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Das Leben geht weiter

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Stille

Per hatte seine Hände tief in seine Hosentasche gesteckt und den Kragen seiner Jacke nach oben geklappt. Es war absolut kein Wetter um vor die Türe zu gehen und ehrlich gesagt würde er jetzt lieber im warmen Bett liegen und kuscheln, anstatt bei dieser Kälte durch die Nacht zu laufen.

„Wieso glaubst du, dass sie sich die Schuld gibt?“, fragte Per und sah Jules von der Seite her an. Er wusste einfach nicht woher sie diese Sicherheit nahm. Gut sie kannte sie schon sehr lange, aber trotzdem konnte man sich bei so etwas doch nicht so sicher sein. Außer natürlich man konnte Gedanken lesen, aber da das keiner konnte, konnte man sich auch niemals wirklich sicher sein.

„Es ist eigentlich ganz einfach“, sagte Jules und sah zu Per. „Damals hat sie sich die Schuld gegeben, weil sie dabei gewesen ist und jetzt gibt sie sich die Schuld, weil sie nicht dabei gewesen ist.“

„Muss ich das jetzt verstehen?“, fragte Per und hatte einen etwas ratlosen Blick.

„Schau mal“, meinte Jules und hängte sich bei Per ein. „Meinst du es wäre zu diesem Fehltritt gekommen wenn sie dabei gewesen wäre?“

Für einen Moment überlegte Per und schüttelte den Kopf.

„Nein sicherlich nicht.“

„Na siehst du“, sagte Jules und sah wieder auf die Straße. „Sie weiß es genauso wie du es weißt. Sie weiß, dass wenn sie dabei gewesen wäre, es nicht dazu gekommen wäre und deswegen gibt sie sich ja auch die Schuld daran.“

„Ja aber warum gibt sie sich die Schuld für etwas, das Max verbockt hat? Sie hätte doch auch dabei sein können und es hätte trotzdem passieren können. Hätte sie sich dann auch die Schuld gegeben?“

„Vermutlich ja“, meinte Jules und zuckte leicht mit den Schultern. „Sie ist was das angeht einfach etwas seltsam. Sie sucht selten die Schuld bei anderen, sondern in erster Linie immer bei sich selbst. Wenn sie dabei gewesen wäre und Max hätte diesen Fehler begangen, dann hätte sie sich wohl gefragt ob sie etwas falsch gemacht hat, ob er etwas vermisst hat oder ob sie ihm nicht das hat bieten können was er gebraucht hat. Sie hat eine verdammt große Klappe wie du ja selbst weißt und sie kann auch verdammt gut austeilen wenn es sein muss, aber bei so was hat sie einfach kein besonders großes Vertrauen in sich. Sie ist wohl einfach zu gutmütig und glaubt zu sehr an das Gute im Menschen.“

„Ich kann mir das gar nicht so wirklich vorstellen“, meinte Per und schüttelte leicht den Kopf. „Ich meine ich habe sie auf Tour erlebt und da hat sie eigentlich immer den Eindruck gemacht, als könnte sie so schnell nichts aus der Bahn werfen. Sie hat allen Kontra gegeben und sich nichts gefallen lassen und jetzt ist sie das genaue Gegenteil.“

„Nun sie weiß diese Seite sehr gut zu verstecken“, meinte Jules und blieb an der Haltestation stehen. „Weißt du Per, sie war zwar schon früher mal mit Jungs zusammen. Mal hier ne Woche, mal da ne Woche. Das längste war glaube ich 2 Monate oder so gewesen, länger hat sie es meistens nicht ausgehalten. Sobald es ernster geworden ist hat sie sich irgendetwas einfallen lassen und ist verschwunden. Sie hat eigentlich nie wirklich jemanden vertraut, bis jetzt... Ich glaube Max ist der Erste bei dem sie es wirklich ernst meint.“

„Du meinst sie ist das erste Mal richtig verliebt?“, fragte Per nach und wartete bis Jules in die Straßenbahn eingestiegen war und ließ sich dann neben sie auf den Sitz fallen.

„Nein ich glaube sie ist über den Punkt bereits hinaus“, meinte Jules und sah kurz aus dem Fenster. „Gestern waren wir ja zusammen in der Stadt gewesen und ich hab sie in ein Brautmodegeschäft geschleppt. Du musst wissen, sie und heiraten ist wie Feuer und Wasser. Ich hab sie in verschiedene Kleider stecken lassen und bei einem Kleid.... Ich glaube in diesem Moment hat sie sich vorstellen können verheiratet zu sein.“

„Wie bitte?“, fragte Per und musste trotz der Situation ein klein wenig lächeln.

„Ja ich weiß das muss sich verrückt anhören“, meinte nun auch Jules lächelnd und sah Per an. „Aber es war wirklich so. Sie sah in den Spiegel und hatte voll den verträumten Blick drauf gehabt. Ich hab sie so ehrlich gesagt noch nie gesehen.“

„Du meinst sie hat sich wirklich vorgestellt mit Max verheiratet zu sein?“

„Ja genau das mein ich“, sagte Jules und nickte mit dem Kopf. „Ich hab sie danach noch damit aufgezogen und ihr gesagt dass es doch so abwegig nicht wäre und sie hat mir vehement widersprochen und gemeint dass sie viel zu jung zum heiraten wäre und sie außerdem gar nicht heiraten will. Aber ich habe es ihr nicht abgenommen, dafür war der Blick einfach zu verträumt gewesen.“

Leicht fing Per an den Kopf zu schütteln.

„Na spitze“, seufzte er leise und legte seinen Arm um Jules Schultern. „Und er baut einen solchen Bockmist. Wie gut dass er das alles nicht weiß, sonst würde der mir wohl noch im Viereck daheim rumspringen.“

Nein Per wollte sich lieber nicht vorstellen wie Max reagieren würde, wenn er davon wüsste. Vermutlich würde er die Polizei und die Feuerwehr gleich mit anrufen und auf die Suche schicken. Von den anderen Jungs mal ganz zu schweigen. Wobei das wohl die kleinste Dummheit sein würde, auf die Max in diesem Moment kommen würde. Nein es war wohl wirklich besser so wie es jetzt war. Er machte sich schon genug Vorwürfe, zum Teil sicherlich gerecht, aber trotzdem hatte Per ein wenig Mitleid mit ihm. Er wusste ja wie mies sich Max am Morgen danach gefühlt hatte und mit was für einer schlechten Laune er den ganzen Tag herum gerannt war. Würde er das jetzt auch noch wissen, dann konnte man wohl für gar nichts mehr garantieren. Nein, es reichte schon wenn einer am Boden lag, da musste sich der andere nicht auch noch daneben legen.

„Ich weiß was du meinst, auch wenn ich gerade gute Lust hätte es ihm unter die Nase zu reiben“, meinte Jules und seufzte ebenfalls leise auf. „Wobei ich mich ja auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert habe. Ich meine, ich wusste dass er fremdgegangen ist und hab ihr noch was von harmlos und wird sich schon alles aufklären erzählt. Auch nicht gerade besser.“

„Wir haben uns alle nicht mit Ruhm bekleckert... Keiner von uns“, sagte Per und gab Jules einen kleinen Kuss. „Aber es war nunmal nicht unsere Aufgabe es ihr zu erzählen, sondern seine.“

„Ja das schon, aber ich bin ihre beste Freundin... Ich hätte ihr doch einen Hinweis geben müssen... Dann wäre sie vielleicht nicht ganz so tief gefallen“, meinte Jules und seufzte wieder leise auf.

„Jetzt fange du bitte nicht auch noch an dir Vorwürfe zu machen“, sprach Per ruhig und sah Jules an. „Wir haben schon 2 die das tun, das sollte eigentlich für einen Tag reichen oder?“

„Stimmt schon, aber trotzdem“, meinte Jules und ließ ein wenig den Kopf sinken. Nein sie fühlte sich nicht gut. Sie hatte ihre beste Freundin belogen und wer konnte sich da noch großartig gut fühlen? Wohl nur jemand der absolut gefühlskalt war und das war sie garantiert nicht. Schweigsam saßen sie nebeneinander in der Bahn, bis Per sich von seinem Platz erhob.

„Wir sind da“, meinte er und deutete nach draußen in die Nacht, wo man so oder so nichts erkennen konnte. Wenn er sich so recht überlegte, war er eigentlich noch nie hier gewesen, aber vermutlich hatte er da auch nicht viel verpasst.

„Darf ich dich mal was fragen?“, meinte Per und sah Jules wieder von der Seite her an.

„Ja klar“, sagte Jules und sah ein wenig verwundert drein.

„Du hast doch erzählt dass sich Andrea und er schon seit klein auf kannten oder?“

„Ja das habe ich erzählt.“

„Dann gehe ich doch mal davon aus, dass er bei euch in der Nähe gewohnt hat oder?“

„Ja hat er auch... Aber auf was willst du hinaus?“

„Nun ich frage mich gerade, wenn er bei euch in der Nähe gewohnt hat, warum er dann hier in Berlin beerdigt ist.“

„Ach das meinst du“, sagte Jules und hängte sich wieder bei Per ein. Wenigstens hatte es aufgehört zu regnen, was immerhin etwas war und die Nacht ein wenig erträglicher machte. „Seine Großeltern sind hier beerdigt und seine Eltern wollten, dass er bei ihnen ist.“

„Ach so“, murmelte Per und sah sich kurz um, da er nicht so genau wusste, ob sie jetzt in die richtige Richtung gingen oder in die genau entgegengesetzte Richtung. Ein wenig fragend sah er zu Jules.

„Sind wir eigentlich richtig? Ich war hier noch nie.“

„Ja wir müssen eigentlich nur die Straße runter und dann stehen wir direkt davor“, meinte Jules und lehnte sich beim gehen leicht an Per. Es war schon komisch so mitten in der Nacht auf einen Friedhof zu gehen. Sie wusste nicht einmal ob er auf war oder ob sie nicht auf einmal vor verschlossener Türe standen. Aber das war nicht das einzige über was sich Jules gerade einen Kopf machte. Je näher sie dem Friedhof kamen, desto unsicherer war sie sich, ob Andrea auch wirklich dort war. Es konnte ja doch auch gut sein, dass sie gar nicht hier her gefahren war, sondern an die Stelle, an der der der Unfall passiert war. Möglich war es doch auch.

„Sag mal Jules... Ist das dort hinten nicht ihr Auto?“, fragte Per plötzlich und deutete auf einen Wagen der vor der Friedhofsmauer geparkt war.

„Ja... Ja das ist er“, meinte Jules und beschleunigte ihre Schritte. Sie war also tatsächlich hier her gefahren und wenn der Wagen noch dort stand, dann würde sie bestimmt auch noch hier sein. *Bitte lasse sie nichts falsches getan haben*, schoss es Jules durch den Kopf und eine Unruhe überkam sie. *Lieber Gott, ich bitte dich sonst nie um etwas, aber bitte lass ihr nichts zugestoßen sein* Vor dem Wagen blieb Jules stehen und spähte in das Innere, doch es war leer. Kurz legte sie die Hand auf die Motorhaube, doch diese war kalt. Vermutlich war sie schon eine ganze Weile hier.

„Ich hatte tatsächlich recht“, meinte Jules und sah zu Per.

„Sieht so aus“, kam es kopfnickend von ihm. „Du scheinst sie eben doch am besten von uns zu kennen.“

Jules sah zu Per und ging dann auf das große, schwere Eingangstor zu. Es war nicht geschlossen, also musste jemand es aufgemacht haben. Aber war es auch wirklich sie gewesen?

„Soll ich mitkommen?“, fragte Per nach, denn er wusste jetzt nicht so recht ob er mitkommen sollte oder nicht. Vielleicht wäre es gut wenn er mitkam, es wusste ja keiner was sie dort drin erwarten würde. Aber andererseits war es auch nicht so gut wenn er mitkam und es war besser wenn Jules alleine ging. Für einen kurzen Moment dachte Jules nach, ehe sie den Kopf schüttelte.

„Ich denke es ist besser wenn ich alleine gehe“, sprach Jules und steckte ihre Hände in ihre Jackentasche. „Ruf du lieber Max an und sag ihm dass wir sie gefunden haben.“

„Und was soll ich ihm sagen wenn er fragt wie es ihr geht?“

„Dann sag ihm.... Sag ihm es geht ihr gut.“

„Sicher?“

„Nein, aber das ist wohl das einzige was ihn beruhigen kann.“

„Da hast du wohl recht“, seufzte Per. „Schrei einfach wenn du mich brauchst Ok?“

„So laut ich kann“, sagte Jules und gab ihm einen sanften Kuss.

Während Per sein Handy aus der Tasche kramte um Max anzurufen, machte sich Jules auf den Weg hinein in den Friedhof. Es war ein komisches Gefühl mitten in der Nacht über einen Friedhof zu gehen. Es hatte eine beklemmende Atmosphäre und war irgendwie beängstigend. Es war nicht so, dass Jules Angst hatte, dass auf einmal ein Zombie hinter einem der Grabsteine hervorspringen würde, aber sie hatte sich auf Friedhöfen noch nie wohl gefühlt. Hier lagen Tote und sie fühlte sich einfach viel zu lebendig für einen solchen Ort. Vorsichtig setzte sie einen Schritt vor den anderen. Immerhin war es dunkel und so genau konnte sie den Weg dann doch nicht erkennen. In der Dunkelheit hörte sie jemanden leise murmeln und ging einfach mal dem Geräusch hinterher. Sie wusste zwar nicht wer da murmelte, aber sie hoffte einfach mal, dass es Andrea war. Sollte es jemand anderes sein, dann würde sie wohl ein kleines Problem haben.
 

„Andrea?“, fragte Jules vorsichtig in die Stille hinein, bevor sie leise fluchte. Warum nur waren Grabsteine so hart und Schienbeine so empfindlich?

Ich zuckte zusammen als ich plötzlich jemanden meinen Namen sagen hörte.

„Wer ist da?“, rief ich leise, denn es konnte doch niemand wissen dass ich hier war. Ich hatte niemanden etwas gesagt. Wer also stand da in der Dunkelheit und kannte meinen Namen?

„Ich bin's... Jules“, sprach Jules leise und kam langsam näher, bis sie neben mir stehen blieb.

„Was willst du hier?“, fragte ich nur kurz, während mein Blick weiterhin auf das Grab gerichtet war.

„Ich habe dich gesucht“, sprach Jules leise und ging neben mir in die Hocke.

„Gesucht? Mich?“

„Ja dich“, sagte Jules wieder leise und legte mir die Hand auf die Schulter. „Nachdem du einfach verschwunden bist und nicht wieder heimgekommen bist, da habe ich mir Sorgen um dich gemacht.“

„Du dir Sorgen gemacht“, lachte ich leise auf und schüttelte den Kopf. „Hast du nicht schon genug gelogen?“

„Es tut mir leid“, seufzte Jules und senkte ihren Blick.

„Es tut mir leid... Es tut mir leid... Ich kann es nicht mehr hören“, sagte ich laut und hielt mir die Ohren zu.

„Andrea hör mir doch bitte zu“, meinte Jules, nahm meine Hände und drückte sie mit sanfter Gewalt nach unten. „Ich weiß ich hätte es dir sagen müssen, aber ich konnte es nicht... Ich weiß dass es ein Fehler gewesen war dich zu belügen.“

„Fehler... Fehler... Es interessiert mich nicht ob es ein Fehler war oder nicht“, sagte ich und sah Jules an. „Es ist mir egal ob es dir leid tut oder nicht... Du hast mich belogen... Ich dachte von dir, dass du meine beste Freundin wärst, aber da habe ich mich wohl getäuscht... Die beste Freundin hätte einen nicht belogen.“

„Ja ich habe dich belogen das ist wahr, aber mir hat das auch nicht gefallen.“

„Ach ja? Warum hast du es dann nicht einfach gesagt? Warum hast du mir nicht einfach gesagt dass mein Freund sich mit einer anderen vergnügt hat?“

„Weil ich nicht wusste wie ich es dir hätte sagen sollen!“

„Klar du hast nicht gewusst wie du es mir sagen sollst, aber die Frechheit besitzen mich in Brautkleider zu stecken und das obwohl du genau gewusst hast was los ist. Heuchelst mir noch etwas vor von wegen es sei alles ganz harmlos und jetzt behauptest du, du hättest nicht gewusst wie du es mir sagen sollst? Mach dich nicht lächerlich Jules! Wenn du nicht gewusst hättest wie du es mir sagen sollst, dann hättest du es dir verkneifen sollen mir Hoffnungen zu machen!“

„Ich weiß selbst dass ich das nicht hätte tun sollen, aber ich wollte dir einfach zeigen wie es sein kann und ich bin immer noch davon überzeugt dass es so sein kann“, meinte Jules und sah mich an. „Er bereut seinen Fehler wirklich und das kannst du mir glauben. Er hat bei jedem angerufen von dem er weiß, dass du ihn kennst... Er wollte dich sogar in Berlin suchen... Zu Fuß! In diesem Moment sitzt er bei Per und wird erleichtert sein, dass es dir gut geht. Glaub mir.... Er würde alles tun wenn er damit seinen Fehler ungeschehen machen könnte!“

„Und da kann er von mir aus auch sitzen bleiben“, meinte ich und stand auf. „Aber vorher kann er noch seine Sachen holen... Ich möchte sie nicht mehr in der Wohnung haben.“

„Andrea tue doch nichts was du später bereust!“

„Keine Sorge Jules, ich weiß genau was ich tue.“

„Nein das weißt du nicht!“, meinte Jules und schüttelte den Kopf. „Du bist verletzt, du bist sauer, du bist enttäuscht... Da sagt man oftmals Dinge die man so nicht meint.“

„Jules ich hatte genug Zeit um darüber nachzudenken, also sage mir nicht was ich meine und was ich nicht meine!“

„Du sitzt seit keine Ahnung wie vielen Stunden hier am Grab, du bist klatschnass und du willst mir sagen dass du noch weißt was du sagst?“

„Ja das weiß ich genau!“

„Du bist doch nicht ganz klar im Kopf Andrea!“, meinte Jules und verdrehte die Augen. „Es ist doch nicht normal mitten in der Nacht und dann noch im Regen an einem Grab zu hocken, es ist nicht normal dem Mann den man liebt vor die Türe zu setzen. Gut er hat einen Fehler gemacht, aber das was du tust ist übertrieben! Gott verdammt er ist beinahe durchgedrehte als du nicht heimgekommen bist, er liebt dich und du liebst ihn doch genauso... Also gebe ihm doch eine Chance!“

„Eine Chance... Eine Chance... Wenn hier einer eine Chance verdient hätte, dann er!“

Mit der Hand deutete ich auf das Grab neben mir. Ja er hätte eine Chance verdient gehabt, aber er hatte sie nicht bekommen.

„Jetzt hör endlich auf damit! Er ist tot kapier das endlich und er wird nicht wiederkommen... Du kannst nicht ändern was in der Vergangenheit war, aber du kannst deine Zukunft ändern... Denk doch an das was du in dem Laden gedacht hast... Das ist doch das was du willst!“

„Ich soll endlich kapieren dass er tot ist? Ich soll das endlich kapieren! Ich habe es schon lange kapiert Jules! Ich habe es schon in dieser Nacht kapiert!“

„Warum kannst du dann die Sache nicht endlich ruhen lassen?“

„Für dich ist das ja auch alles so einfach... Du warst nicht dabei Jules... Du bist nicht schuld daran... Du...“

„Und du bist es auch nicht! Oder bist du hinter dem Steuer des anderen Wagens gesessen?“

„Du weißt genau was ich meine Jules!“

„Ja ich weiß es, aber das macht die Sache nicht richtiger! Er ist gefahren weil er fahren wollte und nicht weil du ihn gezwungen hast! Was glaubst du würde er sagen? Was glaubst du würde er dir sagen wenn er wüsste dass du gerade dabei bist deine Zukunft in den Müll zu werfen?!“

„Sei ruhig! Sei einfach nur ruhig!“, meinte ich und hielt mir wieder die Ohren zu. Ich wollte nicht hören was sie zu mir sagte. Ich wollte es einfach nicht hören.

„Nein ich bin nicht ruhig und du kannst dir von mir aus ewig die Ohren zu halten, aber das ändert nichts an der Tatsache dass du ihn liebst und du genau weißt, dass er derjenige ist, mit dem du deine Zukunft verbringen möchtest!“

„Die Zukunft von der du redest... Die gibt es nicht mehr... Sie ist in dem Moment Vergangenheit geworden wo er meinte mit irgendeinem dahergelaufenen Weib in die Kiste springen zu müssen!“

„Dann ist er es eben, aber es gibt trotzdem für ihn nur eine Person die ihm wichtig ist und das bist du!“

„Ich soll ihm wichtig sein? Ich? Wenn ich ihm wichtig gewesen wäre, dann wäre er keine andere gepoppt! Er hat doch nicht eine Sekunde lang auch nur einen Gedanken an mich verschwendet während er dieses Weib flachgelegt hat! Vermutlich hat es diesem Arschloch auch noch Spaß gemacht! Und ich war so doof gewesen und hatte geglaubt mich würde er nicht betrügen... Aber was soll man auch von jemanden erwarten der Mädels zum Frühstück vernascht! Ich war doch nur eine von ach so vielen dass er wohl nicht einmal mehr weiß mit wem er wann durch die Betten gehüpft ist!“

Jules hatte das alles nicht ohne Grund gesagt. Sie wusste dass ich langsam wütend wurde und genau das war ihr Ziel gewesen. Sie wollte dass ich laut wurde, sie wollte dass ich das schreien anfing, sie wollte dass ich alles raus ließ was ich vorher einfach nur geschluckt hatte.

„Ja er ist ein Arschloch, aber dieses Arschloch liebt dich! Kapierst du nicht, dass er sofort alles stehen und liegen lassen würde für dich? Vermutlich würde er sogar die Band Band sein lassen wenn er dich damit glücklich machen könnte!“

„Ich will aber nicht dass er die Band verlässt... Ich will nicht dass er alles aufgibt... Das einzige was ich will ist, dass er mich mit dem Respekt behandelt den ich verdient habe!“

„Dann gib ihm die Chance es dir zu beweisen! Es wird ihm bestimmt kein zweites Mal passieren, da bin ich mir sicher!“

„Stimmt... Es wird ihm kein zweites Mal passieren, weil es kein zweites Mal geben wird“, meinte ich kühl und ließ Jules dann einfach stehen. Für sie mochte das alles so einfach sein. Chance geben... Was war wenn ich ihm eine Chance gab und er sie wieder nicht nutzte? Ich hatte einfach keine Lust noch einmal betrogen zu werden. Ja ich liebte ihn und aus genau diesem Grund konnte ich ihm diese Chance nicht geben, so sehr sie ich ihm auch geben wollte. Es hatte zu sehr weh getan diese Worte von ihm zu hören und ich hatte Angst, sie noch einmal hören zu müssen. Aber ich wollte sie nicht noch einmal hören, also musste ich es beenden, bevor sich die Möglichkeit noch einmal bot. Es noch einmal passierte. Ich bezweifelte, dass ich es ein zweites Mal aushalten würde können.

„Jetzt bleib doch stehen“, rief Jules und ging mir nach. Es war gar nicht so einfach jemanden zu folgen, wenn man sich auf einem Friedhof befand und man jederzeit über etwas stolpern konnte. Aber sollte sie doch rufen, ich würde garantiert nicht stehen bleiben. Doch am Tor hatte sie mich dann doch eingeholt und hielt mich am Arm fest.

„Wenn du ihm keine zweite Chance geben willst, dann solltest du ihm das sagen Andrea“, meinte Jules nun mit kühler Stimme. „Stelle dich vor ihn hin und sage ihm ins Gesicht, dass du ihm keine zweite Chance gibst! Dass es für dich beendet ist. Du verlangst von ihm Respekt, also dann verhalte du dich so, wie du es von anderen erwartest!“

Ich sah Jules an und konnte nicht glauben was sie da von mir verlangte. Sie wusste doch genau dass ich das nicht konnte. Sie wusste doch genau dass ich ihm nicht in die Augen schauen konnte während ich ihm diese Worte sagte. Nein Jules hatte keine Ahnung was sie da wirklich von mir verlangte.

„Das... Das... Du weißt genau dass ich das nicht kann“, sagte ich leise und schüttelte den Kopf.

„Ach nein? Dann solltest du dich schon einmal mit dem Gedanken anfreunden“, meinte Jules und warf einen Blick zu Per, der ein wenig näher gekommen war. „Ich könnte wetten er ist in den nächsten paar Minuten hier und dann kannst du dich vor ihn stellen und ihm sagen dass er seine Sachen packen soll und sich verpissen kann. Dass du nichts mehr mit ihm zu tun haben willst und er für dich gestorben ist. Also du weißt was du zu tun hast.“

Ich sah Jules einfach nur an und schüttelte meinen Kopf. Sie konnten Max nicht angerufen haben und zu ihm gesagt haben, dass er kommen sollte. Sie konnte doch wirklich nicht von mir verlangen, dass ich ihm sagen sollte, dass er verschwinden sollte. Jules wusste doch genau dass ich das nicht wollte.

„Das kann ich nicht und das werde ich nicht“, meinte ich zu Jules und riss mich von ihr los. Ich schüttelte heftig mit dem Kopf und ging einfach so schnell ich konnte. Nein ich würde nicht mehr da sein wenn er kam. Wenn er hier auftauchte, dann würde ich weit weit weg sein. Sollte es doch einer der anderen ihm sagen. Sie hatten ihn ja auch angerufen, also sollten sie sich doch darum kümmern. Mein Blick war auf den Boden gerichtet, damit ich nicht stolperte.

„Andrea!“, hörte ich Jules schreien und ich drehte meinen Kopf zu ihr um ihr etwas zu sagen. Dann sah ich sie. 2 weiße Augen in der dunklen Nacht. Sie sahen mich an, kamen näher. Fixierten mich und ließen mich mitten in der Bewegung innehalten. Wie gelähmt sah ich weiter in diese 2 weißen Augen. Damals, damals hatten sie mich auch so angesehen. Gleich würde ein lautes Klirren die Nacht zerreißen und tausende von Glasscherben würden auf mich nieder regnen. Gleich würde ein Ruck durch mich hindurch gehen und das Kreischen von sich verbiegendem Metall würde in meinen Ohren schmerzen. Ich hörte das Quietschen von Reifen und schloss meine Augen. Etwas riss an meiner Schulter und dann – Stille....



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