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Solar Eclipse

von

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Ankerplatz

Für Schreiberling. A/N am Ende.
 

Ankerplatz
 

„Wen haben wir denn da?“
 

Die Frauenstimme klang streng, wenn aber auf eine grausame Weise amüsiert. Ryou standen die Haare im Nacken zu Berge und sein Herz schlug wie verrückt, dass er das Gefühl hatte, er müsste es jeden Moment ausspucken, so real war die Angst. Er wusste hinterher nicht mehr, was in seinem Kopf in diesem Moment vorgegangen war, er erinnerte sich nur daran, wie Lord Kaiba sich anspannte, wie eine Raubkatze, die zum Sprung ansetzt. Er verengte die Augen zu Schlitzen aus tiefstem Blau und der Zug um seinen Mund wurde härter. Jou war zusammengefahren und hatte erschrocken aufgeschrieen.
 

Dann hatte Ryou es gewagt, sich umzudrehen, als letzter von ihnen, seine Glieder steif. Ihm war schlecht.
 

Was er sah, jagte ihm einen eiskalten Schauder den Rücken hinunter. Vor ihnen stand eine Piratin. Braune, verwaschene Lederstiefel, eine ausgeblichene blaue Hose, eine Pistole und ein Schwert am Waffengurt, eine weiße Bluse, braune Haare, blaue Augen. Ein Band im Haar. Diese Augen! Er musste nicht nachdenken, wo er solche Augen schon einmal gesehen hatte, mit demselben stillen Zorn, derselben Verbitterung, demselben scharfen Spott. Der Mann, der fast das Spiegelbild dieser Augen besaß, stand neben ihm.
 

Sie schauten sich ruhig an, ein frostiges Lächeln auf ihren Lippen, die Hände auf den Hüften. Dann lehnte sie sich vor, bis ihre Nasenspitze fast die Seths berührte.
 

„Na, wen haben wir denn da?“
 

Er sah, wie Lord Kaiba sie ruhig ansah, erstaunlich gefasst, dafür, dass sie der gefährlichsten Piratenbande der Sieben Weltmeere in die offenen Arme gelaufen waren.
 

Dann grinste Seth. „Was, bist du so dumm, dass du zweimal fragen musst oder hältst du uns für langsam, dass wir dich nicht beim ersten Mal verstanden haben?“
 

Ryou hätte lachen müssen, wäre ihm nicht zu weinen zumute. Es war sicher nicht die beste Idee, die Frau auch noch aufzustacheln. Aber Lord Kaiba blieb Lord Kaiba, sogar als Seth und Ryou hatte sein Leben schon in die Hände dieses Mannes gelegt, als er mit ihm Port Royal verlassen hatte. Jetzt konnte er nur hoffen, dass der Prinz auch pfleglich damit umging.
 

„Einen ganz Kecken haben wir hier, oder nicht?“, fragte die Frau und ihr Lächeln wurde eine Spur kälter. Dann rief sie lauter, als Ryou es ihr zugestanden hätte: „Akefia!“
 

Er sah aus dem Augenwinkel, wie sich Jou hektisch umsah, panisch. Er konnte ihn verstehen, am liebsten wäre er selber weggelaufen und hätte sich nicht umgeschaut, bis sein Körper kollabierte. Stattdessen trat er einen Schritt hinter Lord Kaiba, wie ein verstörtes Kind, das Schutz hinter seinem Vater, einem Verantwortlichen, einem Mächtigeren suchte.
 

Mittlerweile hatten viele der Piraten sich zu ihnen umgedreht, einige überrascht, die meisten hämisch. Ryou kam sich vor, als hätte er mit einem Stock in ein Nest von Bienen gestochen. Die Spannung, die in der Luft lag, war fast greifbar.
 

Dann hörte er hinter sich schwere Stiefelschritte auf hellem Sand und alles um sie wurde ruhig. Totenstill. Die Piraten hatten alle in ihrer Arbeit eingehalten, einige, die untereinander geflüstert hatten, verstummten und standen nun wortlos nebeneinander, das feindliche Funkeln in ihren Augen immer präsent, genauso wie das dreckige Grinsen auf manchen Gesichtern.
 

Er wagte sich nicht, sich umzudrehen, zu verängstigt davor, was er vielleicht sehen würde.
 

Ryou zuckte zusammen und holte überrascht Luft, als sich etwas Kühles auf seinen Nacken legte. Er presste die Augenlider zusammen und wurde leichenblass. Nein! Nein! Lasst mich!
 

„Spione.“ Ein Wort. Ein einziges Wort und Ryous Knie wurde weich und er musste sich zusammenreißen, um nicht zusammenbrechen. Die Stimme war tief, rau und streng. So ernst wie Lord Kaibas, aber irgendwie lebendiger mit etwas Dunklem. Etwas Gefährlichem.
 

Dann hörte er ein abfälliges Schnauben und das Schwert entfernte sich von seiner Haut, hinterließ nur Angst. Das Schleifen von Metall auf Metall, das eines Schwertes, das in seine Scheide glitt, riss ihn zurück auf den Boden der Tatsachen.
 

„Dreht euch ’rum, ihr Ratten“, befahl die Stimme harsch und Ryou konnte nichts anderes tun, als zu gehorchen. Seine Knie zitterten und sein Kopf schwamm und er war sich verdammt noch mal bewusst, dass er feige war, aber er war nun mal nicht so mutig wie Lord Kaiba oder so risikofreudig wie Jou. Er war ein Weichling, das wusste er doch, seine Mutter hatte Recht gehabt! Warum konnte er nicht auch so selbstbewusst da stehen wie die anderen, warum machten ihm die Blicke der Piraten so viel aus, wenn sie Jou doch nur anzustacheln und Lord Kaiba noch nicht einmal zu berühren schienen?
 

Nervös sah er auf, widerwillig, versuchte sich hinter den weißen Strähnen seiner Haare zu verstecken.
 

Er hätte fast überrascht aufgeschrieen.
 

Der Mann, der ihm gegenüber stand in seinen schmutzigen Hosen, dem langen Mantel, dem Hut, musste Akefia sein. Und jetzt verstand er auch, warum der Wirt Lord Kaiba die Geschwistergeschichte geglaubt hatte. Wenn er nicht wüsste, dass keinen Bruder hatte, hätte er es glatt selber geglaubt. Sie hatten beide dieselben weißen Haare, denselben wirren Schnitt, ähnliche Gesichtszüge. Sie hatten sogar dieselbe Nase!
 

Es gab aber auch auffällige Unterschiede, die Ryou schon wieder unerklärlich machten, wie man sie hatte verwechseln können. Allein die lange, dünne Narbe im Gesicht des Mannes sollte schon Antwort genug sein. Er war aber auch ein Stück größer als der Bibliothekar und seine Haut war im Gegensatz zu seiner blassen recht dunkel.
 

Er war nicht der einzige, der die Ähnlichkeit bemerkt hatte. Er hörte Geflüster, sah wie Jou überrascht zwischen ihnen hin und her sah, wie die brünette Frau um ihn herumtrat, sie musterte. Und er spürte, wie sich die violetten Augen des Mannes tief in die seinen bohrten, streng und dunkel. Er hatte das Gefühl, sie konnten ihn lesen wie ein offenes Buch, seine Angst und sein Erschrecken.
 

Er dankte Gott, als ein Pirat die Stille brach.
 

„Hey, wer sind die? Wie kommen die hier hin?“, fragte ein junger Mann mit aschblonden Haaren, die von einem Tuch zurückgehalten wurden. Er hatte einen Leinensack geschultert und die Augenbrauen zusammengezogen.
 

Akefia sah ihn noch ein paar Sekunden undefinierbar an, dann wandte er sich an Seth. Seine Augen waren misstrauisch, wie die eines Adlers. „Das würde ich auch gerne wissen“, knurrte er tief.
 

Die brünette Piratin mit den blauen Augen mischte sich ein: „Ich sage dir, dass sind Spione. Lasst sie festschnüren und hier lassen. Dann können sie geduldig auf die Flut warten.“
 

„Unsinn. Dann kommen ihre Komplizen und befreien sie – schneiden wir ihnen gleich hier die Kehlen durch“, erwiderte ein Pirat, der hinter Ryou stand und den er nicht sehen konnte.
 

Sie werden uns töten. Wir werden hier sterben. Hier. Auf dieser Insel. Lord Kaiba, tut etwas!
 

„Und unseren schönen Privathafen vollsauen? Nein danke. Kannst du ja gerne sauber machen“, warf ein großer Mann mit einer Augenklappe ein. „Weißt du, wie viel Pacht wir bezahlen?“
 

Die Piraten brachen in Gelächter aus und der Blonde antwortete spöttisch: „Ja, nicht viel. So ungefähr, lass mich schätzen“, er hob seinen Daumen und schaute ernsthaft schätzend darüber, „....nichts?“
 

Wieder lachten die Männer und Ryou fühlte sich von Minute zu Minute unwohler. Auch Jou hatte es mittlerweile das Grinsen aus dem Gesicht getrieben, aber er sah sich aufmerksam um, als würde er etwas suchen.
 

„Wir wollen anheuern.“
 

Seths Stimme klang ruhig und fest und so überzeugend, dass die Freibeuter um sie herum auf einen Schlag still wurden und sie überrascht ansahen. Dann brachen sie wieder in Gelächter auf und manche ließen sich fallen, wo sie standen und setzten sich lachend in den Sand.
 

„Habt ihr das gehört, Jungs?“, fragte der Blonde amüsiert und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. „Sie wollen anheuern!“
 

„Und Frauen!“, meinte eine gespielt empörte Stimme über den Lärm und irgendjemand trat ein „Auf die Frauen!“ los und wie eine Welle auf dem Meer wiederholte es sich, als ob sie zuprosten würden.
 

„Ruhe.“
 

Ein einziges Wort, das eigentlich im Lärm hätte untergehen müssen, so leise, dass gerade Ryou es hätte hören dürfen. Und doch schnitt es durch das Lachen und die Stimmen wie ein Messer durch Seide. Alles wurde still – nicht, dass die Piraten sich die Laune verderben lassen würden. Einige rollten die Augen, andere grinsten nur. Aber alle verstummten sie.
 

Akefias stechende Augen waren auf Seth fixiert, unausweichlich und stählern. „Was wollt ihr tatsächlich hier?“
 

Seth blieb gelassen und erwiderte den Blick mit derselben stillen Intensität. „Wir wollen anheuern.“
 

Irgendwo begann wieder jemand zu gackern, wurde aber auf der Stelle von einem anderen zum Schweigen gebracht. Alle Augen waren auf sie gerichtet wie bei Wölfen, die eine Herde Schafe betrachteten. Und genauso fühlte sich Ryou im Moment.
 

„Man kann nicht so einfach anheuern“, erwiderte Akefia und seine Stimme war frei von jedem Spott.
 

Seth zog eine Augenbraue hoch. „Warum nicht?“
 

„Warum sollten wir euch brauchen?“
 

„Geht woanders spielen!“, rief jemand verächtlich und gleich danach: „Au, verdammt!“ Scheinbar wussten einige noch nicht, dass Akefias Gespräche besser nicht unterbrach.
 

„Woher wisst ihr, dass ihr uns nicht braucht?“, stellte Seth die Gegenfrage. Das war ganz Lord Kaiba: Nicht Wir könnten euch von Nutzen sein oder Vielleicht haben wir etwas, dass euch nützen könnte, nein. Er hatte die Ausstrahlung eines Mannes, der genau wusste, was er tat und der sich seines Wertes bewusst war. Die Frage war nur, was zur Hölle er den Piraten anbieten würde.
 

Akefia grinste, ein gefährliches, dunkles Grinsen, das Ryou erschaudern ließ. „Zeig’s mir.“ Geschmeidig zog seinen Mantel und Hut aus und schmiss beides der Brünetten zu, die die sie geschickt fing und vorsorglich ein paar Schritte zurücktrat. Langsam und bedächtig zog er sein Schwert aus der verwitterten Scheide.
 

Seth sah den Vizekapitän ruhig an, strich sich dann ebenfalls den schweren Mantel von den Schultern und ließ ihn auf den Boden fallen. Er legte die Hand auf den Schwertgriff, zog das lange, schmale Schwert aber nicht.
 

Ryou biss sich nervös auf die Unterlippe. Er wusste, dass er weder Akefia noch Lord Kaiba unterschätzen durfte – aber es war nun einmal so, dass Letzterer sein ganzes Leben (soweit es der Bibliothekar zumindest wusste) hinter goldenen Mauern verbracht hatte, als Thronfolger einer Königsfamilie, in feinste Stoffe gehüllt. Er hatte niemals das raue Leinen oder den harschen Winter erlebt. So ein Mensch konnte niemals gegen einen Mann ankämpfen, der seit fast einem Jahrzehnt die Welt umreiste, der die unmenschlichsten Taten gesehen und begangen hatte, der an die raue Seeluft gewöhnt war und sich aus so vielen gefährlichen Situationen freigekämpft hatte. Niemals.
 

Heilige Mutter Maria, bitte, wenn du mich hörst… Schick uns ein Wunder.
 

Und das brauchten sie auch. Akefia diente dieser Kampf, dieses Duell sehr wahrscheinlich nur dazu, einen Grund zu haben, Seth die Kehle durchzuschneiden, er schien sich noch nicht mal wirklich anstrengen zu wollen – das wissende Grinsen, das sein Gesicht veränderte und ihm das Charisma eines Raubtiers gab, als er selbstsicher einen Schritt zur Seite machen, das Schwert geübt zur Brust gehoben, gerade und mit ruhiger Hand. Seine Adleraugen verengten sich zu schmalen Schlitzen, als Seth ihm in entgegengesetzte Richtung folgte.
 

Die Spannung in der Luft war fast physisch. Die Piraten schwiegen, warteten darauf, heute noch den Tod wieder zu sehen, ein Grinsen auf den Lippen, die Augen wie Hyänen, die nur darauf warteten sich auf die leblose Beute zu stürzen.
 

Jou legte dem Bibliothekar die Hand auf die Schulter und Ryou sah zu ihm auf, sein Magen flau. Der Blonde sah ungewöhnlich ernst aus – so… erwachsen. Ohne das Grinsen, ohne seine laute Art wirkte er zum ersten Mal wie ein Mann – und nicht wie ein Clown. Und Ryou musste beschämt feststellen, dass er Lord Kaibas Ansicht geteilt hatte ohne sich die Mühe zu machen, hinter die Fassade zu blicken. „Ich möchte hier nicht sterben“, flüsterte er leise und seine Stimme klang schwach, als er dem jungen Lord in die Augen sah, die Schultern herabgesackt.
 

„Wirst du nicht“, murmelte Jou eben so leise zurück und in seinem Blick lag eine Entschlossenheit, die Ryou in diesem Moment rein gar nicht nachvollziehen konnte. Dennoch wandte er die Augen wieder ab, holte tief Luft und sah wieder auf die beiden Gegner, die sich misstrauisch beäugten, beide fertig zum Sprung.
 

Dann aber fragte Seth noch einmal leise, scharf und bestimmend, ohne seine Deckung zu vernachlässigen: „Wenn ich gegen Euch gewinne, bringt Ihr mich zu Kapitän Atemu.“
 

Akefia schnalzte abwertend mit der Zunge. „Gewinne erstmal, Bürschchen.“
 

Und damit machte er einen blitzschnellen Schritt nach vorn, sein Schwert schnitt sirrend durch die heiße Luft, ein blitzender Schein aus Silber in vor dem blauen Meer im Hintergrund.
 

Lord Kaiba reagierte fast ebenso schnell – er tat einen Schritt zurück, führte sein Schwert in einer eleganten Bewegung zum Körper, so dass Akefias Hieb daran abprallte und sie beide einen Schritt auseinander gehen ließ.
 

Einige Piraten waren fluchend aufgestanden, die Augenbrauen wütend zusammengezogen. Seth lächelte überheblich. Unterschätz mich nicht.
 

Akefia knurrte verärgert und griff wieder an und dann begann der Kampf wirklich. Seth duckte sich in letzter Sekunde unter einen Horizontalhieb hinweg, drehte die Klinge seines Schwertes blitzschnell in der Hand und schlug mit der flachen Seite hart gegen das Bein seines Gegner, so dass dieser das Gleichgewicht verlor und einen Ausfallschritt nach hinten machen musste. Der Brünette setzte zu einem weiteren Angriff an, aber Akefia hatte sich erstaunlich schnell gefangen und ließ sich rückwärts auf die Hände fallen, das Schwert flach unter seinen linken Hand und trat mit seinen schweren Stiefeln mit voller Kraft gegen Seths Knie.
 

Ryou sah verwirrt (hoffnungsvoll?) und erstaunt zu, wie sich Akefia und Seth beinahe die Waage hielten. Seine Augen versuchten alles aufzunehmen, was passierte, aber er kam fast nicht nach, so rapide folgte Schlag um Schlag. Adrenalin pumpte durch seinen Körper.
 

Und er war nicht der einzige, der überrascht schien. Die Piraten waren überrascht aufgesprungen, die meisten hatten ihre Last fallen gelassen und schauten gebannt dem Kampf zu. Dann und wann ging ein Raunen durch die Menge, als einer der Gegner einen besonders harten Schlag einstecken musste.
 

Ryou zuckte zusammen, als Akefias Schwert Seths Schulter streifte. Das weiße Hemd färbte sich direkt dunkelrot und für einen Moment schien es, als wäre es Ablenkung genug. Die Piraten begannen zu johlen und zu pfeifen. Seth taumelte einen Schritt zurück und mit Entsetzen erkannte Ryou, dass er schwankte, seine Augen vernebelt – das Gift. Es war noch nicht ganz überstanden. Und das könnte der entscheidende Nachteil werden.
 

Aber Lord Kaiba wäre nicht Lord Kaiba, wenn er es nicht irgendwie geschafft hätte, Akefias Schlag zu parieren und seinerseits zu attackieren.
 

Der Vizekapitän blockte und, sein Augen sprühend vor Zorn, wechselte die Schwerthand und griff wieder an.
 

Es war ein ausgeglichener Kampf, der jeden Moment zu der einen oder anderen Seite ausschlagen konnte.
 

Ryou lachte erstickt, als Akefia strauchelte und um sein Gleichgewicht kämpfen musste. Los, bittebittebitte, nun macht schon, macht schon, oh Gott, danke! Tränen standen ihm in den Augen und er wusste im Rausch der Gefühle nicht einmal warum. Zitternd fuhr er sich durch die Haare. Noch nie hatte er zwei Männer so kämpfen sehen!
 

Und dann entschied sich alles. Ryou schrie entsetzt auf, als Akefia es schaffte, Seth das Schwert aus der Hand zu schlagen, so dass es wenige Meter weiter dumpf auf dem Sand aufschlug, und dem jungen Lord sein eigenes vor die Nase hielt. Er lachte rau und siegesgewiss.
 

Die Piraten riefen laut und pfiffen ihnen zu, Schadenfreude auf ihren Gesichter. „Lass uns Blut sehen!“
 

Der Vizekapitän grinste, sein Gesicht dreckig und seine Hose zerrissen. „Das ist das Ende“, sagte er süffisant.
 

Seth sah ihn ausdruckslos an. Dann begann auch er zu lächeln. „Nicht ganz.“
 

Und plötzlich ließ er sich fallen, unter dem Schwert hinweg. Bevor das Lachen auch nur ersterben oder Akefia aus seiner Siegestrance aufwachen konnte, hatte der junge Lord dem Piraten die Beine unter dem Körper weggetreten. Ryou schnappte nach Luft. Akefia fluchte und riss das Schwert hoch, brauchte aber beide Hände, um sich aufzufangen. Er brauchte nur das Zehntel einer Sekunde, um die Fassung wiederzuerlangen, aber die reichte Seth. Er stieß sich im heißen Sand ab, griff in seine Stiefel, etwas blitzte – und dann war es endgültig vorbei.
 

Die Piraten schwiegen sprachlos. Ihnen war das Lachen im Halse stecken geblieben. Sie konnten es nicht glauben. Und Ryou fühlte sich erleichtert. Ein Grinsen schlich sich auf seine Gesichtszüge, befreit. Oh danke!
 

Seth presste den schmalen Dolch gegen Akefias Kehle und blockiert mit der anderen Hand den Schwertarm seines Gegners. Ihre Nasen berührten sich fast.
 

„Schachmatt, Bastard“, brachte Seth zwischen abgehackten Atemzügen hervor. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn, der Schnitt an seinem Arm blutete, aber das Grinsen auf seinem Gesicht glich all das aus. Und diesmal war er es, der siegessicher auf Akefia herabblickte, der Wut und Ungläubigkeit in seinen Augen geschrieben hatte. Die Piraten begannen fassungslos zu tuscheln.
 

„Und nun“, fuhr der Brünette fort, „bringst du uns zu Kapitän Atemu und es interessiert mich einen Dreck, ob du bis ans Ende der Welt segeln musst. Sag schön brav ja.“
 

Akefia sah ihn voller Verachtung an und für einen Moment dachte Ryou, er würde Seth ins Gesicht spucken. „Verpiss dich“, zischte er wütend und presste die Zähne zusammen.
 

Seth drückte den Dolch fester gegen die Haut des Piraten, bis ein schmales Rinnsal Blut den dunklen Hals des Mannes hinunterlief. „Ich habe dich geschlagen und nun wirst du uns aufnehmen und zu deinem verdammten Anführer bringen. Ist das klar?“
 

Die Piraten schienen unschlüssig, ob sie eingreifen sollten. Sie wollten nicht das Leben ihres Vizekapitäns riskieren, aber auf der anderen Seite konnten sie aber auch nicht einfach nur zusehen. Irgendeiner versuchte Jou anzugreifen, aber der zog seine Pistole und hielt ihn sich effektiv vom Leib.
 

„In Ordnung“, presste Akefia mühsam hervor und er sah so aus, als würde er Seth an die Kehle springen, sollte der das Messer wegnehmen.
 

„Auf deine Piratenehre?“ Seths Stimme klang eindeutig spöttisch.
 

In Akefias Augen blitzte es auf. „Ja, du Ratte. Auf meine Ehre.“
 

„Dann ist es ja gut.“ Seth nahm den Dolch langsam weg und stand schnell auf, um dem Albino keine Gelegenheit zu geben, etwas Dummes zu tun. Er steckte den Dolch zurück in seinen Stiefel. Immer noch wagte es niemand, sich zu rühren.
 

Dann löste sich die brünette Frau aus ihrer Starre und ging erst langsam, dann schnell auf ihren Kapitän zu. Besorgt kniete sie sich neben ihn und bot ihm seinen Mantel an, aber der sah sie nur zornig an und schlug ihre Hand weg. Er stand ein wenig mühsam auf, sandte Seth einen Blick zu, der jeden anderen Mann zitternd auf die Knie geschickt hätte, spuckte einmal in den Sand, wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und rauschte dann wutentbrannt davon, hinauf auf das Schiff.
 

Es rührte sich niemand. Alle wagten es nicht, etwas zu sagen. Dann, irgendwann, ging der blonde Pirat dem Vizekapitän nach und das schien die Starre zu brechen. Die Piraten fingen an zu flüstern und starrten sie an. Aber Ryou machte es plötzlich nichts mehr aus. Er nahm den Mantel vom Boden auf und lief zu Seth, der, die Arme verschränkt, amüsiert Akefia nachsah.
 

„Lor-… Seth, ich wusste gar nicht, dass…“ Sprachlos, aber lachend übergab er dem Lord seinen Mantel. Der sah ihn nur an und seine Augen brannten.
 

„Tatsächlich.“ Seine Stimme klang spöttisch.
 

Plötzlich klopfte ihm jemand rau auf die Schulter und Seth zog missbilligend die Augenbrauen zusammen.
 

„Alter Junge, ich wusste, dass du das packen würdest!“ Jou grinste breit und legte ihnen beiden kumpelhaft die Arme um die Schultern. „Stellt euch vor: Wir segeln mit der berühmtesten Piratenbande der Welt!“
 

Ryou nickte grinsend und Seth rollte nur mit den Augen, schlug Jous Arm von seiner Schulter und ging.
 

„Kommt endlich, ihr Nichtsnutze.“
 

Jou lachte bellend und zog Ryou mit sich, auf das große Schiff zu. Auf die Bloody Scarlet. Und Ryou konnte es immer noch nicht fassen.
 

--
 

Es mussten Stunden, wenn nicht Tage vergangen sein, seit sie eingepfercht auf der Bloody Scarlet, einem der berühmtesten Schiffe der Meere, gehalten wurden, wie Vieh. Vizekapitän Akefia hatte sie zwar anerkannt, aber er schien ihnen noch lange nicht zu trauen – ein sympathischer Zug, wie Seth fand, der Mann war weder dumm noch hatte er keinen Menschenverstand. Er mochte ein nichtsnutziger Freibeuter sein, aber wenigstens war er ein Freibeuter, der wusste, was es hieß, zu überleben.
 

Die Tage waren trist und das Schaukeln des Schiffes und das leise Knarren der Balken waren ihre ständigen Begleiter, morgens bis abends und in die Nacht hinein. Sie hörten die Stimmen von Deck, das raue Gelächter, den scharfen Tonfall und Seth bemerkte nach einer Weile, dass er die einzelnen Stimmen auseinander halten konnte.
 

Die harte, tiefe Stimme, die zwischendurch raue Befehle über das Deck brüllte, an anderen Tagen leise und fast verschwörerisch wurde, gehörte Akefia und obwohl er kein Mann der vielen Worte zu sein schien, waren die Worte, die er sprach, um so deutlicher. Manchmal unterhielt er sich in einer fremden Sprache mit harten Lauten, die Seth als die Sprache der Diebe und Verbrecher identifizierte – zumindest wurde ihm das beigebracht, aber Seth fand nichts an merkwürdigen Metaphern.
 

Natürlich war da noch Anzu, die Navigatorin, deren Stimme er manchmal hörte und von ihren Erklärungen an den Vize oder den Steuermann hatte Seth eine gewisse Ahnung, wo sie sich befanden – nicht dass es ihm helfen würde, aber es schadete nie solche Dinge zu wissen. Akefia schätzte ihn anscheinend für zu dumm ein, was ihm ausnahmsweise auch gut passte. Sollte der Albino doch denken, was er wollte.
 

„Verdammt, wenn ich noch einen Tag länger auf diesem verfluchten Wrack verbringen muss, kotze ich!“
 

Seth rollte die Augen und sah nicht einmal von seinem Buch auf. „Stürz dich doch einfach über die Reling und tu uns allen einen Gefallen.“
 

„Bitte redet nicht noch mehr von Übergeben“, kam Ryou Bakuras Stimme kleinlaut aus der hinteren Ecke der Kabine. Er hatte den Kopf in den Händen vergraben, die Beine an den Körper gezogen und war totenbleich im Gesicht. Er stöhnte, als eine Welle das Schiff hoch trug.
 

Jou, der seinem Cousin einen giftigen Blick zugeworfen hatte, sich aber eines Besseren besonnen hatte, als auf ihn loszugehen, lehnte sich an die Wand und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. „Warum halten sie uns hier unten fest? Da haben sie kein Recht zu!“
 

Seth schnaubte verächtlich von seinem Platz in der Hängematte und schlug eine Seite um. „Du kannst ja mal hoch gehen und sie nett fragen. Ich bin mir sicher, sie würden dir, dem König der Affen, gerne antworten, wenn sie bei deinem Anblick nicht schon zitternd zusammenbrechen.“
 

Ryou war sich sicher, dass es keine gute Idee war, wenn die beiden Cousins nun einen Streit vom Zaun brachen, aber vermutlich würde der genau so enden, wie die Streits davor auch schon: Seth würde Jou gekonnt ignorieren, der Blonde würde ihn beleidigen, bis er blau im Gesicht war und dann würde er sich in die entfernteste Ecke der Kabine verkriechen.
 

„Du hast mir gar nichts zu sagen, du verdammter Dreckskerl!“
 

Ryou seufzte.
 

--
 

Die Nacht klammerte sich noch an die Planken der Bloody Scarlet, während im Osten schon langsam die Sonne über das Ende der Welt blinzelte. Nicht das Akefia an solch einen Unsinn glaubte. Er war zu weit gereist, als dass er noch diesen Humbug für wahr befinden konnte. Er war einmal um die Welt gesegelt und zu keinem Zeitpunkt nur auch in die Nähe eines bodenlosen Abgrunds gekommen, der sich ja angeblich am Ende des Meeres befand.
 

Ende des Meeres! Dass er nicht lachte.
 

Er schnaubte abfällig und wandte sich von der Reling weg. Seine schweren Stiefel waren laut auf dem verlassenen Deck und sein Mantel rauschte im Fahrtwind. Er sah nachdenklich zu den Kabinen, dann wandte er sich ab und ging hinauf auf das Achterdeck.
 

Der Wind rauschte durch seine Haare und blies in seine Kleidung. Die salzige Gischt spritzte am Bug hinauf und sprühte über das Deck.
 

„Alles ruhig?“, fragte er leise.
 

„Nichts zu sehen.“ Der Steuermann sah ihn nicht an, sondern hielt den Blick auf das Meer fixiert.
 

„Hn.“ Er ergriff die halbleere Rumflasche, die auf neben dem Steuerrad stand, und nahm einen kräftigen Zug, dann stellte er sie wieder ab und fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen. „Sind wir noch auf Kurs?“
 

Der blonde Pirat drehte das Steuerrad leicht nach links und Akefia konnte spüren, wie sich da Schiff leicht gegen die Wellen aufbäumte. Nach so langer Zeit auf dem Meer bemerkte man auch die kleinsten Bewegungen des Schiffes, als stünde man auf etwas Lebenden.
 

„Sieht danach aus. Anzu meint, wir könnten bei gleicher Geschwindigkeit und wenn der Wind so bleibt, gegen Mittag einlaufen.“
 

Akefia nickte und sie schwiegen eine Weile.
 

„Ich weiß immer noch nicht, was du dir dabei gedacht hast, dieses Pack anzuschleppen“, meinte der Steuermann und seine Stimme klang entgegen seiner Wortwahl eher amüsiert.
 

Der Vize schnaubte verächtlich und verschränkte die Arme. „Ich hätte dich gerne gesehen. Verdammter Bastard.“
 

Der Blonde lachte tief und stützte sich auf das Steuerrad auf. „Ich fand es unglaublich berührend zu sehen, wie der Welpe elegant mit dir den Boden gewischt hat.“
 

Akefia zog die Brauen zusammen und sein rechtes, vernarbtes Auge begann zu zucken. „Pass auf, dass ich dir nicht deinen verteufelten Rum über deinen Dickschädel ziehe und dich genauso elegant über Bord werfe.“
 

„Vielleicht sollte ich den Welpen anheuern, mich zu beschützen. Ich würde dich zu gern noch einmal im Staub landen sehen.“
 

Akefia knurrte tief und Marik lachte schallend.
 

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„Land in Sicht! Land in Sicht, Kapitän!“, rief eine Stimme aus dem Ausguck.
 

Ryou fuhr sich müde über das Gesicht. Gott, war ihm schlecht. Sogar die Aussicht, die berühmte Pirateninsel zu sehen, schien ihn nicht begeistern zu können. Er taumelte durch den Gang und presste eine Hand auf seinen rebellierenden Magen.
 

Oh Gott.
 

Er schloss die Augen und wünschte sich, dass das konstante Übelkeitsgefühl endlich verschwinden würde. Der Gang, der sowieso unter seinen Füßen schwankte wie eine Blume im Wind, verschwamm um ihn herum.
 

Plötzlich lief er in etwas herein und stolperte stöhnend einen Schritt zurück. Er blinzelte und sah auf in das Gesicht des blonden Piraten, den er schon beim Duell gesehen hatte. Er grinste breit und schadenfreudig und hielt ein Tuch hoch. Eine Augenbinde.
 

„Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein“, zitierte der Pirat lachend.
 

Ryou sah ihn nur müde an und fügte sich seinem Schicksal.
 

--
 

Ryou seufzte, als der warme Abendwind durch seine Haare strich und an seiner Kleidung zerrte. Er sah hinaus auf das Meer, von dem Steg aus, der hinauf zu der kleinen Hütte führte. Er lehnte sie auf das brüchige Holzgeländer und blinzelte gegen die raue Seeluft an, die vom Meer zu ihm herauf trieb. In der Ferne, da, wo die Welt endete, tauchte die untergehende Sonne das blaue Meer in ein Spektakel aus Farben. Es war wunderschön, der Himmel, das Meer, die Ruhe der Insel… Und doch war es zu perfekt. Er war im Haus eines Diebes und er hatte die Befürchtung, dass Lord Kaiba nicht sah, dass er zu tief in der Situation steckte, als dass er sie je wieder verlassen können würde – oder wollen würde. Und genauso wie der Prinz fasziniert von dieser Welt war, war Ryou es auch. Und auch er steckte schon zu tief mit drin, als dass die Hoffnung, dass dies ein kurzer Ausflug in das Abenteuer war, noch die starke Flamme war, die am Anfang in ihm gebrannt hatte.
 

Es half ihm nicht, dass er Seth und Jou nicht mehr gesehen hatte, seit der blonde Pirat ihn blind vom Schiff geführt hatte. Sie waren getrennt worden und Ryou hatte man an dieser Hütte abgesetzt, die leer zu stehen schien und hier war er nun – alleine, ratlos.
 

„Es ist schön, findest du nicht?“
 

Ryou schreckte zusammen und fuhr überrascht herum. Er hatte gedacht alleine zu sein.
 

Der junge Mann, der nicht weit von ihm entfernt stand und sentimental in die Abenddämmerung blickte, lachte leise, riss dann seinen Blick vom Horizont und sah ihn an.
 

Ryou starrte den Fremden entgeistert an. Er wusste nicht, ob es Schock oder etwas anderes war, was ihn unfähig machte, einen sinnvollen Satz zustande zu bringen. Es waren nicht die außergewöhnlichen Haare des Mannes, die seine Aufmerksamkeit fesselten, noch seine dunkle Haut. Es waren die Augen. Dunkelrote Augen, wie frisches Blut oder rote Rosen und doch gar nicht wie beides, sondern anders. Er hatte nicht gewusst, dass solch eine Farbe überhaupt möglich war.
 

Der Fremde hob eine Augenbraue und er lächelte amüsiert. „Bist du stumm?“ Seine Stimme klang so spöttisch, dass Ryou wusste, dass die Frage rhetorisch war.
 

„N-Nein. Ich war nur etwas irritiert. Ich dachte, ich sei allein.“
 

Der Mann zuckte mit den Schultern. „Man verfällt leicht dem Glauben, wenn man etwas sieht, das so schön und doch einsam ist wie der Anblick, den man von hier oben hat.“
 

Ryou nickte und seufzte. Er wusste nicht, wer der Mann war, aber er schien die Kameradschaft zu sein, die er sich gewünscht hatte. „Es ist ein tolles Haus. Warum ist es unbewohnt?“
 

Unheimliche rote Augen sahen ihn nachdenklich an und Ryou meinte zu sehen, dass das Lächeln des Fremden ein klein wenig flackerte. Der Mann strich nachdenklich über das Holz der Reling, fast als würde er sie streicheln.
 

„Mein Bruder hat hier gewohnt. Er stand auch oft hier, wenn die Sonne unterging.“ Er lachte und schüttelte den Kopf. „Deswegen bin ich auch hier hinunter gegangen. Du hast mich so sehr an ihn erinnert. Es tut mir leid, es war unhöflich.“
 

Ryou wehrte schnell ab, neugierig etwas über den früheren Besitzer dieses Hauses zu erfahren und wenn es auch nur war, um mit jemandem reden zu können, der nicht Eintönigkeit in seinen Antworten besaß wie Lord Kaiba, der ihn meist sogar wortlos ignorierte.
 

„Nein, es ist in Ordnung. Was ist aus Eurem Bruder geworden?“, fragte er und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Reling.
 

Der Mann legte den Kopf schief und sah wieder auf die Sonne, die mittlerweile zu einem dünnen Streifen über dem Meer zusammengeschmolzen war. Das rosefarbene Abendlicht spielte mit den Schatten auf seinem Gesicht und Ryou dachte für einen Moment so etwas wie Wut in seinen Augen zu sehen, aber die Emotion war so schnell wieder verschwunden, dass der Bibliothekar nie würde sagen können, ob sie wirklich da oder ob das alles nur ein Trick des Lichts, das sie in seinen Zauber lullte, gewesen war.
 

„Er ist schon vor Jahren gestorben.“
 

Ryou atmete tief durch und senkte den Kopf. „Das tut mir leid. Ich weiß, wie es ist, wenn man jemanden verliert, den man liebt.“
 

Er sah es nicht wirklich, weil ihm nicht danach war, weiter in diese beunruhigenden weinroten Augen zu sehen, zumindest nicht jetzt, aber er fühlte, wie der Fremde ihn eindringlich musterte.
 

„Macht nichts. Es ist lange her“, antwortete der Mann mit den roten Augen nach einiger Zeit, aber seine Stimme klang, als würde es sehr wohl etwas machen und das war in Ordnung. „Du bist heute Morgen mit den beiden anderen Schmugglern gekommen. Seth und Jono.“
 

Ryou nickte. Die Nachricht schien sich schnell hier zu verbreiten. Er war nicht weiter verwundert. „Arbeitet Ihr auch für den Vizekapitän? Oder für Kapitän Atemu selber?“ Ryou war neugierig. Wo der Piratenkönig wohl war? Wie sahen die anderen Crewmitglieder aus? Wie würden sie sein?
 

Zu Ryous Überraschung lachte der Mann auf und schwang sich mit einem Satz auf die Reling. „Das weiß ich nie so genau. Es ist mehr ein Geben und Nehmen. Aber ja, ich arbeite hier.“
 

„Was ist Eure Aufgabe?“
 

„Ich bin eigentlich für alles zuständig, was gerade so anfällt. Wenn es nötig ist, putze ich sogar die Kartoffeln“, antwortete der Fremde und seine Augen glitzerten amüsiert.
 

Ryou sah ihn fast fasziniert an. „Dann seid Ihr sicher unentbehrlich.“
 

„So ähnlich.“
 

Sie schwiegen für eine Weile, aber es war keine unangenehme Stille. Sie sahen der Sonne nach, bis die Nacht schwarz war und das einzige Licht die Lichter der Laternen waren, die hinter ihnen und unter ihnen im Tal eine nach der anderen gelöscht wurden. Es zirpten ein paar Grillen und das Rauschen des Meeres drang zu ihnen hinauf. Irgendwo zu ihrer Rechten lachten ein paar Männer und Schritte verhallten auf den verwundenen Holzwegen.
 

Dann fragte der Fremde plötzlich, seine Stimme nachdenklich: „Warum hast du hier angeheuert? Du siehst nicht aus wie ein Mensch, dessen Herz dem glitzernden Gold zugetan ist.“
 

Ryou sah ihn undurchdringlich an. „Ist das denn alles, was mich erwartet?“
 

„Manche Menschen würden sagen, es wäre genug.“
 

„Ich weiß nicht“, erwiderte der junge Bibliothekar. „Ich hatte keine andere Wahl, glaube ich.“
 

Der Mann strich sich eine blonde Strähne hinter das Ohr, als der Wind sein Haar zerzauste. „Wenn man einmal in dem unehrlichen Geschäft drin ist, kommt man schlecht wieder heraus. Ich weiß das.“ Dann lachte er leise. Ryou begann sein Lachen zu mögen. Es war warm und beruhigend und angenehm.
 

„Aber ich muss schon sagen, Seth ist ein erstaunlicher Mann. Bei der berühmtesten Piratenbande anzuheuern. Er kann von Glück sagen, dass Bakura ihm nicht dann und dort die Kehle durchgeschnitten hat, selbst nach dem Kampf. Aber ich glaube, er mochte seine überhöhte Selbsteinschätzung.“
 

Der Bibliothekar, der erst ein Schmuggler gewesen war und nun Pirat und während der ganzen Zeit ein Lügner, schüttelte nur müde den Kopf. Er fragte sich erst gar nicht, wie der Mann das alles wusste. „Ist es nicht der Traum jedes Mannes, der nach Abenteuern strebt, bei dem König der Meere anzuheuern?“
 

„Ist es dein Traum?“ Die Stimme des Fremden klang merkwürdig, fast uneinschätzbar.
 

„Vielleicht. Nein. Ich weiß es nicht. Ich bin Seth gefolgt.“ Er seufzte.
 

Die schlichte beige Kleidung des Mannes raschelte, als er die Beine über die Reling schwang, so dass er nun in Richtung Meer saß. „Auch Seth scheint nicht der Mann zu sein, der so einen Traum hegt.“
 

„Ist er nicht.“
 

Sie waren wieder still. Ryou wollte so viele Dinge fragen und sagen und er bemerkte, dass er sich so verstrickt hatte, dass er selbst nicht wusste, warum er hier war. Er hatte einen Befehl bekommen und war ihm gefolgt. Aber er war sich nicht sicher, ob da nicht noch mehr war.
 

Wusste Lord Kaiba selber, warum sie hier waren? Seine Gründe schienen ihm auf einmal fadenscheinig. Was wollte er machen, wenn er Atemu gefunden hatte? Was dann? Was würde dann passieren?
 

Er lächelte matt und warf dem Fremden einen entschuldigenden Blick zu. „Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Ryou.“
 

Und wieder wurde er mit unergründlichen roten Augen konfrontiert, die ihn in seinen Bann zogen.

Der Fremde musterte ihn nachdenklich, dann sprang er elegant von der Reling herunter. Er verbeugte sich grinsend.
 

„Willkommen auf Fortune Island, Ryou. Ich verspreche dir, es wird eine teuflische Zeit.“
 

Dann lachte er, nahm die Lampe aus den Blättern der Palme und ging. Ryou sah ihm eine Weile nach, dann ging er auch ins Haus. Aus dem Fenster sah er den Punkt Licht, der den Weg entlang wanderte.
 

A/N:
 

Der letzte Teil meines Weihnachtsgeschenkes. :3 Ich hoffe, ihr freut euch. Und: Mal wieder nicht betagelesen.
 

Anmerkungen:

1) Ich weiß, dass Albinos nicht so einfach durch die Sonne laufen können, wie Ryou und Akefia es tun. Ich gehe davon aus, dass Kaiba den Unterschied einfach nicht gut kennt, denn der Forschungsstand war sicherlich nicht so weit wie heute.

2) Da. Atemu.

3) Die Sprünge, die ich in diesem Kapitel mache, dienen dazu, dass sich das Kapitel nicht endlos zieht, einfach, weil die Zeit, die da zwischen vergeht, unwichtig für die Handlung ist. Ich hoffe, es wirkt nicht merkwürdig.

4) Werde ich unlogisch oder werden meine Sätze unübersichtlich? Bitte sagt mir das, ich muss daran erinnert werden, dass ich mehr weiß als die Leser.

5) Anzu ist nicht OOC. Sie hat einen Grund so zu sein, wie sie ist.
 

Allgemein:

Ich bin mit diesen drei Kapitel unzufrieden. .__. Wirken sie lebendig? Ich habe das Gefühl, sie sind furchtbar… statisch.
 

Kommentare:

Chifuyu:

Extra lang für dich. Ich glaube, ich habe insgesamt 28 Wordseiten geschrieben. Ich bin tot. Danke für deinen Kommentar. :3
 

Ithiliana:

Atemu ist schon mal da. Die indirekte Konfrontation kommt bald, die direkt wohl kurz danach. Ich hoffe, Atemu und Seth getrennt reicht fürs erste.
 

Schreiberling:

Danke für deinen Kommentar, so etwas spornt mich immer an. :3 Und Timaeus haben wir nicht das letzte Mal gesehen.
 

Drink up, me ’earties, yoho! Frohe Weihnachten!



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Tebian
2007-01-12T17:22:09+00:00 12.01.2007 18:22
So, jetzt schreib ich dir auch noch ein Kommentar zu dem letzten Kapitel ^^
Kommen wir mal gleich zu deinen Anmerkungen:

1) Hm, also ich habe eh was gegen diese ganze Albino-Sache. Beide sind keine Albinos. Sie haben NUR weiße Haare, wie manche Charaktere nun mal pink, grün oder andere außergewöhnliche Farbe haben. Außerdem, wie kann Ryou bei seiner Seekrankheit blass werden, wenn er doch ein Albino ist dürfte man den Unterschied nicht merken? Akefia wiederum hat sogar dunkel Hautfarbe also ist der Albinismus bei ihm nun völlig falsch.
Aber mal sehen, ob Seth Atemu bald trifft. Ich bin schon gespannt. ^.~

2) Atemu? Wo? o.o Ich habe den rotäugigen Mann, mit dem sich Ryou in der Hütte unterhalten hatte für Yugi gehalten, etwa nicht? *drop*

3) Nein, es war, wie immer, klasse. ^^ Du hast ja trotzdem einen langen daraus gemacht und so wird die Geschichte wenigstens nicht mit langweiligen Szenen verstrickt. Mir hat es super gefallen. ^o^

4) Manchmal schon. Du benutzt überraschend oft viele Nebensätze. ^^ Ich hab trotzdem alles verstanden und es hat der Spannung nichts genommen, also mach dir nicht so viele Gedanken darum, solange die Sätze nicht schlimmer werden.

5) Da bin ich gespannt. ^^

Also ich finde sie sehr lebendig. Spannungsgeladen, guter Schreibstil, nachvollziehbare Gefühlsregungen und guter Aufbau. Was ich aber ein wenig merkwürdig fand ist, dass Seth den Kampf gewonnen hat. Eigentlich hat ja Akefia gewonnen, aber Seth hätte mit seinem geschwächten Zustand eigentlich nicht mehr so eine schnelle Bewegung erzielen und vor allem Akefia überrumpeln können. Der Pirat hat ihn unterschätzt, aber trotzdem... zu viele Jahre war er schon auf See und Seth gewinnt tatsächlich in einer Ungebung, die für ihn völlig neu ist? Ich denke er KANN sehr gut kämpfen und er ist keinesfalls zu unterschätzen, aber Akefia hatte klare Vorteile. Nebenbei gewöhnt sich Seth meiner Meinung nach zu schnell an seinen Piratenleben. Er ist genauso rau und benimmt sich genauso wie ein Pirat. ^^‘‘‘ Trotz allem ist er nur Samt und Seide gewöhnt. Ein wenig mehr Schwäche sollte er schon haben.

Wie du das geschehen wieder aus Ryous Sicht erzählt hast war wieder phänomenal. Ryou ist immer so ängstlich, aber ich find ein toll. ^^ Auch Akefia ist super geworden. Der Vergleich zwischen seiner und Seths Stimme war gut kombiniert. Sie klingen so ähnlich, aber Akefia hat mehr Leben und mehr Emotionen darin, genauso, wie es sein sollte. ^-^ Ein Rüpel, aber kein dummer, sehr von sich selbst überzeugt, doch er spuckt keine großen Töne UND er hält seine Versprechen, was für ein Pirat! XD

Ich finde so langsam ist es wieder Zeit die Charakterliste zu erweitern. XD Vor allem sollte Jono einen Stecki bekommen, denn er ist Mittler Weile festes Mitglied der Sethbande und kein Nebencharakter der Geschichte. Ob du Mokuba und Akefia schon einen Stecki geben willst bleibt dir überlassen, denn diese sind nur einmal bisher aufgetaucht, aber Jono solltest du wirklich eins geben. Falls du keine Bilder findne solltest, dann frag doch jemanden, dessen Bilder dir sehr gut gefallen, ob er dir nicht die Charaktere zeichnen könnte. ^.~ Ist nur ein Vorschlag.

Wie gesagt, ich bin wieder begeistert. Die Geschichte wird immer spannender und Ryou bemerkt jetzt schon, dass sie zu tief in der Sache stecken, als das sie jemals wieder heraus kommen können. Die Charaktere sind alle wieder gut getroffen. Seth der Eisberg, Jono mit Späßchen und Sprüchen, Ryou der ruhige Pol der Truppe. XD
Auch das Geschehen ist wieder realitätsnah geworden. Schade, dass Akefia nichts mit Ryou zu tun haben will, aber so sind die rauen Verhältnisse damals gewesen. Das Akefia sie in der Kammer schmoren lies passt auch gut zur Piraterie. *Ryou pat* Armes kleines seekrankes Ding. <.<

*deine Schulter klopf* *verneig* Es war wieder SUPER, eure Hoheit! Mach bald weiter. ^.~

Tebi-chan
Von:  Schreiberling
2007-01-11T14:09:11+00:00 11.01.2007 15:09
AAAAHHHH!!!! Gott ist mir das peinlich, dass ich erst jetzt schreibe. Habe grad alle neuen Kapis gelesen und ich muss schon sagen, da ist absolut nichts statisch. Also mach dir keine Sorgen. Du schreibst immer noch ganz toll!!!

Mokuba tut mir leid. Da ist er ja in was reingeraten. Ich hoffe ihm passiert nix. Ich mag den Kleinen nämlich so wie du ihn beschrieben hast. Auch dass der Anhänger in etwas altertümlicher Form noch existiert.

Raj (hoffentlich richtig geschrieben zu faul zum Nachgucken HIHI) gefiel mir absolut. Der Junge ist ein echtes Rätsel und ich hoffe, dass er auch noch wieder kommt.

Der Kampf gegen Bakura war super beschrieben und auch sehr real. Hab richtig mitgezittert. Aber Kaiba hatte Glück, dass er danach nicht platt gemacht wurde. Als die Piratenehre kam, dachte ich nur, OHOH. Hoffentlich nicht wie mit dem Kodex in Fluch der Karibik. Von wegen Richtlinien und so....
Aber sie hatten ja Glück.

Dass das Gift so schlimm war, hätte ich nicht gedacht. Hab geglaubt, dass sei nur ein einschläferndes Mittel und gut. Hab mich wohl ganz gewaltig geirrt....

Freu mich schon auf das Treffen von Kaiba und Atemu!!!

In diesem Sinne. SUPER GEMACHT!!!
Und sorry, dass ich so spät reagiert habe.

P.S.: Tea find ich auch im Piratenoutfit doof. Da kann man nix machen. Kann sie net leiden.
Von: abgemeldet
2007-01-02T20:39:45+00:00 02.01.2007 21:39
Hi!
So, die letzten 3 oder 4 Kapitel hab ich gleich miteinander gelesen und: ICH BIN VOLLAUF BEGEISTERT!!!! Total voll Spannung und Adventure, find ich echt cool dass du so schreibst. Deine Geschichte ist einfach amazing!!;)
Ich finde deine Personenbeschreibungen echt voll getroffen, total visualisierbar, kann es sein dass du ein Faible für dunkle Gestalten hast?;) Ich finds schön, wie du die Geschichte immer wieder mit kleinen aber doch feinen Details ausschsmückst, das macht die ganze Sache noch interessanter und spannender zum Lesen. Ich finds echt klasse, dass du auch Frauen in die Piraterie miteinbeziehst, ohne die geht doch gar nichtsXD Aber wann treffen denn endlich Atemu und Seto endlich aufeinander? Das macht mich schon ganz hibbelig und ich kann den Zeitpunkt kaum erwarten;) So, genug geschwafelt. Ich lass dich dann mal in Ruhe weiterschreiben und freue mich schon sehnlichst aufs nächste Chap!
grüssle
Von: abgemeldet
2006-12-29T14:31:28+00:00 29.12.2006 15:31
Hi
erst mal ein großes Lob: deine Geschichte ist einfach super!!! :-)
Ich hab sie durch Zufall gefunden und konnte gar nicht mehr aufhören zu lesen!! :-)
Die Charaktere gefallen mir sehr gut. Du beschreibst sie durch ihre Handlungen sehr detaliert und das gefällt mir, weil es die geschichte interessanter macht, als wenn die Figuren nur total oberflächlich und überhaupt nicht ausgearbeitete sind!
Ich hab mich riesig gefreut, als ich gemerkt habe, dass Bakura auch mitspielt. Ich finde zu ihm passt das Piratenleben fast noch besser als sein Grabräuber dasein.
Ich freue mich schon wahnsinnig auf das nächste Kapitel und hoffe, dass Seto bzw. Seth endlich auf Atemu trifft. Die Begegnung der beiden verspricht spannend zu werden. ;-)
Mach weiter so!!!!!


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