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Kamikaze Kaito Jeanne - reloaded!

Live fast, die never
von

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Hallo!

>_____< *zu Kreuze kriech* *auf die Knie fall* Bitte seid mir nicht böse! Ich weiß, ich war langsam...Schneckentempo wäre dagegen richtig schnell gewesen! Kleiner Trost: Kapi 5 ist das längste, das bis jetzt online kam! ^.^ Viel Spaß beim lesen!
 

PS: Die Kapiteltitel entfallen erst mal...vielleicht denke ich mir ja mal irgendwann ein paar vernünftige aus, dann ergänze ich sie ^^
 

Kapitel 5:
 

In Marrons Schädel schien eine Horde wildgewordener Gorillas eine Party zu veranstalten - und zwar in erstaunlich genau passendem Takt zur Klingel ihrer Haustür...Sollten ihre armen Nerven denn wirklich niemals ein wenig Ruhe bekommen? Sie riss die Tür auf und versuchte ihr Möglichstes zu tun, um nicht die Beherrschung zu verlieren - äußerlich jedenfalls. "Myako, musst du immer Sturm klingeln? Wir leben hier nicht auf einem Jahrmarkt und nein, ich bin auch nicht taub..." - ,Obwohl ich das sicher noch mal sein werde, wenn du so weiter machst!' fügte sie in Gedanken weitaus weniger kultiviert hinzu. "Und? Womit kann ich dir derartig früh am Morgen dienlich sein?..." Sie wollte nur noch zurück ins Bett. - Und sie hoffte inständig, dass das hier möglichst schnell über die Bühne bringen konnte!

Doch die elementare Ironie ihrer Worte traf anscheinend nicht auf besonders fruchtbaren Boden. - Um ehrlich zu sein war er wohl eher staubtrocken, denn Myako überging die Kritik einfach! " Nun komm schon! Wir sind spät dran! Chiaki ist schon unten - er hat mir versprochen auf uns zu warten, wenn du dich beeilst!" Auf einmal war Marron hellwach. Klar, es war noch nicht Wochenende. Der Unterricht begann in einer guten halben Stunde. - Und natürlich würden sie, als beste Freundinnen, selbstverständlich zusammen hingehen...Aber was hatte Chiaki in diesem Zusammenhang da zu suchen?! "WIESO in Dreigottesnamen wartet DIESER Schnösel auf uns?!?" Myakos Antwort war schlicht und ergreifend: "Weil ich ihn gefragt hab." Das war echt die Höhe! Sie hatte diesem Kerl nie wieder über den Weg laufen wollen - was sich in Anbetracht der Umstände wahrscheinlich als ziemlich schwierig gestaltet hätte, wenn sie spontan an Access und seine doch eher morbiden Vorstellungen von Hilfe dachte! Der Typ würde ihr auch ohne Myakos Zutun schon genug auf den Senkel gehen!

"WAS hat dich verdammt noch mal dazu gebracht ausgerechnet IHN zu fragen?" Ok - eine dumme Frage, deren Antwort ihr schon allzu klar vor Augen lag... "Marron, hast du ihn dir überhaupt schon mal angesehen?" "Nein, Monster kann ich auch im Gruselkabinett betrachten - mit weitaus besserer Unterhaltung!" Vernichtende Ansicht, aber wahr. - Zumindest, was Marrons Meinung anging...Myako hielt natürlich heftig dagegen! "Der ist doch voll attraktiv! Diese Arme, dieses Lächeln! Zum Dahinschmelzen!"

Marron konnte nur noch resigniert mit den Augen drehen. - Bei der war Hopfen und Malz verloren! Aber sollte sie lediglich ihrer besten Freundin zuliebe wirklich den ganzen langen Weg zur Schule einen derart arroganten Mistkerl ertragen? ,Als ob ich nichts Besseres zu tun hätte!' schoss es ihr durch den Kopf. Aber die beiden alleine lassen konnte sie auch schlecht...Wer weiß, was der mit Myako anstellen würde! - Ja, so einem Typen konnte man einfach nicht über den Weg trauen! "Egal...Lass gut sein...Gib mir fünf Minuten und ich bin da..."

Sie schlüpfte zurück in ihre Wohnung. Was war hier bloß für eine Unordnung? Bei bestem Willen...Myako konnte jetzt echt nicht hereinkommen...Auf dem Wohnzimmertisch lagen immer noch der Verbandskasten und mehrere leere Spritzen...und ein paar Schmerztabletten. Die Schmerzen hatten sie kaum schlafen lassen. Ja, die letzte Nacht war nicht gerade das, was man das gelbe vom Ei nannte...

Erst diese halsbrecherische Flucht mit Myako im Schlepptau...und dann - als wäre sie mit ihrem verdammt hinderlichen Mitbringsel, dem verstauchten Fuß, nicht schon genug gestraft gewesen, ging auch noch ihr Beeper los! Sie musste echt lebensmüde gewesen sein, als sie dann wahrhaftig zum Einsatz um Punkt Zwei Uhr Dreißig in der tiefsten Nacht erschienen war! Bei ihrem Job waren Auszeiten oder Schlampereien leider nicht drin - Aber da hatte sie sich eindeutig zu viel zugemutet! - Klüger war man leider immer erst hinterher...

An sich war es ja nichts Schweres: Einmal schnell hineinschneien, die Akte fotokopieren und wieder verschwinden. - Möglichst ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Und wären da nicht diese Idioten von Schützen, namentlich auch bekannt als die Sicherheitskräfte, gewesen! - Es hätte so schön einfach sein können! - Sie hatte nur einen winzigen Moment nicht aufgepasst. - Aber dann war es auch schon geschehen...Ein Schuss in ihre Richtung und sie konnte nicht mehr rechtzeitig ausweichen... "Echt astrein gelaufen, meine Liebe! Wozu wurden eigentlich Schutzwesten erfunden? Wozu werden sie dir sogar kostenlos zur Verfügung gestellt? Damit du sie nicht anziehst?!", schalt sie sich selbst. Jetzt gab's zu ihrem ohnehin schon demolierten Fuß auch noch eine entzückende Schusswunde gratis dazu, die ihr das Gefühl gab, dass ihre Eingeweide eher einem Fleischsalat glichen! Direkt in die Taille. - Hautenge Kleider waren für die nächste Zeit erst mal tabu...

"Ist jetzt auch egal. Reiß dich lieber zusammen und lass dir bloß nichts anmerken, Marron!", versuchte sie sich selbst zu ermahnen. - Im Normalfall klappte das immer ganz gut. Einreden, dass es nicht so schlimm sei, Augen zu...und clever durchmarschiert...aber wie gesagt: Im Normalfall. Ihre reche Hand zitterte. So schlimm war es schon lange nicht mehr gewesen...

Mit einem letzten kontrollierenden Blick auf ihren Verband und ein, zwei Schmerztabletten später, verließ sie schließlich das Wohnzimmer und rief übertrieben fröhlich: "Achtung! Ich kommeeeeee!!!" Myako wartete natürlich schon am Fahrstuhl. - Bereit zur Abfahrt. Sie waren wesentlich schneller im Erdgeschoss angekommen als es ihr lieb war - leider. Es half ja doch nichts...Die Fahrstuhltüren würden sich jeden Moment öffnen und mit einer niederschmetternd hohen Wahrscheinlichkeit würde ER vermutlich auch dort sein...'Na schön...einmal tief durchatmen und dann schleunigst raus hier!', dachte sie. Aber sie ahnte bereits, dass das hier doch ein wenig mehr von ihrer kostbaren Zeit beanspruchen würde.

"Hallo Chiaki!!!!!!! Da sind wir!" Die Euphorie, die in Makos Stimme mitschwang war schon beinahe unmenschlich. Wie konnte man bloß auf so einen Typen stehen?!? Schleimig, verwöhnt, arrogant; einfach widerlich! Das Mädchen hatte weitaus besseres verdient! Chiaki winkte den beiden zu. "Habt ganz schön lange gebraucht..." und als sein Blick von Myako zu Marron wanderte, durchlebte sein Tonfall ein Tal der Verwandlung: "Na, da bist du ja wieder!" Sein Lächeln sprach tausend Bände und Marron vermochte es dennoch nicht zu deuten. Sie beschloss cool zu bleiben. Distanz war die beste Abwehr. "Morgen. Können wir los? Ich hab keinen Bock zu spät zu kommen!" Sie musste sich selbst loben. Noch geschäftsmäßiger ließ es sich echt nicht mehr formulieren! "Aber immer doch,...Prinzessin!"

...Hatte er gerade "Prinzessin" gesagt?!? Tickte der noch ganz richtig oder wollte er sie einfach nur ärgern? Er hatte es echt darauf angelegt..."Hör mal zu: Wie wär's, wenn du einfach zur Abwechslung mal deine Klappe hältst und wir ganz schnell zur Schule gehen, damit ich dich wieder los bin? Von mir aus kannst du da dann soviel reden, wie du willst - vorausgesetzt ich bin weit, weit weg. Noch Fragen?" Sie hob ihre Augenbrauen an. - Äußerlich wirkte sie knallhart, doch innerlich...WIESO brachte er sie nur immer so in Rage? - Hätte sie von vornherein Access' Aufgabe lieber gleich selbst erledigt, dann müsste sie sich jetzt nicht mit so einem Pavian herumschlagen, sondern könnte in aller Ruhe ihre Aktion gegen Fynn planen!

Chiaki lächelte sie nur verschmitzt an. Was sollte denn das nun schon wieder?!? "Können wir jetzt endlich gehen?!?" - Marron war selbst überrascht über den gereizten Ton, der in ihrer Stimme mitschwang. Wieso konnte sie nicht einfach ruhig bleiben, wie sonst bei jedem anderen gottverdammten Typen auf dieser Welt auch?

"Klar können wir gehen." WAS sollte das denn jetzt? Sie hätte ihm so gut wie jeden Spruch zugetraut, aber doch keine simple Zustimmung! - ,Da hab ich wohl zu viel von dir erwartet, Mister Perfect...'

Der Weg zur Schule war größtenteils normal verlaufen...zumindest soweit, wie man es als natürlich bezeichnen konnte, wenn dieser Traumtänzer da neben Myako mal ausnahmsweise immer noch seinen Schnabel hielt. Während sie durch den Eingang der Schule gingen und Chiaki ihnen doch tatsächlich die Tür aufhielt, verstand Marron nun endgültig die Welt nicht mehr! In ihrem Kopf fuhren die Gedanken geradezu Achterbahn: ,Der ist doch nicht ganz normal! Erst benimmt er sich wie der Supermann der Frauenwelt schlechthin...und von einem zum anderen Moment mutiert er zum ultimativen Gentleman erster Klasse! Wo hat Access den bloß aufgetrieben?!?'

Da musste doch irgendwas dahinter stecken! - Doch bevor sie auch nur den Ansatz einer Frage formulieren konnte, fiel Chiaki ihr ins Wort: ".Ich weiß, dass ich eigentlich noch nicht wieder reden darf - du bist ja noch nicht weg - aber wenn ich nicht sofort frage, wo das Büro des Direktors ist, komm ich womöglich noch zu spät zum Unterricht. Und das ist doch bestimmt nicht deine Absicht..." - Und wieder war da dieses Lächeln, das sich einfach nirgends einordnen ließ! Myako hingegen war natürlich sofort Feuer und Flamme ihrem Schatzi behilflich zu sein. "Ich bring dich hin!" - Und kurz darauf waren sie verschwunden.

Endlich allein. - Ein wahrer Segen, wenn sie an die einzige Alternative in Form von IHM dachte. Es war schon kurz vor Unterrichtsbeginn...sie sollte sich wirklich langsam zu ihrem Raum bewegen...
 

Punkt Acht Uhr. Von Myako war immer noch nichts zu sehen! Sie würde den Rest der Stunde wahrscheinlich schon wieder im Flur vor der Tür verbringen, wenn sie den Wettlauf gegen die Zeit und - viel schlimmer noch - gegen Frau Palkaromao ein erneutes Mal verlor...Die Tür zum Klassenzimmer öffnete sich. Marron reckte sich nach vorne um eine besseres Sicht zu erhaschen...Wer würde von beiden zuerst da sein? Die Lehrerin oder Myako?...Braune Haare kamen zum Vorschein - und der dazugehörige Kopf folgte auch sogleich. - Tja, Myako hatte wohl wieder einmal Pech gehabt. Wieso musste sie diesen Chiaki auch unbedingt noch zum Direktor bringen? Hätte er sich doch tot suchen sollen! - Wäre bestimmt nicht zu seinem Schaden gewesen!

Fräulein Palkaromao betrat das Klassenzimmer. In der rechten Hand das Klassenbuch, in der linken ihre heiß und innig geliebte Flöte - und im Schlepptau Myako...und...Marron traute ihren Augen kaum...Chiaki!

Ihr Mund stand vor Fassungslosigkeit immer noch halb offen, als Chiaki schließlich als neuer Mitschüler vorgestellt wurde. Chiaki? Ihr Mitschüler? C H I A K I ? ? ? Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein! - Doch leider - zu ihrem Entsetzen - war das anscheinend noch nicht schlimm genug...nein, es kam noch härter...Das Pult neben ihr...war...leider noch frei! - Und es war dummerweise auch der einzige leere Platz. ,So ein Mist!' Wieso musste das ausgerechnet immer ihr passieren??? Hatte sie nicht schon genug Probleme? - Anscheinend war da irgendjemand anderer Meinung, denn ihr Tag wurde Sekunde um Sekunde mieser!

Sie blickte sich um...Vielleicht hatte sie ja Glück und sie konnte während der Pause mit irgendjemand x-beliebigem tauschen! - Vielleicht würde ja auch ein Schüler aus der Parallelklasse sich dazu überreden lassen mit ihr zu tauschen! (Auch wenn sie noch nicht wusste, wie sie das der Schulleitung beibringen sollte.)

Mittlerweile war ER neben ihr angelangt. Und während er sich setzte - was bei Marron schon allein einen Tobsuchtanfall hätte auslösen können - flüsterte er ihr "Schön dich wieder zu sehen, Sonnenschein!" ins Ohr!!! Ok, sollte sie jetzt so tun, als ob sie nichts gehört hätte, oder aufspringen und ihm ihre gottverdammte Meinung geigen?! - Sie entschied sich zu ersterem und ignorierte ihn...für diesen Moment. ,Na warte nur! In der Pause kannst du was erleben!', versprach sie dem nach Vergeltung dürstenden Monster in ihr.
 

Die erste Stunde war unerträglich gewesen. Japanisch...wie langweilig. Genauso gut hätte sie jetzt auch in ihrem wunderbar kuscheligen Bett liegen können. - Ehrlich gesagt hätte sie sogar fast alles dem hier vorgezogen! Die ganzen letzten 45 Minuten über hatte sie seinen Blick im Nacken gespürt...und von der Seite...und eigentlich von überall! Zum Glück war die Stunde jetzt zu Ende. Sie zückte ihr Hausaufgabenheft und angelte sich einen Stift aus der Federtasche. Doch die Gedanken an Chiaki wollten sie einfach nicht loslassen! Langsam fing das wirklich an sie zu nerven! Was hatte dieser Typ nur so Sonderbares an sich?!? Ihre Finger spannten sich um den rosa Bleistift. Was bildete der sich eigentlich ein? Dass er einfach so mir nichts dir nichts in das Leben hart arbeitender High-School-Schüler - und ganz speziell in ihres- stolzieren und sich da breit machen könnte?!!? Der Bleistift war kaum noch in der Lage ihrer Wut standzuhalten. Sie wollte ihn nicht spüren, nicht sehen...und ihn schon gar nicht neben sich zu sitzen haben!!! Als wäre das sein Stichwort gewesen, flog der Stift in hohem Bogen runter von ihrem Tisch, durch die Luft und schließlich auf den Boden. Marron erstarrte. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie er begann ihr aus der Hand zu gleiten...Aber wie konnte das Teil über einen Meter durch die Luft sausen? Sie hatte doch nur ganz still dagesessen und ein paar Gedanken reflektiert...oder etwa doch nicht? Sollte sie wirklich einen Teil ihrer äußeren, so hart antrainierten Beherrschung verloren haben? War sie wirklich schon so weit in ihrer Wut? Die einzig vernünftige Antwort: ,Der Typ macht mich krank. Ich brauche dringend Urlaub!' Gleich nach der Mittagspause würde sie die Fliege machen...'Einfach in eine andere Klasse verschwinden und dann hat sich die Sache!', schoss es ihr durch den Kopf.

Aber bis dahin galt es tapfer durchzuhalten und die Ausgeburt des Teufels da neben ihr zu ertragen...Schweren Herzens raffte sie sich dazu auf sich von ihrem halbwegs sicheren Platz zu erheben und den Stift zurück in die heimatliche Federtasche zu bringen. - Marron hatte nur einen entscheidenden Faktor nicht beachtet: Chiaki war ebenfalls aufgeschnellt und war nur ein paar Sekunden eher bei ihrem Zielobjekt angelangt und hielt ihr es nun keck entgegen: "Hier! Dein Stift!" Marron erhob sich wieder und schaute dabei unweigerlich in sein strahlendes Gesicht. Die blauen Haare wirkten ein wenig zerzaust, aber dennoch sehr gepflegt. Und seine Augen hatten so etwas Anziehendes an sich. - Als würden sie zu fremden Welten einladen, als wüssten sie etwas, das sie nicht wusste...Wie benommen machte sie Anstalten ihm den Stift abzunehmen; immer noch gefesselt von den Tiefen seiner saphirblauen Augen. Die Berührung mit seiner geschmeidigen Hand ließ sie wieder zur Besinnung kommen. ,Reiß dich zusammen! Das ist nur ein arroganter Macho, der sich sonst was drauf einbildet gut auszusehen!', rief sie sich selbst zu Raison. Er kam ihr immer näher, diese Arme, diese weichen Gesichtszüge, diese Lippen...nein, sie musste dringend was dagegen tun, sonst würde er ihr noch mehr auf die Pelle rücken! "Ich kann selbst auf meinen Kram aufpassen. Das hätte ich durchaus auch allein geschafft!" Er lächelte sie verschmitzt an. So hatte bis jetzt noch kein Mädchen auf ihn reagiert. Und dieses eine hier weckte von Minute zu Minute mehr Interesse und machte ihn neugierig auf das, was sich hinter dem hohen Schutzwall aus Wut und Emotionslosigkeit verbarg. Eine wahre Herausforderung!

Marron war indessen schon längst wieder voll und ganz in ihre gewohnten Verhaltensprinzipien gefallen. Wutentbrannt setzte sie sich wieder an ihren Pult und nestelte an ihrer Federtasche rum. Dieser Tag trug schon bereits in den frühen Morgenstunden den unheilvollen Stempel der Marke ,Vollkatastrophe' bester Art! Am liebsten hätte sie jetzt ein paar schön kräftige Schießübungen wie in der CIA-Zentrale absolviert - mit möglichst vielen Kugeln und dem äußerst ansprechenden Gedanken, dass sämtliche Ziele stets wie Chiaki Nagoya aussahen! Ein amüsanter Gedanke. - Besonders wenn sie daran dachte, wie er vor ihr niederkniete und sie anflehte ihn zu verschonen...Die Szene gefiel ihr mehr und mehr - und fast hätte sie sich sogar ein genüssliches Lächeln abringen können...wenn nicht in eben diesem Moment ein hitzig stechender Schmerz durch ihren Körper gefahren wäre...

Marron sog scharf die Luft ein. - Das sah gar nicht gut aus. Die Schmerzmittel hätten noch mindestens drei Stunden vorhalten müssen! Sie musste sich zusammenreißen, damit sie nicht gleich vom Stuhl eine Etage tiefer auf den Boden sank. ,Scheiß Tabletten! Wieso hören die jetzt schon auf zu wirken?!?' - Sie würde sich wohl oder übel auf dem Heimweg stärkere besorgen müssen...Ihre Eingeweide zogen sich erneut zusammen. - ,OK, wesentlich stärkere!', gestand sie sich unmissverständlich ein. Doch bis dahin war es noch ein seeeeehr langer Weg und anscheinend blieb ihr keine andere Wahl als ihr Schicksal vorerst über sich ergehen zu lassen...
 

"Endlich Mittagspause!" Für Marrons Geschmack reagierte Myako ein wenig ZU enthusiastisch. ,...Könnte aber auch an meiner ganz privaten Ganzkörpertortur liegen.', dachte sie leicht gereizt. Schon seit Stunden hatte sie Probleme sich nichts anmerken zu lassen, geschweige denn sich aufrecht zu halten. Wieso war sie heute Morgen überhaupt da geblieben? Ehrlich gesagt, sie hatte nicht die geringste Ahnung. Vielleicht, weil sie nicht immer fehlen konnte, weil es zu viel Aufmerksamkeit erregte, wenn sie immer noch mit Bestnoten abschloss obwohl sie praktisch nie im Unterricht saß. Vielleicht, weil sie zur Abwechslung mal nichts mit Myako nacharbeiten wollte, das sie eigentlich sowieso schon längst wusste, oder weil sie einfach nie aufgab. Vielleicht aber auch - und das war wohl eher der wahre Grund - weil sie hier etwas festhielt, oder genauer gesagt jemand. Dieser Chiaki, so unausstehlich er auch war, ging ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf. Was war das nur? Lag es an ihren Schmerzen, oder warum kam sie sich so unendlich umnebelt vor?

"Am besten erst einmal was essen.", sagte sie mehr zu sich selbst als zu den anderen Dreien. Myako, Yamato und Chiaki. Ja, seit heute waren sie zu viert. Wie auch immer Nagoya das geschafft haben mochte, aber niemand schien etwas dagegen zu haben. - Und auch wenn Marron es wahrscheinlich nie zugegeben hätte: Selbst wenn sie bei Kräften und vollkommen geistig zurechnungsfähig gewesen wäre...sie hätte ihn nicht vertrieben. Natürlich, sie war mit seinem Benehmen nicht wirklich einverstanden und irgendwie ging er ihr auch gewaltig auf den Keks...aber er schien auch gute Seiten zu haben. - Und normalerweise konnte sie sich auf ihre Menschenkenntnis voll und ganz verlassen!

"Lässt du mich mal abbeißen?" Marron wurde aus ihren Gedanken gerissen. "Häh?" Sie hatte Probleme einen klaren Blick zu fassen. Chiaki schien davon zum Glück keine Notiz zu nehmen. "Dein Sandwich." Er deutete frech auf ihre rechte Hand. "Darf ich da mal abbeißen? Hab mein Pausenbrot heute vergessen." Seine strahlenden Zähne hätten sie fast erblinden lassen! War sein Vater Zahntechniker, oder wie?!? ,Echt ätzend!', schoss es ihr durch den Kopf. Ihre Augen vertrugen heute sowieso nicht gerade viel. Und da war es mit ihrer gerade erst erworbenen und halbwegs neutralen Haltung auch schon wieder vorbei: "Pack...dir gefälligst...selbst...was...EIN!!!!" Alles drehte sich noch Meter weiter nach ihr um. War sie wirklich so laut geworden? "Alles in Ordnung mit dir, Marron?" "Ja, alles bestens!", blaffte sie Yamato an. Der arme Junge mit den braunen Haaren konnte zwar nun wirklich nichts für ihre ultramiese Laune, aber das ging Marron in diesem Moment zur Abwechslung mal vollkommen am Allerwertesten vorbei! Doch anstatt ihn noch weiter in Angst und Schrecken zu versetzen, knöpfte sie sich jetzt viel lieber Myako vor: "Tu Herrn Nagoya doch bitte den Gefallen und schaff ihn weg von mir - oder ich verarbeite ihn zu Hackfleisch!!" - Sie war sich sehr wohl der Tatsache bewusst, dass er immer noch vor ihr in der Hocke saß; aber beachten musste die ihn deswegen ja immer noch nicht! Sie wollte nur noch weg von hier! - Oder vielmehr weg von IHM. Seine Gegenwart war so anders, so...anstrengend!

Sie blickte sich suchend um...und da nahte auch schon die Rettung! Ihr Herz machte einen riesigen Sprung! Fräulein Palkaromao trat soeben aus der Sporthalle - wahrscheinlich hatte sie gerade wieder irgendeine arme Gymnastikklasse gequält - und nahm direkten Kurs auf den Haupteingang. Geradezu ideal, um sich elegant abzusetzen! Es war alles nur eine Frage der Inszenierung...

Myako überlegte immer noch, wie sie ihre so in Rage geratene Freundin wieder beruhigen könnte, als eben diese auch schon wie von der Tarantel gestochen aufsprang, hastig ihre paar Sachen zusammenkratzte und dabei ein dünnes Heft aus ihrer Tasche zog. "Sorry Leute, muss da noch was klären! Noten und so 'nen Kram...Sehen wir uns nach der Schule?" Und ohne auf eine Antwort zu warten stürmte sie los. Myako sah ihr total verdattert hinterher. War das da heute wirklich Marron? Ihre beste Freundin Marron? Die, die sie schätzen und lieben gelernt hatte?
 

Kaum war sie aufgesprungen...hatte sie diese Leichtsinnigkeit ihrerseits auch schon wieder bereut. Das hätte sie sich auch denken können! Denn es war vollkommen logisch, dass ihre Wunden nicht gerade weniger schmerzten, wenn sie quietschfidel durch die Gegend hopste! "Wirklich ganz toll gemacht, Marron! Du hast ja nicht schon genug Probleme! Pack doch einfach noch ein paar obendrauf!", murmelte sie in sich hinein...

Etwa auf halber Strecke hatte sie Fräulein Palkaromao dann aber doch eingeholt - endlich! Denn der unglaublich pochende Druck auf ihre Gedärme versprach mit ziemlicher Zuversicht, dass von noch ein paar mehr Laufschritten mindestens einer zu viel war!

"Ah Marron, gut dass ich dich noch sehe!" ,Gut, dass Sie gerade vorbei gekommen sind!', ergänzte dankbar Marron in Gedanken. "Hast du alles soweit?" "Aber natürlich!" Sie lächelte die Lehrerin an. - So eine Chance bekam eine 16-Jährige normalerweise nicht oft...und eine Schülerin kam eigentlich nie zu so einem wesentlich spannenderen Unterrichtsersatz. "Raum 314, Klasse C, Vertretung für Frau Rioka, Stoffgebiet Algebra. Kein Problem,...Frau Lehrerin!" Marron zwinkerte ihr zu. Nanako Palkaromao war schon so lange eine ihrer engsten Vertrauten gewesen, dass sie sich nur noch in der Schule auf Förmlichkeiten bestanden...Gerade dieses angenehm warme Verhältnis zwischen ihnen hatte Marron besonders in ihren jüngeren Jahren vor so einigen Abstürzen gerettet...Sie war einfach nur froh einen solchen Menschen zu haben, wenn ihr denn schon keine vernünftige Mutter, geschweige denn ein liebender Vater vergönnt war... "Ich hab alles im Griff! - Wie immer!" Allein die Begegnung mit Nana, wie Marron sie immer liebevoll nannte, stimmte sie wieder etwas freudiger. Hier war sie sicher und gleich würde sie auch wieder voll und ganz in ihrem Element sein. - Keine unangenehmen Fragen, kein langweiliger Stoff und das beste von alledem: Kein Zwang etwas vorgeben zu müssen, wozu man eigentlich momentan keine Lust hatte! Der Unterricht gehörte ganz ihr! Der Kurs hörte ihr zu und schrieb auf, was sie sagte...Was gab es schöneres als ein paar Abschlussjahrgängen ein wenig Mathe beizubringen, weil die Lehrer mal wieder übermäßig knapp waren? Sie hätte schon längst ihren Abschluss machen können...das bisschen Wissen, das in der Oberstufe verlangt wurde, konnte sie bereits mit 12 wunderbar wiedergeben! Während Silvy bereits fleißig in den USA ihr zweites Studium begann, drehte sie lieber noch ein, zwei Ehrenrunden in der High School. Erst war sie nur wegen Myako geblieben, dann wegen dem P3 und jetzt wegen Fynn...und das führte sie mal wieder zu einem ganz speziellen Auftrag von Gott, den sie eigentlich noch nie so richtig kennen gelernt hatte...Marron zuckte mit den Schultern. Dafür, dass ihr Leben so voll gestopft war mit Missionen der schrägsten Art ging es ihr eigentlich noch relativ gut. Sie hatte Spaß an ihrem Alltag! - Auch wenn ihr das angebliche Wunder namens Leben gelegentlich auf den Keks ging...über den Kopf gewachsen war ihr noch nie etwas! - Und bei Gott, das würde ihr auch nie passieren! Sie war stark, bereit, unbesiegbar, schön, entschlossen und mutig - ...Und...sie hatte geschworen nie wieder schwach zu sein...nie wieder...

Angekommen vor der kleinen Tür im dritten Stock, atmete Marron noch einmal ganz tief durch. "Mal sehen, wie ich das heute wieder gebacken kriege." - Ja, klar, die Schüler hatten durchaus Respekt vor ihr...Aber das war nicht immer so gewesen. Niemand ließ sich gerne sein Weltbild verbiegen - und schon gar nicht von einem Mädchen das - zumindest physisch - wesentlich jünger war! Immer wieder hatte sie sich die Kontrolle über die verschiedenen Klassen Tag für Tag, Stunde für Stunde wieder neu hart erkämpfen müssen. Doch irgendwann...da war sie bei den Schülern beliebter als jeder Lehrer auf dem gesamten Campus! Und mittlerweile war ihr das Unterrichten sogar eine der beliebtesten Beschäftigungen in ihrer ach so komplizierten Welt. Keine halsbrecherischen Aktionen, keine Magie, ja nicht mal eine Spur von Nagoya! Hier war einfach nur Faktenwissen gefragt - und das war absolut Marrons Welt!

Ihre Laune besserte sich auf einen Schlag, als sie endlich über die Türschwelle hinüber in ihre ganz eigene Welt trat. Das Licht schien ihr sofort ins Gesicht durch die großen atelierartigen Fenster. Sie lächelte und während ihre Füße sie immer weiter in Richtung Lehrertisch trieben, schaute sie in den weitläufigen Raum: Alles Spitzenschüler, die es einmal zu etwas bringen wollten. Ein jeder von ihnen blickte sie erwartungsvoll an. - Sie hatte schon immer die Aufmerksamkeit anderer magisch angezogen...Aber oft fiel die Reaktion weniger freudig aus: "Hallo Marron!" schallte es von einer Schülerin mit rötlichen Haaren in der vordersten Reihe. - Ihr Name war Midori. Eine von Marrons liebsten Schülerinnen. "Wieder da?", rief jetzt ein Junge aus der letzten Reihe. Marron drehte sich zu ihm und schenkte ihm ein Lächeln. Kazuya Takeshi. Ebenfalls ein hervorragender Schüler.

"Also gut. Wie ihr unschwer erkennen könnt...", sie setzte sich auf ihren Tisch und schlug die Beine übereinander während sie weiter redete, "...ist Frau Rioka heute nicht zugegen. Ihr müsst wohl mit mir Vorlieb nehmen." Für gewöhnlich hörte man von einer Klasse in derartigen Momenten eher ein unzufriedenes Murren, dass der Tatsache, dass sie viel lieber frei gehabt hätten, noch mehr Ausdruck verlieh...doch nicht so hier: Marron hatte ihre Leute gut erzogen beziehungsweise sie schien ihren Job ganz gut zu machen...Denn nicht einer zögerte sein Buch wissbegierig aufzuschlagen und drauf los zu arbeiten. Marron schrieb die ersten Aufgaben an die Tafel...Die Zeit verging recht schnell. Es war erstaunlich wie leicht sich ein paar pochende Adern und eine ziemlich eklige Fleischwunde aus dem Konzept bringen ließen, wenn man sich mit etwas beschäftigte, dass Spaß machte...Noch vor weniger als einer Stunde hätte Marron sofort jedes Schmerzmittel der Welt geschluckt - obgleich die Nebenwirkungen sie umgebracht hätten! Und jetzt? Sie war fast wieder fit. Alles in bester Ordnung! Den Rest des Tages würde sie jetzt auch noch heil über die Bühne bringen und dann würde sie - um wenigstens noch zu retten, was zu retten war - zusammen mit Myako und Chiaki nach Hause gehen. Bei dem Gedanken an Chiaki drehte sich allerdings schon wieder ihr Magen um... "Aber was sein muss, muss eben sein!", sagte sie sich immer wieder und wieder...

"...Und deshalb ist x gleich 243." Marron schaute auf ihre Uhr. Gleich war Schluss. Die Stunde war verblüffend zügig vorüber geflogen. So schnell hatte Marron noch nie ein Stoffgebiet durchgezogen. Aber es war ja auch weitaus anspruchsvoller und einnehmender eine vollständige Gruppe von dreißig Mann auf Trab zu halten, als selbst die Schulbank drücken zu müssen! - Und so hatte sie die Schmerzen auch schon fast vergessen, die sie den ganzen Vormittag über malträtiert hatten. - Aber eben nur fast...Sie spürte genau, dass sie nicht mehr lange einen auf Powerfrau machen konnte.

Wieso war sie überhaupt zur Schule gegangen? Es war mal wieder ihr verdammter Stolz, der es sich ja nicht mal verkneifen konnte Myako morgens die Tür zu öffnen! - Oder wollte sie einfach nur Unannehmlichkeiten aus dem Weg gehen? Wenn Myako jemals mitkriegen würde, was hier abging...Nein. Es war vollkommen richtig gewesen sich in die Schule zu schleppen! Morgen war Wochenende. Da konnte sie sich nach Herzenslust ausruhen - das hieß...nachdem sie Arthur, ihrem tyrannischen Chef, den Krankenschein zugesteckt hatte...CIA hin, CIA her. - Sie brauchte jetzt jedenfalls eine Pause. Da konnte der werte Arthur so lange toben, wie er wollte!

Statt nun noch einmal in die eigene Klasse zu gehen, beschloss Marron mit größter Vorliebe ihre Kräfte lieber etwas zu schonen und einen Kaffee im Lehrerzimmer trinken zu gehen. - Sämtliche Lehrer wussten ja sowieso von ihrer kleinen "Nebentätigkeit" hier...manche wollten es nur leider nicht so recht akzeptieren...wie zum Beispiel ihr hoch verehrter Geschichtslehrer Herr Yamada. Dass sie selbst für ihn mehrere äußerst interessante Stunden vertreten hatte spielte dabei anscheinend keine Rolle...

Und außerdem hatte sie sowieso nur die Wahl zwischen Kaffee in Gegenwart von dem wahnsinnig charmanten Herrn Geschichtslehrer oder der fragwürdigen Gesellschaft von Chiaki Nagoya. - nein, es reichte vollkommen, wenn sie mit Myakos Prahlhans und Muskelprotz nachher zusammen nach Hause ging...Das war mehr Zeit als genug, die sie mit Chiaki teilen musste. - Denn eigentlich wollte sie im Moment nicht mal dieselbe Luft wie er atmen. - Aber mit einer Sauerstoffmaske hätte sie dann wohl doch den höchsten Reifegrad für die Psychiatrie zur Schau gestellt...
 

16:00 Uhr. Schultor. Wo bleiben die bloß so lange? Machten die noch ein Schwätzchen mit dem halben Klassenzimmer, oder wie?!? Marron wollte nur noch nach Hause - und natürlich ihre lang ersehnten Schmerzmittel. Eine Spritze, eine Tablette, einfach nur irgendwas, das das Karussell in ihrem Schädel wenigstens so lange zum Stillstand brachte, bis sie in der Lage war sich in ihr Bett zu schmeißen und ihren Körper wieder halbwegs zusammenzuflicken...Leider durfte sie maximal nur zwei mal am Tag etwas gegen die Schmerzen nehmen...Sonst würde sie noch an Überlastung krepieren! Und je länger sie jetzt noch durchhielt, desto schmerzfreier würde ihr Abend verlaufen...Das war die Mühe allemal wert! Sie schaute auf ihre rechte Hand. Sie zitterte. ,Scheiße! Es wird schlimmer!', sickerte es ihr durch den leicht schwammigen Kopf. Ihr Verband löste irgendwie langsam ein seltsames Gefühl auf ihrer Haut aus. So warm und weich...Sie hatte den ganz dummen Verdacht, dass ihre Wunde wieder aufgegangen war. - Sie hätte ja gerne nachgesehen. Und wenn schon nicht mit den Augen, dann wenigstens mit ihrem inneren Tastsinn durch Magie...Doch selbst die schien ihr nicht mehr richtig zu gehorchen! Wenn die Naht wirklich geplatzt war - was gut möglich war, denn sie hatte die Hautränder nur mit einem speziellen Spray "genäht" - dann bedeutete das einen schönen, netten, kleinen Blutverlust...und ihr Blutdruck lag doch sowieso schon im Keller!

Und wenn wirklich Blut austrat, dann war es kein Wunder, dass sie so zitterte...Immerhin war diese Verletzung ja nicht ihre einzige Beschwerde, die sie zur Zeit mit sich spazieren trug...Eine ansatzweise komplette Liste all ihrer Krankheiten, die sie gerade auskurierte, hätte locker drei, vier Seiten auf ihrem Laptop füllen können! - Das war eben der Preis dafür, wenn man die Fähigkeit besaß anderen eine zweite Chance zum Leben zu schenken. Wenn man ihre mit Krankheit behafteten Organe wieder gesund machen konnte...Der einzige und ziemlich tückische Nachteil an der ganzen Sache: Die Krankheit ging auf den edlen Helfer selbst über! - Netter Tausch mit zauberhaften Nebenwirkungen, wie Marron jetzt selbst am eigenen Leib erfahren konnte. Eine Verletzung zu viel...und man war aus dem Rennen. - Denn im Normalfall war das alles kein wirkliches Handicap für sie: Marron besaß die 100%-ige Kontrolle über ihren Körper, über dessen aktive Prozesse und somit auch über den Schmerz, den sie empfand. - Das war mehr als fast der gesamte Rest der Menschheit von sich behaupten konnte. Durch das Ausschalten einiger zentraler Nervenenden, konnte sie sämtliche Schmerzrezeptoren quasi mit einem Fingerschnips außer Betrieb setzen. Kaum zu fassen, aber wahr: Es gab tatsächlich einige Hexen mit dieser rätselhaften Fähigkeit.

Sie schaute immer noch zu Boden und war vollkommen in Gedanken versunken, als Myako auf sie losstürmte und sie - leider unabwendbar - umarmte. Marron sog scharf die Luft ein und musste sich an der Mauer hinter ihr abstützen, um unter dem Gewicht ihrer besten Freundin nicht zusammen zu brechen! - Ja, das hatte gesessen: Myako hatte - um ihrem sowieso schon recht eindrucksvollen Leid noch das Sahnehäubchen aufzusetzen - ihre Schultasche direkt in Marrons Seite gerammt! ,Scheiße!...Scheiße! Scheiße!' - ein anderes Wort fand in ihren Gehirnwindungen gerade keinen Platz. Wenn die Wunde bis jetzt noch nicht aufgeplatzt war, dann war sie es jetzt ganz bestimmt!

Myako umarmte sie immer noch und merkte daher zum Glück nichts von den Höllenqualen, die gerade an die Tür von Supergirl klopften...Marron versuchte ihre Not so gut wie möglich zu kaschieren. Sie entlastete ihre verkrampften Muskeln, indem sie sich noch weiter an das Backsteinwerk hinter ihr und sendete in Gedanken ein Stoßgebet aus, dass sie nicht jeden Moment das Gleichgewicht verlor.

Doch sie hatte ihre Rechnung ohne Chiaki gemacht. Er hatte die ganze Zeit seelenruhig daneben gestanden und beäugte sie nun misstrauisch: "Sicher, dass du es heil den weiten Weg nach Hause schaffst?" So erbärmlich wie sie aussah, hätte er ihr sogar ein Taxi spendiert - oder sie gar jeden einzelnen Zentimeter bis in ihre Wohnung getragen! Myako löste sich von ihr. "Was soll das heißen?" Sie verstand überhaupt nichts. - Marron hingegen war alles sofort auf den ersten Blick hin vollkommen klar. Ihr Körper mochte zwar nicht gerade in der besten Verfassung sein...aber ihr Verstand war noch nicht verkrüppelt! Sie war so nah dran aufzufliegen! Die ganze Quälerei wäre für die Katz gewesen! Umsonst, null und nichtig! Sie dachte gar nicht daran jetzt aufzugeben! ,Das wäre doch gelacht!' Sie riss sich zusammen, stieß sich so kraftvoll wie nur irgend möglich von der Wand ab und schaltete auf Defensive: "Keine Sorge, ich wird dich bis nach Hause schon noch irgendwie ertragen können!" Im Geiste versuchte sie ihr Bewusstsein bei der Stange zu halten ,Einfach ganz normal verhalten...Bloß...nicht auffallen..." Sie ersuchte wenigstens von außen unantastbar und stark zu wirken, auch wenn sie innerlich schon längst am abkratzen war. - Ein krankes Tier durfte niemals seine Schwäche gegenüber dem Feind zeigen!

Chiaki beließ es dabei. Mit dem Mädchen stimmte etwas, selbst wenn sie es selbst nicht zugeben konnte...Er fing an sich Sorgen um sie zu machen. So wie sie vorhin fast zusammen gebrochen wäre... - Das war doch nicht normal! Sie gehörte in ihrer momentanen Verfassung wahrscheinlich eher in ein Krankenhaus oder wenigstens in ihr Bett. - Doch er wusste ganz genau, dass sie sich sowieso nicht reinreden lassen würde. Und schon gar nicht von ihm. - Soviel hatte er in den letzten paar Stunden schon dazu gelernt. Sie würde schon wissen, was sie hier tat und wie viel sie sich noch zumuten könnte. Und außerdem...so wenig von Medizin verstand er nun auch wieder nicht. Wenn es hart auf hart kam, dann würde er ihr zumindest eine solide erste Hilfe leisten können. Und alles andere würde dann sein Vater im Krankenhaus erledigen. - Auch wenn er mit seinem Vater nicht besonders gut klar kam...von seiner Arbeit als Arzt hätte sich so manch einer eine Scheibe abschneiden können! Marron würde also in den besten Händen sein.

"Können wir endlich gehen?!?" Die Schmerzen wurden schlimmer. "Mir ist kalt!" - Nein, in Wirklichkeit fühlte sie das Blut durch die Wunde sickern. "Ich brauche Bewegung!" - Und wieder falsch! Gegen ein Bett hätte sie jetzt echt nichts einzuwenden gehabt! Am besten an einem stillen Ort, wo sie ungestört nach ihrem verdammten Verband sehen konnte! Myako band sich die Schuhe zu. - Für Marron mutete das einer halben Ewigkeit an. Sie konnte sich gerade mal so mit Müh und Not dazu aufraffen ihren Gleichgewichtsinn irgendwie halbwegs vor dem Absturz zu retten und Myako band sich ganz gemütlich die Schuhe zu! Sie hatte keine Zeit für solche Spielchen! "Geht's denn noch langsamer? Ist das werte Fräulein denn vielleicht bald mal fertig? Zum Teufel! Ich will endlich los!" Ihr Ton war wesentlich gereizter als sie es eigentlich ursprünglich beabsichtigt hatte. - Und Myako reagierte dementsprechend darauf. - Jedoch anders als erwartet: "Marron, bist du wirklich in Ordnung? Du bist schon den ganzen Tag so seltsam..." "Ja, aber sicher doch!", blaffte Marron zurück. "Was ist bloß los mit dir?" Myako verstand die Welt nicht mehr.

Marron hingegen hatte keinerlei Lust dieses Thema ausgerechnet jetzt zu erörtern. - Gut, irgendwann musste dieser ganze Mist sie ja mal heimsuchen und über ihr hereinbrechen. Doch warum ausgerechnet heute?!? Ihr Zustand verschlechterte sich von Minute zu Minute und was tat sie? Sie saß in einem "wundervollen" Plauderstündchen mit Myako fest! - Dazu war sie im Moment verdammt noch mal nicht in der Lage!

Myako war geknickt...sehr geknickt. Und jetzt machte sie sich erst recht Sorgen um die sonst so sanfte Marron! "Marron...ich sehe doch, dass mit dir etwas nicht stimmt! Nun rück endlich raus mit der Sprache!"

Marron sah keinen Ausweg mehr. Sie konnte ja nicht mal mehr einen klaren Gedanken fassen! Ihr Kopf schwebte irgendwo zwischen dem unendlichen Nichts...Die ganze Situation überforderte sie! ... Sie brauchte Hilfe...ganz schnelle Hilfe...und sie tat das, was sie eigentlich gleich hätte tun sollen: Sie rief ihre Schwester ,Silvy...' Sie brauchte sie...und eine stille Ecke zum Verkriechen. ,Silvy..." - War sie überhaupt noch stark genug? Drangen ihre Rufe überhaupt noch zu ihrer Schwester auf der anderen Seite der Erde durch? Sie brauchte einen Ort an dem sie allein war. - Ohne Myako oder Chiaki. Sie musste weg von hier. Egal wohin...Hauptsache außer Sichtweite...Sie ging die ersten paar Schritte den grauen Plattenweg entlang. Hatte das Unkraut zwischen den Steinen schon immer so gelblich und verzerrt ausgesehen?

"Nun warte doch mal!", tönte es irgendwo hinter ihr in weiter, weiter Ferne...Sie hatte jetzt keine Lust irgendwas auszudiskutieren. Sie wollte nur noch weg. "Marron! Bleib verdammt noch mal endlich stehen!" - Marron drehte sich um. Es reichte! Wahrscheinlich würde das noch eine Ewigkeit so weiter gehen, wenn sie nicht etwas dagegen tat! "Weißt du was, Myako? Schnallst du nicht, dass ich gerade absolut keinen Bock habe mit dir zu reden?!???" Sie war verdammt in Rage. - Was Schmerzen aus einem einzelnen Menschen doch so alles zaubern konnten...

Ihre Nervenzellen tanzten den heißblütigsten Samba, den sie miterleben durfte! Sie hatte keine Kontrolle mehr....Blockade für Blockade löste sich auf. Sie musste schnell weg...Für einen Telepot was schon lange zu spät gewesen...Sie setzte einen Fuß vor den anderen, immer wieder und wieder...Ihr Atem ging schwer...Ihre Gliedmaßen fühlten sich an wie Blei...Da vorn war die Straße...Da musste sie rüber...erst dann würde Silvy ihr helfen können...wenn sie außer Reichweite war...Aus der Ferne hörte sie noch die Rufe...Schritte wurden laut...Dann dieses Geräusch...Ein lautes Hupen, quietschende Reifen...Ihr Mund standen offen, ihre Lippen formten ein letztes Mal den Namen "Silvy"...
 

"Maaaaarrrroooooooon!!!!" Panik erfüllte Myakos Stimme. Ihre Freundin lag leblos am Boden, die Haare ins Gesicht geklatscht. Der LKW auf der Straße stand quer. Das gellende Hupen dröhnte immer noch in ihren Ohren. Sie rannte los. War sie unter die Räder gekommen? War sie verletzt?...oder gar...sie wagte kaum daran zu denken... ...tot? Sie konnte kein Blut erkennen...aber immerhin war sie auch noch nicht ganz da! Was, wenn sie schwere Wunden hatte? Wie sollte sie ihr helfen können? Sie hatte doch keine Ahnung von so was! Sie fühlte sich so schrecklich hilflos! Chiaki stürmte an ihr vorbei. Er erreichte das am Boden liegende Mädchen zuerst und hob sofort ihren Kopf leicht an.

"Marron!" Er strich ihr die verschwitzten Haare aus dem Gesicht. "Marron! Kannst du mich hören?" Keine Reaktion. Ihre Stirn war kochend heiß. Ihr Körper bebte. Sie musste hohes Fieber haben! Wie konnte sie sich nur so lange auf den Beinen halten? Inzwischen war auch Myako angekommen. Sie stürzte geradewegs auf sie zu und begann sie wie wild zu schütteln. "Marron! So wach doch auf! Marron!!" Chiaki hielt ihre Arme fest. "Myako! Hör auf damit! Sie ist bewusstlos!..." Sie hörte seine Worte nur wie durch einen Schleier... "...Mit dem Gezappel schaden wir ihr nur! - Sie braucht einen Arzt! Einen richtigen Arzt!" Er ließ sie wieder los, um in seine Tasche zu greifen. Der Schauer lief ihm eiskalt den Rücken herunter! An seinen Händen klebte Blut! Sie war also doch schwer verletzt! Er zückte sein Handy und hielt es Myako vor die Nase. Sie war vollkommen von der Rolle...Sie war überhaupt nicht in der Lage zu reagieren! Sie saß nur apathisch da und wusste überhaupt nicht, was sie tun sollte...Die Verzweiflung stand ihr regelrecht ins Gesicht geschrieben. Das hier war ihre Freundin! IHRE Freundin! Und sie konnte rein gar nichts für sie tun! Denn sie hatte nicht die geringste Ahnung, was in so einem Fall zu tun war!!

Chiaki schüttelte den Kopf, "So wird das nichts." - Äußerlich konnte er Ruhe bewahren, doch innerlich war ihm selbst auch nicht wohler! Sein ganzer Magen verkrampfte sich. Er bekam kaum Luft! Doch wenn er jetzt auch noch in Panik verfiel, dann hätte er genauso den Katastrophenalarm ausrufen können! ,Bleib cool, Sunnyboy...Nur nicht den Kopf verlieren!' redete er sich immer wieder und wieder ein. Er musste seinen Vater anrufen. Im Krankenhaus würde man ihr helfen können! - Hoffentlich...
 

Es war so hell. So verdammt hell! Marron blinzelte...Unter ihrem Kopf spürte sie ein weiches Kissen. Der Geruch von Triclosan stieg ihr in die Nase. ,Krankenhaus' schoss es ihr sofort durch den Kopf. Sie stöhnte entnervt, zog es aber vor die Augen noch einen Moment geschlossen zu lassen. Das hier war nicht gerade ihr Lieblingsort. Und zudem würde sie sich zu gern an die letzten paar Stunden erinnern! Kurze Bestandsaufnahme: Ihre Lieblingswunde pochte mal wieder muter-fröhlich vor sich hin, ihr Schädel fühlte sich nach einer Kompresse an und jeder ihrer einzelnen Muskeln hätte ihr mit Sicherheit das Einwirken einer Streckbank bestätigt. - An sich ein ganz normaler Tag! Die Erinnerung kehrte langsam zurück. - Na gut, vielleicht ein doch nicht so ganz normaler Tag...Aber immerhin war der Wackelpudding in ihrem Kopf verschwunden! Und Knochenbrüche schien sie auch keine zu haben. - Doch selbst wenn sie welche hätte...Es hätte ihr weniger Sorgen bereitet als die Tatsache, dass sie sich wieder an ihren letzten Moment vor dem Land der Bewusstlosigkeit erinnerte! - Myako und Chiaki waren bei ihr gewesen...Ganz sicher...Aber die Preisfrage des Tages lautete ja auch nicht wo sie sie zuletzt gesehen hatte, sondern wo sie jetzt gerade in diesem Moment waren!

Hieß das etwa...? - Kein schöner Gedanke. Blieb ihr denn heute gar nichts erspart? Sie hielt ihre Hand schützend vor das Gesicht und blinzelte hindurch. Das grelle Licht stach ihr immer noch in den Augen - aber wenigstens konnte sie jetzt sehen, was die Ursache dafür war: Welcher Idiot von Elektriker war bloß auf die Idee gekommen genau über dem Krankenbett eine Neonlampe zu platzieren?!?

"Marron?" - OK, Frage beantwortet. Myako war schon mal auf jeden Fall hier...und damit besserte sich Marrons Laune nicht gerade! Sie antwortete mit einem Murren. Ihre Augen gewöhnten sich so langsam an das künstliche Supernova-Imitat über ihr...

Myako war die Stille unerträglich. Der Schrecken saß ihr immer noch in den Knochen. "Der Arzt kommt gleich wieder. Er holt die Testergebnisse ab." - Halt. Stopp. Reset-Taste! TESTERGEBNISSE? Hatte sie da richtig gehört? Was sollte der Scheiß?!? Abrupt schlug sie sie Augen auf und saß auf einmal kerzengerade im Bett. Ihr System war wieder voll auf Hundertachtzig! "Testergebnisse?!?", sprudelte es wie aus der Kanone geschossen aus ihrem Mund. "Oäh...ja..." Myako hatte absolut keine Ahnung was Marron dermaßen in Aufruhr versetzt hatte...Es waren doch nur ganz stinknormale Tests! "Weißt du...du hattest einen Unfall..." - "Ja, an so viel kann ich mich noch erinnern. Sonst würde ich hier ja nicht sitzen und..." Marron holte ihre linke Hand weit aus, um mit einer ausholenden Geste auf das Bett zu deuten, traf dann aber unglücklicherweise auf etwas ziemlich Hartes.

"Aua!" Marrons Stimme erstarrte mitten im Satz und sie wagte es kaum sich umzudrehen. Ein extrem ungutes Gefühl beschlich sie... ,Oh Gott, bitte lass mich halluzinieren!', schickte sie ein Stoßgebet gen Himmel. "Das tat verdammt weh!" Chiaki rückte in ihr Sichtfeld. Na schön, dann heute eben mal keine Halluzinationen! - Es wäre ja auch zu schön gewesen! "Was machst du denn hier?" Ihr war das vollkommen unverständlich! Ein Blick durch das Fenster hinter Chiaki verriet ihr, dass es schon ziemlich spät sein musste...Immerhin kam das einzige Licht, dass sie weit und breit ausmachen konnte, von den zahlreichen Straßenlaternen vor dem Panorama der Stadt. Von Sonne oder Mond keinerlei Spur!

Doch noch bevor Chiaki antworten konnte, übernahm Myako wieder das Wort: "Chiakis Vater ist Arzt. Er hat dich untersucht. Hätte er sich nicht angeboten, dann wärst du morgen erst rangekommen. Du hast echt verdammtes Glück!" Glück? War das nicht ein bisschen zu viel Ironie? So einem Typen sollte sie auch noch dankbar sein, nur weil sein Vater zufällig Arzt war? Sein Vater war also Arzt...Da hatte sich der kleine Nagoya-Bengel ja ne tolle Familie geangelt! ...Ein Bild flammt vor ihrem geistigen Auge auf - und plötzlich blieb ihr die Spucke im Halse stecken! Nago...Nago...Nagoya?!? Das war doch nicht etwas DER Nagoya? Wieso war ihr das nicht nur schon früher aufgefallen?

Genau in diesem Moment ging die Tür auf und jemand in einem schneeweißen Kittel zwängte sich durch den engen Spalt zwischen ihrem Bett und dem Tropf. Na wunderbar, es war DER Nagoya! Und sie würde ihn auch ganz sicher nicht daran hindern können sie nach allen Regeln der Kunst in ihre Vergangenheit zurückzuversetzen! Sie waren sich so lange nicht mehr begegnet, dass es ihr sogar fast gelungen war seine Existenz zu leugnen...

"Ach, die Prinzessin der Schönen, Reichen und Arroganten ist wieder aus der Versenkung erschienen..." Shiro Nagoya blickte verächtlich auf sie herab. "Reizend. Wirklich reizend." Sie schenkte ihm ein eiskaltes Lächeln. "Tut mir leid, aber ich muss Sie leider enttäuschen. Die korrekte Anrede ist: Königin. - Meine Mutter hat abgedankt." Ihr letzter Satz war scharf und konnte an Bissigkeit kaum überboten werden. Myako hatte Marron noch nie dermaßen kalt und unberührt sprechen hören. Doch Chiakis Vater war auch nicht wesentlich wärmer angetan: "Hätte ich gewusst, dass ich Sie behandeln soll, dann hätte ich auch abgedankt!" Marron Kusakabe...von dem Moment an als er ihre stechenden Augen gesehen hatte, wusste er wieder, wer sie war...Ja, er erinnerte sich auf einmal wieder sehr gut, trotz all der Jahre...Wieso war sie ihm nicht gleich bekannt vorgekommen? Dann hätte er ihre Akte irgendeinem beliebigen Assistentsarzt in die Hand gedrückt!

"Wie...nett." Myako erschrak. Das war weder Marrons Stimme noch die des Mannes. Sie hatte sich derartig auf das sonderbare Gespräch zwischen den beiden konzentriert, dass es ihr total entgangen war, dass eine rothaarige junge Frau das Zimmer betreten hatte. Sie war groß, schlank und trug einen beigefarbenen Mantel unter dem ein Cocktailkleid hervorblitzte. Ihr Haar fiel seicht die Schultern herunter und umspielte ihre Gesichtszüge.

Herr Nagoya, der als Einziger mit dem Rücken zur Tür stand, drehte sich um. "Und Ihr Name ist?", fragte er mit Nachdruck. "...nicht weiter von Belangen.", antwortete die Fremde nur. Marron grinste. Nein, ihr Gesicht war geradezu ein Strahlen! "Hallo schöne Frau!"

Myako schaute entgeistert zu. Wer war das bloß? Marron schien sie jedenfalls zu kennen...Jetzt schaute sich die Rothaarige angewidert um. "Interessant, wo du so absteigst...Konntest du nicht woanders mal eben so umkippen?" Äußerlich war ihr keine Veränderung anzumerken, aber Marron spürte ganz genau, dass sie innerlich lächelte. Sie hatten eben ihren eigenen, ganz speziellen Humor, den außer ihnen mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit niemand sonst im Raum verstand. Uns sie stieg auf das Spielchen ein: "Wird mich das nächste Mal beherrschen." Im Grunde wussten beide ganz genau, dass Silvy sich schreckliche Sorgen gemacht hatte. Marron konnte ihre Erleichterung spüren. - Wie sanfter Mairegen umhüllte sie sie. Wo Silvy war, da war sie zu Hause, wo auch immer das war.

Myako und Chiaki verstanden allerdings herzlich wenig von dem schwesterlichen Charme. Das Gespräch wirkte auf sie einfach nur grotesk, respektlos und unterkühlt. Aber wieso strahlte Marron dann so, wenn Miss Anonym in red sie so schlecht behandelte? Nicht nur, dass sie es nicht mal für nötig hielt sich vorzustellen...nein, jetzt lunschte sie auch noch ganz ohne Scham in die Unterlagen des Arztes! "Sie haben da 'nen ganzen Haufen Papier. Sollten Sie nicht mal langsam etwas mehr tun als hier nur blöd rum zu stehen und Kaffeekränzchen zu halten? Ich meine, ich will Sie ja nicht bedrängen, aber es wäre wirklich ausgesprochen schön, wenn Sie auch zur Abwechslung auch mal was Geistreiches beisteuern könnten!" Ihr Blick und ihr Tonfall forderten ihn geradezu heraus.

"Tut mir leid Sie enttäuschen zu müssen, aber damit ich anfangen kann, sollten Sie zuallererst einmal ihren ach so hübschen Hintern aus dem Zimmer schieben. Das Gespräch ist unter vier Augen zu führen." Seine Stimme war kühl und berechnend. Er war sich seines Sieges gewiss. Er hatte letztendlich über diese Göre triumphiert. "Sie arbeiten schlampig." - Der Mann war verblüfft. Das hatte er nicht erwartet. Wie konnte sie sich so eine Behauptung herausnehmen?!? Das war ja wohl die Höhe! Das konnte er sich unmöglich bieten lassen! Immerhin war er hier der Arzt, der Chef des Krankenhauses. - Eine Respektsperson! Er versuchte ruhig zu bleiben. "Schlampig?" "Ja, Sie haben schon richtig gehört. Schlampig. Hätten Sie auch nur einen Blick in die Akte meiner Freundin hier geworfen, dann hätten Sie - sofern Sie der japanischen Sprache mächtig sind - schon lange geschnallt, dass mein Name dort ebenfalls vermerkt ist." Sie machte eine kunstvolle Pause, ließ ihre Worte wirken und starrte ihn nieder. Dann fuhr sie fort: "Ein schöner Chefarzt sind Sie! Ich will echt nicht wissen wie viele Patienten Sie schon ins Grab gebracht haben vor lauter Dämlichkeit! Verschwenden Sie verdammt noch mal nicht meine Zeit. Ich habe noch mehr zu tun als ihren Geistesergüssen zu lauschen!"

Chiakis Vater war schockiert. - Aber nicht nur er war sprachlos. Auch Myako verstand die Welt nicht mehr. Wer war dieses Mädchen nur? Sie war ihr unangenehm, ja geradezu unheimlich! So etwas von sich selbst Eingenommenes hatte sie noch nie erlebt! Mit so einem Menschen verkehrte Marron? Und wieso stand ihr Name in der Krankenakte? Was hatte das zu bedeuten? Und wie war überhaupt ihr Name? Sie hatte sich immer noch nicht vorgestellt!

Herr Nagoya war immer noch unschlüssig darüber, was zu tun war. Sollte er jetzt wie ein Idiot in die Akte schauen oder war es besser sie zurechtzuweisen und auf seine Position zu bestehen? Sollte er sich wirklich von diesem Pubertätsprodukt auf der Nase herumtanzen lassen? Marron nahm ihm die Entscheidung ab: "Jetzt haben Sie den Salat. Wären Sie vorhin schneller im Abchecken gewesen, dass ich hier drin liege, dann hätten wir uns gar nicht erst wieder begegnen müssen. Machen Sie es nicht anstrengender als nötig. Bringen wir's hinter uns und dann auf nimmer wieder sehen!" Das war zu ihrer beider Vorteil. Sie hatten nur die Wahl zwischen einem endlosen Hickhack der Worte oder dem möglichst schnellen und effizienten Weg zum Rückzug. - Er ließ sich auf den Vorschlag ein.

"Chiaki, würdet ihr uns bitte kurz entschuldigen?" Er wies auf die Tür. Myako war zwar recht verdutzt, aber dennoch folgte sie dem Jungen und verließ ebenfalls das Zimmer. Herr Nagoya brach als erster die Stille nach dem Zuklappen der Tür. "Ihr Zustand, wertes Fräulein, ist äußerst alarmierend. Ich weiß gar nicht, wie Sie sich überhaupt noch aufrecht halten können! Das grenz an ein medizinisches Wunder! Ihre Leber..." Marron unterbrach ihn "...ist zu 57 Prozent geschädigt. Eine Blutung in der vorderen Hirnhälfte - vor circa einer Stunde zum Erliegen gekommen, eine angerissene Sehne im rechten Handgelenk, eine Prellung an der linken Hand, ein paar Blutergüsse im Taillenbereich, Herzrhythmusstörungen in der hinteren Herzkammer, eine saubere Fleischwunde - nur wenige Zentimeter von der Bauchspeicheldrüse entfernt...wären nur eine kleine bescheidene Aufzählung der Dinge, die meinen Organismus vor ungefähr dreieinhalb Stunden zum Erliegen gebracht haben. Wollten Sie mir das sagen?" Silvy stand hinter ihr, um ihr notfalls den Rücken zu stärken, wenn der Kerl wieder frech wurde. Marron hatte momentan wirklich nicht die Nerven dazu sich auch noch permanent mit dieser uneinsichtigen Person bis aufs Blut zu bekämpfen. - Zumal das sowieso nichts gebracht hätte. Zwischen ihnen standen Dinge, die sie wahrscheinlich auch nicht in zehn Leben hätten aufarbeiten können.

Herr Nagoya blätterte verblüfft in seinen Unterlagen umher. "Unglaublich..." Es stimmte, jede einzelne von ihr aufgeführte Verletzung. Er kramte nach weiteren Zetteln. Marron nutzte die Gelegenheit, um zu reden. "Glauben Sie nicht, dass ich das alles nicht schon längst weiß? All diese Fakten, die Sie da haben...Zahlen aus den verschiedensten Messungen, Ergebnisse aus zahlreichen Untersuchungen...Es kommt und geht...Ich bin nicht krank, nur vorübergehend eingeschränkt in dem was ich tun kann. Definitiv kein Grund zur Sorge. In einer Sunde bin ich hier draußen." "Sie sind in akuter Lebensgefahr! Das geht nicht! Das wäre unverantwortbar!" Und er hatte schon gedacht, das Mädchen wäre in all den Jahren endlich zur Vernunft gekommen... "Das ist ja wohl unsere Sache!", mischte Silvy sich jetzt ein. "Sie können doch nicht einfach entlassen werden, wann es ihnen gerade in den Kram passt! Wir sind hier doch nicht bei ,Wünsch dir was'! Fräulein Kusakabe wird über Nacht hier bleiben und Sie, junge Dame, sehen schleunigst zu, dass Sie sich vom Acker machen!" Er drehte sich - ohne ein weiteres Wort zu verlieren - um und stand schon in der geöffneten Tür, als Marron noch einmal mit sanfter Stimme das Wort ergriff: "'Engel sollten fliegen.' Erinnern Sie sich?" Nicht nur er konnte ihre letzten Worte hören. Auch Chiaki und Myako, die direkt neben der Tür auf dem Flur standen, nahmen sie laut und deutlich wahr. Für einen kurzen Moment erstarrte Herr Nagoya zur Salzsäule. Er spürte wie die schmerzvolle Erinnerung ihm mitten ins Herz einen Stich versetzte. Dann zwang er sich jene schmerzhaften Gedanken aus der fernen Vergangenheit wieder in den Käfig zu sperren aus dem sie gerade erst entflohen waren und meinte kühl "Das tut hier nichts zur Sache." Er war innerhalb von Sekunden in den unendlichen Weiten der Gänge des Krankenhauses verschwunden. Vor der Tür blieben nur eine verblüffte Myako und ein desorientierten Chiaki zurück, denen nichts anderes übrig blieb als vor lauter Ratlosigkeit über die ihnen soeben dargebotene Szene Löcher in die Luft zu starren...
 

TO BE CONTINUED
 


 

Na, wie hat's euch gefallen? Freue mich über jedes Kommi! ^_^ Und ich möchte mich nochmals dafür entschuldigen, dass es so lange gedauert hat...an Kapi 6 bin ich schon dran - na ja...sagen wir's mal so: Die Planung hab ich schon fertig >_<



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von: abgemeldet
2006-05-18T11:49:52+00:00 18.05.2006 13:49
Wowhow, ich muss sagen du hast eine verdammt blühende Fantasie! Ich wäre nie auf die Idee gekommen Marron so einen Job und so ne richtig liebe Halbschwester zu verpassen! Das mit der Hexerei so einem Hut zu bringen, dass es nicht kindisch oder komisch wirkt, ist genial. Deine ff gehört jetzt schon zu meinen Favoriten und ich hoffe das du bald weiterschreibst! Bin schon total gespannt wie es weitergeht, mit Chiaki und na ja, du weißt schon ^^. Ich finde ihre Einstellung gegenüber Männern lustig, hoffe aber trotzdem dass sie in Chiaki eine Ausnahme findet! Ihre Gedanken tun es ja schon, hihi.
Der liebe Access hat es aber auch faustdick hinter den Ohren.^^ Hoffentlich kriegt er seine Fynn zurück!!!
Na ja, das wars bis jetzt, bin noch nicht ganz fertig mit lesen, aber das mach ich jetzt, bevor ich lern. höhö
Bis ganz bald hoffe ich!
Knuddel, Mona
Von: abgemeldet
2006-05-16T07:27:32+00:00 16.05.2006 09:27
Hallihallo!
Da bin ich noch mal. Wollte dir versichern, dass wir immer noch auf dich warten, wo bleibst du?
Sitze hier auf heißen Kohlen und kann meine Ungeduld kaum zügeln, also los!
*drängel*
Von: abgemeldet
2006-03-11T19:15:15+00:00 11.03.2006 20:15
Kann mich nur anschließen:
Tolles langes Kapitel!
Aber bitte lass das nächste schnell folgen, ja?
*bettel*
Von: abgemeldet
2006-03-05T10:59:24+00:00 05.03.2006 11:59
huhu^^
stimmt, es hat gedauert, aber dafür ist das kapitel sehr lang geworden! zu dem auch noch, wie auch schon die vorhergehenden, im inhalt und in der sprache einfach toll^^ ich war nur kurz ein bisschen verwirrt wie marron mit frau palkaromao gesprochen hat, denn ich kann mich nicht erinnern, dass die beiden vorher irgendwas bezüglich marrons vertretung besprochen haben. woher hat dann marron gewusst, dass sie lehrerin "spielen" kann? das war doch eher zufall, dass sich die beiden über den weg gelaufen sind, oda?
ich bin schon sehr, sehr gespannt wies weitergehen wird! also, ich hoff bis bald ^_^
Von:  Koraja
2006-03-04T23:13:57+00:00 05.03.2006 00:13
ich schließe mich an, dass das kapi sehr gut war.
Ich habe mich über Marrons Gedanken bezüglich Chiaki mehr als nur köstlich amüsiert!
ich hab mich fast weggeschrien.
was danach kam, war leider nicht mehr ganz zu lustig.
Mich würde ja echt interessieren, was da noch so alles zwischen marron und dr. nagoya abgegangen ist, dass sowas da bei rauskommt. und by the way, der heißt doch eigentlich Kaiki....
Naja, ich bin gespannt, was als nächstes kommt und wie das mit ihrer Schwester und allem weitergeht!

Hoffe es geht recht bald weiter!
Freu mich schon
Bis dan koraja
Von: abgemeldet
2006-03-04T08:43:19+00:00 04.03.2006 09:43
Klasse! Ich bin echt begeistert, du hast 'nen super Schreibstil. ,Es macht echt Spaß, deine FF zu lesen! Mach schnell weiter so! Sonst hab ich nichts mehr zu lesen!^^
Von: abgemeldet
2006-03-03T16:37:07+00:00 03.03.2006 17:37
Tja, leider die zweite... Naja. Du bist soooo gemein!!! *Schwert zück* Ich will mehr!!!!! Aner macjh dir nich zuviel Stress, bei dem Käse in der Schule momentan... Naja. Also, klasse Kapi!
Von: abgemeldet
2006-03-03T15:08:28+00:00 03.03.2006 16:08
Hey ich bin ja die erste *sich froi* ....
also ich muss mal sagen, dass du uns ganz schön lange hast warten lassen ^^ aber dafür ist das Kapi super-mega-klasse-mir-fallen-keine-Wörter-mehr-ein geworden ^^
also mir hat es jedenfalls sehr Spaß gemacht es zu lesen und ich freu mich schon ganz dolle auf das nächste ^^
Mach weiter so *knuddeln tut*
und beeil dich hier sitzt nämlich eine Süchtige *lol*
bye *hdl*


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