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Dark Age of Camelot

Licht und Schatten
von

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Ein Besuch und ein Geheimnis

Zehn Minuten später kehrte Stellan zurück. In den Händen balancierte er eine riesige, hölzerne Schüssel mit lauwarmem Wasser, in der zwei vollgesogene Lappen trieben. Über seiner linken Schulter baumelte ein lederner Beutel. Der Nordmann stellte die Schale auf den Boden und stieg erneut aus seinen Kleidern, griff nach einem der schweren Wolltücher und begann dann, seinen muskulösen, von verschiedenen Narben gezeichneten Körper zu säubern.

Alazais sah ihm aus halb geschlossenen Augen zu, der Optimismus, der gestern noch zaghaft in seinem Gesicht geleuchtet hatte, war weitesgehend wieder verschwunden. "Was ist los?" fragte Stellan forsch und rieb sich den kräftigen Nacken. "Nichts," murmelte der Elf undeutlich. Stellan brummte. "Es gefällt mir nicht, wenn du da wie ein waidwundes Reh hockst. Komm schon her." Alazais gehorchte und tappte nackt, ein wenig steifbeinig und mit gesenktem Kopf auf den Nordmann zu, der seinen Lappen in die Schüssel zurückfallen ließ, das zweite Tuch nahm und den nassen Stoff mit festen Strichen über die glatte Haut des Zauberwebers gleiten ließ. Es herrschte einvernehmliches Schweigen und Alazais hielt still, während Stellan ihm Schultern und Brust wusch und über seinen Bauch fuhr.

"So," sagte der Nordmann nach einer Weile und musterte den entblößten Leib vor sich, "das soll reichen. Zieh dich an." Der Junge gehorchte und ging neben dem Bett in die Hocke, um seine leicht zerknitterten Kleider aufzuraffen. Er konnte Stellans lüsternen Blick beinahe wie einen Nadelstich im Rücken spüren und rechnete jeden Moment damit, dass der andere wieder über ihn herfallen würde, doch offenbar war die Lust des Berserkers für den Moment gestillt. Müde stieg Alazais in die Hosen, streifte sein Hemd über und zog sich die Stiefel an. Stellan indes förderte grobes Brot und ein paar Streifen Trockenfleisch aus seinem Beutel. Er reichte Alazais eine Scheibe und ein Stück Fleisch und wandte sich zur Bar, um Met in zwei Humpen zu füllen. Hinter seinem Rücken genehmigte sich der junge Elf eine kurze Grimasse. Alkohol zum Frühstück, wenn das seine Eltern sehen könnten. Bei dem Gedanken an seine Heimat überkam ihn ein kurzer, heftiger Schwall wehmütiger Sehnsucht und er schob den Gedanken hastig beiseite, während er skeptisch den bräunlich-roten Fleischstreifen zwischen den Fingern drehte. Der Elf hatte Fleisch noch nie besonders gemocht, eigentlich verursachte ihm dessen Verzehr beinahe schon ein wenig Übelkeit, aber dieses Zeug sah aus wie eine uralte Stiefelsohle.

Zweifelnd biss Alazais in den Streifen und kaute eine Weile darauf herum, während er gegen das Gefühl ankämpfte, an einem zähen Lederlappen zu lutschen. Geschmacklich durfte es bestimmt keine großen Unterschiede geben. Er bemerkte, dass Stellan ihn mit verhaltenem Amüsement beobachtete. "Ich vergesse immer, dass ihr Baumschmuser nur Gras und Körner zu euch nehmt," meinte der Nordmann spöttisch. Alazais erwiderte nichts und schluckte das Fleisch mit einigem Widerwillen herunter, ehe er sich dem Brot zuwandte. Stellan reichte ihm einen Humpen Met und schenkte sich selbst nach. "Wenn du fertig bist, können wir gehen." Der Mentalist trank ein paar Schlucke und hielt das Gefäß dann zwischen den Händen, ehe er nickte. Sein Appetit hatte in der letzten halben Stunde einigermaßen nachgelassen und er war sehr nervös. Der Gedanke an sein letztes Gespräch mit Madran trieb dem Magier unwillkürlich die Schamesröte in die Wangen. Er wollte seinen Freund durchaus wieder sehen und sich davon überzeugen, dass er noch in einem Stück war, aber gleichzeitig widerstrebte es Alazais, dem Kelten unter die Augen zu treten. Er hatte dessen verständnislosen Blick und die Verachtung in seinen Augen nicht vergessen.

Stellan erwiderte das Nicken, nahm dem Elfen den Humpen aus der Hand und ging dann voran. Die plötzliche Großzügigkeit machte Alazais einigermaßen misstrauisch, obwohl dazu kaum Anlass bestand. Es war eine plumpe -und zumindest für den Magier erniedrigende- Tatsache, dass Stellan, wenn er seine Befriedigung gefunden hatte, zuweilen regelrecht verträglich sein konnte. Zumindest so lange, bis ihn der nächste unberechenbare Stimmungsumschwung erfasste. Still folgte er dem Nordmann nach draußen in die morgendliche Kälte und blinzelte zum Himmel hinauf, von welchem dicke, weiße Flocken zur Erde fielen. Schnee übte noch immer eine ungemeine Faszination auf den Jungen aus und mit einem Mal fühlte er sich von hinten gepackt. Stellan grinste anzüglich. Sein Blick wirkte halb herausfordernd und halb- ja, was? hätte Alazais es nicht besser gewusst, hätte er den Ausdruck in den kalt-blauen Augen des anderen beinahe für Zuneigung halten können.

"Bei Modi, Zacharel hatte Recht. Hier draußen kommst du viel besser zur Geltung." Er sprach von dem Elfen, als wäre dieser ein unbelebtes Kunstwerk, was von dem unverhohlenen Besitzerstolz in seiner Stimme noch unterstrichen wurde. Der Junge senkte den Blick und betrachtete die großen Hände, die gierig über seinen Oberkörper strichen. Schon wieder? dachte er unwillkürlich und blinzelte unglücklich. Die Vorstellung, das verhasste Spiel unter freiem, kalten Himmel mitmachen zu müssen und dabei vielleicht sogar noch von anderen Midgardern beobachtet zu werden, trieb ihm unwillkürlich die Schamesröte ins Gesicht. Seine Bedenken wurden zu würgender Panik, als Stellan ihn mit einem leisen Lachen nach vorne in den Schnee stieß und sich über ihn warf. Der Elf japste vor Kälte, als der andere so ungeduldig an seinem Körper entlang strich, dass er ihm in leidenschaftlicher Eile die Tunika den Rücken hinauf schob und seine bloße Haut dem eisigen Schnee preis gab. Gleich darauf spürte der Junge Stellans Lippen auf den seinen, und um die Prozedur möglichst schnell hinter sich zu bringen, öffnete er den Mund, um der anderen, schon gar nicht mehr fremden Zunge Einlass zu gewähren. Der Berserker küsste ihn ungestüm, wild, wie es seiner Natur entsprach, aber nicht gewollt brutal. Dabei strichen seine Hände immer wieder an Alazais' Körper entlang und drückten ihn ein wenig in den jungfräulichen Schnee. Der Elf war nicht zum ersten Mal völlig überrumpelt- es schien gerade so, als wäre der Stellan, welcher die Drohungen und Erpressungen im Haus ausgesprochen hatte, binnen weniger Minuten zu einem vollkommen anderen Menschen geworden.

Die bizarre Leidenschaft währte nur wenige Momente, dann richtete sich Stellan ein wenig außer Atem auf, klopfte sich den Schnee aus den blonden Haaren und packte Alazais unter den Achseln, um ihn ebenfalls auf die Füße zu ziehen. Weißgepudert und sich mehr oder minder einvernehmlich anschweigend, setzten sie ihren Weg fort.
 

Alazais hatte in den vergangenen Wochen nie gefragt, wo man Madran untergebracht hatte. Seine Unruhe wuchs mit jedem zurück gelegten Schritt, doch er wagte nicht, Stellan eine entsprechende Frage zu stellen. Sie erreichten Vasudheim und wie immer war der Junge bestürzt über die Feindschaft, die ihm fast schon körperlich spürbar entgegen schlug. Doch ganz offenbar gab es unter den leidenschaftslosen Fremdenhassern auch ein paar Ausnahmen und mit einem Mal rannte den beiden eine Schar von etwa sieben oder acht Kindern entgegen.

"Da ist er!" krähte ein winziges Nordmädchen mit roten Wangen. Eine Koboldin ergänzte lautstark: "Das ist der Elf, der Kaili aus dem See geholt hat!" Alazais blinzelte und wusste nicht recht, wie ihm geschah, doch Stellan scheuchte die Kinder grimmig beiseite. Die Jungen und Mädchen protestierten enttäuscht und trippelten emsig hinter ihnen her, wobei eine Koboldin schließlich allen Mut zusammen nahm und Alazais am Saum seiner Tunika festhielt. Verwundert blieb der Elf stehen und drehte sich um, um genau in die großen, dunkelblauen Augen der kleinen Midgarderin zu blicken. "Mutter sagt, du bist ein Fleckschand hier!" vertraute sie ihm ernst an. Alazais blinzelte erneut, und ein Valkynjunge fauchte geringschätzig, fuhr sich durch seine wilde Mähne und belehrte seine Spielgefährtin ungnädig: "Das heißt Schandfleck!" in dem Moment ertönte Stellans unbestreitbar zornige Stimme: "Schlaf mir ja nicht beim Gehen ein!" der Elf seuzfte unterdrückt und wollte sich abwenden, da griff das Koboldmädchen nach einer seiner glänzenden Haarsträhnen und drehte sie staunend zwischen den Fingern. "Warum hast du keinen Bart? warum sind die hier so lang?" sie zögerte kurz und straffte dann die Schultern: "Spielst du mal was mit mir?"

Alazais hatte nicht alles verstanden, aber genug, um ein zögerliches Lächeln sehen zu lassen und die anderen Kinder kreischten begeistert. "Au ja, mit'm Elfen spielen! dann spielen wir Krieg!" in dem Moment fühlte sich Alazais von hinten an der Schulter gepackt und grob zurück gerissen. "Macht, dass ihr weg kommt!" brüllte ihm Stellan über die Schulter und funkelte die Kinder so drohend an, dass sie verschüchtert auseinander stoben, wobei einige noch beinahe herzzereißende Blicke auf Alazais warfen, der nun von dem Nordmann im Genick gepackt und einige Schritte mitgeschleift wurde. "Wir können das Ganze auch lassen und ich sperr dich wieder im Haus ein," zischte Stellan verärgert. "Wenn du meinst, dass du aufmüpfig werden willst, zeig ich dir gerne noch einmal, wieviel du dir erlauben kannst!" seine Hand zuckte und die Ohrfeige wollte unbedingt heraus, doch der Berserker beherrschte sich mühsam. Gereizt stieß er Alazais vor sich her und dirigierte ihn in Richtung Waldrand.

Dort arbeiteten etwa zehn bis fünfzehn Männer. Es war anstrengende Arbeit, denn sie fällten nicht nur die mächtigen Nordlandtannen, sondern brachen aus einer recht tiefen, halb vereisten Grube besondere Metalle, die die legendären Handwerker für ihne Künste brauchten.

"Hej Olaf!" brüllte Stellan über das Hämmern, Sägen, Hacken und Schnaufen hinweg und stieß einen humpelnden, katzenartigen Valkyn beiseite, der einen riesigen Weidenkorb voller Unrat auf dem Rücken trug. In den Gruben wurden entweder Tagelöhner, Gesetzesbrecher oder auch Kriegsgefangene beschäftigt und von den anderen Midgardern erfuhren sie zumeist nur Verachtung und Abscheu. Der Angesprochene, ein Nordmann mittleren Alters mit dunkelbraunem Haar, richtete sich auf und ließ den Pergamentbogen, den er beschriftet hatte, sinken. "Hej Stellan, schon auf? komm her." Der Berserker stieß Alazais nach vorne und kam näher. "Modis starker Arm mit dir," begrüßte Stellan den Älteren. Der dunkelhaarige Milesier nickte und fixierte Alazais dann mit einem überraschten und sehr geringschätzigen Blick. "Was ist das denn?" wollte er wissen. "Wenn du mir den unterschieben willst, kannst du gleich wieder gehen. Ich hab mehr als genug Ausländerpack und für so ein Mädchen keine Verwendung." Stellan schüttelte den Kopf. "Deswegen bin ich nicht gekommen. Ich hab dir doch vor ein paar Wochen so einen keltischen Bengel geliefert, dunkelblonde Haare, großes Maul, leicht verrutschter Kiefer." Olaf nickte. "Ich erinnere mich." "Lebt der noch?" wollte der Berserker wissen, woraufhin der andere Nordmann abfällig durch die Nase lachte. "Von harter Arbeit stirbt keiner, ja, er ist noch auf den Beinen, auch wenn ich mehrmals in Versuchung kam, ihm mit einem der zahlreichen Hämmer hier den Schädel einzuschlagen. Nimmst du ihn wieder mit?" die letzten Worte klangen beinahe hoffnungsvoll und Stellan schüttelte den Kopf. "Hol ihn doch mal her," bat er. Olaf brummte und spuckte seitwärts aus. "Was du nicht immer alles willst..." doch er drehte sich um und brüllte mit kehliger Stimme einen Befehl und ein paar Herzschläge später mühte sich ein junger Mann aus der Grube und schlurfte zu ihnen hinüber.

Der Anblick traf Alazais wie einen Hieb. Madran hatte nur noch entfernt Ähnlichkeit mit dem vorlauten jungen Champion, den er gekannt hatte. Seine Wangen und das Kinn waren von spärlichen Bartstoppeln übersät, die blutunterlaufenen Augen lagen viel zu tief in ihren Höhlen, eine hässliche Narbe zog sich unter seinem linken Lid bis fast zum Kinn herab. Der Kelte, dem man früher durchaus angesehen hatte, dass er gern und viel aß, war so abgemagert, dass Alazais sich wunderte, wie er überhaupt noch laufen, geschweige denn einen schweren Hammer schwingen konnte. Unsauber und strähnen hingen ihm die verfilzten, dunkelblonden Haare ins Gesicht.

"Ja?" meinte der Champion dumpf auf midländisch, ohne Alazais auch nur einmal anzusehen. Olaf ruckte mit dem Kinn in Richtung der beiden Besucher. "Man will dich sprechen. Trödle nicht herum und danach scher dich zurück an deine Arbeit." An Stellan gewandt fügte er hinzu: "Haltet euch kurz, wir haben hier viel zu tun." Damit wandte er sich wieder seinen Dokumenten zu. Alazais warf einen Blick nach hinten und sah noch, dass Stellan ihn und Madran einfach stehen gelassen hatte und zum Rand der Grube geschlendert war. Mühsam schluckte der Junge den faustgroßen Klumpen in seiner Kehle herunter und trat einen halben Schritt näher. "H...Hallo Madran." Er ärgerte sich beinahe sofort über die stockende und unsäglich geistlose Bemerkung, aber er war noch immer viel zu erschüttert, um einen klaren Gedanken fassen zu können. Was ihn noch mehr als das abgerissenene Aussehen seines Freundes entsetzte, war die dumpfe, gleichgültige Leere, die in seinen einstmals so temperamentvollen Augen gähnte. So siehst du manchmal auch aus, wenn du dein Spiegelbild betrachtest, meldet sich eine innere Stimme und Alazais spürte eine kurze Gänsehaut am Körper.

Madran hatte ihn einen Moment lang abschätzend gemustert und nickte dann kaum merklich. "Hallo, Ala." Es klang uninteressiert. Der Elf blinzelte hilflos. Er hatte mit vielem gerechnet, aber diese scheintote Monotonie überforderte ihn. "Wie...," Alazais brach ab. Danach zu fragen, wie es dem anderen ging, wäre einem schlechten Scherz gleich gekommen. Madran sah ihn abwartend und mürrisch an und plötzlich packte der Elf ihn bei den knochigen Schultern. "Oh bei Dana, Madran, was haben sie mit dir gemacht?" brachte er mit kummervoller Stimme hervor. "Schau dich um und rate," erwiderte der junge Kelte lakonisch. "Ich reiß mir für die Bastarde hier den Arsch auf. Genau wie du, schätze ich." Bei den letzten Worten wurde seine Stimme direkt gehässig und wie betäubt wich Alazais wieder einen halben Schritt zurück, wobei er die Hände sinken ließ. "Was?" murmelte er. Madran schnaubte kurz. "Vergiss es," sagte er grob. "Warum bist du gekommen? dir scheint's ja nicht schlecht zu gehen...," ausdruckslos streiften seine verhärmten Augen die saubere, wintertaugliche Kleidung, die der junge Elf trug. Alazais starrte ihn fassungslos an. "Ich wollte sehen, wie es dir geht," erwiderte er mit noch nicht ganz fester Stimme. Madran lachte kurz und humorlos. "Na, das ist ja prima. Fällt dir früh ein, nach...keine Ahnung, ich hab die Wochen nicht gezählt." Alazais holte tief Luft. "Warum tust du das?" fragte er und biss sich auf die sachte bebenden Lippen.

"Was?"

"Warum gibst du mir das Gefühl, ich sei Schuld an dem, was uns passiert ist?"

Die beiden jungen Hibernianer starrten sich einen Moment an, ehe Madran den Blick abwandte und einfach gehen wollte. Beinahe reflexartig griff Alazais nach seiner Hand, doch der Kelte schlug seine Finger herunter. "Fass mich nicht an," sagte er giftig. "Geh doch zurück zu deinem Nordmann und mach den Mund auf, schön weit. Beine spreizen nicht vergessen! in der Hütte waren wir allein, du hättest ihn töten können und wir wären vielleicht davon gekommen, aber bei Dana, nein, das Risiko, das Risiko war ja viel zu groß." Seine Stimme troff vor Hohn und Alazais starrte ihn schockiert und gekränkt an. "Er hätte dich getötet!" gab er betont zurück. "Meinetwegen!" brüllte ihn Madran plötzlich an. "Lieber wäre ich ehrenhaft gestorben, als hier...hier...verdammt, verschwinde doch, ich hab genug!" der Elf blinzelte die aufstreigenden Tränen herunter. "Du warst es, der gesagt hat, dass wir hier irgendwie heraus kommen werden," sagte er mit zitternder Stimme und in dem schwachen Versuch, zu kontern. Madran schnaubte abermals. "Und du glaubst immer noch daran? träum weiter. Geh endlich, Ala, ich hab die Schnauze voll. Wenn ich dir ins Gesicht sehen muss, wird mir ehrlich übel. Hau ab und lass mich in Ruhe. Ich wünschte wirklich, ich hätte dich und diesen Bastard Cheres nie kennen gelernt." Alazais wich Schritt für Schritt zurück, sein Gesicht war so bleich wie die immer noch träge fallenden Schneeflocken. Madran funkelte ihn an und spuckte demonstrativ auf den Boden und halb blind vor Tränen wandte sich der junge Mentalist ab und ließ ihn stehen.

Stellan drehte sich um und musterte den am Boden zerstörten Elfen mit schwer deutbarem Ausdruck. "Keine Wiedersehensfreude?" fragte er nur. Alazais schluckte und schniefte kurz. Er zuckte nicht einmal zusammen, als der Nordmann die Hand hob, aber es folgte kein Schlag, stattdessen wischte ihm der blonde Berserker beinahe ruppig eine verräterische Träne von den kalten Wangen. "Dann lass uns wieder gehen," meinte Stellan kurz angebunden. "Danke Olaf," rief er über die Schulter und der andere Nordmann hob kurz die Hand, um zu zeigen, dass er verstanden hatte.
 

Wenig später befanden sich Stellan und Alazais auf dem Rückweg zur Hütte. Sie hatten schon die Hälfte des Weges hinter sich gelassen, als Alazais unvermittelt in Tränen ausbrach. Der Schock, der sich wie Säure in sein Bewusstsein gefressen hatte, löste sich auf einmal mit der Wucht eines brechenden Staudammes und hemmungslos schluchzend sank der Elf im Schnee auf die Knie und schlug die Hände vor die Augen. Stellan blieb ruckartig stehen und drehte sich um, ohne etwas zu sagen.

Leise, klagende Worte in seiner Muttersprache ausstoßend, hieb der Elf mit einer schmalen Faust auf den Boden, fest genug, um die Haut um seine Knöchel herum aufplatzen zu lassen. Wirr hingen ihm die Haare ins Gesicht, während die Tränen wie winzige Perlen in den Schnee tropften. "Schluss jetzt," befahl Stellan, der sich den verzweifelten Ausbruch einen Moment lang unbewegt angesehen hatte. Natürlich erzielten die Worte keine Wirkung und ärgerlich trat der Nordmann näher. "Du sollst damit aufhören!" knurrte er, ging in die Hocke und packte den jungen Zauberweber grob an den Schultern. Alazais wandte ihm das tränenüberströmte Gesicht zu und presste die Kiefer in Erwartung eines maßregelnden Hiebes aufeinander, doch Stellan musterte ihn nur. Seltsamerweise schien diese wortlose, eindringliche Betrachtung ernüchternd zu wirken und nach einer Weile wurden die Schluchzer des Elfen leiser und klangen zu einem gelegentlichen Wimmern und Hicksen ab. "Komm," sagte Stellan schließlich und streckte dem anderen eine Hand entgegen. Alazais besah sich diese einen Moment lang, ergriff sie dann und ließ sich auf die Beine ziehen. Mit hängenden Schultern, immer noch kreuzunglücklich, aber dennoch etwas weniger zugeschnürter Kehle folgte er dem Nordmann zu ihrer gemeinsamen Hütte.
 

Alazais hatte mit einer Strafe oder bestenfalls purer Ignoranz gerechnet, doch seine tiefe Niedergeschlagenheit wich kurzzeitig maßloser Verblüffung, als ihn der Nordmann mühelos auf die Arme nahm, zum Bett trug und ihn darauf ablegte, um ihm -der Junge sah schon endgültig verzweifelt zur Decke- nicht etwa die Kleider vom Leib zu reißen, sondern stattdessen die etwas kratzige Wolldecke über den Elfen zu werfen. "Schlaf nochmal ein paar Stunden, bis Zacharel kommt," befahl der Nordmann kurz angebunden. Er selbst hatte sich gar nicht erst umgezogen und nahm nun nur eine seiner Lieblingsäxte von der Wand, ehe er zur Tür stapfte. "Wohin Ihr gehen?" fragte Alazais impulsiv und erschrak, als er hörte, wie leblos seine Stimme klang. "Nach Emain," gab der Berserker zurück. "Ein paar deiner Landsleute nach Walhalla schicken." Er starrte den Magier kurz an und Alazais erwiderte den Blick. Er wusste, dass Stellan nicht scherzte. Er war oft im Grenzgebiet, um im Reichsrang aufzusteigen- und aus purem Vergnügen zu töten. Es machte ihm ganz einfach Spaß.

Der Junge hielt dem Blick noch einen weiteren Moment stand, dann sah er auf die Bettdecke herunter. Stellan schwieg ebenfalls und wandte sich ab. Kurz darauf fiel die Tür hinter ihm zu. Beinahe sofort sprang Alazais aus dem Bett und trat zur Regalwand hinüber, an der Stellan sein Waffenarsenal aufbewahrte. Der Anblick von Axtstielen und Schwertgriffen verursachte ein unangenehmes Ziehen in seiner Brust und mit zitternden Händen ergriff der Elf ein wuchtiges Breitschwert, welches er mühsam aus der massiven Wandhalterung hievte. Unglaublich, dass man damit kämpfen sollte, er selbst konnte die Waffe gerade so halten. Rastlos drehte der junge Magier das Schwert und erstarrte, als er sich selbst in der blank funkelnden Klinge erkennen konnte. Zwar fehlte ihm das abgekämpfte, abgerissene Äußere, das Madran einen so bestürzenden Anblick verlieh, doch der Ausdruck in seinen Augen war fast der Gleiche. Schmerz, Niedergeschlagenheit und Schuldbewusstsein blitzten ihm aus dem midländischen Metall entgegen und vor seinem inneren Auge sah Alazais noch einmal bedeutende Erlebnisse seiner bisherigen Gefangenschaft vorbei ziehen: er selbst am allerersten Tag mit Stellan, er selbst mit Stellan, Leif und Kjell. Er selbst, wie er den alten Animisten töten musste. Er selbst...

"Nein!" schrie Alazais. Entsetzt, verzweifelt und angewidert ließ er das Schwert fallen, welches mit einem dumpfen Scheppern zu Boden krachte. Erneut aufschluchzend schlang er die Arme um seinen Oberkörper und sank im Schneidersitz auf dem kalten Boden nieder. Einladend funkelte das kalte Metall der Klinge neben ihm und leise weinend strich er mit zwei zitternden Fingern darüber. Eine kurze Bewegung, etwas Anstrengung, einmal noch einen schmerzhaften Stoß über sich ergehen lassen und er hätte es hinter sich. Der Magier schluckte trocken, die Tränen erschwerten ihm die Sicht. Mach schon, spottete eine innere Stimme. Was ist denn noch von dir übrig? Madran hat Recht, Leif hat Recht, sogar Stellan hat Recht. Du bist nichts mehr.

Leise stöhnend vergrub Alazais den Kopf zwischen den Armen. Es wäre so einfach, warum also krallte er sich mit beiden Händen an ein Leben, das unwiderbringlich zurück lag? nichts würde sich hier ändern. Irgendwann stand er trotz allem auf und trottete mit hängenden Schultern zum Bett zurück. Er war tatsächlich müde und fühlte sich, als habe er schwerste Arbeit geleistet.
 

"Wer seid Ihr? bitte...sagt es mir," drängte Alazais mit ängstlicher, respektvoller Stimme. Ununterbrochen drehte er den schmalen Metallring mit den eingekerbten Runen, den der fremde Elf ihm gegeben hatte. Ein Geschenk seiner Verlobten und mit besten Empfehlungen von König Eirik, wie er dazu bemerkt hatte. Alazais hörte gar nicht richtig hin. Wieder überraschte ihn die große Ähnlichkeit, die zwischen ihnen herrschte. Der in schwarz gekleidete blonde Elf sah aus, als wäre er vielleicht sechs oder sieben Jahre älter als er und hätte Alazais einen älteren Bruder gehabt, dann hätte er sicherlich so ausgesehen.

Der aristokratisch wirkende Elf hob nur minimal eine Augenbraue. "Was hättest du davon?" gab er mit ausdrucksloser Stimme zurück. "Du würdest es nicht verstehen und es würde dir auch nicht helfen." Alazais sah ihn immer noch an. "Das ist egal," erwiderte er zurückhaltend. "Bitte...sagt es mir."

Der Fremde zuckte mit den Schultern. "Mein Name ist Cheres," er zögerte kurz, "kleiner Bruder."
 

Erschrocken schlug Alazais die Augen auf und stieß gleich darauf einen kurzen Schrei aus: über ihm thronte ein dunkelhäutiges Gesicht, das nun ebenfalls zurück zuckte und begütigend die Hände hob. "Oh, ganz ruhig du sein, nur ich es bin." Alazais rieb sich über die Augen, derweil sein Herz heftig gegen seine Rippen hämmerte. "Zacharel?" murmelte er benommen. "Wo...wie spät ist es?" der Frostalf lächelte leicht. "Zu spät. Wir eigentlich schon sitzen bei deinem Unterricht nun," erwiderte er zwinkernd. Blinzelnd richtete sich der junge Hibernianer auf. "Wo ist Stellan?" fragte er und hielt sich die Hand vor den Mund, um ein Gähnen zu unterdrücken. "Stellan noch in Emain ist," antwortete sein Lehrer. "Und er es sicher nicht gern sieht, wenn er kommt wieder und du noch schläfst. Also," munter klatschte er in die Hände, "raus, raus aus dem Bett!"

Alazais gehorchte, obwohl er sich immer noch schrecklich müde fühlte. Tatsächlich hatte er das Gefühl, überhaupt nicht geschlafen zu haben, weder in der Nacht, noch nach dem unglückseligen Besuch bei Madran. Ohne besonders viel Anmut schlurfte der Junge zur Waschschüssel und benetzte sein Gesicht mit dem kalten Nass, aber die kurze Erfrischung währte nur wenige Sekunden, ehe ihn wieder eine bleierne Schwere übermannte und seine Lider gewaltsam zu schließen versuchte. "Oh weia," bemerkte Zacharel, und nun klang er tatsächlich ein bisschen besorgt. "Du wirklich nicht gut aussiehst. Was ist los, Alazais? du doch nicht etwa wirst krank?" der Elf kämmte sich mit den gespreizten Fingern die langen, blonden Haare und antwortete eine ganze Weile nicht, ehe er dem Heiler einen kurzen Blick zuwarf. "Zacharel, ich habe dir neulich erzählt, dass ich...," er schwieg kurz, "...einen Traum hatte. Von einem seltsamen Elfen."

Der Heiler starrte zur Tür, als wären dieser plötzlich Flügel gewachsen. "Zacharel?" wiederholte Alazais etwas drängender. "Mmmh," machte der Frostalf, gleichzeitig widerwillig wie zustimmend. "Ich habe eben wieder von ihm geträumt," erzählte der junge Mentalist mit mühsam beherrschter Stimme. "Er trägt den Namen meines besten Freundes, und er sagte...er sagte, ich wäre sein Bruder." Zacharel schwieg und Alazais drehte sich gänzlich herum. "Bitte sag mir, was du weißt," bat er müde. "Gibt es diesen Elfen? Zacharel?!" seine Stimme wurde ungeduldig, als der Heiler immer noch nichts erwiderte. Schließlich seufzte der Frostalf tief. "Ja, den es gibt," erwiderte er unbehaglich. Alazais verschränkte die kalt gewordenen Hände vor der Brust. "Ist er mit der Tochter deines Königs verlobt?" Zacharel biss sich auf die Lippen. "Er nicht mein König ist," murmelte er mürrisch. "Zacharel!" rief der Elf frustriert. "Warum machst du so ein Geheimnis daraus? wer ist er? und warum träume ich Dinge, die dann später so oder wenigstens so ähnlich passieren?!" der Heiler sah zur Seite und schwieg abermals.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  jogole
2007-11-29T13:27:06+00:00 29.11.2007 14:27
maheeeeeeee!!!

so gemein! einfach an soner stelle mitten im dialog auzuhören! du bist echt fies!!

langsam muss ich sagen steig ich nicht mehr ganz durch. ich bin ja echt schon sowas von gespannt wer der "bruder" denn nun ist, und wies bei dem armen ala weitergeht und ob sich madras entschuldigt und wies cheres geht und ob stellan vernünftig wird und ...

also brav und schnell weiterschreiben. sonst gibts das zweite bild nicht mehr! *droh*

lg das jogole =^^=


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