Zum Inhalt der Seite

Insomnia

"You can't fix me."
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

THIRTY-EIGHT

THIRTY-EIGHT

 

Schweigend saßen Chiaki und Kaiki sich in dessen Büro gegenüber, starrten sich an.

Zwanzig Minuten ging das so, warteten darauf, dass einer von ihnen das Eis brach. Chiaki würde nicht nachgeben.

Kaiki wusste das. Doch er zog das Schweigen dennoch für Sekunden, Minuten hinaus. Starrte ihn mit einem undurchdringlichen Blick an. Nur das Ticken der Uhr füllte die Stille im Raum. Die Anspannung zwischen ihnen hing dick in der Luft.

Während Chiaki seinen Blicken standhielt und sich innerlich auf das kommende Verhör gefasst machte, dachte er an Maron, die von ihrem Vater abgeholt wurde.

Er hoffte, dass sie okay war. Er wusste, dass sie es nicht sein wird.

Er fragte sich, was sie Takumi sagen wird. Er wusste selbst noch nicht, was er Kaiki sagen wird.

Er vermutete, dass diese Konfrontation jetzt in viele verschiedene Richtungen gehen konnte. Er könnte ehrlich sein und auspacken, um eventuell mit Gnade aus der Scheiße rauszukommen. Oder er könnte hier auf diesem Ledersessel sitzen und ihn totschweigen.

Letztendlich kam Chiaki zu dem Schluss, dass alles was aus seinem Mund käme in Kaiki’s Augen abgefuckt und falsch wäre.

Für unendliche Minuten zog sich das Schweigen weiter hin. Das Ticken der Uhr ging ihn allmählich auf die Nerven. Am liebsten wollte er das Ding aus dem Fenster schmeißen.

Er versuchte gegenüber Kaiki ruhig und gefasst zu wirken. Doch wenn er ehrlich war, so hatte er doch Schiss vor dem was kommen mag.

Nach einigen Momenten durchbrach Kaiki endlich das Schweigen.

„Wie kam Maron in dein Zimmer?“, fragte er geradewegs, die Arme autoritär vor seiner Brust verschränkt. Der völlig reglose Ausdruck dominierte nach wie vor sein Gesicht.

Chiaki biss sich auf die Lippe. „Sie kletterte das Pflanzengitter zu meinem Balkon hoch“, antwortete er wahrheitsgetreu. Er wandte seinen Blick von Kaiki ab und sah zum Fenster raus.

„Wie lange geht das mit euch beiden schon so?“ Es war wirklich beängstigend, wie Kaiki’s Gesicht keinerlei Regung zeigte. So hatte Chiaki ihn noch nie gesehen.

Für einen minimalen Moment wog er seine Antworten ab und entschied sich letztlich für den ehrlichen Weg. „Seit dem Dinner letzten November“, gestand er leise und wandte sich wieder dem Fenster zu.

„Jede Nacht?“

„Ja.“

„Okay. Was hatte sie jede Nacht in deinem Zimmer zu suchen?“

Am liebsten wäre Chiaki ihn angefahren und hätte ihm gesagt, dass ihn nichts davon anging. Aber er war müde… und sah keinen Weg drum rum.

„Ich… kann ohne Maron nicht schlafen“, sagte er leise.

Er schaute kurz zu Kaiki rüber und sah, wie er eine Augenbraue kaum merklich hob. „Was genau meinst du damit?“ Verständnislosigkeit und Verwirrung war in seiner Stimme zu vernehmen.

Chiaki blickte starr nach draußen.

„Erklär es mir.“

„Als ob das, was ich sage, wichtig wäre.“

„Es ist mir wichtig“, sprach Kaiki in einem eindringlichen Ton auf ihn ein.

Chiaki drehte sich zu ihm um und sah, dass er nicht mehr mit verschränkten Armen vor ihm saß, sondern die Unterarme auf dem Schreibtisch abgestützt hatte und ihn bittend anblickte. Er wusste, dass Kaiki sich um ihn sorgte. Aber er wusste auch, dass, egal was er jetzt sagen wird, die Situation nicht besser machte. Und nichts zu sagen, würde alles womöglich nur noch schlimmer machen, als es schon war.

Innerlich fluchend fasste Chiaki seinen Entschluss. Und erzählte ihm alles.

Denn er betete darum, dass er mit Ehrlichkeit noch halbwegs heil davonkommen konnte.

Mit monotoner Stimme und ohne ihm in die Augen zu sehen, er erzählte ihm von den Albträumen, versuchte bei dem Wort keine Grimasse zu verziehen, sowie von der nächtlichen Routine, die sein Mädchen und er sich aufgebaut hatten. Wie sie jede Nacht seinen Balkon hochkletterte, wie sie einander Gesellschaft leisteten und zusammen Schlafen ging. Wie er sie immer in seinen Armen hielt, um sie sicher fühlen zu lassen. Wie erholt und gut sie beide sich am nächsten Morgen immer fühlten. Und wie sie jeden Morgen die Wand wieder runterkletterte und sich der ganze Ablauf in der darauffolgenden Nacht jedes Mal wiederholte.

Im Grunde genommen gab Chiaki ihm all ihre nächtlichen Aktivitäten wieder. Nur die intimen Details ließ er natürlich aus. Kein Grund noch mehr Öl ins Feuer zu werfen, welches zwischen beiden Häusern brodelte.

Nachdem er zu Ende sprach, war es für eine erstickend lange Weile still im Raum. Er traute sich nicht zu Kaiki rüberzuschauen.

Ein tiefes, bestürztes Seufzen war von ihm zu hören, was Chiaki dazu brachte seinen Blick vom Fenster abzuwenden. Er sah, wie Kaiki die Ellenbögen auf dem Tisch hatte, sich mit beiden Händen die Stirn hielt und leise mit sich selbst sprach.

„Unglaublich...Insomniker…“, murmelte er fassungslos, „All die Jahre... wie konnte ich das nicht sehen...“ Mit einem schockierten, verständnislosen und zugleich enttäuschten Gesichtsausdruck sah er zu Chiaki auf. „Wieso hast du mir nie was von den Albträumen erzählt? Das ist eine ernste Ange-“

Chiaki stieß einen spöttischen Laut aus. „Ich muss dir nicht alles erzählen.“

„Das was ihr macht ist nicht gut. Ihr braucht beide ernsthafte Hilfe!“

„Das Einzige was ich brauche ist Maron!”, entgegnete Chiaki stur, „Da fällt mir ein, was zum Teufel hattest du überhaupt in meinem Zimmer verlor-“

„Das ist mein Haus!“, fiel Kaiki ihm ins Wort, schlug mit einer Hand auf dem Tisch.

Seufzend strich Chiaki sich durch die Haare, überdachte seine Taktik.

„Kannst du bitte einfach drüber hinwegsehen?“, fragte er in einem flehenden Ton. Kaiki blinzelte irritiert. „Bitte? Das würde es uns einfacher machen“, bettelte er ihn mit den Augen an.

Zu seiner Überraschung prustete Kaiki und stieß ein humorloses Lachen aus. „Bist du auf Drogen??“, fragte er irritiert. Er stand auf, beide Hände auf dem Tisch abgestürzt. „Ich bin dein Vater. Glaubst du ernsthaft, ich kann das alles ignorieren?!“, sprach er fassungslos.

Chiaki blickte ihn stirnrunzelnd an, verstand das Hauptproblem nicht. Er hatte ihm alles geschildert. Die Lösung war doch eindeutig. Und es verstieß in keinerlei Weise irgendwo das Gesetz, dass zwei Jugendliche zusammen in einem Bett schlafen konnten.

„Weder ich werde das ignorieren können, noch Takumi!“

Chiaki verzog finster sein Gesicht, als er an den mörderischen Ausdruck von Maron’s Vater zurückdachte, als er sie abgeholt hatte.

Kaiki strich sich eine Hand durchs Haar. „Du kannst dich glücklich schätzen, wenn man dir nach heute Nacht erlaubt Maron wiederzusehen.“

„So ein Bullshit!“ Daraufhin stand Chiaki auf und schlug seine Hand auf dem Tisch. Nun standen sich beide in gleicher Position gegenüber.

„Nein, was Bullshit ist, dass du in den letzten drei Monaten ein Mädchen in mein Haus schleichen lässt!!“ Kaiki’s Gesicht war rot vor Wut.

Diesmal war es Chiaki der humorlos lachte.

„Und jetzt?! Wollt ihr, dass einer von uns die Schule wechselt?“, fragte er mit Spott, „Zu blöd nur, dass ich der Einzige in der ganzen verfickten Stadt bin, der ihr bei ‘ner Panikattacke helfen kann! Du und Takumi, ihr wisst beide, dass Maron mich braucht.“ Er blickte ihm fest in die Augen. „Ihr könnt mich nicht davon abhalten sie zu sehen“, sagte er herablassend und richtete sich gerade, die Arme vor sich verschränkt.

Darauf konnte Kaiki nichts erwidern, was Chiaki ein befriedigendes Gefühl bereitete. Denn er wusste, dass er Recht hatte.

„Außerdem werde ich achtzehn in zwei Wochen“, fügte er hinzu und zog eine Augenbraue hoch. „Dann kann ich aus deinem Haus ausziehen.“

Er würde das machen. Natürlich nicht ohne Maron. Sie würde erst in ein paar Monaten achtzehn werden. Solange mussten sie es noch hier aushalten.

Kaiki erbleichte etwas, die Lippen waren zu einem harten Strich zusammengepresst. Wortlos setzte er sich wieder auf seinem Bürostuhl hin und es wurde still zwischen ihnen.

Chiaki verkniff sich ein triumphierendes Grinsen. Nach einigen Sekunden machte er auf dem Absatz kehrt und ging, ließ seinen Vater im Büro zurück.

Er hielt ihn nicht auf.
 

***

Tränen liefen ihr stumm die Wangen herunter, während Maron auf ihrem unbenutzten Bett saß und ihrem Vater dabei zu sah, wie er in ihrem Zimmer hin und her tigerte. Er kochte merklich vor Wut.

Seit er sie abgeholt hatte, hatte er kein Wort mit ihr gesprochen.

Nach einigen Momenten blieb Takumi stehen und wandte sich zu ihr. „Ich will die Wahrheit, Maron“, sagte er mit fester, autoritärerer Stimme.

Sie schluckte schwer. Ihr Hals schnürte sich zusammen und sie brachte keine Worte heraus.

„Ich meine, ich war selbst jung und verliebt und abenteuerlustig“, setzte Takumi an, „Aber ich hätte nie gedacht, dass du so mein Vertrauen missbrauchst!“ Er atmete tief durch, kniff sich mit Daumen und Zeigefinger zwischen die Augen.

Maron zog ihre Augenbrauen hoch, als sie realisierte, dass er dachte, dass sie aus Spaß rüber geschlichen war. Sollte sie ihn in den Glauben lassen?

Oder war die Wahrheit die bessere Option?

Sie wusste nicht, was Chiaki seinem Vater sagen wird... ebenso konnte sie nicht einschätzen, inwiefern ihre Väter sich darüber austauschen werden.

Ihr Kopf schwirrte. So und so gab es für sie und Chiaki kein Zurück aus dieser misslichen Lage.

„Hatte er dich dazu überredet?“, hörte sie ihren Vater fragen.

Verneinend schüttelte Maron den Kopf. „So ist das nicht...“, brachte sie erschöpft heraus, wischte sich mit der Hand die Tränen weg. Auf keinen Fall wollte sie Chiaki in eine schlechte Position bringen. Ihr Vater hasste ihn womöglich so schon.

Takumi zog eine Augenbraue hoch, die Arme vor sich verschränkt. „Wie ist es dann?“, verlangte er zu wissen, sah mit einem erwartungsvollen Blick auf sie herab.

Seufzend gab Maron sich geschlagen.

Es war entweder alles oder nichts.

Mit einem tiefen Atemzug öffnete sie ihren Mund und alles sprudelte heraus. Für die nächsten zehn Minuten erzählte sie ihm von ihren Albträumen, den nächtlichen Erinnerungen, die sie immer peinigten, sobald sie die Augen schloss. Takumi blieb vollkommen still und behielt eine ausdrucklose Miene bei. Während Maron ihm ihre Träume wiedergab, sah sie wie Realisation in seinen Augen aufflackerte, als er die Puzzlestücke zusammenfügte und erkannte, wie stark sie ihre Probleme heruntergespielt hatte.

Nachdem Maron nicht mehr in der Lage war über die Albträume in einer ruhigen Stimmlage zu reden, begann sie von Chiaki und wie sie mit ihm ruhig schlafen konnte zu erzählen. Wie er ihr das Gefühl von Sicherheit gab.

Als sie fertig war, blickte sie zögernd zu ihrem Vater auf, dessen Augen schockiert groß waren. Nervös wartete Maron darauf, dass er alles Gesagte verarbeitet hatte.

Es herrschte für viele Momente eine angespannte Stille bis Takumi’s Gesichtsausdruck sich wandelte.

Die Wut, die schon vorher da war, war nun verstärkt in seinen Augen zu sehen und seine Züge verhärteten sich noch mehr.

„Das hast du mir alles vorenthalten?“, fragte er mit beängstigend ruhiger Stimme. „Es ist meine Aufgabe, dir mit diesen Dingen zu helfen, Maron. Nicht Chiaki’s.“

Sie biss sich schweigend auf die Lippen.

Was sollte sie sagen? Dass sie seine Hilfe nicht wollte?

Die Wahrheit war, dass ihr Vater nichts für sie tun konnte. Warum sollte sie ihn mit einem Problem belästigen, dass er nicht lösen konnte?

„Ich werde einen Termin bei einem Psychologen machen“, kam es von Takumi entschieden, worauf Maron rotsah. Sie wollte das nicht und würde sich auch nicht darauf einlassen.

„Nein! Du kannst mich nicht dazu zwingen!!“ Er konnte das nicht. Dem war sie sich sicher.

Takumi sah sie für einen Moment an. „Wenn deine Mutter hier wäre…“, murmelte er und fuhr sich frustriert über das Gesicht.

Weitere unendliche Sekunden verstrichen, in der Maron sich fragte, ob es überhaupt noch möglich war aus diesem Schlamassel rauszukommen. Die Antwort war Nein.

Plötzlich machte er ein finsteres Gesicht, worauf sie überrascht zusammenzuckte.

„Es werden sich einige Dinge hier ändern“, sprach er mit regloser Stimme, lief ein paar wenige Schritte auf und ab. „Ich habe dir zu viele Freiheiten gegeben, die du schamlos ausgenutzt hast.“

Er blieb vor ihr stehen und sah ihr in die Augen. „Du wirst Chiaki ab sofort nicht mehr sehen. Bis auf die Schule, will ich dich nicht mehr in seiner Nähe haben.“

Bei den Worten setzte ihr Herz aus. Wie erstarrt saß Maron geschockt auf ihrem Bett und die Tränen liefen ihr erneut herunter.

Unterdessen listete Takumi weitere Regeln auf, wie zum Beispiel, dass sie ab 20 Uhr Küchenverbot hätte.

„Und was eine Therapie angeht – darüber reden wir beide noch.“

Sie schüttelte ihren Kopf, zog ihre Beine an und vergrub weinend ihr Gesicht in die Knie. Sie wollte nichts mehr hören.

Ihr Vater seufzte und das Letzte was sie vernahm, waren seine Schritte, die den Raum verließen, sowie das Schließen der Tür.

Schluchzend ließ Maron sich auf das Kopfkissen nieder.

Sie dachte an ihr Gespräch mit Chiaki an Valentinstag zurück. Sieben Tage war es her.

Sieben Tage. Und ihr Glück war abgelaufen.

 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  _Bine_
2023-10-07T23:04:56+00:00 08.10.2023 01:04
Ich finde Takumi hat ein bisschen zu heftig reagiert. Er hätte ihr doch nicht gleich Küchenverbot geben müssen.
Ich denke, es hätte gereicht, die Kontaktsperre auszusprechen.
Antwort von:  mairio
08.10.2023 12:10
ja, dann kann man wirklich nur mit dem Kopf schütteln :')
Antwort von:  mairio
08.10.2023 12:10
Nochmal danke fürs lesen und kommentieren❤️


Zurück