich hinter dem Mond XD Erst mit Soras Vergleich kapiert er, was Sache ist XD
Mimis Reaktionen auf ihn und alles, was sie sagt, als sie noch sauer auf ihn ist, konnte ich mir übrigens wieder echt gut vorstellen, gut gemacht :)
Und sie treffen auf einen Eingeborenen oder so was? Wer zum Kuckuck war das? O.o ^^ Ich dachte echt schon, der hätte Kari und T.K. erwischt^^
Und Sora gesteht Matt endlich alles. Der zweite, der nicht wirklich in der Erdatmosphäre wohnt^^
Gut, hier ist für heute mal Schluss (planmäßig halt^^) Bin schon gespannt, wies weitergeht und ob Minami nochmal vorkommen wird. Die beiden Pairings scheinen ja endlich auf gutem Weg zu sein :)
Von:  xGaaraHeroine
2012-02-26T16:34:25+00:00 26.02.2012 17:34
Wundervoll! Ich hoffe es geht bald weiter! Ich freu' mich schon! :')
Weiter so!
Von:  xGemini
2012-02-20T13:37:08+00:00 20.02.2012 14:37
man hab dich hoffung schon fast aufgegeben gehabt!! hab mich so gefreut das neue kapi zu lesen!!! die FF is so toll und bin schon sehr auf´s nächste kapi gespannt!!!! weiter so!!! <3


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