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Das Blut der Lasair

von

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Eine überzeugende Geschichte?

Eine überzeugende Geschichte?
 


 

Sanderson blickte sie an und schüttelte leicht den Kopf. Catherine schwieg eine Weile und wartete ab. Schließlich fragte Sanderson:

„Wieso sind Sie weggelaufen, als ich sie angesprochen habe?“

„Ich wusste nicht, wer Sie waren. Haben sie etwa gesagt, Sie seien von der Polizei? Nein, nicht am Anfang. Und als Sie dann meinten, die Polizei suche nach mir… Nun, das kam in meinem Kopf nicht wirklich an. Ich dachte, Sie seien einer von denen. Und ihre Kollegen, die vor mir aufgetaucht sind… Eine seltsame Methode, das muss ich schon sagen.“ erklärte Catherine und hielt seinem Blick stand. Sanderson nickte und ergriff wieder das Wort, um zu Catherines Aussage zurück zu kommen:

„Wieso haben Sie nur auf ihn gehört und haben die Polizei nicht eingeschaltet?“

„Was hätten Sie getan, wenn jemand permanent eine Waffe auf ihren Bruder gerichtet hätte? Mein Gott, wie hätten wir denn etwas anderes tun sollen?“ rief Catherine verzweifelt und schaute Sanderson direkt in die Augen. „Sie hätten auch auf seine Forderungen reagiert!“ Sanderson hob beschwichtigend eine Hand und nickte.

„Was wollte er?“

„Geld, was sonst? Er muss vorher schon mit Lucien gesprochen haben, denn er meinte nur noch, dass ihnen nichts geschehen würde, sollten wir uns an alles halten und alles so durchführen. Allerdings sollten wir keinerlei Verdacht aufkommen lassen, also unsere Termine wahrnehmen. Er drohte noch einmal, dass sie uns im Blick hätte, dann ging er.“

„Wie sollte das Ganze über die Bühne gehen? Die Lösegeldübergabe, meine ich.“ fragte Sanderson und Catherine schloss für einen Moment die Augen. Schließlich erwiderte sie:

„Lucien sollte auf einen Anruf warten, der am nächsten Morgen erfolgen würde und auf diesen hin bei der Bank anrufen, damit das Geld bereitgehalten wurde. 500 000 Euro.“

„Welche Bank würde so eine Summe aufgrund eines Telefonats nur bereitstellen?“

„Unsere. Die Banque de France. Ein Telefonat, um die Dinge in die Wege zu leiten. Natürlich erfolgte die Abholung des Betrags immer persönlich.“ erklärte Catherine. Sie hatte einmal ihren Vater begleitet und in der Eingangshalle auf ihn gewartet, bis alles erledigt war.

„Welche Vorteile hat das?“ fragte Sanderson.

„Insgesamt gesehen führt das zu einer Beschleunigung des Vorgangs.“ entgegnete Catherine und erzählte weiter: „Lucien sollte nach diesem Anruf alles in die Wege leiten und schließlich auf den Mann warten. Der Anruf kam am Morgen. Lucien telefonierte gleich darauf mit der Bank. Ich verließ das Haus, um mich mit einer Freundin zu treffen. Wir sollten ja so tun, als sei alles normal.“

„Wie lautet der Name der Freundin?“

„Nathalie Fronsac.“ antwortete sie. „Ich traf mich also mit ihr. Als ich zurückkam, war der Mann wieder da. Er machte uns noch einmal klar, dass es keinen Sinn hatte, die Polizei einzuschalten, da unsere Eltern an zwei verschiedenen Orten festgehalten wurden. Sollte er sich nicht bei seinen Komplizen in regelmäßigen Abständen melden, würden sie allerdings getötet. Nun wurden wir von weiteren Einzelheiten unterrichtet: Lucien sollte mit diesem Mann das Geld abholen und ihn dann nach Italien begleiten. Irgendwo in Italien sollte er das Geld selbst auf ein Konto überweisen. Wenn alles gut ging, würde er dann die Aufenthaltsorte unserer Eltern erfahren.“ Catherine machte eine Pause und nahm einen Schluck Wasser. „Lucien verließ am Nachmittag das Haus zusammen mit diesem Mann. Ich musste warten. Am Abend rief mich noch ein Freund an, ob ich nun zu seiner Silvester-Party käme, aber ich lehnte ab. Mein Bruder sei krank, sagte ich. Das schien mir besser. Ich denke, er hat mir geglaubt. Ich wollte warten.“

„Wann haben Sie wieder etwas von ihrem Bruder gehört?“ Catherine sah auf ihr Wasserglas und schüttelte den Kopf.

„Überhaupt nicht mehr. Am nächsten Tag kamen zwei weitere Männer – diese waren älter als der erste – und meinten, Lucien hätte Mist gebaut. Sie würden mir aber noch eine Chance geben.“

„Wurden Sie bedroht?“

„Ja. Sie tobten, warfen Stühle um und zerbrachen Kunstgegenstände. Sie waren beide mit Revolvern bewaffnet, aber der eine drückte mir als kleine Erinnerung, dass sie es ernst meinten, eine Scherbe ins Handgelenk. Dann gingen sie wieder. Sie wollten am nächsten Tag wiederkommen. Ich hatte Angst. Ich war wie gelähmt. Sie hatten mich in der Hand.“ Sanderson wartete eine Weile und meinte dann:

„Haben Sie eine Narbe am Handgelenk?“ Catherine zog ihren Ärmel hoch und zeigte ihm die Narbe von ihrem Sturz in das zerbrochene Wasserglas. Er betrachtete sie und forderte Catherine dann auf, weiter zu erzählen.

„Ich sollte versuchen, noch mehr Geld aufzutreiben, aber das konnte ich nicht. Ich hatte bis dahin nur mein Konto – das Konto einer Studentin. Auf das Familienvermögen hatte ich wegen meines Alters noch keinen Zugriff. Mein Vater hätte das erst veranlassen müssen. Ich weiß nicht, warum ich auf ihre Rückkehr gewartet habe und nicht schon da geflohen bin. Ich habe versucht, bei der Bank etwas zu erreichen, aber das war erfolglos. Der eine der beiden Männer kam am nächsten Tag zurück, um zu erfahren, was ich erreicht hatte. Als klar war, dass ihr Plan nicht aufgegangen war, wurde er ziemlich ungehalten.“

„Hat er Ihnen etwas getan?“

„Er schlug mich. Ins Gesicht, in den Bauch und in den Rücken, soweit ich mich erinnern kann. Dann stürzte ich zu Boden und wachte erst wieder auf, als er weg war. Vermutlich... Nein, ich weiß es nicht.“

„Was vermuten Sie?“ fragte Sanderson.

„Vielleicht dachte er, ich sei tot. Ich weiß es nicht!“ entgegnete Catherine. „Ich sah mich um – mitgenommen hatten sie kaum etwas, aber verwüstet hatten sie den Großteil der Bibliothek und des Arbeitszimmers meines Vaters. Ich rief den Chef unserer Angestellten an, dass sie Urlaub nehmen sollten, dann verließ ich Paris und kam hierher.

„Warum ausgerechnet hierher?“

„Mein Großvater war in regelmäßigen Abständen für längere Zeit hier. Er hatte hier Freunde. Ich hatte gehofft, bei diesen Freunden unterzukommen, doch ich habe sie nicht gefunden. Ich hatte ja nichts bei mir, was mir da helfen konnte. Vielleicht war es auch eher Zufall, dass ich hier gelandet bin. Ich kann mich nicht erinnern, was mich dazu angetrieben hat.“

„Und Mrs. Abbotsford?“

„Elizabeth Abbotsford bin ich zufällig begegnet. Sie hat mich aufgenommen.“
 

Sanderson lehnte sich zurück und betrachtete Catherine. Sie hielt seinem Blick stand. Sie hatte ihm erzählt, was man aus diesen Rahmenbedingungen machen konnte, und soweit sie das richtig verstanden hatte, war sie soundso nicht als verdächtig betrachtet worden. Glaubte er ihr? Parker tippte noch die restlichen Worte und schließlich verstummte das Geräusch von gedrückten Tasten und er lehnte sich ebenfalls zurück.

„Danke, Miss du Ravin. Sie haben uns sehr geholfen.“ meinte Sanderson plötzlich, erhob sich und wies mit seiner Hand auf die Tür. „Darf ich Sie bitten, draußen Platz zu nehmen? Wir werden nun nur noch die Aussage fertig machen, sodass Sie sie gleich unterschreiben können.“ Catherine erhob sich ebenfalls, nickte und ging zur Tür.

„Natürlich. Wie lange wird das ungefähr dauern?“ entgegnete sie und blickte von Sanderson zu Parker und wieder zurück.

„Nicht lange. Eine halbe Stunde vielleicht. Wir haben interessante Zeitschriften dort draußen.“ erwiderte nun Parker und stand auf, um die ausgedruckte Befragung aus dem Drucker zu nehmen. Catherine nickte und zog hinter sich die Tür zu. Erleichtert setzte sie sich auf einen der blauen Plastikstühle und schlug die Beine übereinander. Erst jetzt bemerkte sie, dass es bereits dämmerte. Die Beamtin am Empfang sah herüber und lächelte, als Catherine sie ebenfalls ansah. Catherine lächelte freundlich zurück. Dann fiel ihr Blick auf den kleinen Tisch neben ihr auf die Zeitschriften und entdeckte eine, die sie darauf auch unter dem Stapel hervorzog und aufschlug. Sie kam ja sonst nicht dazu, in der Vogue zu blättern, und jetzt hatte sie bestimmt nichts Besseres zu tun.
 

Sanderson saß an seinem Schreibtisch und las noch einmal die verfasste Aussage durch. Immer wieder sah er zu Parker, der ebenfalls eine vor sich hatte. Wieso studierte er sie so aufmerksam? Er hatte sie doch selbst ausformuliert. Der ältere Beamte seufzte innerlich, verglich hier und da noch einige Textpassagen mit den entsprechenden Sätzen aus dem Protokoll der Aussage und setzte dann das Datum und den Stempel der Dienstbehörde darunter.

„Halten Sie sie für vertrauenswürdig, Parker?“ Der junge Kollege blickte auf und nickte. Er stützte sein Kinn auf und überlegte.

„Es klingt in sich schlüssig, finden Sie nicht?“ Sanderson nickte und meinte:

„Vielleicht haben wir etwas übersehen.“ Parker schüttelte den Kopf und kramte in den Akten herum.

„Nein. Wir haben die Aussage der Nachbarin Toullier, die am Abend des 30. Dezember gesehen hat, dass Catherine du Ravin die Villa verlassen hat. Diese Nachbarin sah auch einen fremden Mann in die Villa gehen und ungefähr zehn Minuten später Catherine du Ravin zurückkommen. Des weiteren gab diese Nachbarin an, dass Lucien du Ravin und besagter fremder Mann am Morgen des 1. Januar die Villa mit einer Reisetasche verlassen hätten. Außerdem hat Madame Toullier am 1. Januar morgens einen dunklen Wagen gesehen, aus dem zwei ihr unbekannte Männer gestiegen sind. Ältere, wie sie sagte, oder nicht? Denselben Wagen hat sie noch einmal am Morgen des 2. Januar gesehen, allerdings sonst nichts.“

„Das ist bestimmt eine der Nachbarinnen, die den ganzen Tag am Fenster sitzen.“ brummte Sanderson, um seinen Kollegen nicht allzu sehr zu unterbrechen. Parker nickte und fuhr fort:

„Die Freundin Nathalie Fronsac hat angegeben, dass sie sich am 31. Dezember mittags mit Catherine du Ravin getroffen habe, sie allerdings die Verabredung vergessen habe – meiner Meinung nach spricht das nur für die Richtigkeit ihrer Aussage.“ Sanderson winkte ab und ließ Parker weiter reden. „Adrien Clement berichtete von seinem Telefonat mit Miss du Ravin und ihrer Angabe, ihr Bruder sei krank. Auch das ist richtig… Und nicht zuletzt konnten französische Techniker bei dem zertrümmerten Telefon zumindest noch feststellen, dass telefoniert wurde. Und zwar zweimal am Morgen des 31. Dezember und am Morgen des 2. Januar ebenfalls zweimal oder mehrmals. Was wollen Sie noch, Sanderson?“ Sanderson erhob sich und bat Catherine noch einmal ins Büro.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2008-10-15T16:35:37+00:00 15.10.2008 18:35
uh, ich bin sehr gespannt!!


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