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Das Blut der Lasair

von

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Familienbande

Familienbande
 


 

Nachdem Lea eingeschlafen war, saß Catherine schweigend auf dem Rand des Bettes und beobachtete sie. Lestat lehnte gegen den Fenstersims und schaute immer wieder in den Garten hinaus. Ob Catherine wusste, dass er im Schneesturm dort unten gestanden hatte? Damals war es Zufall gewesen, dass er sie gefunden hatte. Heute wusste er, dass sie verbunden waren, doch er wusste nicht warum. Es war einfach so. Er fühlte es, wie er so vieles fühlte, das ihm unbekannt war, wenn er sich in ihrer Nähe aufhielt. Ein Rascheln der Bettdecke verleitete ihn dazu, den Kopf wieder zurück zum Bett zu wenden. Catherine war aufgestanden und kam langsam auf ihn zu. Sie blickte an ihm vorbei aus dem Fenster und blieb stumm. Ihre Gedanken nahmen im Moment keine festen Formen an.

„Es tut mir leid.“ flüsterte Lestat und zog sie zu sich.

„Lea wird sich erholen.“ meinte Catherine, da sie nicht ganz verstand.

„Weißt du nicht mehr, was ich dir versprochen habe?“ fragte er und betrachtete sie.

„Dass ihr sie findet.“ entgegnete Catherine, doch er schüttelte den Kopf.

„Dass wir sie unverletzt zurückbringen.“ korrigierte Lestat. „Das ist uns sehr gut gelungen, das muss man schon sagen.“ knurrte er und begegnete Catherines Blick.

„Sie wird sich erholen. Nur das zählt.“ sagte Catherine noch einmal und lehnte den Kopf gegen seine Schulter.

Eine Weile schwiegen sie. Lestat lauschte ihren Atemzügen und ihrem Herzschlag. Beide waren flach und aufgeregt.

„Was ist geschehen?“ flüsterte sie und hob den Blick. „Wer hat sie verletzt?“

Lestat schwieg eine Weile, legte ihr dann den Arm um die Taille und führte sie mit sich aus dem Zimmer. Er würde ihr alles erklären, ihr alles sagen, was er wusste.
 

Sie traten in den leeren Salon und Lestat dirigierte Catherine zu einem der Sessel. Er selbst blieb stehen.

„Dank Louis haben wir Lea mit ihrer Mutter Elatha ohne größere Schwierigkeiten in London gefunden. Wir haben uns eine Weile im Hintergrund gehalten. Lea ging es gut und alles sah nach einem Mutter-Tochter-Ausflug aus, doch dann tauchte dieser Daniele auf und nahm Lea mit sich. Armand hat gesehen, dass Elatha sich ziemlich gefügig zeigte – inzwischen wissen wir, dass Elatha und bestimmte Kreise der Bruderschaft dasselbe Ziel verfolgen.“

Lestat machte eine kleine Pause, doch Catherine fragte nichts dazwischen. Natürlich brannte ihr die Frage nach dem gemeinsamen Ziel auf den Lippen, oder auch, warum sie Lea einfach so hatten gehen lassen, doch sie schluckte sie wieder hinunter.

„Daniele nahm Lea - wie schon gesagt - mit. Elatha blieb zurück, doch sollte selbst später nachkommen. Wir nehmen an, dass die Bruderschaft inzwischen auch in London einen Versammlungsort hat. Marius und David haben auf Elathas Verrat der Talamasca sofort die anderen Mitglieder der Talamasca überprüft, doch konnten zum Glück feststellen, dass niemand sonst involviert ist.“

„Nur Elatha.“ murmelte Catherine und lehnte sich ein Stück weiter nach vorne.

„Ja. Louis folgte Lea und Daniele unauffällig. Marius und David waren anderweitig beschäftigt und ich war… ebenfalls mit etwas anderem beschäftigt. Am Ufer der Themse waren fünf Leichen aufgetaucht – alle blutleer. Die musste ich beseitigen, doch irgendetwas stimmte nicht. Das sagte mir mein Gefühl.“

Lestat hielt wieder inne, als ob er sich die Geschehnisse noch einmal konzentriert in das Gedächtnis rufen musste. Schließlich fuhr er fort:

„Dann ging alles sehr schnell. Armand und ich stießen zu Louis, der berichtete, er habe mehrere vampirähnliche Wesen gesichtet, allerdings Lea nicht mehr. Er hat sie aus den Augen verloren, als er der falschen Gruppe von Vampirähnlichen gefolgt ist.“

Catherine atmete scharf ein. Sie sah die dunklen, feuchten Straßen von London vor sich. Die Vampirähnlichen, wie Lestat sie nannte, und Lea mitten drin – alleine.

„Ich denke, wir haben sie in allerletzter Sekunde gefunden. Einer von ihnen war über sie gebeugt und trank ihr Blut. Ich erspare dir die Einzelheiten des Kampfes, ja? Wir konnten allerdings nicht alle vernichten. Es waren zu viele, um sie alle an ihrer Flucht zu hindern.“

„Sollte Lea verwandelt werden?“ fragte Catherine mit brüchiger Stimme.

„Es sieht sehr danach aus. Er hat sorgfältig gebissen und war bemüht, ihr so wenig Schaden wie möglich zuzufügen.“

„Wer?“ fragte Catherine, obwohl die Frage nicht einmal für ihre Ohren sehr viel Sinn ergab, als sie ihre Lippen verließ.

„Der Vampirähnliche.“

„So nennt ihr nun die, die scheinbar gedankenlos vor sich hin vegetieren, verstehe ich das richtig?“

„Zuerst war es so, ja, aber dann fiel uns auf, dass diese Wesen doch etwas mehr bei Verstand zu sein scheinen.“ antwortete Lestat sichtlich erleichtert, dass sie scheinbar nicht auf die Antwort ihrer ersten Frage beharrte.

„Wer, Lestat?“ fragte sie wieder und hielt seinem Blick stand. „Ich weiß, dass du mir etwas verschweigst. Warum, Lestat?“

„Ich…“ begann Lestat, doch konnte nicht weitersprechen.

Lestat wandte sich ab und hörte, dass Catherine sich erhob und zu ihm trat. Ihre Hände umfingen von hinten seine Brust, ihr Körper presste sich gegen seinen Rücken. Ihre Stirn ruhte in der Mitte zwischen seinen Schulterblättern.

„Sag’ mir, was du weißt. Du brauchst mich nicht zu schonen.“ flüsterte sie und unterdrückte den angespannten Unterton in ihrer Stimme.

„Du weißt nicht, was du da sagst.“ meinte Lestat rau und tastete nach ihren Fingern, die sich gegen seine Brust pressten.

„Überlass’ die Beurteilung mir.“ entgegnete sie tonlos und drehte ihn zu sich um. „Wer?“ wiederholte sie ihre Frage und nickte ihm zu.

Er schlang die Arme um sie und drückte sie so fest an sich, dass ihr beinahe die Luft zum Atmen fehlte. Worum bat sie ihn da? Darum, dass er ihr einen Dolch in ihr ohnehin schon blutendes Herz stieß und ihr lächelnd bei ihrem Todeskampf zusah. Er rang mit sich, doch langsam stellte sich das Bewusstsein ein, dass sie ein Recht hatte, alles zu wissen. Das betraf auch sie – leider! Wenn er sie doch nur aus all dem heraushalten konnte! Doch es ging nun einmal um ihre Familie – in erster Linie. Er strich ihr über den Hinterkopf und senkte seine Lippen an ihr Ohr.

„Lucien.“ murmelte er und entließ sie nicht aus seinen Armen, als sie zurückschreckte und sich gegen ihn wehrte.

Ihr Herz schlug wild und ihr Blut rauschte durch sie hindurch. Wenn er sie nun entließ, würde sie in sich zuammenbrechen, das wusste er. Alles in ihr sträubte sich gegen diese Wahrheit.
 

Er wusste nicht genau, wie viel Zeit verstrichen war, ehe sie sich in seinen Armen entspannte. Ihr Körper sank schwach gegen seinen und wehrte sich nicht mehr. Catherines rasende Ungläubigkeit war betäubendem Schmerz gewichen, der aus der Gewissheit entsprang, dass Lestat die Wahrheit sagte. Lucien… nicht länger Lucien.

„Warum?“ seufzte sie gegen seine Brust, erwartete jedoch keine Antwort.

Niemand hatte darauf eine Antwort. Nicht sie. Nicht er. Wahrscheinlich nicht einmal ihr Bruder selbst. Catherine löste sich zaghaft aus seinen Armen und strich sich ihr Haar zurück, das strähnig in ihr Gesicht hing. Lestats misstrauische Blicke folgten jeder ihrer Bewegungen.

„Es geht mir gut.“ versicherte sie tonlos und räusperte sich.

Noch einmal fuhr sie sich mit den Fingern durch ihr offenes Haar und wandte sich dann von ihm ab. Sie wusste nicht, ob er ihr glaubte. Catherine atmete tief durch und ging einige Schritte in den Salon hinein. Sie musste sachlich bleiben – sofern das irgendwie möglich war.

„Warum Lea? Habt ihr… hast du… habt ihr – wie auch immer - eine Vermutung?“ fragte sie deshalb und blickte weiter in die andere Richtung.

„Wir sind uns nicht sicher.“ entgegnete er.

„Und du? Bist du dir sicher?“ fragte Catherine und drehte sich wieder zu ihm um. Sie zitterte.

„Als du bei Saerlaith eingebrochen bist und du vermutet hast, dass Salieri tot sein müsste, weil sein Portemonnaie und seine Papiere im Tresor liegen, hat Lea etwas anderes entdeckt.“ Lestat stockte kurz, dann fuhr er fort: „Sie hat Unterlagen gefunden, die sie verwirrt haben. Ihre Mutter Elatha offenbar das Kind eines unbekannten Mannes.“

Catherine sah ihn nur an, dann nickte sie. Plötzlich machte alles Sinn: Leas aufbrausendes Verhalten in jener Nacht. Ihre Wut und Unbeherrschtheit, als sie gerade herausgefunden hatte, dass ihre gesamte Familie ihr Dinge vorenthielt, die wichtig waren. Ihre Familie, die sich schon immer recht wenig um Wahrheit oder Moral gekümmert hatte.

„Spielt das eine Rolle für das, was hier vor sich geht – was auch immer das genau ist?“ fragte Catherine und Lestat zuckte die Schultern.

„Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich ist es aber. Sie hat ihre Mutter sofort damit konfrontiert. Daraufhin haben Elatha und Lea Thirlestane Castle in Richtung London verlassen. Das hat zumindest Lea gesagt, als sie noch ansprechbar war.“

„Ich denke, es gibt keinen Grund, ihre Aussage in Zweifel zu ziehen.“ überlegte Catherine laut. „Aber warum? Warum diese Eile? Warum das Treffen mit diesem verfl… diesem Daniele? Seit wann steckt Elatha mit dem unter einer Decke? Und dann die Vorgänge mit den Vampirähnlichen? Wie passt das alles zusammen?“ stellte sie nur einige der Fragen, die ihr gerade im Kopf herumschwirrten.

„Catherine, beruhige dich.“ meinte Lestat sanft und ging wieder auf sie zu.

„Ich bin ruhig. Ich versuche nur, das alles zu verstehen.“ erklärte sie und zwang sich zu einem weniger überzeugenden Lächeln.

„Was wir mit Sicherheit wissen, ist das: Elatha steht im Bund mit der Bruderschaft. Die Bruderschaft plant etwas und Elatha hat das gleiche Ziel. Du scheinst dazu in irgendeiner Form von Nöten zu sein. Dass Lea von ihrer eigenen Mutter lebensgefährlich darin verwickelt wird, sehe ich in eurer Verbindung.“ erwiderte er und betrachtete sie prüfend.

„Ja, natürlich. Beinahe jeder, der mit mir in Verbindung stand, wurde in diese Sache hineingezogen und wird dadurch in diese Gefahr gebracht…“

„Das meinte ich nicht.“ widersprach er und fügte dann hinzu: „Deine Bindung zu Lea ist eine andere, Catherine.“

Catherine blickte ihn fragend an. Worauf wollte er hinaus? Musste er sich so in Rästel hüllen, dass bei ihr auch noch die letzten Nerven anfingen, wie wild zu zucken und sie in den Wahnsinn zu treiben? Ihre Augen fixierten seine. Sie waren dunkel und verschlossen – als ob es schon nicht mehr nötig wäre, ihr überhaupt etwas zu sagen, als ob sie schon alles wüsste, was sie brauchte, um die Teile zusammen zu setzen. Ihr Hals begann zu krazen. Sie schluckte.

„Dein Großvater, Catherine, war der Vater von Elatha. Elatha ist deine Tante, Lea deine Cousine. Es tut mir leid, dass wir das so lange nicht bemerkt haben.“



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