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Sportmuffel und andere Sorgen

von

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Eighth Part

Der Ausblick war gigantisch. Die Sonne schien erbarmungslos auf sie herab, während eine heitere Brise ihre Haare zerzauste. Der Himmel war wolkenlos. Babyblau. Ließ die umliegenden Gebäude in einem brennend goldenen Licht erstrahlen. Die unzähligen Fenster der Hochhäuser reflektierten das Sonnenlicht, dass nicht einmal Sonnengläser ihre Augen davor effektiv schützen konnten.

Paolo stand, die Kamera im Anschlag, auf der Aussichtsplattform des Empire State Building und musste aufpassen, dass ihm die Augen nicht aus dem Kopf fielen.

Egal in welche Richtung er blickte, ob Norden, Osten, Süden oder Westen. Immer wieder erstaunte es ihn, wie weit man blicken konnte und wie groß New York tatsächlich war. Und er konnte noch nicht einmal ALLES erkennen. Die Gebäude funkelten und trugen ihren Stolz zur Schau. Das Wasser des East River glitzerte verführerisch und die Statue of Liberty strahlte, wenn auch auf die Entfernung, nur winzig klein zu sehen.

Immer wieder strich er sich eine verirrte Haarlocke aus dem Gesicht, bevor er das nächste Foto schoss. Der Digitalkamera wurde so einiges abverlangt. Der Latino knipste und knipste. Ihm taten schon die Hände weh, doch das war es ihm wert. Solche Bilder würde er wohl so schnell nicht mehr machen können.

„Das Chrysler Building ist… unglaublich.“, murmelte er mit einem breiten Grinsen, während Patric entspannt neben ihm an einer Flasche Wasser nippte. „Dagegen ist die Freiheitsstatue ja gar nichts.“ Er lachte. Schüttelte ungläubig den Kopf. Musste die Eindrücke, die ihn plötzlich überfluteten, erst einmal verarbeiten.

„Wenn du das jetzt schon sagst dann warte mal ab.“ Pat grinste wie ein Honigkuchenpferd. Der Central Park würde Paolo mit Sicherheit gefallen. Grün. Soweit das Auge reichte. Und der sich darin befindende Zoo war ebenso unglaublich wie dieser Ausblick. Aber nicht nur das. Man konnte so viele Dinge dort machen. Joggen, Fuß- oder Volleyball spielen. Picknicken. Alles was das Herz begehrte. Patric wusste, warum ihm New York gefiel. Und das waren immerhin nur Bruchstücke dessen, was es noch alles zu sehen gab.

„Wieso, was erwartet mich denn noch alles?“, fragte Paolo neugierig und drehte sich um. Konnte sich kaum von dem überwältigendem Ausblick abwenden.

Pat zuckte die Schultern. Er wollte nicht zu viel verraten. „Hm… Kino.“ Der Blondling zwinkerte. Er musste sich allerdings erst einmal informieren, was überhaupt lief. Das Kinoprogramm hatte er schon eine ganze Weile nicht mehr verfolgt. Es hatte auch keinen Anlass gegeben. Fernsehen tat er ohnehin so gut wie nie. Die Zeit fehlte ihm. Aber wozu gab es Internet?

„Oh ja.“ Paolo nickte und ging schon wieder weiter, um die nächste Perspektive aufnehmen zu können. „Ground Zero. Was meinst du? Wollen wir da auch noch hin? Mich würd’s interessieren, wie es dort mittlerweile aussieht.“

Ein leises Seufzen ertönte. Pat hatte sich schon gedacht, dass Paolo dorthin wollen würde. Er hatte auch nicht wirklich etwas dagegen, doch die Erinnerungen an diese Tage waren… heftig. Die Sirenen waren in der gesamten Stadt zu hören gewesen. Die Schreie der Menschen, die ungläubigen Blicke, die Angst in ihnen. Die Schüler auf seiner Schule waren in völliger Hysterie aus den Gebäuden gestürmt. Hatten geschrieen und zu weinen angefangen. Manche hatten übereilig ihre gesamten Sachen gepackt und waren zu Fuß davongelaufen. Sie hatten zu ihren Familien gewollt. Verständlich, aber fast so gut wie nicht machbar. Die Straßen waren gesperrt, die U-Bahnen fuhren nicht mehr. Gesamt New York, so schien es, war stehen geblieben. Für Patric hatte es sich so angefühlt, als wären die Uhren nicht mehr weitergelaufen.

„Ja, können wir machen…“ Der Jugendliche hatte leise gesprochen.

Paolo beäugte ihn einen Moment bis ihm einfiel, was er da gerade von seinem Freund verlangt hatte. „Hey… Hey wir müssen da nicht hin.“ Durch solch einen Ort, wollte er die gute Stimmung, die gerade wieder am abflauen war, nicht noch komplett zerstören.

Patric lächelte ihn flüchtig an. Nippte wieder an seinem Wasser und fluchte, als eine Windbö seine Haare völlig zerzauste. „Ich überleg es mir, ja?“ Ein Nicken Paolos war Bestätigung genug.
 

Die Eindrücke lebten immer noch auf den Jamaikaner ein, während sie durch Chinatown schlenderten und sich etwas zu essen holten. Die Lasagne hatte zwar eine Zeit lang gehalten, aber durch das, was passiert war, hatte Paolo die letzten Tage so gut wie nichts gegessen. Ein Sandwich, wenn es hoch kam.

Somit begnügten sich die beiden Jugendlichen mit einer ordentlichen Portion Tintenfisch süß-sauer mit Reis, in Paolos Fall war es ein scharfes Hühnercurry.

„Wie kannst du dieses Zeug essen?“ Angeekelt betrachtete Paolo die glibberig aussehenden, weißen Ringe, welche zwischen Patrics Essstäbchen hin und her baumelten.

Patric grinste. Er hätte bei seinem nächsten Gedanken beinahe laut zu lachen angefangen. „Ich könnt ja auch Austern essen. Das soll angeblich die Lust und die Potenz steigern.“ Der New Yorker kicherte lautlos vor sich hin, brach dann, beim Anblick von Paolos entsetztem Gesicht, in schallendes Gelächter aus. Es schüttelte ihn und trieb ihm Tränen in die Augen. Grienend blickte er sein Gegenüber ab. Sah das lächelnde Kopfschütteln und bekam prompt einen Kommentar zurück, der saß.

„Glaub’ nicht dass du Potenz- oder Luststeigernde Mittelchen brauchst. Vielleicht wäre da Viagrah sogar effektiver.“ Paolo sah überlegend drein und schüttelte nach einer kurzen Weile den Kopf. „Ne. Viagrah ist zu teuer. Aber wehe dir, du haust dir jetzt jeden Tag Austern rein… dann kommen wir ja gar nicht mehr ausm Bett.“

Patric grummelte. „Als würd’s dich stören?“ Und just in dem Moment, als er das ausgesprochen hatte, bekam er einen Tritt ins Schienbein. „Autsch! Du kannst mich doch nicht treten. Du bist hinterhältig.“

„Was? Ich doch nicht.“ Paolo war es nun, der Lachtränen in den Augen hatte.

„Doch natürlich. Hinterhältig. Immer dahin wo’s weh tut und wo’s nicht mal jemand sieht.“ Patric grummelte vor sich hin. Rieb sich sein Bein und schielte zu seinem Freund. Ja, so wie er jetzt ist, gefällt er mir eindeutig besser. „Tritt mich einfach unterm Tisch.“ Er schüttelte den Kopf. „Unterm Tisch!“, brüllte er einen vorbeilaufendem Chinesen hinterher. „Haben Sie das gesehen?“

Paolo kringelte sich. Das war zu komisch. Patric regte sich auf wie eine Diva und der komische Typ zeigte ihm auch noch den Vogel. Wenn es nach ihm ginge, könnte das jeden Tag so laufen. Gackernd wie zwei Hühner mit seinem Freund in Chinatown sitzen, essen. Sich irgendwelche Dinge ansehen, ob nun Gebäude oder Filme, Museen oder Anderes. Es würde ihm wohl niemals zu langweilig werden.

„Ich glaub, wenn du so weitermachst, holen dich die netten Männer in den weißen Anzügen. Und dann stecken sie dich in eine ´Ich-hab-mich-lieb-Jacke´.“ Paolo fuchtelte mit seinen Stäbchen herum.

Wieder ein Gedanke, welchen Patric laut aussprach. „Ich steh nicht auf Doktorspielchen.“ Ein Grinsen und er rügte sich innerlich. Er musste ja nicht so herum posaunen, dass er Sex bitter nötig hatte. Zumindest ein klein wenig Zuwendung. „Sorry.“, nuschelte er. Es tat ihm wirklich leid. Er wusste selbst wie ´unbeschrieben´ Paolo in der Hinsicht noch war und er wollte ihn wirklich nicht hetzen oder gar unter Druck setzen. Den machte er sich in dem Fall schon selbst zur genüge. Zu viele Gedanken schossen ihm durch den Kopf, wenn er an ihr erstes Mal dachte. Die Erfahrung, wie es sein könnte und wohl auch werden würde, hatte er schon gemacht. Sie war nicht die tollste, aber man gewöhnte sich nach einiger Zeit daran.

Paolo hingegen schüttelte nur den Kopf. Er ahnte schon, was in dieser Woche noch passieren würde und er machte sich bei dem Gedanken fast in die Hose. Er hatte Schiss. Wahrscheinlich würden das Schmerzen werden, die er in seinem Leben noch nicht erlebt hatte. Da konnte Patric wohl noch so vorsichtig sein wie er wollte. Das Problem war nur, dass er ja wollte. Er wollte, dass Pat ihn berührte. Er verzehrte sich geradezu nach diesen Händen, diesen Lippen. Aber wirklich sagen konnte er es nicht. Er konnte ihm auch nicht sagen, dass er mit ihm schlafen wollte. Dazu war die Angst noch zu groß. Und er hoffte einfach, dass das alles nicht nach hinten losgehen würde. Dass Patric nicht irgendwann doch die Schnauze voll von ihm hatte.

Sie mussten darüber reden. Sie sollten es zumindest tun, damit die Fronten soweit geklärt waren und keiner von beiden ein schlechtes Gewissen haben brauchte. Aber wie anstellen ohne sich bis auf die Haut zu blamieren?
 

Der Nachmittag ging vorüber und der Abend brach herein. Paolo war fasziniert von diesen Lichtern. Überall, egal wo er hin sah, blitzte und blinkte etwas. So in etwa stellte er sich Las Vegas vor. Fast jedes Gebäude strotzte vor Neonlichtern. Die Menschen ließen sich selbst jetzt keine Zeit, um an ihr Ziel zu gelangen. Eine Hektik, die ansteckend zu sein schien.

Paolo und Patric marschierten zügig und immer der Nase nach. Sie hatten sich nach einer geschlagenen halben Stunde auf einen Film einigen können, welcher in einem nahe gelegenen Kino lief. Eine Komödie mit Adam Sandler. Der Streifen war gerade erst angelaufen und es drehte sich anscheinend die ganze Zeit nur um irgendeine Fernbedienung. Der Jamaikaner wusste damit noch nicht so recht etwas anzufangen, aber der Trailer war ihm zumindest äußerst amüsant vorgekommen.
 

Sie holten sich Popcorn und Cola. Nahmen ihre Plätze ein und genossen den Film, ihre ´Zweisamkeit´ und lachten sich halb scheckig. Diese Fernbedienung schien jeden Moment zu speichern, in dem der Typ entweder vorwärts spulte oder den Ton ausdrückte um Streitereien aus dem Weg zu gehen.

Beim Schluss blieben ihre Augen allerdings nicht trocken. Adam Sandler starb dramatisch im Regen mitten auf der Straße. Der Gag? Wie sollte es anders sein, war natürlich nur ein Traum.
 

Händchenhaltend, leise vor sich hin lächelnd und wenig redend schlenderten sie durch die Straßen. Ließen sich Zeit.

Pat hatte das Gefühl, wenn sie jetzt zu schnell wieder zu Hause wären, würde das bedeuten, dass ihr erster gemeinsamer Tag zu Ende gehen würde. Er wollte den kommenden Abschied in sieben Tagen herauszögern und jede Sekunde auskosten. Wer wusste schon genau, wann sie sich wieder so lange zu Gesicht bekommen würden?

Zum anderen wollte er nicht unbedingt zurück in das Appartement. Seine Mutter würde zwar noch nicht zu Hause sein, aber es machte sich eine unerklärliche Angst in ihm breit. Wovor? Vielleicht mit Paolo allein zu sein? Zu sehen, wie die schönen Augenblicke des Tages, durch die der vergangenen Tage, überrannt wurden? Oder war es die körperliche Nähe, die ihm fehlte und er das Gefühl hatte, sich nicht länger zurückhalten zu können? Ihm war es nicht ganz klar. Er konnte seine Gedanken nicht ordnen.

Ohne zu merken wo sie waren, standen sie tatsächlich vor dem Appartement Haus. Paolo sah ihn etwas verwirrt an. Hat er seinen Schlüssel vergessen? Schoss es ihm durch den Kopf und er stellte sich langsam vor seinen Freund.

„Alles gut?“, fragte er den New Yorker und nahm sein Gesicht dann langsam zwischen seine Hände. Patrics Ausdruck war nicht einzuordnen. Etwas Trauriges, aber auch etwas Verlangendes lag in seinen Augen.

Patric nickte. „Ja, alles gut.“ Er brachte ein Lächeln über die Lippen, ehe er Paolo zärtlich küsste und dann die Haustüre aufschloss.



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