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Dark Age of Camelot

Licht und Schatten
von

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Die Einsiedlerin

Alazais wählte nicht den meist gut besuchten Hauptausgang, sondern strebte zum Nordtor von Tir na nOgh. Ein paar Bekannte grüßten ihn, als er mit gesenktem Kopf an ihnen vorbeischritt, doch er nahm sie nur am Rande seines Bewusstseins wahr. Was geschieht mit mir? dachte der junge Elf unglücklich. Er sah wieder Cheres' fragendes, ehrliches Gesicht vor sich und biss sich kurz, aber schmerzhaft auf die Unterlippe. Er würde seinen Freund gern einweihen, aber etwas sagte ihm, dass er das nicht tun durfte. So in Gedanken merkte er gar nicht, wie er stur auf eine andere, offensichtlich ebenfalls nicht ganz aufmerksame Person zustapfte. Erst als sie beide zusammenprallten, blinzelte er ein paar Mal und kehrte endgültig in die Realität zurück, wo er dennoch zwei, drei Herzschläge benötigte, ehe er sein Gegenüber erkannte. Es handelte sich um eine sehr groß gewachsene Elfe mit langen, frostfarbenen Haaren und stechenden Augen, die ihn jetzt durch und durch freundlich anstrahlten. "Nanu, Ala, schläfst du noch oder ist das eine Art mentales Training? auf gut Glück loslaufen und nicht auf die Umgebung achten?" obwohl die Worte wohl durchaus scherzhaft gemeint waren, spürte der Elf, wie ihm die Röte in die Wangen stieg. "Weder noch, ich hab einfach nicht aufgepasst," murmelte er. Die Elfe schmunzelte, doch ein kurzer Schatten huschte über ihr Gesicht. "Alles in Ordnung mit dir?" fragte sie in beiläufigem Ton. "Hmm," machte Alazais nur. Die andere griff ungefragt nach seiner Hand. "Du siehst aus, als hättest du noch kein Frühstück gehabt. Wenn ich es mir recht überlege, trifft das auf mich zu. Was hältst du davon? essen wir eine Kleinigkeit zusammen?" er streifte behutsam ihre Hand ab und lächelte. "Danke Shynafay, aber ich bin nicht hungrig. Ich hab wohl doch einfach nur schlecht geschlafen, vielleicht leg ich mich nochmal hin. Trotzdem danke." Er verneigte sich kurz vor ihr und wollte erneut die Flucht ergreifen, aber Shynafay gab sich nicht so rasch geschlagen wie Cheres. Blitzschnell hatte sie den anderen erneut am Arm gepackt und hielt ihn mit einer Kraft fest, die man ihr so ohne weiteres kaum zutrauen würde. Ihr Lächeln bliebt wie gemeißelt auf dem Gesicht, doch der Blick ihrer hellgrünen Raubvogelaugen war wachsam und ernst. "Ich würde mich aber außerordentlich darüber freuen, Ala," sagte sie leise und kniff kurz in seinen Arm. Alazais unterdrückte einen Stoßseufzer und nickte ergeben. "Gut. Aber...bitte nicht in der Taverne," sagte er und mied dabei ihren Blick. Shynafays Verwirrung wuchs, doch sie nickte willig. "Ich wollte eigentlich noch ein paar Einkäufe tätigen, aber das kann warten. Lass uns zu mir nach Hause gehen, da kannst du mir dann in Ruhe erzählen, was dich bedrückt." Alazais riss die Augen auf. "Hört mir eigentlich niemand zu? mit mir ist alles in Ordnung," sagte er mit mühsam erzwungener Geduld. Shynafay lächelte, seinen Arm hielt sie noch immer fest. "Wem willst du das weismachen, hm?" fragte sie ruhig, woraufhin der jüngere Elf erneut schwieg. Während sie -sehr zu Alazais' Erleichterung- tatsächlich das Nordtor wählten, warf Shynafay ihrem Begleiter unauffällige Seitenblicke zu. Einem flüchtigen Betrachter wären die feinen Anzeichen von Unruhe und Unfrieden sicherlich kaum aufgefallen, aber Shynafay war keine unachtsame Person. Alazais, an ihr gemessen noch ein Kind, war deutlich blasser als sonst, seine Augen wirkten abwesend und um seinen Mund lag ein leichter, angespannter Zug, der früher auch noch nicht dagewesen war. Was hast du nur? fragte sie sich im Stillen. Was verschweigst du?

Wortlos passierten sie das Tor, ohne von irgendwelchen Bekannten aufgehalten zu werden. Shynafay hatte früher im Wohngebiet Kilcullen gelebt, ehe sie vor einigen Jahren in die wilde Region um Nord-Tir na nOgh umgesiedelt war. Normalerweise genoss Alazais ihre Gesellschaft- die Elfe war freundlich, ernst und sehr weise. Dass sie seine Wünsche nun samt und sonders ignorierte und ihn darüber hinaus auch noch demütigte, genoss er hingegen ganz und gar nicht. Warum konnte man nicht einmal, nur ein einziges Mal in Ruhe gelassen werden, wenn es einen danach verlangte? seine Gedanken mussten sich wohl recht deutlich in seinem Gesicht wiederspiegeln, vielleicht hatte er auch laut gedacht, denn Shynafay lächelte plötzlich und strich ihm beinahe mütterlich über die Wange. "Wir machen uns Sorgen um dich, ist das so schwer zu verstehen?" Alazais warf ihr einen missvergnügten Seitenblick zu. "Ja, denn diese Sorgen sind unbegründet. Ich bin derzeit einfach bloß ein wenig unpässlich, das geht wieder vorbei, nun glaubt es mir doch endlich." Sie ließ ihn einfach nicht aus dem Bann ihrer Augen. "Bestimmt geht das wieder vorbei, aber ist es denn auch notwendig, dass du dich jetzt damit plagst? und widersprich mir nicht dauernd, Kind," fuhr sie in leicht erhobenem Tonfall hinzu, als er Anstalten machte, dies erneut zu tun. Alazais öffnete leicht fassungslos den Mund und schloss ihn wieder. Stur starrte er auf seine Füße. Der Höflichkeit halber würde er Shynafay zehn oder fünfzehn Minuten lang Gesellschaft leisten, dann schleunigst das Weite suchen und sich für den Rest des Tages nicht mehr in der Öffentlichkeit sehen lassen- das war ja furchtbar heute. Und wieder schien es, als würde sie direkt in ihn hineinblicken und seine Gedanken lesen. Vielleicht tat sie das sogar, bei Shynafay konnte man nie wissen, woran man war. "Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, Ala," sagte sie friedlich. "Wir müssen ja auch nicht unbedingt sofort über dein nichtvorhandenes Problem sprechen," bei den Worten huschte ein gutmütig-spöttisches Lächeln über ihre Züge, "da gibt es genug andere Dinge, die mich brennend interessieren. Du kennst ja meine unerschöpfliche Neugier," fügte sie laut seufzend hinzu und Alazais kam nicht umhin, sachte zu lächeln. "Allerdings." Während ihres Gespräches -sofern man dies so nennen konnte- hatten sie den Waldrand erreicht. Dieser Ort war vielen Hibernianern nicht ganz geheuer- die Bäume waren alt, düster und trocken und strahlten nur wenig von der sanften, vertrauten Präsenz aus, die sonst jeden der naturverbundenen Bewohner des grünsten Landes erfasste. Außerdem befand sich ganz in der Nähe die rätselhafte Katakombenwelt von Darkness Falls. Nein, hier ließ sich niemand nieder, wenn er nicht unbedingt musste, aber Shynafay schien die Abgeschiedenheit in dieser etwas bedrückend anmutenden Umgebung zu genießen. "So, da wären wir," sagte sie munter und nickte auf ihr selbstgebautes kleines Häuschen. Alazais öffnete die schlichte Holztür, von der er wusste, dass Shynafay sie niemals abschloss. Normalerweise eine regelrechte Einladung für die Nachtschattengewächse, die es natürlich auch in Hibernia gab, doch selbst jene zwielichtigen Gestalten mieden diese Gegend- zumal es eh nichts lohnendes zu holen gab, denn außer Shynafay wohnte niemand hier.

Der junge Elf trat in die schlichte kleine Wohnstube und ließ sich auf einen rot gepolsterten Stuhl sinken, der mit vier gleichartigen Exemplaren um einen grob gezimmerten Banketttisch in der Mitte des Raumes stand und damit schon einen Großteil des bescheidenen Platzes in Anspruch nahm. Er blickte sich flüchtig um und streckte die Beine aus. Urplötzlich wurde ihm bewusst, dass seine Kleidung nach der übermütigen Wasserschlacht mit Cheres noch immer reichlich feucht war. Heute Morgen hatte er definitiv eine bessere Laune gehabt, seine Stimmung war erst nach Cheres' Albernheiten so tief gesunken. Vielleicht sehe ich all die Dinge auch einfach viel zu ernst, dachte er bei sich und unterdrückte einmal mehr ein Seufzen. Er drehte den Kopf und sah Shynafay nach, die in den Keller ging, um Brot, Käse, Obst und kühl gelagerte Milch zu holen.
 

Milch, pflegte die Elfe zu sagen, sei ein wahres Wundermittelchen für schlaffe Geister am Morgen. Im Gegensatz zu Alazais schien sie glänzende Laune zu haben. Pfeifend kam sie wieder die Treppe hinauf, warf das silbern schimmernde Haar mit einer raschen Geste nach hinten und lud geschickt ihre Lasten auf dem Tisch ab. "Kann ich helfen?" bot Alazais an, doch sie schüttelte munter den Kopf, stellte ein gescheuertes Holzbrett, Besteck und einen schweren Zinnbecher vor ihn und richtete sich danach selbst ein Gedeck, ehe sie sich ihm gegenüber ebenfalls auf einem Stuhl niederließ. "Iss," forderte sie und lächelte ein bisschen, "hier hab ich wirklich alles selbst gemacht. Sogar Obstbäume gedeihen prächtig auf diesem Boden. Beinahe ein Segen, dass ihn so viele Leute mit Vorurteilen überschütten." Alazais lächelte pflichtschuldig, brach sich ein Stück Brot ab und griff nach einem vollen, roten Apfel. Shynafay goss ihnen Milch ein. "Also," begann sie beiläufig und nahm sich ein wenig Ziegenkäse, "erzähl. Egal was. Hauptsache, ich bekomme mal wieder Geschichten aus der Außenwelt zu hören. Das Einsiedlerdasein bringt auch seine Nachteile, weißt du?" wieder dieses leichte Lächeln. Alazais merkte, wie die Anspannung um ihn herum langsam ein wenig nachließ. "Cheres hat heute wieder im Trainingskampf gegen Lyddan verloren," berichtete er und musste ebenfalls ein wenig schmunzeln. "Er versucht es nun mehr als einer Woche und heute hat er sogar zwei Treffer gelandet. Zumindest war Lyddan so loyal, ein überraschtes Gesicht zu machen, aber wirklich gespürt hat er sie vermutlich nicht." Shynafay lachte herzlich, aber ohne Schadenfreude. "Ach ja, irgendwann wird Cheres zweifelsohne ein begnadeter Schwertmeister sein, aber wenn er nur aufhören wollte, jedes Mal den Kopf zu verlieren. Er ist einfach noch zu impulsiv." Alazais nickte. "Das sag ich ihm jedes Mal, aber den Tag, wo er auf mich hört, werde ich wahrscheinlich nicht mehr erleben." Shynafay kicherte freundlich. "Falls es soweit ist, gib mir Bescheid. Und koste den Apfel, Ala. Soviel Sonne hat noch keine Frucht gesehen, glaub mir." Gehorsam griff Alazais nach dem glänzend roten Apfel und biss hinein- um das Obst in der selben Sekunde erschrocken auf das Brett fallen zu lassen. Ein kleiner Wurm wand sich eilig aus der angebissenen Stelle und plumpste auf den Tisch. Während Alazais ihn noch ungläubig ansah, brach Shynafay wieder in leises Gelächter aus. "Wenn die Kleinen sich meine Äpfel aussuchen, müssen sie zweifellos gesund und gut geraten sein. Was ist mit dir, bist du schon satt?" Alazais griff hastig nach seinem Zinnbecher und nippte an der Milch. Vorwurfsvoll und schweigend sah er die andere Elfe an, deren Augen mutwillig und vergnügt funkelten. "Ach, Ala," seufzte Shynafay, darum bemüht, die Belustigung aus ihrer Stimme zu verbannen, "eben hast du mal wieder richtig ehrlich gelächelt. Das steht dir viel besser. Ist es denn wirklich so schlimm?" schlagartig wurden ihr Gesicht und ihre Stimme wieder ernst. Alazais schloss beide Hände um den Becher, sah sie lange Zeit an, studierte ihre Züge, registrierte den Hauch von Besorgnis und das ehrliche Mitleid und ließ geschlagen den Kopf hängen. "Ich weiß es auch nicht, Shy," murmelte er leise. "Ich glaube schon, aber sicher bin ich mir nicht. Ich weiß überhaupt nicht mehr, woran ich eigentlich bin." Er krallte die Hände so fest um den Becher, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Shynafay stand auf, zog ihren Stuhl zu ihm heran und legte ihm einen Arm um die Schultern, ohne etwas zu erwidern. Mit leicht gepresster Stimme und nach wie vor gesenktem Kopf fuhr er fort: "Ich schlafe höchstens noch drei Stunden pro Nacht und jedes Mal sind da diese Träume. Sie verfolgen mich die ganze Nacht, begleiten mich in den Morgen und klingen auch am Tag noch nach. Wenn ich die Augen schließe, kommen sie wieder oder werden von anderen abgelöst, die ihnen ähnlich sind und genauso furchtbar und real. Es...ist so verwirrend. Und es macht mir Angst. Bin ich deswegen feige? hysterisch?" er hob den Kopf und sah sie müde an, sein Gesicht war beherrscht, doch die großen Augen schimmerten wie Prismen. Shynafay kam nicht umhin, auch den anderen Arm um seine Schultern zu legen und ihn vorsichtig an sich zu drücken. Sie ging sehr behutsam vor, drängte ihn nicht. Alazais holte tief Luft und starrte auf den Fußboden. "Ich sehe Freunde sterben, Shy. Ich rieche Feuer. Ich höre Schreie. Und da sind Hände...so viele Hände, die mich packen. Und dann sind da auch Stimmen, die auf mich einreden, immer lauter und lauter und ich verstehe nicht ein Wort von dem, was sie sagen. Dann fühle ich mich...hilflos. Und das verdirbt mir seit Wochen die Stimmung." Jetzt war es heraus. Er wollte mit niemandem darüber sprechen und hatte es doch getan. Obwohl ihm seine Intuition etwas anderes geraten hatte, fühlte er sich befreit.

Shynafay strich ihm beruhigend über das lange, noch etwas feuchte Haar. "Hm-hm," machte sie leise. "Ich kann mir in etwa vorstellen, was du meinst, Alazais. Du bist hoffnungslos überfordert mit diesen Träumen und das raubt dir die Kraft. Schämst du dich deswegen? nun, das musst du nicht. Was immer diese Nachtmahre zu bedeuten haben, sie können dir nichts tun. Ganz bestimmt wollen sie das, und sie schwächen und zermürben dich. Aber du bist stärker als sie, denn mehr können sie dir nicht tun. Verstehst du?" ihre Stimme klang leise, ruhig und beschwörend. Er hob endlich den Kopf und schaffte den Anflug eines Lächelns. "Ja. Ja, ich denke schon." Shynafay beugte sich ein wenig herab und küsste seine Stirn. "Das ist gut. Und du bist ganz bestimmt nicht feige, Ala. Auch nicht hysterisch. Im Gegenteil, ich halte dich für sehr stark und bewundere die Ruhe, mit der du dies all die Wochen vor mir verheimlicht hast. Auch wenn es absolut überflüssig war, denn ich höre dir immer zu, das solltest du wissen," sie knuffte ihn freundschaftlich in die Seite. Plötzlich legte sie den Kopf schräg und betrachtete den jungen Elfen nachdenklich. "Wenn du den Rat einer alten Freundin annehmen willst, dann sprich mit deiner Ausbilderin darüber. Ihr kannst du nun wirklich vertrauen. Ihr Mentalisten habt ja erwiesenermaßen sowieso einen sechsten Sinn und bestimmt weiß sie Rat." Alazais nickte nachdenklich und erhob sich langsam. "Ich schätze, das werde ich tun. Jetzt, wo ich...nun ja, darüber geredet habe...da geht es irgendwie leichter." Shynafay lächelte erneut. "Na siehst du. Oh, übrigens...möchtest du deinen Apfel als Wegzehrung mitnehmen?" Alazais räusperte sich und machte eine übertrieben tiefe Verbeugung. "Mästet mich nicht, Teuerste. Es gibt wirklich nichts Peinlicheres als einen runden Elfen." Shynafay grinste spöttisch. "Es wäre eher eine Weltsensation, denn es gibt von Natur aus keine runden Elfen. Du wärst der Erste und damit vermutlich Gold wert." Lachend winkte Alazais ihr zu und verließ das Haus. Shynafay sah noch einen Moment lang auf die geschlossene Tür und lehnte sich zurück. Plötzlich fiel der gesamte Humor von ihr ab und ihre scharfen, grünen Augen starrten auf einen imaginären Punkt irgendwo an der gegenüberliegenden Wand. Armer Junge, dachte sie. Ich muss mir ja wohl keine ernsten Sorgen um dich machen?



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