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Das Leben geht weiter

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The Final

Kapitel 35 – The Final
 

„Ich weiß nicht ob es gut ist wenn ich da heute auftauche“, meinte ich und lehnte mich mit dem Rücken an die Wand.

„Das ist Schwachsinn und das weißt du auch“, kam es vom andere Ende der Leitung. „Du hast die letzten Wochen nur dafür gearbeitet und jetzt willst du nicht sehen was du geleistet hast? Sorry Andrea aber das kann ich mir nicht vorstellen.“

„Ja irgendwie will ich es ja schon sehen, aber....“

„Da gibt es kein Aber und ich lasse schon gar kein Aber gelten. Du wirst da sein und wenn ich dich dafür persönlich abholen muss“, meinte die Person am anderen Ende des Telefons und ich musste leise auflachen.

„Ok, ok... Du hast gewonnen Benedikt. Ich merk schon dass jegliche Ausflüchte von dir schon im Keim erstickt werden und das solange bis ich meinen Hintern ins Auto gesetzt habe oder?“

„Das hast du vollkommen richtig interpretiert“, lachte Benedikt auf. „Und gib's doch einfach zu... Du freust dich doch wieder nach Berlin zu kommen.“

Leise lachte ich auf und nickte mit dem Kopf, auch wenn er das natürlich nicht sehen konnte. Er hatte Recht mit dem was er sagte, ich freute mich wirklich zurück nach Berlin zu kommen. Die letzten Wochen hatte ich daheim bei meinen Eltern verbracht und mich vor allem und jedem sozusagen versteckt. Hatte versucht Abstand von der ganzen Sache die passiert war zu bekommen, einfach wieder einen klaren Kopf zu haben und vernünftig denken zu können. Als ich hier angekommen war, da war ich erleichtert weit weg zu sein. Weg von Berlin, weg von den Leuten die mich enttäuscht hatten und weit weg von der Person, von der ich mich betrogen und im Stich gelassen gefühlt hatte. Aber je mehr Tage vergangen waren, je mehr Zeit ich mit Nachdenken verbracht hatte, desto fremder hatte ich mich hier gefühlt. Ich hatte angefangen Berlin zu vermissen, meine Wohnung zu vermissen. Ich hatte angefangen Jules zu vermissen die mir so oft mit ihrer Art auf den Geist gegangen war, die mich mit ihrer Art manchmal beinahe zur Weißglut gebracht hatte. Aber trotzdem war sie in so vielen Situationen für mich da gewesen. So oft hatte sie für mich Zeit aufgebracht, die sie zu diesem Zeitpunkt eigentlich gar nicht gehabt hatte. Wie oft hatte sie mir zugehört, obwohl sie andere Pläne gehabt hatte. Es hatte eigentlich nie ein Problem in meinem Leben gegeben, welches ich nicht mit ihrer Hilfe hatte lösen können. Aber es gab eine weitere Person in meinem Leben die ich angefangen hatte zu vermissen und das mehr, als ich mir vor wenigen Tagen noch hatte vorstellen können. Es war nicht eine Nacht vergangen in der ich nicht von ihm geträumt hatte, nicht ein einziger Tag an dem ich nicht an ihn gedacht hatte. Ich hatte seine Stimme in der Stille gehört, sein Gesicht vor mir gesehen und das so deutlich, dass ich oftmals meine Hand ausgestreckt hatte um mich zu vergewissern, ob er nicht vielleicht doch vor mir saß. Aber er hatte es nicht getan. Er hatte es in den ganzen vergangenen Tagen nie getan, so sehr ich es mir auch gewünscht hatte. Immer öfter hatte ich mich dabei ertappt, wie ich an ihn gedacht hatte, mich an alte gemeinsame Zeiten erinnert habe, als noch alles in bester Ordnung gewesen war. Ja ich hatte mich sogar wieder an so viele Erlebnisse auf der Tour zurück erinnert, von denen ich gedacht hatte sie längst vergessen zu haben. Aber sie waren mit jedem Tag den ich aus Berlin weg war deutlicher geworden. Ja der Schmerz dass er mich betrogen hatte war noch immer vorhanden, aber ein ganz anderer Schmerz hatte begonnen diesen Schmerz zu verdrängen, ihn verblassen zu lassen. Der Schmerz ihn nicht bei mir zu haben, hatte mich in den letzten Tagen beinahe verrückt werden lassen. So viele Male hatte ich das Telefon schon in meiner Hand gehalten, die Nummer bereits eingetippt, aber jedesmal hatte mich der Mut verlassen. Jedesmal hatte ich das Telefon wieder beiseite gelegt, noch ehe die Verbindung aufgebaut war. Ja ich hatte Angst davor seine Stimme zu hören, Angst vor dem was er vielleicht sagen könnte, Angst davor ihn wirklich verloren zu haben. Er hatte einen Fehler gemacht, aber war der Fehler den ich begangen hatte nicht der Größere gewesen? Ihm nicht die Chance zu geben alles zu erklären? Ihm nicht die Chance zu geben alles wieder gut zu machen? Ich war einfach gegangen, abgehauen ohne ihm zu erklären warum ich ging, warum ich so handelte oder ihm zu sagen wohin ich gehen würde. Ich hatte ihn in Unwissenheit zurückgelassen, ihn vermutlich so leiden lassen, wie ich gelitten hatte. Nein es war nicht fair von mir gewesen ihm seinen Fehler mit gleicher Münze zurück zu zahlen. Aber das alles war mir erst klar geworden, nachdem ich Berlin verlassen hatte. Mit jedem Tag der vergangen war, war die Erkenntnis stärker geworden. Und nun saß ich hier und wusste nicht wie ich mich bei ihm entschuldigen sollte. Wie ich ihm die ganze Sache erklären sollte, so wie er vermutlich nicht wusste, wie er mir seinen Fehler erklären sollte. Ja ich hatte wohl wirklich dafür gesorgt dass die Lücke zwischen uns unnötig vergrößert worden war. Ich wusste nicht ob alles vorbei war, wusste nicht ob es noch eine Chance für uns gab, aber noch weniger wusste ich, ob ich es schaffen würde es zu erfragen. Die Furcht vor einem Nein war einfach zu mächtig und lähmte sämtliche meiner Handlungsweisen, meines Denkens. Es ging sogar soweit, dass ich Angst davor hatte ihm überhaupt zu begegnen, weswegen ich auch Benedikts Bitte zuerst mit einem Nein beantwortet hatte, auch wenn mir klar war, dass er ein Nein nicht akzeptieren würde.

„Ich nehme an du möchtest eine ehrliche Antwort?“, meinte ich zu ihm und strich mir mit den Fingern ein paar Haare hinter das Ohr.

„Habe ich jemals etwas anderes akzeptiert?“

„Ja ich freue mich zurück nach Berlin zu kommen und...“

„Und...?“

„Und ich werde danach nicht wieder zurückfahren sondern in Berlin bleiben.“

Ich hörte ein leises Seufzen am anderen Ende der Leitung das mich für einen Moment verunsicherte. War die Entscheidung wirklich die richtige gewesen? Sollte ich sie nicht doch noch einmal überdenken? Vielleicht war es doch besser nicht wieder zurück nach Berlin zu gehen? So viele Gedanken schossen mir in dem Moment durch den Kopf, dass ich gar nicht wusste, welchen davon ich zu Ende denken sollte.

„Weißt du dass das gerade die beste Nachricht überhaupt an diesem Tag, nein in den letzten Wochen gewesen ist? Endlich ist dir klar geworden dass du nach Berlin gehörst.“

Ein kleines Lächeln legte sich auf meine Lippen. Es tat gut zu hören, dass es jemand gab, der sich über meine Entscheidung freute und das schien er wohl zu tun wenn ich seinen Worten Glauben schenken konnte. In den ganzen letzten Tagen hatte er nicht ein Wort darüber fallen lassen was in Berlin los war, nicht ein Wort über Max fallen lassen. Die Gespräche die ich mit ihm geführt hatten, hatten sich ausschließlich um das Event gedreht, welches an diesem Abend stattfinden würde. Manchmal hätte ich ihn am liebsten dafür durchs Telefon hindurch erwürgt, aber andererseits war ich froh darüber gewesen, dass er mir nichts gesagt hatte, denn es hätte mich wohl nur bei meiner Entscheidung beeinflusst.

„Du freust dich doch nur darüber, weil du jetzt wieder auf einen Kaffee vorbeikommen kannst“, zog ich ihn lachend auf und ja so langsam wurde die Freude auf Berlin, auf diesen Abend immer größer. Ein Abend, an welchem ich mitgearbeitet hatte, in den ich so viel von meiner Freizeit gesteckt hatte und nun würde ich mit eigenen Augen sehen können, ob es den Stress und die Mühen wert war.

„Mist! Ertappt!“, fiel Benedikt in mein Lachen ein.

„Ha! Ich hab's doch gewusst. Du kannst einfach nichts vor mir verbergen.“

„Na das werden wir noch sehen ob ich das nicht doch kann“, meinte Benedikt am anderen Ende und ich konnte sein Grinsen bildlich vor mir sehen. „Dann sag ich mal wir sehen uns heute Abend um 5 im SO. Soll ich dir erklären wie du hin findest?“

„Sag mal willst du mich jetzt hier veräppeln?“

„Würde mir doch niemals einfallen.“

„Nein dir doch nicht. Wie komme ich da nur drauf“, meinte ich grinsend und erhob mich vom Boden, auf welchen ich mich während des Gespräches gesetzt hatte. „Keine Sorge ich werde pünktlich sein und wehe dir es steht kein Bier kalt wenn auftauche.“

„Kaltes Bier um Vier, ne halt Fünf... Ist notiert und wird erledigt.“

Ich verkniff mir das zu sagen was mir in diesem Moment durch den Kopf ging und beließ es daher mit einem lachenden „Bis später“.

Das Telefon legte ich zurück auf die Anrichte die im Flur meiner Eltern stand und ging in die Küche in der meine Mutter gerade anfing die Zutaten fürs Abendessen aus dem Kühlschrank zu holen.

„Mum? Für mich brauchst du heute nicht mitkochen“, meinte ich zu ihr und ließ mich an den Küchentisch sinken.

„Heißt das du hast dich dazu entschieden heute Abend doch nach Berlin zu fahren?“, fragte meine Mutter, schloss den Kühlschrank wieder und setzte sich zu mir an den Tisch.

„Ja das habe ich“, kam es von mir während ich mit der leeren Kaffeetasse spielte. „Und ich werde danach auch in Berlin bleiben.“

„Hast du dir das auch gut überlegt?“

„Ich habe in den letzten Tagen nichts anderes gemacht als darüber nachzudenken ob ich es tun soll oder nicht, ob es die richtige Entscheidung ist oder nicht. Aber wie soll ich es herausfinden, wenn ich es nicht zumindest versucht habe? Ich meine ich kann doch nicht mein ganzes Leben vor schwierigen Entscheidungen davonlaufen oder darauf warten, dass ein Anderer sie für mich trifft. Wenn ich nicht jetzt anfange es zu lernen, dann werde ich es wohl nie lernen und den Rest meines Lebens vor allem davonlaufen.“

„Weißt du Andrea“, fing meine Mutter an und ein kleines Lächeln lag auf ihren Lippen. „Ich hab gehofft, dass du diese Entscheidung treffen wirst. Nicht dass ich dich nicht gerne hier habe, im Gegenteil ich freue mich immer dich zu sehen, aber ich denke einfach dass es Zeit wird, dass du deine eigenen Entscheidungen triffst. Mag sein dass du oftmals daneben liegst, aber du warst doch noch nie jemand der sich davon hat abhalten lassen. Egal wie oft du auch hingefallen bist, du bist immer wieder aufgestanden, also fange nicht jetzt an liegen zu bleiben. Ich weiß dass dies eine schwere Entscheidung war und ich bin stolz auf dich, dass du sie getroffen hast.“

Ich musste mich beherrschen dass mir nicht die Tränen in die Augen zu steigen, denn das Gefühl welches man fühlte, wenn einem die eigene Mutter sagte dass sie stolz auf einen war, war wohl mit nichts anderem zu vergleichen.

„Du bist mir also nicht böse wenn ich jetzt einfach so verschwinde?“

„Aber nein! Welche Mutter kann ihrem Kind, welches versucht das zurück zu gewinnen was ihm am wichtigsten ist, nur böse sein?“

Ich stand von meinem Stuhl auf, ging langsam auf meine Mutter zu und nahm sie in die Arme.

„Ich bin so froh eine Mutter wie dich zu haben“, sprach ich leise und das war die Wahrheit. Sie verstand mich immer, sogar wenn ich mich selbst nicht mehr verstand. Sie war immer hinter mir gestanden, egal was ich auch angepackt hatte. Sie hatte immer an mich geglaubt, mich in meinen Entscheidungen bestärkt und niemals an mir gezweifelt.

„Ach übertreib nicht“, kam es von meiner Mutter, der das Ganze wohl ein wenig peinlich war. „Schau lieber dass du deine Sachen gepackt bekommst oder willst du etwa zu spät kommen?“

Damit stand sie auch schon von ihrem Platz auf und tat so als würde sie sich daran machen, das Essen zu zubereiten. Ich wusste dass ihr der Abschied alles andere als leicht fiel und deswegen machte ich lieber das was sie sagte um ihn ihr nicht noch schwerer zu machen.

Meine Sachen waren eigentlich schnell gepackt, denn bei meinem überstürzten Verschwinden aus Berlin hatte ich auch nicht gerade viel mitgenommen. Das meiste davon hatte ich nicht einmal gebrauchen können, weil ich hatte damals einfach nur wahllos in den Schrank gegriffen, die Sachen in eine Tasche gestopft und das war es gewesen. Nachdem die Tasche gepackt und im Auto verstaut war, verabschiedete ich mich von meinen Eltern mit dem Versprechen sie über jedes Detail des Abends zu informieren, denn sie wollten natürlich wissen wie der Abend verlaufen war, an dem ihre Tochter mitgeholfen hatte. Ich setzte mich hinter das Steuer meines Wagens, lenkte ihn auf die Straße, warf noch einen letzten Blick durch die Heckscheibe, ehe ich um die Ecke bog und mich auf den Weg zur Autobahn machte. Für einen kurzen Moment musste ich auflachen, als ich mich daran zurück erinnerte wie ich mich damals mit Jules auf den Weg nach Berlin gemacht hatte und alles ganz anders gekommen war, als von uns geplant.
 


 


 

„Sag mal Max kann es sein dass du mit den Gedanken gerade vollkommen woanders bist?“, fragte Per und legte seine Drumsticks nieder.

„Das habe ich mich gerade allerdings auch gefragt“, kam es nun von Stefan der Per einen kurzen Blick zuwarf.

„Ja sorry kann doch jedem mal passieren oder?“, meinte Max nur und verdrehte die Augen. „Ist doch nicht gleich ein Weltuntergang wenn man mal den Einsatz verpasst oder?“

„Einmal sicherlich nicht, aber jetzt das fünfte Mal in Folge? Also so unkonzentriert wie heute warst du in den letzten Monaten nicht mehr.“

„Is klar... Ihr seid ja auch alle sooo perfekt“, kam es nun gereizt von Max, der sich umdrehte und einfach den Proberaum verließ. Davor setzte er sich auf eine kleine Mauer und zündete sich eine Zigarette an. Gab es denn niemand mehr der ihn auch nur ein wenig verstehen konnte? Verstehen konnte warum es ihm gerade so schwer fiel sich zu konzentrieren? Jeder mit ein bisschen Verstand müsste es eigentlich verstehen, aber scheinbar war davon gerade niemand anwesend.

„Was geht denn mit dem heute?“, kam es fragend von Julius, der Max verwirrt hinterher sah. „Es war doch seine Idee gewesen heute Mittag noch ne Runde einzulegen.“

„Ihr rafft's heute aber auch gar nicht oder?“, kam es von Tim, der seine Gitarre in den Ständer zurückstellte und nun in die Runde sah.

„Hä wie meinst du das jetzt?“, fragte Stefan der sich mit dem Rücken gegen eine Box lehnte. „Willst du uns damit irgendwas sagen?“

„Jungs überlegt doch mal was heute für ein Tag ist.“

„Ähm Freitag?“

„Das auch, aber das wollte ich jetzt nicht hinaus Per.“

„Heute Abend haben wir nen Auftritt?“

„Danke Julius, so kommen wir der Sache schon ein Stückchen näher. Ok uns jetzt denkt mal weiter. Wir haben einen Auftritt ok und wo bitte findet der statt?“

„Na im SO, aber das weißt du doch“, meinte Stefan und warf Tim einen Blick zu, als wäre er jetzt vollkommen durchgedreht.

„Aha und wann hatten wir unseren letzten Auftritt im SO gehabt? Na?“

„Das müsste... Warte mal... War das nicht vor nem halben Jahr ungefähr gewesen?“, kam es von Per, der sich da allerdings nicht so wirklich sicher war. Vielleicht war es auch schon länger, aber vielleicht waren es auch ein paar Monate weniger. Er war doch kein wandelnder Kalender.

„Es war nicht nur ungefähr vor einem halben Jahr, sondern genau vor einem halben Jahr. Na klingelts jetzt?“

Wieder sah Tim fragend in die Runde, aber alle die er ansah, sahen ihn nur unverständlich an. Es schien wirklich absolut keiner darauf zu kommen, auf was Tim mit dieser Sache hinaus wollte.

„Das kann doch nicht sein! Hab ich es hier gerade echt mit nem Haufen Emotionslosen zum tun?“

„Boah warum sagst du nicht einfach was los ist anstatt uns hier dumme Fragen zu stellen?“, kam es nun wieder von Stefan, dem die Fragerei ein wenig auf den Keks ging.

„Mensch Leute es ist doch sowas von einfach“, meinte Tim und ließ sich auf das Sofa sinken, welches im Proberaum stand. „Wir spielen heute im SO, in dem wir zum letzten Mal vor einem halben Jahr gespielt haben und jetzt denkt mal scharf nach, was bei unserem letzten Konzert im SO passiert ist?“

Eine schweigsame Stille legte sich über den Proberaum als jeder anfing nachzudenken, als diese Stille plötzlich von einem lauten und dumpfen Ton durchbrochen wurde.

„Gott sind wir Idioten“, kam es seufzend von Per, der mit dem Kopf auf seine Drums geknallt war.

„Na endlich“, kam es von Tim der augenrollend im Sofa zurück sank.

„Kann mich hier jetzt endlich mal jemand aufklären?“, fragte Stefan ungeduldig, denn er war noch immer nicht drauf gekommen.

„Vor einem halben Jahr haben wir im SO gespielt und auf dem Weg dorthin 2 Mädchen auf einem Rastplatz aufgesammelt – Jules und Andrea. Max und sie haben sich vor genau einem halben Jahr im SO kennengelernt und im SO wurde damals auch die Entscheidung gefällt dass sie mit auf Tour geht. Im Endeffekt hat alles was danach passiert ist im SO angefangen und... Kein Wunder kann sich Max nicht konzentrieren“, erklärte Per und schüttelte seufzend seinen Kopf. „Gott ich würde mich auch nicht konzentrieren können müsste ich an einem solchen Datum an dem Ort spielen wo ich meine Freundin kennengelernt hab von der ich momentan nicht einmal weiß wie es ihr geht und was jetzt los ist und wir machen ihn auch noch dumm von der Seite an. Du hättest auch ruhig früher was sagen können Tim.“

„He, hee... Mal langsam“, meinte Tim und hob abwehrend die Hände. „Was kann ich dafür dass ihr euch sowas nicht merken könnt?“

„Du solltest uns doch mittlerweile gut genug kennen“, meinte Stefan, der nun seine Gitarre ebenfalls zurück in den Ständer stellte. Mit ruhigen Schritten verließ er den Proberaum und ging nach draußen wo er Max vorfand und sich zu ihm gesellte.

„Wir sind nen Haufen Volltrottel und verdammt schlechte Freunde wenn wir nicht einmal mitbekommen was mit dir los ist und dich auch noch dumm von der Seite anmachen“, meinte Stefan und setzte sich neben Max auf die Mauer.

„Hmmm“, murmelte Max nur und zog an seiner Zigarette. Ob das jetzt eine Zustimmung war oder nicht, war wohl in dem Moment Stefan überlassen.

„Tim war der Einzige gewesen dem es aufgefallen ist und er hat uns gerade aufgeklärt und ich glaube würden wir in deiner Lage stecken, würden wir uns wohl auch nicht konzentrieren können“, sprach Stefan weiter und baumelte leicht mit den Beinen. „Klingt jetzt vielleicht doof, aber wenn ich oder wir etwas tun können, dann sag's.“

„Ja du hast recht, es klingt doof“, meinte Max und schnippte den Zigarettenstummel über den Hof. „Ich meine was wollt ihr denn schon tun? Meinen Part übernehmen? Die Location ändern? Händchen halten? Die Welt wieder in Ordnung bringen? Ein Wunder bewirken?“

Seufzend warf Stefan Max einen Blick zu. Er war ihm in diesem Moment nicht böse für das was Max gesagt hatte.

„Schon seit Tagen versuche ich das Datum zu verdrängen... Ohne Erfolg. Seit Tagen versuche ich mir einzureden dass wir in einer anderen Location in Berlin spielen, aber es funktioniert einfach nicht“, sprach Max weiter und kramte seine Zigarettenschachtel wieder hervor und zündete sich eine an. „Ich hab Jules so lange genervt bis sie Benedikt angefangen hat zu nerven nur um zu erfahren wo sie steckt. Ich wusste dass sie bei ihren Eltern ist und was meinst du wie oft ich das Telefon in der Hand hatte? Was glaubst du wie oft ich mit dem Gedanken gespielt hab mir ein Taxi zu nehmen und zu ihr zu fahren? Und weißt du warum ich nichts davon getan hab? Weil ich zu feige bin. Ich hab Schiss vor dem was sie sagen könnte. Ich meine ich hab ihr meinen Schlüssel in den Briefkasten geworfen ohne ein Wort, ohne eine Erklärung. Erst betrüge ich sie und dann, als ob das nicht schon schlimm genug wäre, werfe ich ihr meinen Schlüssel ohne ersichtlichen Grund in den Briefkasten. Ich meine wie dumm kann man eigentlich sein?!“ Max nahm einen Zug an seiner Zigarette, blies den Rauch aus und fuhr sich anschließend durch die Haare. „Ich meine das Konzert heute Abend, daran hat sie mitgearbeitet, sie hat da ihre ganze Freizeit reingesteckt und jetzt spielen wir dort und vermutlich wird sie deswegen nicht einmal kommen. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen dass sie große Lust verspürt mir über den Weg zu laufen. Ich hab ihr nicht nur ihr Leben versaut, nein ich versaue ihr jetzt auch noch ihren großen Moment für den sie sich die Nächte um die Ohren geschlagen hat.“

„Max du hast Fehler gemacht und das weißt du auch, aber meinst du nicht auch, dass du anfängst dir langsam die Schuld an Sachen zu geben, für die du gar keine Schuld trägst? Manchmal kommt es mir so vor, als würdest du zwanghaft nach Dingen suchen die schief gelaufen sind und für die du dir die Schuld geben kannst“, sprach Stefan ruhig und sah Max kurz von der Seite her an. „Willst du den Rest deines Lebens damit verbringen dir für alles was schief läuft die Schuld zu geben? Woher willst du wissen dass sie heute Abend nicht doch da ist? Woher nimmst du bitte die Gewissheit? Du hast keinerlei Beweise dass es so ist und trotzdem gehst du davon aus als wäre es Fakt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sie will dass du heute Abend nicht auftrittst, sondern ich glaube viel eher, dass sie will dass du es tust. Sie weiß wie wichtig dir die Band ist, wie wichtig dir die Musik ist und das hat sie jeden Tag aufs Neue bewiesen. Hat sie dir jemals Vorwürfe gemacht wenn die Proben mal wieder länger gedauert haben? Hat sie dir jemals Vorwürfe gemacht wenn wir überraschend eine Probe angesetzt haben und sie ihre Pläne über den Haufen werfen musste? Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern. An was ich mich jedoch erinnern kann ist, dass sie uns jedesmal viel Glück gewünscht hat, dass sie sich mit uns zusammen über jeden Fortschritt gefreut hat, dass sie immer wieder nachgefragt hat ob wir einen neuen Song haben. Nur wenn du jetzt alles hinwirfst, den Auftritt heute Abend cancelst, erst dann hast du ihr wirklich alles versaut.“

„Und woher nimmst du die Gewissheit dass sie da sein wird?“, kam es von Max der Stefan nun einen fragenden Seitenblick zuwarf.

„Solange ich keine Beweise dafür hab, dass sie nicht kommen wird, wird sie für mich anwesend sein“, meinte Stefan ruhig. Er wusste es nicht, aber sein Bauchgefühl sagte ihm einfach, dass es so war. „Bezeichne mich ruhig als unverbesserlichen Optimisten, wenn es dir dann besser geht, aber ich habe einfach ein gutes Gefühl was den Abend angeht.“

„Unverbesserlicher Optimist“, meinte Max und schnippte wieder den Stummel quer über den Hof. „Aber du hast recht, mir geht’s gleich viel besser.“

Stefan warf Max einen verwirrten Blick zu, ehe er leise auflachte und von der Mauer sprang.

„Lass uns den Song noch einmal durchgehen sonst blamieren wir uns heute Abend nur“, meinte Stefan mit einem Grinsen und machte sich auf den Weg zurück in den Proberaum, gefolgt von Max.
 


 

Ich war tatsächlich ohne größere Schwierigkeiten in Berlin angekommen und sogar ein Parkplatz in der Nähe des SO36 bekommen, so dass ich es nicht weit zum laufen hatte. Nicht dass mich ein kurzer Spaziergang gestört hätte, aber so war der Weg zum Auto nicht weit, sollte ich doch das Gefühl bekommen, schnell verschwinden zu müssen. Aber ich hoffte natürlich, dass dieser Moment nicht eintreten würde und ich würde auch alles dran setzen dass es nicht doch passierte. Ich hatte mir vorgenommen Max nicht über den Weg zu laufen, denn ich war mir ehrlich gesagt nicht sicher ob er mich überhaupt sehen wollte. Wenn er es nämlich nicht wollte, dann würde ich ihm wohl den Abend verderben, sollte ich ihm dann doch über den Weg laufen. Aber als ich das SO betrat wurde mir klar, dass ich mir vorerst noch keinen Kopf darüber machen musste, denn außer der Crew war noch niemand anderes vor Ort. Mit einem kleinen Lächeln schlich ich mich von hinten an Benedikt heran, tippte ihm auf die linke Schulter um ihm dann von der rechten Seite ein fröhliches „Huhu“ an den Kopf zu werfen. Ein wenig erschrocken drehte sich Benedikt zu mir herum und wuschelte mir dann lachend durch die Haare. So wie eigentlich jedes mal wenn wir uns so über den Weg liefen.

„Na hast du es ja doch noch pünktlich geschafft“, meinte er grinsend und gab einem aus der Crew noch ein paar kurze Anweisungen. „Hatte da schon meine Zweifel ob du auch wirklich auftauchst und es dir nicht auf halber Strecke anders überlegst.“

„He also so langsam solltest du mich doch kennen und wissen, dass wenn ich etwas verspreche, es auch einhalte“, entgegnete ich ihm und ließ meinen Blick kurz durch das SO schweifen. „Ich hoffe allerdings du hast dein Versprechen auch eingehalten.“

„Steht hinten im Kühlschrank mit einem großen Zettel dran, damit sich auch ja niemand daran vergreift“, lachte Benedikt und steckte seine Hände in die Hosentaschen.

„Ich wusste doch dass man sich auf dich verlassen kann“, meinte ich und ging langsam einen Schritt zurück. „Zumindest was das Kaltstellen von Bierflaschen angeht. Beim Rest zweifel ich noch.“

„Ich geb dir gleich Zweifel“, rief Benedikt mit großen Augen aus und setzte auch schon hinter mir her, als ich mich natürlich sofort nachdem ich ausgesprochen hatte, umdrehte und davon rannte. Aber natürlich war die Flucht nicht von langer Dauer, denn schon nach wenigen Schritten hatte er mich eingeholt. Er machte eben doch die größeren Schritte.

„Ich ergebe mich ja schon!“, meinte ich zu ihm und zog den Kopf zwischen die Schultern, denn sicher war ja bekanntlich sicher.

„Dafür wirst du am Montag ganz schön ackern dürfen, das schwöre ich dir“, kam es von Benedikt mit einem kleinen Zwinkern. Er war mir keineswegs böse, sondern viel eher war er erleichtert. Er hatte sich die ganze Zeit gefragt in welchem Zustand ich wohl heute Abend in Berlin auftauchen würde und deswegen freute es ihn natürlich um so mehr, beinahe wieder die Person vor sich zu haben, die er damals auf die Tour eingeladen hatte. „Aber da wir nicht hier sind um Spaß zu haben, sondern um zu arbeiten, werde ich dich jetzt mal aufklären was noch alles zu machen ist.“

„Du bist der Boss.“

„Dass ich den Tag noch erleben darf“, seufzte Benedikt theatralisch auf und erklärte mir in kurzen Worten, welche Sachen noch zu machen waren und wo man eventuell noch etwas ändern konnte. Klar war dieses Event schon vor Wochen geplant gewesen und das auch bis ins kleinste Detail, aber es war normal dass nichts so klappte wie man es eingeplant hatte. Es gab immer wieder Faktoren die einem einen Strich durch die Rechnung machen konnten und mit denen man erst vor Ort konfrontiert wurde. Aber Benedikt und die Crew hatten genug Erfahrung um die Probleme relativ zügig und ohne große Komplikationen zu lösen. Die ganze Zeit hatte ich genug um die Ohren um gar keine Zeit zum Nachdenken zu haben, doch kaum war alles fertig, so fing ich doch wieder an zum grübeln. Darüber ob die Entscheidung richtig gewesen war, wie ich Max am Besten aus dem Weg würde gehen können, wo ich mich aufhalten würde können ohne dass er mich sehen konnte. Ja ich machte mir ehrlich gesagt mehr Sorgen darüber, dass er mich sehen könnte, als darüber, dass vielleicht plötzlich der Strom ausfallen könnte oder eine Band nicht auftreten würde können. Aber Gott sei Dank blieb mir zum Grübeln nicht viel Zeit, denn nicht einmal eine halbe Stunde nachdem die letzte Überprüfung stattgefunden hatte, wurden auch schon die Türen für die Besucher geöffnet und ein buntes Stimmengewirr erfüllte das SO36. Ich war überrascht wie viele Leute an diesem Abend gekommen waren, auch wenn es mich nicht hätte wundern dürfen wenn ich einen Blick auf das Line Up warf.
 


 

„Also entweder du legst jetzt mal nen Zahn zu oder aber wir kommen gerade so kurz vor knapp an und darauf kann ich eigentlich verzichten“, meckerte Stefan herum, dem das gerade alles mal wieder viel zu langsam ging. „Ist doch vollkommen egal ob die Gitarre jetzt gestimmt ist oder nicht, wenn du die vor dem Auftritt so oder so nochmals nachstimmst.“

Stefan verstand einfach nicht, warum Tim da jetzt so ein Theater veranstaltete. Wenn Max versuchen würde Zeit zu schinden, dann wäre das ja noch nachvollziehbar, aber doch nicht bei Tim. Er hatte absolut keinen Grund dafür und mittlerweile sollte er eigentlich auch so geübt darin sein, dass er sich nicht mehr vor Nervosität in eine Ecke verkrümmelte.

„Bin ich hier eigentlich der Einzige der sich auf den Abend freut?“, fragte Stefan und sah in die Runde. „Ich meine geile Mukke, geiler Abend, geile Leute, die Bühne rocken... Das ist doch das was wir wollen oder habt ihr eure Meinung mittlerweile wieder geändert?“

„Also ich weiß ja nicht was du vorhast Stefan, aber wir machen uns jetzt auf den Weg“, kam es grinsend von Per, der zusammen mit den anderen bereits am Wagen stand.

„Boah ihr könnt mich doch echt alle mal“, murmelte Stefan leise vor sich hin und rollte mit den Augen. Also manchmal konnten ihn die Jungs echt an den Rand der Verzweiflung treiben. Egal was man auch sagte oder tat, sie schafften es immer wieder einem die Worte im Munde herum zu drehen. Ja dafür hatten die Jungs echt ein Talent entwickelt im Laufe der Zeit. Stefan langte nach seiner Mütze, setzte sie sich auf und stieg nach den anderen in den Wagen, der sie zum SO bringen würde. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass sie sich beeilen würden müssen, denn nur weil sie als letztes spielten bedeutete das nicht, dass es reichte wenn sie 10 Minuten vor Auftritt einliefen. Gut es waren noch 2 Stunden hin bis zu ihrem Auftritt, aber er wollte natürlich schon hören was die anderen Bands so auf dem Kasten hatten und vielleicht hier und da ein nettes Gespräch führen.

Auf dem Weg zum SO entschied man sich dafür, lieber zum Hintereingang zu fahren, anstatt direkt davor zu halten, denn ein Auflauf musste man nicht unbedingt provozieren. Außerdem konnte sie so noch eine Runde entspannen ehe es los ging. Sie waren schon öfters im SO36 aufgetreten und trotzdem war es jedes mal etwas neues. Jeder Auftritt war etwas besonderes, etwas ganz eigenes gewesen und so würde es auch bestimmt dieses mal sein. Lachend stiegen alle aus dem Wagen und betraten durch den Hintereingang das SO. Wobei es waren nicht alle die lachten, denn es gab eine Person, die schweigend den anderen folgte. Max zweifelte noch immer daran, ob er es wirklich durchziehen konnte. Ob er es wirklich schaffen würde den Auftritt zu absolvieren ohne sich etwas anmerken zu lassen, ohne sich von dem Datum oder dem Ort beeinflussen zu lassen. Aber es war egal wohin er auch sah, irgendwie wusste er zu jeder Stelle eine Geschichte zu erzählen. Sei es der Raum in welchem er Andrea damals gebeten hatte dafür zu sorgen dass Jules ihm nicht zu nahe kam, der Ort an dem sie ihr offenbart hatten dass sie die Tour mitfahren durfte... Ja wenn er genau hinsah hatte er sogar das Gefühl einen Film zu betrachten, so deutlich waren die Bilder vor seinem Auge. Aber er wollte seine Freunde nicht enttäuschen und absagen, er wollte die Fans dort draußen nicht enttäuschen die extra wegen ihnen nach Berlin gekommen waren. So viele Leute zählten auf ihn, dass ihm eigentlich gar keine andere Wahl blieb als an diesem Abend die Bühne zu betreten und sein Bestes zu geben. Während die anderen Bandmitglieder immer wieder den Backstagebereich verließen um sich unter die Besucher zu mischen, hier und dort ein Gespräch zu führen, ein wenig zu scherzen und vielleicht auch zu flirten, zog er es vor alleine zu bleiben. Die Beine auf den Tisch gelegt, saß er auf einem Sofa, in der Hand eine Zigarette und vor sich eine offene Flasche Bier. Normalerweise war es nicht seine Art vor dem Auftritt zu trinken, aber im Moment erschien es ihm als die einzige Möglichkeit auf andere Gedanken zu kommen. Ein schwacher Hoffnungsschimmer auf diese Art etwas abschalten zu können. Dass er sich im Endeffekt damit selbst verarschte war ihm auch klar und trotzdem konnte er es nicht lassen. In den letzten Tagen hatte er sich oft solchen Momenten hingegeben, sich einfach nur sinnlos zulaufen lassen um wenigstens ein paar Stunden an nichts denken zu müssen. Einfach die Probleme links liegen lassen und sich treiben lassen. Am nächsten Morgen jedoch waren die Probleme wieder da gewesen und einen mächtigen Kater noch dazu, was ihn aber nicht davon abgehalten hatte, abends wieder das gleiche zu machen. Sich wieder dem trügerischen Gefühl hinzugeben, welches einem zuviel Alkohol vermittelte.
 


 

Als ich Stefan zwischen den Besuchern entdeckte wurde mir wieder klar, dass nun wohl auch Max anwesend sein musste. Vermutlich saß er im Backstagebereich, so wie er es immer tat. Vermutlich würde er eine Zigarette rauchen und sich auf den Abend vorbereiten. Im Kopf den Ablauf durchgehen, vielleicht noch ein paar Akkorde auf seiner Gitarre spielen und dann einfach nur darauf wartend endlich die Bühne betreten zu können. Die Bühne war seine Heimat, der Ort wo er sich immer am wohlsten gefühlt hatte, wo er einfach nur er selbst sein konnte. Ich spürte wie ich nervös wurde, wie die Angst langsam in mir hoch kroch. Die Angst ihm zu begegnen und nicht zu wissen was sagen. Die Angst von ihm ignoriert zu werden, nicht beachtet zu werden. Sicherlich konnte auch das genaue Gegenteil eintreten, vielleicht würde er sich freuen mich zu sehen, vielleicht würde er mit mir reden wollen, aber das heraus zu finden war ein Risiko und ich wusste nicht ob ich wirklich schon dazu bereit war es einzugehen. Ich merkte wie mein Blick immer wieder zu der Türe glitt, hinter der er wohl sitzen würde. Es wäre so einfach wenn ich es hätte tun wollen. Es wären nur ein paar wenige Schritte, die Türklinke hinunter drücken, wieder ein paar Schritte gehen und reden. Aber auch wenn es nur wenige Schritte waren, so kamen sie mir in diesem Moment als eine nicht überwindbare Hürde vor. Nein sollte ich wirklich mit ihm reden, so würde das nicht vor seinem Auftritt sein. Vor mir standen Fans die sich auf einen Auftritt der Band freuten und sie sollten nicht enttäuscht werden. Sie sollten das bekommen, was sie verdienten und das war ein geiler Auftritt. Doch genau diesen würde ich mit einer unüberlegten Handlung riskieren und ich hatte schon zu vieles zerstört, da musste es nicht sein, dass noch andere darunter litten. Zusammengenommen bedeutete das, dass mich niemand aus der Band entdecken durfte, denn die Gefahr dass sie es Max erzählen würden, war einfach zu groß, also achtete ich peinlichst darauf, dass sie mich nicht sahen. Für Unbeteiligte war es sicherlich amüsant zu beobachten wie ich jedes mal in die Hocke ging, mich hinter etwas oder jemanden versteckte, kaum war auch nur ein Mitglied der Band in meiner Nähe. Ich atmete beinahe schon erleichtert auf, als die letzte Band vor Empty Trash die Bühne verließ. Endlich hatte das mühsame und irgendwo auch lächerliche Versteckspiel ein Ende. Noch nervöser als so oder so schon stand ich auf meinem Platz, meinen Blick stur auf die Bühne gerichtet. Ich hörte die Rufe im Publikum, aber ich nahm sie gar nicht richtig wahr.

„Wenn du deine Hände noch mehr um die Flasche verkrampfst, dann bist du die erste Frau die ich kenne, die eine Bierflasche mit bloßer Hand zum platzen gebracht hat.“

Verwirrt drehte ich mich um und sah Benedikt verständnislos an. Hatte er gerade etwas zu mir gesagt und wenn ja, was zum Henker hatte er gerade gesagt? Ich hatte irgendwie nicht einmal die Hälfte mitbekommen.

„Wie? Was?“

„Die Flasche“, meinte Benedikt und deutete mit der Hand auf die Bierflasche. „Wenn du so weiter machst, dann zerspringt sie noch.“

„Flasche? Ach so... Ja... Stimmt... Sorry“, murmelte ich und stellte die Flasche schnell auf die Box neben mich. Ich war nur froh dass es an der Stelle an der ich gerade stand, dunkel war und man so nicht sehen konnte, dass mir die Situation peinlich war. Ich machte mich hier total zum Affen und bemerkte es nicht einmal mehr.

„Alles Ok?“, fragte Benedikt vorsichtig nach und legte mir die Hände auf die Schultern.

„Nein... Ja!... Ehrlich?... Nein“, murmelte ich und schüttelte den Kopf. Nein verdammt es war überhaupt nichts Ok. Weder war es Ok dass ich ihm aus dem Weg ging, noch war es OK dass er mir aus dem Weg ging und am allerwenigsten war es Ok, dass wir getrennt hier her gekommen waren. Es war falsch und sollte so nicht sein.

„Habe ich dir eigentlich schon gesagt dass ich stolz auf dich bin?“, kam es ruhig von Benedikt dessen Hände noch immer auf meinen Schultern lagen.

„Stolz? Du bist auf mich stolz? Aber warum?“, fragte ich verwundert und verwirrt zugleich nach. Ich hatte absolut keine Ahnung warum er gerade auf mich stolz war.

„Du bist heute Abend hier obwohl du genau weißt dass er auch hier sein wird. Es ist unheimlich leicht vor etwas oder jemanden davon zu rennen, aber sich jemanden stellen, sich seinen Problemen stellen kostet Kraft und nicht jeder hat den Mut dazu. Du aber hast ihn und das ist der Grund warum ich stolz auf dich bin. Du lagst am Boden, aber du bist wieder aufgestanden. Du bist eine Kämpferin und ich weiß, dass du so schnell auch nicht aufgeben wirst“, sprach Benedikt ruhig und lächelte leicht dabei. „Du bist stark, auch wenn du dir immer und immer wieder einredest schwach zu sein. Aber ich glaube der Moment an dem du dir deine Stärke zu Nutzen machst, wird kommen.“

Wieder einmal hatte es Benedikt geschafft mich vollkommen aus dem Konzept zu bringen mit dem was er sagte. Auf der einen Seite klang alles so logisch, aber genau das war es, was mich immer so verwirrte. Es klang einfach zu logisch, zu offensichtlich dass ich vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr erkannte. Aber seine Worte hatten zumindest einen positiven Effekt, sie hatten mich von meinem eigentlichen Problem abgelenkt. Ich hatte gar nicht mitbekommen wie die Jungs die Bühne betreten hatten und die Mädels davor das Kreischen begonnen hatten.

„Guten Abend BERLIN!“, rief Max in das Mikro und ließ seinen Blick über die Köpfe der Fans wandern. „Geht's euch gut?“

Ein lautes Gekreische erfüllte die Halle und brachte sämtliche Lautstärkepegel zum ausschlagen. Es war immer wieder faszinierend zu was die menschliche Stimme doch fähig war. Selbst Menschen die sonst kaum einen Ton in einem Gespräch rausbekamen, schafften es hier die Halle zum beben zu bringen.

„Ich denke das kann man als Ja durchgehen lassen“, meinte er lachend und sah zu den Jungs. „Oder was denkt ihr?“

Alle Jungs machten einen etwas nachdenklichen Gesichtsausdruck, ehe sie alle grinsend anfingen zu nicken.

„Habt ihr Bock auf Empty Trash?“, rief Max wieder in das Mikro und das Kreischen der Fans wurde noch lauter, als zuvor schon, auch wenn man das nicht für möglich gehalten hätte. Einerseits war es schmerzhaft ihn dort oben auf der Bühne zu sehen und andererseits machte es mich auf eine gewisse Art und Weise stolz.

„Let's Rock“, rief Max ins Mikro und schon legten die Jungs los. Schon gleich zu Anfang ließen sie es mit LA Queen so richtig krachen und verwandelten die Menge vor der Bühne innerhalb von wenigen Akkorden in eine hüpfende Masse. Es war immer wieder aufs Neue faszinierend welchen Einfluss die Jungs auf ihre Fans hatten. Aber die Jungs ließen ihren Fans keine Chance nach den letzten Tönen durchzuatmen, sondern schmetterten ihnen gleich das Intro von Romance entgegen. Ja die Jungs hatten wirklich Bock auf diesen Auftritt, das merkte man ihnen an. Klar sie hatten Heimvorteil und das nutzten sie in vollen Zügen aus. Keiner der Jungs schien sich schonen zu wollen, keiner wollte den Anderen aus der Band in irgendetwas nachstehen und man bekam beinahe das Gefühl jeder wollte den anderen übertrumpfen. Ich hatte sie schon lange nicht mehr so ausgelassen auf der Bühne rocken sehen, doch war mir Maxs Aussehen nicht entgangen und das was ich sah, ließ meinen Blick ernst werden. Er hatte sich verändert und das nicht gerade ins positive. Die Ringe unter seinen Augen waren nicht zu übersehen und auch nicht dass er dünner geworden war. Vielleicht fiel es den anderen nicht auf, aber mir tat es das. Ja es war beinahe für mich ein erschreckender Anblick und er brachte mich ins zweifeln. Lag ich vielleicht doch falsch mit dem was ich ständig gedacht hatte? Irrte ich mich nicht vielleicht doch wenn ich dachte er wolle mit mir nichts mehr zum tun haben? Dass ich ihm mittlerweile egal geworden bin? Klar konnte es sein dass es andere Gründe gab für seine Veränderung, aber vielleicht war auch doch die Trennung der Grund dafür. Ich warf Benedikt einen fragenden Blick zu, doch dessen Blick war auf die Bühne gerichtet. Ich fragte mich, ob er mir nicht erzählt hätte wenn ich etwas mit Maxs Veränderung zu tun hatte. Ja er hätte es mir doch ganz bestimmt erzählt oder etwa doch nicht? Was wenn er meine Bitte mich erst einmal damit in Ruhe zu lassen wörtlich genommen hatte? Mir nichts erzählt hatte, weil ich ihm gesagt hatte er solle es nicht tun. So viele Fragen stürmten auf einmal auf mich ein, dass mir beinahe schwindelig wurde. Alles was ich mir an Erklärungen aufgebaut hatte, brach nun wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Lag in Einzelteile vor mir auf dem Boden und ich saß wie ein Kind daneben das versuchte aus den Einzelteilen wieder ein Haus zu bauen. Ich versuchte nur die Fakten zu sehen, aus ihnen schlau zu werden, aber immer wieder stieß ich durch fehlende Anhaltspunkte an meine Grenzen. Was war, wenn wirklich ich der Grund dafür war? Was wenn ich der Grund war, dass es ihm offensichtlich beschissen ging? Ich hatte mir den Kopf gemacht dass ich ihm den Abend versauen könnte und was war, wenn er sich genau die gleichen Gedanken gemacht hatte? Er hatte gewusst wie wichtig mir dieses Event gewesen war, wie viel Zeit ich reingesteckt hatte. Vielleicht hatte er genauso wie ich mit dem Gedanken gespielt erst gar nicht aufzutauchen? Vielleicht hatten sie es sich wirklich selbst unnötig schwer gemacht. Aber vielleicht verrannte ich mich hier gerade auch in etwas, das gar nicht so war wie es auf den ersten Blick aussah. Vielleicht lag ich auch falsch und mit meinen ersten Vermutungen doch richtig. Es waren einfach zu viele 'Vielleicht', zu viele 'Wenn' und sie brachten mich alle nicht weiter. Im Gegenteil sie verstrickten mich immer mehr in ihrem Netz und ich kam mir so unwissend, so hilflos vor.
 

„Der nächste Song ist ein sehr neuer Song und ihr erlebt sozusagen die Premiere“, hörte ich Maxs Stimme aus weiter Ferne. „Der Song ist einer Person gewidmet, die heute leider nicht da ist, auch wenn es ihr Abend ist.“

Mein Blick richtete sich zur Bühne und blieb an Max hängen. Die eben von ihm gesprochenen Worte klangen in meinem Kopf nach und ich fragte mich, ob er wohl mich damit gemeint hatte.
 

It’s never been this bad before

This time it’s gone right down provocating my core

Aggressions raising my blood pressure

Cigarette after cigarette it’s turned to a torture

Trash Howlin’ at every ass that I see on the street

And every piece I get I knock down with my feet

If I’m lucky it’ll last for a week, or two

It’s draggin’ me down won’t let go of my shoe
 

I, just don’t know what to do

There’s an empty space in my heart for you

But I don’t think that anyone cares
 

Wie gebannt war mein Blick auf die Bühne gerichtet. Konnte es denn wirklich sein? Ich war mir nicht sicher und dennoch, dennoch passte so vieles. Es würde einen Grund machen und vielleicht war das, das fehlende Stückchen in einem riesigen Puzzle. Aber niemand konnte mir wirklich sagen was damit gemeint war, außer einer Person und die stand gerade auf der Bühne.
 

Not only do I long for the sexual satisfactions

But I also need the complients that you mention

Someone who can help me mentally

Just so I can feel good and go crazy

I just couldn’t handle a girl with a cute smile

All I need is a sexy girl, if only for a while

There’s got to be a honey in this city

Willing to share happiness and sadness with me
 

I, just don’t know what to do

There’s an empty space in my heart for you

But I don’t think that anyone cares

There’s an empty space in my heart for you
 

Aber hatte ich denn Beweise? Was hatte ich schon in der Hand das mir sagen konnte dass es wirklich so war wie ich es vermutete. Wer konnte mir schon mein Gefühl bestätigen? Ich war alleine und ich hatte das Gefühl nur die Augen aufmachen zu müssen um die Wahrheit, die Lösung zu sehen, aber ich sah sie einfach nicht. Ich war einfach nicht fähig sie zu sehen doch dann sprang sie mir schon beinahe ins Gesicht.
 

I hate the playin’ around

I got to learn to keep what I found

There’s only one girl’s heart that I want to steal

And this time I want it for real!!
 

Aber das war nicht das einzige war mir in diesem Moment ins Gesicht sprang. Ich hörte die Veränderung in seiner Stimme, die Emotionen die darin lagen und auch wenn es den anderen vielleicht nicht auffallen mochte, mir fiel es auf. Es lag beinahe zu viele Emotionen darin, als würde er mit einem Male alle aufgestauten Emotionen auf einmal los werden.
 

I, just don’t know what to do

There’s an empty space in my heart for you

But I don’t think that anyone cares

I, just don’t know what to do

There’s an empty space in my heart for you

But I don’t think that anyone cares
 

Zum Schluss klang es immer anklagender, verletzter und wenn man wollte konnte man beinahe vermuten als würde er jemanden einen Vorwurf machen wollen. Er fühlte sich alleine gelassen und am meisten wohl von mir und diese Erkenntnis tat weh. Kaum war der letzte Ton des Songs verklungen warf Max das Mikrofon einfach in die Ecke, so dass eine laute Rückkopplung durch die Halle tönte und eilte von der Bühne. Verdutzt sahen ihm die anderen aus der Band nach und wussten nicht was sie jetzt tun sollten. Erschrocken und vollkommen hilflos sah ich zu Benedikt, dessen Blick ernst geworden war. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, drängte er sich zwischen den verwunderten Fans hindurch und auf den Backstagebereich zu. Im ersten Moment wollte ich ihm folgen, dann wieder hielt ich es für besser einfach stehen zu bleiben und dann wieder wollte ich einfach nur wissen was los war. Was hier passierte. Ich verstand einfach nichts mehr. Heute morgen noch war alles so klar vor mir gelegen und nun stand ich erst vor einem Trümmerhaufen und jetzt stand ich nur noch vor dem absoluten Nichts.
 

Wütend trat Max mit dem Fuß gegen einen Stapel leere Kisten der mit einem lauten Krachen zu Boden ging.

„Kannst du mir vielleicht mal sagen was das gerade sollte?“, kam es mit ernster Stimme von Benedikt, der in der Türe stand und seine Arme verschränkt hatte. „Meinst du es hilft irgendjemand weiter wenn du dich hier aufführst wie ein verwöhnter Bengel dem man in die Suppe gespuckt hat?“

„Es ist mir ehrlich gesagt scheiß egal was die da draußen jetzt denken“, meinte Max mit wütender Stimme, aber zugleich lag etwas verletztes darin. Wie sehr hatte er gehofft sie würde doch hier sein? An ihrem Abend für den sie so hart gearbeitet hatte und jetzt? Jetzt war sie nicht einmal da und alles was er sich vorgestellt hatte, was er geplant hatte, hatte sich mit einem Schlag in Luft aufgelöst. Was sollte das Ganze dann noch?

„Weißt du was Max? Ich glaub dir nicht ein verdammtes Wort davon und weißt du auch warum? Wenn es dir egal wäre was die Leute dort draußen von dir denken, dann würdest du jetzt nicht so eine Show abziehen.“

„Ach ja? Das glaubst du vielleicht aber du hast doch überhaupt keine Ahnung also hör auf mir hier irgendwelche verdammten Ratschläge zu geben die eh keinen interessieren!“

„Ich hab keine Ahnung? Ok dann klär mich auf. Sag mir was du da draußen tun wolltest, was du mit deiner ganzen Aktion bezwecken wolltest. Was bitte hast du erwartet?“

„Was ich erwartet habe? Ich hab verflucht nochmal sie dort draußen erwartet. Ich habe verdammt nochmal gehofft sie würde hier sein und ich könnte ihr sagen wie wichtig sie mir ist. Meinen verdammten Fehler wieder gut machen, aber nicht einmal das bekomme ich auf die Reihe. Gott verdammte Scheiße!“

Wieder trat Max gegen eine am Boden liegende Kiste die im hohen Bogen durch den Raum segelte und gegen die Wand knallte. Man konnte nur froh sein dass es leere Kisten waren und nicht etwa volle Kisten und schlimmstenfalls auch noch Glasflaschen waren.

„Du willst ihr sagen was sie für dich bedeutet? Dann bewege deinen Arsch dort raus und tue es endlich! Hör einfach auf irgendwelche Shows abzuziehen sondern sag das was du fühlst“, seufzte Benedikt und schüttelte langsam seinen Kopf. Das aber auch nichts klappte was er bei dieser Sache auch unternahm.

„Wozu? Sie hörts doch eh nicht“, murmelte Max und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht.

„Max schwing endlich deinen Hintern raus auf die Bühne und ich verspreche dir dass sie hören wird was du zu sagen hast“, meinte Benedikt und warf Max einen ernsten Blick zu. Egal wie er musste Max zurück auf die Bühne bringen, sonst würde noch alles in einem Chaos enden. „Meinst du sie hätte sich ein solches Ende für einen Abend in den sie so viel Arbeit reingesteckt hat gewünscht? Denkst du nicht auch dass sie wollte dass die Fans dort draußen glücklich nach Hause gehen und nicht etwa enttäuscht?“

„Ist ja schon gut“, kam es von Max, der seine Hände erhoben hatte und Benedikt ansah. „Ich geh ja schon.“

Mit nachdenklichem Blick verließ Max den Raum und betrat in dem Moment die Bühne als bei mir der Wunsch zu wissen was mit ihm los war, größer geworden war als die Angst und ich die Türe zum Backstagebereich aufriss. Ich sah aus den Augenwinkeln wie Max die Bühne betrat und wie Benedikt auf mich zukam. Ehe ich wieder durch die Türe verschwinden konnte hatte mich Benedikt am Arm gepackt und mich festgehalten. Mit ruhigen Schritten ging er zum Seitenrand der Bühne und blieb dort stehen. Schön darauf achten, dass ich nicht einfach wieder verschwand.

„Du wirst hier stehen bleiben das ist das mindeste was du ihm schuldig bist“, raunte er mir zu und sein Blick sagte mir, dass er keine Widerrede dulden würde, also schluckte ich das was ich sagen wollte einfach herunter.
 

Mit langsamen Schritten ging Max über die Bühne, hob das Mikrofon auf und steckte es zurück in die Halterung. Für einen Moment sah er nachdenklich zu Boden, schien sich irgendwie zu sammeln, ehe er seinen Blick hob und ins Publikum blickte.

„Den letzten Song hatte ich für eine Person geschrieben, die mein Leben in so vielen Bereichen verändert hat, es bereichert hat. Ich habe der Person nie gesagt was sie mir bedeutet“, sprach Max leise und mit ruhiger Stimme. „Ich wusste nie wann ich es ihr sagen sollte... Ich meine mir fielen ja nicht einmal Wörter ein die auch nur annähernd das beschrieben was ich für sie empfinde, also habe ich es gar nicht erst versucht. Es war ein Fehler und als es mir so richtig klar geworden ist, war es zu spät. Ich hatte es verbockt und das gewaltig. Ich hatte mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht, es nie wirklich als wichtig erachtet bis ich die Rechnung dafür vor mir liegen hatte. Ich habe Fehler gemacht, die nicht so einfach wieder gut zu machen sind. Ich hatte gehofft sie würde heute hier sein und der Song sollte ihr sagen dass ich sie liebe, aber wie ihr gemerkt habt, ging es voll in die Hose. Es war dumm von mir zu glauben dass ein Song, der nicht einmal einen Hauch von dem ausdrückt was ich ihr eigentlich sagen möchte, etwas verändern könnte.“ Leicht richtete Max wieder seinen Blick zu Boden und schwieg einen Moment lang. Ich stand wie angewurzelt am Rande der Bühne und konnte meinen Blick nicht mehr von seiner Person lösen. Die Worte die er dort vorne sagte trafen mich genau an der richtigen Stelle und der Schmerz über die Trennung von ihm schien mich beinahe wieder zu übermannen. Wie gerne würde ich jetzt einfach auf die Bühne laufen, ihn endlich wieder in meine Arme nehmen, ihn endlich wieder spüren zu können, aber Benedikts Hand hielt noch immer meinen Arm fest und verhinderte somit jeglichen meiner Versuche. Ich wollte gerade Benedikt bitten mich los zu lassen, als Max seinen Kopf wieder hob.

„Ich konnte ihr nie ins Gesicht sagen wie viel sie mir bedeutet und ich konnte es nicht einmal in einem Song ausdrücken“, meinte Max und lachte gequält auf. „Aber sie hat das Recht zu erfahren dass ich sie liebe, dass ich sie vermisse und das mit jedem Tag der vergeht mehr. Ihr fragt euch sicherlich warum ich das jetzt gerade euch erzähle, warum ich es auf einem Konzert tue wo man eigentlich seinen Spaß haben sollte, aber ihr habt ins uns immer eine ehrliche Band gesehen und deswegen habt ihr auch eine Erklärung für mein Verhalten gerade verdient. Ich habe versagt, aber es gibt Bands die es geschafft haben in ihren Songs das auszudrücken was ich fühle und deswegen möchte ich nun den Song spielen der wohl am ehesten dem entspricht was angebracht wäre.“

Max ließ das Mikrofon los, nahm die Gitarre in die Hand und setzte sich auf den Rand des Podestes auf welchem Pers Schlagzeug stand. Leise erklangen die ersten Töne des Songs...
 

I hope you're doing fine out there without me

Cause I'm not doing so good without you

The things I thought you'd never know about me

Were the things I guess you always understood

So how could I have been so blind for all these years

I guess I only see the truth through all this fear of living without you
 

Everything I have in this world and all that I'll ever be

It could all fall down around me

Just as long as I have you right here by me
 

I can't take another day without you

Cause baby I could never make it on my own

I've been waiting so long just to hold you

and to be back in your arms where I belong

sorry I can't always find the words to say

everything I've ever known gets swept away

Inside of your love
 

Everything I have in this world and all that I'll ever be

It could all fall down around me

Just as long as I have you right here by me
 

As the days roll on I see time is standing still for me

When you're not here

sorry I can't always find the words to say

everything I've ever known is swept away

Inside of your love
 

Everything I have in this world and all that I'll ever be

It could all fall down around me

Just as long as I have you right here by me
 

Everything I have in this world and all that I'll ever be

It could all fall down around me

Just as long as I have you right here by me
 

Die letzten Töne verklangen und Max legte langsam die Gitarre neben sich auf den Boden. Über die Halle legte sich eine ungewöhnte Stille. Alle schienen wie gebahnt nach vorne auf die Bühne zu starren auf der Max unverändert auf dem Rande des Podestes saß, den Blick langsam zu Boden senkend. Er hatte gesagt was es zu sagen gab. Er wusste nicht was er noch tun konnte. Er hatte vor hunderte von Menschen zu ihr gestanden, zu seinen Gefühlen gestanden, wohl wissend dass auch das ein weiterer Fehler sein konnte. Aber es war ihm egal gewesen. Was brachte einem eine Band außer Ruhm und Geld, wenn es niemanden gab mit dem man feiern konnte? Was brachte einem das ganze touren wenn es nichts gab auf das man sich danach freuen konnte? Was brachte einem ein rastloses Leben, wenn man niemand hatte bei dem man zu Ruhe kommen konnte? Sein ganzes Leben war er einem Irrglauben hinterher gerannt. Hatte geglaubt nichts und niemanden zu brauchen und dass die Musik alleine ausreichen würde um glücklich zu sein. Aber dem war nicht so und das hatte er auf schmerzvolle Art und Weise lernen müssen. Ja er hatte gelernt und das in einer Zeit, in der manche vielleicht nicht einmal einen Bruchteil von dem lernen mussten was er hatte lernen müssen. Er hatte in den wenigen Monaten das nachgeholt, wofür andere Jahre gehabt hatten. Aber er war nicht stolz auf seine Leistung, im Gegenteil. Er wünschte er hätte nicht erst Fehler machen müssen um zu wissen was für ein Geschenk ihm das Leben gemacht hatte. Max sah müde aus, um Jahre gealtert als er einfach nur so dasaß.

Ich konnte, nein ich wollte ihn nicht länger in diesem Zustand sehen der mir beinahe das Herz aus der Brust riss. Er hatte nicht verdient so da zu sitzen, es nicht verdient zu leiden. Ich warf Benedikt einen bittenden Blick zu und der Druck um meinen Arm ließ nach. Es kostete mich einiges nicht einfach zu ihm zu rennen und ihm um den Hals zu fallen und so zu tun als wäre alles nie passiert. Wir hatten uns das Leben gegenseitig schwer gemacht. Wir beide hatten mit dem Vertrauen des Anderen gespielt und das wenige was noch vorhanden war, musste vorsichtig behandelt werden. Mit langsamen Schritten ging ich an Stefan vorbei, der mir einen fragenden Blick zuwarf und auf Max zu. Ich kniete mich neben ihn auf den Boden und sah ihn für einen Augenblick einfach nur an.

„Max?“, fragte ich leise, nicht wissend ob er mich gehört hatte. Leicht legte ihm meine Hand auf den Arm. „Ich... Es tut mir alles so leid... Ich...“ Ich musste schlucken denn die Situation trieb mir die Tränen in die Augen. „Verzeih mir... Bitte.... Ich liebe doch doch.“

Was war wenn er mir nicht verzeihen konnte? Was war wenn ich ihm so sehr weh getan hatte, dass er einfach nicht mehr weitermachen konnte, auch wenn er es noch sehr wollte? Ich spürte die Panik ihn für immer zu verlieren und meine Sinne waren wie vernebelt. Ich war unfähig etwas zu tun, etwas zu sagen, überhaupt einen Gedanken zu fassen. Ich konnte einfach nur dasitzen und ihn ansehen, während mir die Tränen über die Wangen rollten.

Langsam, beinahe wie in Zeitlupe drehte Max seinen Kopf zu mir und sah mich an. Er hob seine Hand und strich mir vorsichtig eine Träne von der Wange.

„Schhh“, flüsterte er leise und legte mir seinen Zeigefinger auf die Lippen. „Nimm mich einfach nur in den Arm und lass mich spüren dass du wieder bei mir bist.“

Mir war es egal dass mir nun hunderte von Menschen zusahen, mir war es egal was nun alle von der Situation hielten, was sie über mich dachten. Es war mir alles vollkommen egal, denn das einzige was mir wichtig war, was in diesem Moment für mich zählte war den Menschen den ich über alles liebte wieder in die Arme schließen zu können. Ich schlang meine Arme um seinen Körper und vergrub mein Gesicht an seinem Hals. Wie sehr hatte ich dieses Gefühl doch vermisst und es kam vor als wäre es ein ganzes Leben her, seit ich ihn das letzte Mal bei mir gespürt hatte.

Ein leises Raunen ging durch die Menge vor der Bühne, als plötzlich von irgendwoher ein leises und einsames Klatschen zu hören war. Doch es blieb nicht lange bei nur einem Klatschen, sondern es wurde immer mehr, begleitet von allen möglichen Glückwünschen die durch die Halle gerufen wurden. Verlegen löste ich die Umarmung und senkte peinlich berührt meinen Kopf, denn so langsam fiel mir wieder ein wo ich mich gerade befand. Langsam erhob ich mich wieder und auch Max erhob sich von seinem Platz. Ich warf ihm einen Blick zu und wollte mich daran machen, von der Bühne zu gehen, doch Max hielt mich an der Hand fest und sah mich mit sanften Blick an.

„In den letzten Tagen ist mir klar geworden was du wirklich für mich bedeutest“, sprach er mit ruhiger Stimme. „Du hast mein Leben so sehr verändert, dass ich es mir ohne dich nicht mehr vorstellen kann und auch nicht vorstellen will.“

Max machte eine kleine Pause und in genau diesem Moment kamen aus Stefans Richtung eine ganz bestimmte Tonfolge auf der Gitarre, die mich dazu verleitete ihm einen fragenden Blick zu zuwerfen, doch Stefan sah unbeteiligt in die Luft, so als wäre gerade gar nichts passiert. Mein Blick glitt zurück zu Max, auf dessen Lippen ein sanftes Lächeln lag.

„Du magst mich jetzt für verrückt halten und vielleicht bin ich das auch, aber wenn man den Wunsch sein Leben mit einer Person zu verbringen die man liebt, als verrückt bezeichnen möchte, so bin ich es gerne“, sprach er ruhig und ging langsam vor mir auf die Knie. Mit fassungslosem Blick beobachtete ich ihn dabei, während sich in meinem Kopf die Gedanken überschlugen und ich das Gefühl hatten jeden Moment einen Herzanfall zu erleiden. Das konnte doch jetzt nicht sein ernst sein oder? Er hatte doch jetzt nicht das vor das zu tun, nach was es aussah oder etwa doch?

„In München hatte ich es damals im Spaß getan, doch jetzt ist es kein Spaß mehr. Ich liebe dich mehr als ich es mir jemals hätte vorstellen können. Ich weiß ich bin nicht perfekt und noch weniger bin ich einfach, aber ich weiß dass ich mit dir an meiner Seite alles lernen kann, wenn du mir die Chance dazu gibst. Ich möchte mein Leben mit dir verbringen und das mehr als alles andere auf der Welt und daher möchte ich dich hier und jetzt fragen ob du das deinige mit mir verbringen möchtest.“

Ich konnte nicht glauben was sich gerade vor meinen Augen abspielte. Konnte nicht begreifen dass das, was ich mir so sehr gewünscht hatte, was ich mir heimlich vorgestellt hatte, jetzt wahr werden sollte. So etwas gab es doch nur im Märchen und nicht im wahren Leben und dennoch war es genau das was gerade passierte. Ein Märchen wurde wahr. Es gab so vieles was ich ihm antworten wollte, was ich ihm sagen wollte, aber das einzige zu was ich noch fähig war zu sagen, war ein einfaches „Ja“.

So vieles war passiert, so vieles von dem ich gedacht hatte es würde sich nie wieder einrenken hatte sich nun doch zum Guten gewendet. Für mich hatte sich ein Traum erfüllt, etwas an das ich beinahe den Glauben verloren hatte. Die Zukunft die ich mir gewünscht hatte und von der ich gedacht hatte ich hätte sie für immer verloren, lag nun wieder klar vor mir. Aber ich hatte mehr als nur das bekommen. Ich konnte nicht nur endlich den Menschen wieder in die Arme schließen den ich liebte, ich hatte endlich eine Heimat gefunden, einen Platz an den ich gehörte. Mein Leben war nicht länger rastlos, sondern es hatte einen Sinn bekommen.



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