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† † † Memento Mori - Gedanke des Todes... † † †

Autor:  Danisa
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Gestern ist eine Freundin von mir gegangen, die mir sehr viel bedeutet hat...

Es ist seltsam wie unberechenbar das Leben spielt...

Heute früh bin ich aufgestanden, eine ganze Stunde später als ich es sonst immer tue... Ich habe verschlafen, war noch gar nicht richtig wach... Ich nuckelte mit reichlich widerstrebendem Magen an meinem Käsebrot während meine Mutter mich noch Sachen abfragte, die ich unbedingt eingepackt haben musste...

Wir wollten mit unserem ganzen Jahrgang verreisen... Berlin. Von uns nicht mal zwei Stunden entfernt.

Es war alles schon lange geplant... Geschichtsmuseum oder Kunstausstellung. Der letzte Tag vor den Zeugnissen.

Ich hatte keine Wahl. Kunst war mein Leistungskurs. Ich hatte nicht viel Lust, meine Freundin aus Peitz war mit einer Grippe im Bett und das Wetter versprach ebenfalls trüb zu werden. Noch dazu waren da noch die Bahn-Streiks... „Aber naja“, sagte ich mir noch... „Zum Treffpunkt musst du so oder so erst mal hin, dann wirst du schon weiter sehen.“...

Schule begann immer um 8... meine Mutti fing genauso an zu arbeiten an. Treffen war erst um 9.25 Uhr.

Ich verbrachte die Zeit bei meiner Oma. Schon auf der kurzen Strecke vom Auto zu ihr nieselte es. Mein Opa war so nett mich zu fahren. Ich hatte zwar einen Schirm und ich wäre nur knappe 20 Minuten bis zum Bahnhof gelaufen, aber die Geste war trotzdem schön.

Ich kam an. Mein Opa wartete noch für den Fall das ich gleich wieder einsteigen könnte, wenn das ganze sofort abgeblasen werden würde; Warnstreiks wurden jetzt von 9-11 Uhr angesagt... doch soweit kam es nicht.

Eine Lehrerin sagte mir, dass noch nichts feststand, so bin ich schnell im Regen noch einmal hinausgerannt und hab ihm auf Wiedersehen gesagt, da er meine Oma noch vom Arzt abholen musste und eh nur 5 Minuten hatte warten können...

Es war noch niemand da den ich wirklich kannte... Ich stand bei Fr. Gärtner und Maria und wir haben gewartet... Wenige Minuten später waren schon mehr da.

Unsere Direktorin kam...

Ich weis nicht warum es mir nicht da schon aufgefallen ist. Sie ist meine Geschichtslehrerin und sagte noch, dass sie leider nicht mitfahren könnte, doch sie war da... und ich vergaß prompt, dass sie eigentlich nicht da sein dürfte

Ich kann noch jetzt nicht sagen, dass sie irgendwie seltsam aussah...

Jedenfalls bugsierte sie uns alle herein und ließ uns, uns in einem Kreis aufstellen.

Ich glaube ihre ersten Worten richteten sich noch an das, an das alle dachten: würden wir fahren oder nicht.

Aber plötzlich sagte sie es…

Tina hätte sich gestern das Leben genommen.

Ich stand wie betäubt da.

Ein ersticktes "Nein..." kam von meiner Seite als eine nahe Freundin sich sofort schluchzend in die Arme eines anderen Mädchens warf.

Allen anderen Mädchen standen ebenfalls da, mit Tränen in den Augen.

Es kam völlig unvorbereitet...

Tränen standen auch mir in den Augen, doch ich weinte nicht. Nicht wirklich...

So seltsam wie es klingen mochte, doch ich kannte Tina nicht einmal mit Nachnamen. Sie war schon immer Tina für mich gewesen...

Ihr voller Name war genannt worden, doch ich wollte es nicht wahrhaben. Nicht wirklich...

Sie war immer so sicher, so gut in der Schule, so fröhlich gewesen...

Erst als ein guter Kumpel von mir kam und ich ihn wirklich noch einmal fragte, welche Tina er meinte; wirklich... es gab soweit ich wusste, nur eine Tina in meinem Jahrgang... Doch als er es mir bestätigte, als es bewiesen wurde, dass es die Tina war die ich kannte, fing ich an zu weinen…

Ich konnte es nicht mehr aufhalten.

Ich hatte gerade einmal zwei Kurse mit ihr gehabt. Mathe und Sport...

Wir waren nie Freundinnen gewesen, doch wir hatten geredet wenn wir uns über unsere schlechten Mathezensuren aufgeregt hatten, oder nur Minuten vorher, wenn wir noch in der Umkleidekabine standen...

Ohne dass du es willst hast du dir ein Bild kreiert...

Dein ganzer Jahrgang im nächsten Jahr zum Abitur... und plötzlich merkst du, dass Tina nicht da sein wird. Und du kannst es nicht fassen...

Ein Bild, dein ganzer Alltag...zerbricht.

Du kannst dir nicht vorstellen nächstes Jahr dein letztes Jahr anzutreten und Tina nie wieder in der Umkleidekabine zu sehen... Und dann kommt es über dich... und du weinst einfach.

Danach war es nur warten.

Warten bis auch alle anderen endlich kleckerweise ankamen... Und immer wieder die gleichen Worte... Immer wieder die gleichen Worte, die du nicht hören kannst doch die du von ihren Gesichtern ablesen kannst als sie sich zu deiner Direktorin nach vorne beugen, und sie immer wieder und wieder wiederholt...

Dann, nach langen Minuten endlich, wird alles abgesagt... Offiziell.

Unsere Direktorin bietet an, alle noch mit ihr zu kommen, zur Schule, nicht einmal 15 Minuten entfernt, und mit einem Seelsorger zu reden.

Sagt, dass es besser wäre. Doch ich will nicht.

Ich trauere lieber allein.

Einer meiner Freunde begleitet mich, und auch wenn ich ihm dankbar war, wäre ich lieber allein gegangen; meine Muttere anzurufen, dass doch alles abgeblasen wurde, und Caro anzurufen, meine kranke Freundin, bevor es ihr irgendjemand irgendwie lauwarm erzählen würde.

Mein Kumpel macht sich auf zur Schule und ich ging allein weiter, schon mein Handy am Ohr, doch Caro hob nicht ab.

Meine Mutter war als nächstes dran, die mich zurückrief, kaum das ich bei Opa angekommen war, und ich ließ meinen Opa stehen mit dem ich gerade noch geredet hatte und stellte mich hinaus in den nassen Garten, mitten in den strömenden Regen, um allein mit ihr zu sprechen…

Da kam noch einmal alles über mich, und ich weinte noch einmal...

Ich legte auf, eine Viertelstunde später, nahm meinen Rucksack und ging hinein. Caro hatte mir geschrieben, sie sei gerade erst vom Arzt gekommen, und mein erster Griff ging automatisch zum Telefon.

Ich wählte ihre Nummer und ihre Mutter hob ab. Sie gab mir Caro, und ich erzählte ihr alles was passiert war. "Wie typisch" hatte sie noch gesagt, hätte trotz ihrer Krankheit ja heute gar nichts verpasst, doch das verschwand schnell...

Sie konnte es nicht fassen als ich es ihr erzählte, doch sie nahm es weitaus besser auf als ich, als ich schon wieder in Tränen ausbrach. Wir redeten für eine lange Zeit, über unmögliche Dinge, wahrscheinliche Dinge, unergründbare Dinge... Es tat einfach nur gut...

Sie konnte mich in jenem Moment besser trösten als meine Mutter...

Zwischendurch hatte ich noch einmal meine Mutter auf meinem Handy. Sie wollte mich in 5 Minuten abholen und nach Hause schaffen. Ich hatte nichts dagegen, also beendete ich mein Gespräch mit Caro.

Dann saß ich da, der Regen prasselte noch immer unbarmherzig und die lasst jeden Moment den du mit Tina erlebt hattest noch einmal Revue passieren. Und du denkst plötzlich nach, ob du es vielleicht nicht irgendwie hättest verhindern können, nicht vielleicht etwas hättest merken können...

Du merkst, wie wenig du in Wirklichkeit über sie wusstest...

Du kennst nicht einmal ihre Familie.

Von einem anderen Kumpel hast du erfahren, dass sie schon immer alles in sich hineingefressen hat, doch irgendwie kannst du es nicht mit dem Gesicht zusammenbringen, dass du über eine so kurze Zeit eigentlich nur gekannt hattest.

"Ich besteh es nicht..." hatte ich gesagt.

Doch meine Mutti hatte nur geantwortet: "Das versteht niemand..."

Du weist nichts über sie. Und doch vermisst du ihr Gesicht.

Ohne dass du es vorher gewusst hattest, ist sie zu einer Person geworden, die dir in deinem Leben etwas bedeutet hatte. Mit der du besser hattest reden können als mit manchen anderen…

Ich kam zu Hause an und schloss die Tür hinter mir. Ich ließ Tiger, unsere zweite Hauskatze, noch nach draußen und schlürfte die Kellertreppe hoch.

Kaum in unserem gefliesten Flur ließ ich endgültig los.

Ich wusste, es war noch längst nicht alles gewesen und nun ließ ich meinen Tränen freien Lauf. Ich weinte hemmungslos.

Ich sank auf meinem Stuhl in der Küche zusammen, halb geblendet von Tränen und ich nahm meine Hände zusammen, wie zu einem Gebet, dass ich in den grauen Himmel und den prasselnden Regen hinausschickte, der noch immer unbarmherzig auf das Fensterbrett klopfte...

Bitte... Pass auf sie auf.

Wenn es dich gibt, dann wache über sie. Sie war solch ein nettes Mädchen...

Aber bitte... pass auf sie auf...






Ich schwor mir etwas als ich Minuten danach aufstand und meine Brotbüchse auspackte und mir Tiefkühls-Sushi warm machte...

Dass ich versuchen würde, Sport so zu lieben wie Tina es geliebt hatte...

Und ich mein Leben so erfüllt würde versuchen zu leben, wie Tina es nicht mehr vermocht hatte...




Ich bin heute zu spät aufgestanden.

Ich habe verschlafen, was mir nie passiert.

Ich hatte keine Zeit mehr um an den Computer zu gehen, wie ich es sonst eigentlich immer tue.

Ich bin die erste die immer aufsteht, heute war ich die letzte.

Ich war verschlafen.

Wir hatten nicht Schule sondern waren auf dem Weg nach Berlin.

Es waren Streiks...

Unsere Fahrt wurde abgesagt.

Mein Computer ist erst nach dem dritten Mal angesprungen als ich ihn jetzt vor 20 Minuten anmachte, was er seit Monaten nicht mehr getan hatte...

Und Tina würde es nie mehr schaffen ihren Führerschein zu machen, zu dessen Test sie heute eigentlich hätte antreten sollen...

Und immer noch regnet es so stark wie als ich aufgestanden bin...

Der Himmel weint für sie...

Ich glaube fest daran.




Ich habe mich entschieden, ihr eine Fanfic zu widmen. Eine One Shot. Ein schon recht altes Werk; schon lange abgeschlossen...

"My beautiful stranger..." Mit Lyric von Nickelback.

"Savin' Me"... wie außerordendlich passend.

Es ist es eines der besten Werke das ich jemals geschrieben habe... Und es passt irgendwie zu ihr.

Es verdient sie als Namenswahrerin.




Ich schreibe das damit ein Mädchen, gerade einmal 18 Jahre in ihrem Leben geworden, niemals vergessen wird...

Denn obwohl ich nicht einmal ihren vollen Namen kannte, nicht einmal ihre Lieblingsfarbe oder ihren Lieblingsmonat, ist gestern ein Mensch von mir gegangen, der mir sehr viel bedeutet hat…



Wo immer du auch bist, ich hoffe du bist glücklich dort. Glücklicher als du es je auf dieser Erde warst...



Ich werde dich niemals vergessen...









(In Erinnerung an Tina Eschrich)


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