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Bergnebel

von

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Warum bist du mir nicht böse, Lienna?

Warum bist du mir nicht böse, Lienna?
 

Die frische, kalte Luft wehte durch Nârls Haare und erfrischte seinen Geist. Er war frei, er stand auf der Treppe vor dem Haus des Richters und glaubte kaum, dass das was eben geschehen war, Realität war.
 

Trotz Aoes Wutausbruchs, hatte der Richter ihn freigelassen. Er hatte seine Meinung danach sogar geändert! Zwar musste Aoe nun jede Woche einmal in das Haus des Richters kommen und ihm bei der Arbeit helfen, aber das war ja schon fast eine Berufsausbildung für ihn. Aoe war sehr gerecht – diese Arbeit würde ihm sicher gefallen. Trotzdem hatte Nârl ein schlechtes Gewissen. Doch Aoe stand neben ihm und grinste ununterbrochen. Ranor kam mit offenem Mund aus dem Richterhaus und Lienna wischte sich ein paar Tränen aus den Augen. Verstört packte sie Aoes Hand.
 

„Du bist wirklich...“, schluchzte sie und bekam die restlichen Worte nicht mehr heraus.
 

„Großartig!“, meinte Ranor und musste lachen. Auch Nârl und Lienna setzten mit in die fröhliche Stimmung ein und bald waren Liennas feuchte Augen gefüllt mit Freudentränen. Aoe lachte nun auch und meinte, es wäre doch etwas gutes ein seinen Stimmungsschwankungen und plötzlichen Wutausbrüchen. In diesem Moment, kurz nachdem sie alle gelacht hatten, dachten die vier Geschister wohl alle das selbe: Wenn sie nur noch ihre Eltern gehabt hätten! Enan und Veyna waren sicher nicht erfreut, das Nârl wieder aus dem Kerker kam. Schließlich hatten sie auch nichts getan um ihn zu retten. Im Gegenteil – sie hatten Lienna sogar verboten ihn zu sehen! Wie würden nur alle staunen, wenn Nârl wieder unter ihnen weilen würde! Ein wenig traurig erinnerte Lienna sich daran, dass Elar und Lyrux sich wahrscheinlich riesige Sorgen machten. Sie musste zu ihnen zurück gehen. Aber konnte sie ihre Brüder jetzt allein lassen? Es musste wohl sein. Vorsichtig tippte sie Aoes Schulter an und ihr Bruder wandte sich zu ihr.
 

„Hm?“, machte er, „Was ist?“
 

„Ich muss noch einmal weg.“, sagte sie schnell und leise, damit Nârl es nicht hörte.
 

„Ach wieder zum Prinzchen?“, amüsierte Aoe sich. Er hatte wirklich gute Laune. Lienna verzog wütend das Gesicht.
 

„Nenn ihn nicht so!“, brauste sie auf und beruhigte sich jedoch sofort wieder. Nicht die Ruhe verlieren!, ermahnte sie sich. „Ja ich muss noch einmal zurück. Lyrux ist auch da. Und auch der König, wie gesagt. Es könnte sein, dass ich längere Zeit nicht da bin, aber macht euch keine Sorgen, in Ordnung?“ Aoe schaute kurz etwas enttäuscht zu Nârl, dann meinte er: „Wenn’s sein muss. Aber pass auf dich auf!“
 

Zur Antwort lachte Lienna, dann rannte sie zum Heiler zurück, ohne auf die Nässe in ihren einfachen Leinenschuhen zu achten. Nun war niemand mehr auf der Straße und im „Jaulenden Wolf“ wurde es ruhiger. Lienna rannte daran vorbei und wurde immer glücklicher, je mehr sie sich dem Haus der Heiler näherte. Schließlich war sie angekommen und stand prustent vor der Tür. Wie würde Elar reagieren, wenn er sie jetzt wiedersah? Konnte sie ihm überhaupt unter die Augen treten?
 

Augenblicklich sank Liennas Hochstimmung wieder und sie stand zitternd vor der Tür. Komm reiß dich zusammen!, sagte sie zu sich. Dann riss sie die Tür auf und trat in die einladende, warme Empfangshalle.
 

Drei Personen standen darin, um sie herum Taschen und Beutel. Es waren Lyrux, Elar und ein Mädchen mit nussbraunen Haaren, welches Lienna nicht kannte. Lyrux begann zu grinsen, als er sie sah und auch dem Mädchen huschte ein künstliches Lächeln über die Lippen. Nur Elar, der ein wenig abseits dastand, sah rot vor Scham hinunter auf den Boden. Er war ungewöhnlich blass, trotz seiner gröteten Wangen und wirkte krank. Lienna fragte sich, was hier passiert war.
 

„Was ist denn hier los? Was wollt ihr mit dem ganzen Gepäck?“, fragte sie und kam auf die Drei zu, „Und was ist passiert als ich weg war? Und wer ist das?“ Bei der letzten Frage schenkte sie Sheena einen seltsamen Blick. Doch dann starrte sie nur noch Elar an, auch als Lyrux angefangen hatte zu erzählen, was geschehen war.
 

„Ob ich mitkomme?“, wiederholte Lienna am Ende von Lyrux Erzählung, in der er jedoch nichts von Elars Verletzung erwähnt hatte, seine Frage. „Natürlich.“
 

Irgendwie war ihre Wut auf Elar verschwunden, sie machte sich nur noch Sorgen um ihn, wie er da im Flur stand. Er sah so aus, als ob er gleich umfallen würde. Hatte Lyrux vielleicht seine Finger im Spiel gehabt? Dieser grinste nur und stellte das Mädchen an seiner Seite vor.
 

„Das ist Sh...Meniel. Sie wird uns begleiten.“ Lienna nickte – es war ihr egal. Meniel sah zu Elar und bemerkte, dass zwischen ihm und Lienna etwas nicht stimmte. Sie wollten sicher miteinander reden. Sie zog Lyrux am Ärmel und meinte: „Komm, wir packen ihre Sachen.“ Dann verschwand sie mit dem blonden Jungen in einem angrenzenden Raum. Lienna und Elar waren allein.
 

Niemand sagte etwas. Elar starrte immer noch auf den Boden, als sehe er da, wie Blumen aus dem Boden wuchsen. Nach einer Weile ging Lienna einen Schritt auf ihn zu.
 

„Elar?“, fragte sie besorgt und er zuckte beim Klang ihrer freundlichen Stimme zusammen. Wieder kam sie ihm näher. Sie stand genau vor ihm. Etwas an seinem Hals lenkte Liennas Aufmerksamkeit auf sich. Schnell verdeckte er es mit seiner Hand und tat so, als ob er sich kratzte.
 

„Was ist los mit dir?“, wollte sie wissen und endlich hob Elar den Kopf. Er war wirklich blass und er hatte eine kleine Verletzung an der Lippe.
 

„Was hast du da gemacht?“, fragte sie weiter und Elar rang sich ein Lächeln ab.
 

„Ach...Lyrux und ich...wir haben uns geprügelt. Aber jetzt ist alles wieder in Ordnung.“, sagte er, seine Stimme war seltsam leise und kraftlos. Nichts war in Ordnung! Was war hier nur passiert? Doch bevor Lienna fragen konnte, war Elar eine seiner Fragen losgeworden. Er holte tief Luft, bevor er sie aussprach und wischte sich mit dem Handrücken über die geröteten Augen.
 

„Warum bist du mir nicht böse, Lienna?“



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