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Sein Leben

von

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Sein Interesse

Schon der hiesige Blumenkranz an der Eingangstür sah einladend aus.

Gelbe Rosen, in wunderbarer Kombination mit genauso gelben Tulpen, kräftiges Grünzeug, dessen Namen Tia nicht kannte, das aber elegant zwischen den Blumen zum Vorschein kam und diese gleichzeitig hervorstechen ließ.

Schon seitdem sie zum ersten Mal hier gewesen war, hatte sie den ständigen Wechsel der Kränze verfolgt.

Sie waren mal bunt und knallig wie im Sommer, mal streng und schlicht wie im Herbst. Vor allem für den Winter hatte Norata seine ganz eigenen Tricks, die Pflanzen am Leben zu erhalten, bevorzugt Schneeblumen.

Ein ironischer Zug, da der Planet durchgehend mit Schnee bedeckt war.
 

Vielleicht war es eine Tradition, die aufrecht erhalten bleiben sollte, ein Versuch, sich an die guten alten Zeiten zurückzuerinnern, unterschiedliche Blumen und deren Farben den Jahreszeiten anzupassen.

Es war zumindest nichts falsch daran, an einem erstaunlich warmen und sonnigen Frühlingstag die passenden Blumen parat zu haben.
 

Tia drückte kurz auf die Klingel.

Ihr war schon oft ein eigener Schlüssel angeboten worden und sie konnte sich nicht wirklich erklären, wieso sie nie eingewilligt hatte.

Es musste ein komisches Gefühl sein, einfach so ein Haus betreten zu können, mit dessen Besitzern man nicht verwandt war.

Auch wenn ihr inzwischen so gut wie alles vertraut war, war sie der Meinung, sich nicht wohl zu fühlen, wenn sie ungefragt ein- und ausgehen konnte.
 

Nach nur wenigen Sekunden öffnete Rockets Vater die Tür.

„Hi“, lächelte Tia ihm leicht verlegen entgegen.

„Komm ruhig rein. Rocket ist noch nicht da, aber lange wird er nicht mehr weg sein.“

Es war für Norata zur Gewohnheit geworden, Tia die Tür zu aufzumachen.
 

„Weißt du denn, wo er ist?“, fragte Tia, während sie ihre Schuhe auszog und ihre Jacke aufhing. Es fiel ihr unheimlich schwer, die Eltern ihres Freundes zu duzen und noch oft genug entwich ihr ein zu förmliches, unangebrachtes „Sie“.

Rocket hatte Tia oft genug bestätigt, wie sehr Kira und Norata sie mochten, und sie konnte keinesfalls das Gegenteil von ihrer Seite aus behaupten.
 

Er zuckte kurz mit den Schultern. „Das weiß man bei ihm eigentlich nie so genau. Ich würde dir ja anbieten, dich zu uns zu gesellen, aber ich bezweifle, dass Unkraut jäten dir Spaß macht. Mir zwar auch nicht, aber du weißt ja...unvermeidlich.“

Tia verzog leicht das Gesicht. „Danke, ich warte wohl lieber unten.“

Norata nickte ihr noch kurz lächelnd zu, bevor er sich wieder in den Garten begab.
 

Rocket’s Kellerzimmer war inzwischen wohl zu dem gleichzeitig erstaunlichsten und vertrautesten Ort geworden, den Tia kannte.
 

Allgemein war es unfassbar, wie viel Informationen man über eine Person durch sein Zimmer erhalten konnte. Das hatte sie schon damals feststellen müssen, als sie zum ersten Mal hier gewesen war.

Die Jahre waren wie im Fluge vergangen, doch Tia konnte nicht von sich behaupten, „nicht mehr großartig darüber nachgedacht zu haben“.

Immer, wenn sie den Raum betrat, schafften es die schneeweiße Wand und der grüne Teppich, ihr einen verbitterten Gesichtsausdruck zu verpassen.
 

Es kam nicht oft vor, dass sie ohne Rocket hier war, doch sobald es der Fall war, konnte sie nicht anders als sich alles genau zu anzusehen.
 

Der Boden war grundsätzlich frei von schmutziger Wäsche und Kekskrümeln, das Bett war immer ordentlich zugerichtet (wobei die Vermutung nah lag, dass auch Kira hier manchmal nachhalf) und sämtliche Stifte in der Aufbewahrtasse auf Rockets Schreibtisch waren frisch angespitzt.

Tia sah sich weiter um. Sie hätte nie gedacht, dass ein Junge so sauber und ordentlich sein konnte. Sie ertappte sich des Öfteren bei dem Gedanken, dass Rocket nicht von dieser Welt stammte.

All das, was typisch für Jungen in seinem Alter war, fehlte.
 

Keine Poster mit den aktuellen und fast schon antiken Sportidolen.

Tia wusste jedoch, dass es in seiner geheimen, versteckten Höhle anders aussah.
 

Keine Bildchen und Zeitschriften mit halbnackten Frauen in aufreizenden Posen.

Tia hätte die Bilder andernfalls natürlich sofort runtergerissen und die Zeitschriften verbrannt.
 

Keine Computerspiele im Regal mit den Titeln „You are going to die in 5,4,3,2,1....“,

„Spacy Shooter-Kill ’em all!“ oder „Speed Extreme: Trash your car and get cash“.

Tia wäre nie im Leben mit ihm zusammen, wenn er den halben Tag vor seinem PC sitzen und irgendwelche Dinge abknallen würde.
 

Keine kaputten Socken im Schrank.

Tia hatte wirklich verzweifelt gesucht.
 

Vielleicht dachte sie einfach zu sehr in Schubladen.

Sie selbst war ein Mädchen. Und spielte Fußball. Wieso sollte es dann keinen Jungen geben, dessen Socken alle heile waren?

Der sich für Floristik interessierte, obwohl er eigentlich eh keine andere Wahl hatte?

Der etwas mehr kochen konnte als nur mit Käse überbackene Nudeln?

Der einen Sinn für Ordnung und Sauberkeit besaß und anstatt unsinnige Computerspiele zu spielen lieber ein paar interessante Bücher las?
 

Was Tia daran störte, war diese vollkommene Erwachsenheit.

Rocket war nicht viel älter als sie, erschien ihr aber manchmal um so vieles reifer, dass sie nicht wusste, wieso er überhaupt mit ihr zusammen war.

In diesen Situationen musste sie auf ihn wie ein Kind wirken...
 

Tia verdrängte diese negativen Gedanken.

Allerdings konnte sie nicht verhindern, sich auch wie ein Kind zu fühlen, während sie Rockets Zimmer von vorne bis hinten gründlich unter die Lupe nahm.

Die Kommode gab für gewöhnlich nicht viel „Interessantes“ her.

Sie hatte es bisher jedoch nie gewagt, die Bettschublade zu untersuchen. Diese hatte auf sie aber auch nie besonders anziehend gewirkt.

Als sie sie langsam herauszog, bestätigten sich ihre Vermutungen, auch hier nichts Spannendes zu finden.
 

Vorerst.
 

Neben all den unterschiedlichen Bettbezügen, der alten Musikanlage und den Fußballzeitschriften, die grundsätzlich überall zu finden waren, fesselte ein leicht zu übersehender Gegenstand ihre Aufmerksamkeit.

Ein sonnengelbes, dünnes Heft mit der einfach Aufschrift „Ich“ in sehr kritzeliger Schrift forderte ein zweites Hinschauen.

Fast wie in Zeitlupe hob sie es auf und war überrascht, dass es sich noch dünner anfühlte als es eben noch ausgesehen hatte.
 

Es wäre der kitschigste, klischeebelastetste Zufall von allen.

Und auch ihre mit Abstand widerwärtigste Aktion, wenn sie es jetzt lesen würde.

Ein Tagebuch war Privatsache. Völlig intim. Es ging sie nichts an, was Rocket über sein Leben schrieb, auch wenn sie ein nicht unbedeutender Teil davon war.
 

Doch ihre kindliche Neugier verbot es ihr, das Buch geschlossen zu lassen.
 

‚Mittwoch, der 2.11. (glaub ich). Ist auch egal. Alles langweilig heute. Schule super ich hatte den besten Physiktest von allen. War auch nicht schwer. Joan hat mich Strehber genannt aber egal. Er hatte eine 5. Muss noch weg jetzt.’
 

Tia lächelt. Diese Art zu schreiben glich mehr einem Protokoll als einem liebevollen Gespräch mit einem imaginären Zuhörer. Die furchtbare Schrift übersah sie gnädig.
 

Dass Rocket früher nicht viel von Kommasetzung gehalten hatte, war für sie eine leichte Genugtuung. Leider war keine Jahreszahl zu erkennen, dann hätte sie sein Alter einschätzen können.

Voller Vorfreude las sie den folgenden Eintrag.
 

‚Tag schnuppe. Joan ist Weg. Hat Calin mit nem Messer bedroht. War richtig was los in der Schule. Calin tut so als sei er erstochen worden. Macht nur noch komische Gereusche. Egal.

SIE hat mich heute angelächelt. Schon wieder. Gefählt mir. Dad ruft. Soll noch Blumen giessen.’
 

Und das Lächeln war nach dem „Sie“ schon wieder verschwunden.

Sie wusste nicht, ob sie weiter lesen wollte, hatte aber gar nicht erst Zeit zum Nachdenken.
 

„Furchtbar, oder?“
 

Die plötzliche Stimme hinter ließ sie erstarren.

„Rocket!?“ Tia fuhr erschrocken herum. „Ich wollte nicht...“

„Keine Sorge, das darfst du“, beruhigte Rocket sie, „Wir sind seit über drei Jahren zusammen, meinst du wirklich, so etwas sollten wir uns noch verheimlichen?“

„Nein, natürlich nicht, aber...“ Ihr fiel nichts mehr ein.

Sie wusste nur, dass sie selbst wahrscheinlich durchgedreht wäre, wenn Rocket in ihren Sachen herumspioniert hätte.

Jetzt nahm er ihr das Tagebuch aus der Hand und las sich die Seite grinsend durch.

„Wir waren nicht einmal elf Jahre alt.“

Tia, vom Schock erholt, lächelte leicht.

„Aber verheiratet.“

Ihr Lächeln erstarrte sofort erneut.
 

Rocket bemerkte ihre Reaktion und zog sie dicht an sich.

„Es war eine wunderschöne Hochzeit... Ich hatte aus dem Garten ein paar Blumen geklaut und dann haben wir auf dem Spielplatz geheiratet. Wir saßen beide auf einer Schaukel“, erinnerte sich Rocket mühsam.

„Wie war die Hochzeitsnacht?“, fragte Tia mit hochgezogenen Augenbrauen.

Rocket lachte kurz auf. „So weit sind wir gar nicht erst gekommen.“

„Sondern?

„Gleich nach der Zeremonie hat sie ihren Ehering in einen Gulli geworfen“, murmelte er in ihr Ohr, „Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr mich das verletzt hat.“
 

Als er sich wieder von ihr löste und Tia den amüsierten Blick in seinen Augen bemerkte, lockerte auch sie wieder auf.

„Und was ist mit den Blumen?“

„Die hat das Miststück natürlich behalten.“

„Du Ärmster.“ Tia sah ihn mitleidig an. „Wirst du je in der Lage sein, darüber hinwegzukommen?“

Rocket schaute auf den Boden. „Möglicherweise nicht...“

Tia hob sein Kinn sanft an.

„Hab’ ich denn wenigstens die Chance, das zu ändern?“
 

Bevor er sie zur Bestätigung küssen konnte, wurde die Tür aufgerissen.
 

„Oh, dann komme ich später wieder“, meinte Kira nach dem sich ihr bietenden Anblick.

Dies musste wirklich der klischeehafteste Tag ihres Lebens sein. Eltern platzten normalerweise nur in Teeniefilmen ins Zimmer, während ihr Kind und dessen Lover voll bei der Sache waren.

„Ist schon okay. Was gibt’s?“, fragte Tia und sah zu ihr, obwohl sie nicht verhindern konnte, dass sie errötete.

Doch anstatt wie in diesem 08 15-Filmen sofort auseinander zu springen und zu beteuern, dass „es nicht so ist, wie es aussieht“, legte sie ihre Arme um den Hals ihres Freundes, der selbst überrascht zu sein schien, aber sich nicht widerwillig zeigte.
 

„Nicht viel. Norata hat mir erzählt, dass du da bist, Tia. Ich wollte nur Bescheid sagen, dass oben ein wunderbarer Kartoffelsalat auf euch wartet“, winkte Kira ab, „Wenn ihr fertig seid, könnt ihr hochkommen, ja?“
 

Fertig womit, bitte?
 

„Wir kommen sofort, danke“, erwiderte Rocket und ärgerte sich im gleichen Moment über die Zweideutigkeit seiner Wortwahl.

Mit einem letzten Lächeln verabschiedete sich Kira auch schon wieder und sie wandten sich wieder einander zu.

„Tut mir wirklich leid.“ Rocket sah sie entschuldigend an.

„Es war einfach nur nett von ihr gemeint“, verteidigte sie Tia, „Meine Mutter ist da schließlich genauso.“

Rocket zuckte leicht mit den Schultern. „Kann ich nicht wirklich beurteilen.“

Das blonde Mädchen sah ihn fragend an. „Wie meinst du das?“

Er senkte zwar den Kopf, strich aber gleichzeitig mit seinen Händen ihre Seiten auf und ab.

„Na ja, so oft habe ich sie noch nicht gesehen.“

„Du weißt genau, wie beschäftigt sie sind.“

„Schon, aber...“ Rocket brach den Satz ab. Es war sinnlos, wegen so etwas die schöne Stimmung zu zerstören. „Tia, es ist egal.“

Doch Tias Interesse war mehr als geweckt.
 

Es gab mehrere Wege, etwas aus Rocket rauszuholen.

Als erstes wäre da die aggressive Art und Weise.

Unaufhörliches Pressing bis Rocket schließlich nachgab. Wie beim Fußball.

Sobald man lange genug an einem Gegner dran blieb und ihn bedrängte, bekam man irgendwann automatisch den Ball.
 

Die zweite Möglichkeit ging in eine sinnlichere, verständnisvollere Richtung.

Tia war sich dessen bewusst, dass Rocket, wenn sie ihn mit ihren grünen Augen und einem flehenden Blick intensiv genug ansah, früher oder später nachgeben würde.

Sie fühlte sich zwar alles andere als unwiderstehlich, wusste aber, wie sie mit ihrem Freund umzugehen hatte.
 

„Bitte rede mit mir.“ Ein einfacher, aber fast schon gehauchter, Satz schien ihr in diesem Moment am passendsten. Und er zeigte Wirkung.

„Weißt du, Tia...“, begann Rocket, immer noch mit gesenktem Kopf, nach einer kurzen Pause, „...die Situation ist einfach so komisch.“

„Welche Situation?“ Es missfiel ihr, mit ihm zu reden ohne Blickkontakt zu haben.

Fest entschlossen nahm sie sein Gesicht in beide Hände und brachte ihn dazu, sie anzusehen.
 

„Das weißt du doch selbst ganz genau.“

Sein Flüstern jagte Tia einen kalten Schauer über den Rücken. Wo sollte das hinführen?

Wo war denn jetzt noch die schöne Atmosphäre?

Sie wollte einen süßen und harmonischen Umgang haben, keinen deprimierten und geheimnisvollen, verschwiegenen Rocket, der kurz davor war, ihr ernsthafte Vorwürfe zu machen.
 

Sie schüttelte bestimmt den Kopf. „Wovon redest du?“

Rocket schaute nach oben und atmete tief durch. „Deine Eltern, ich meine, Diplomaten... und wir... also ich, meine Familie... das... Kannst du dir das nicht denken?!“
 

Das war nicht wirklich süß.

Und die Harmonie hatte sich leise verabschiedet.
 

„Nein, Rocket, nicht.“

Weniger Unverständnis, mehr eine entgeisterte Reaktion.

Das unangenehme Schweigen zwischen den beiden Menschen, die sich in jeder Beziehung so nahe standen, wurde immer unerträglicher.

„Wie kommst du da jetzt drauf?“, fragte Tia nach einer Weile, immer noch kopfschüttelnd.

Sie hatte mittlerweile ihre Hände zurückgezogen und wusste nichts mit ihnen anzufangen.
 

Am liebsten hätte sie Rocket auf der Stelle eine geknallt.

Ihm diesen Minderwertigkeitskomplex einfach ausgetrieben. Das hätte die Hände-Frage gelöst und ihrer Wut Ausdruck verliehen.

Doch es würde die Stimmung auch nicht verbessern.

Aber welche Stimmung denn schon?
 

Rocket vermied es, sie anzusehen.

„Wir haben über deine Familie geredet“, unternahm er einen Rechtfertigungsversuch, „und immer wenn ich über sie nachdenke, erinnere ich mich an die... Verhältnisse.“

„Was denn für Verhältnisse bitte?!“ Tia hatte Mühe, sich zu beherrschen. Nicht einfach rauszurennen und laut loszuschreien.

Wie sollte sie denn auch sonst aus dieser unangenehmen Situation entfliehen?
 

„Wie kannst du dem gegenüber nur so ignorant sein?“ Mit einer derart entzürnten Reaktion hatte sie nicht gerechnet. „Du läufst blind durchs Leben, suchst dir von allem das Beste raus und verhältst dich dabei so was von...“

„Kindlich?“, unterbrach sie ihn.

Es tat weh.

Sie wollte ihn weiterhin ansehen, doch der verschwommene Blick ließ sie nur noch Umrisse erkennen.

„So war das nicht gemeint, Tia.“
 

Sie fühlte sich wie ein sentimentaler Vollidiot. Und er hatte sie dazu gemacht.

„Es war wirklich nicht meine Absicht.“ Natürlich wusste er, dass er zu weit gegangen war. Eine typische Kurzschlussreaktion.

Es tut mir leid.“

Tia versuchte, sich zu sammeln. Die restlichen Tränen zu unterdrücken und möglichst tapfer zu bleiben. „Denk nächstes Mal zuerst nach, ja?“

Rocket nickte einsichtig.

„So war das eigentlich nicht geplant gewesen.“

„Ach, wirklich nicht?“ Sarkasmus. Normalerweise verzichtete sie darauf. Tia bewegte sich zum Schreibtisch, um sich von dort ein Taschentuch zu holen. Sie spürte, wie Rockets Blick ihr folgte.
 

Die Taschentücher befanden sich in der kleinen Kommode unter Rockets Schreibtisch.

Sie hätte zu diesem Zeitpunkt jegliche anderen Inhalte der Schubladen aufzählen können. Vielleicht kannte sie sich sogar besser dort aus als Rocket selbst.

Er war zwar ordentlich, aber kein absoluter „Feinorganisator“. Tia wischte sich vorsichtig die Tränen weg.

Es war nicht das erste Mal, dass Rocket sie hatte weinen sehen, aber sie hatte sich ihm gegenüber noch nie so schwach gefühlt.

Vielleicht hatte er sogar recht. Sie wusste selbst, dass nicht alles perfekt war, dass es viel gab, woran sie arbeiten mussten. Beziehungstechnisch.

Dass ihre früheren Vorstellungen von Liebe naiv und unrealistisch waren, war ihr schon vor langer Zeit klar geworden.
 

Das „Vielleicht“ verschwand aus ihren Gedanken. Möglicherweise hatte es eine solche Situation gebraucht, um etwas anderes in ihr auszulösen.

Keine Wut, keine Trauer, sondern eine gewisse Art von Willensstärke.
 

Es war der Moment, in dem sie sich vornahm, erwachsener zu werden und alles ernster anzugehen.
 

Kritik von nun an vertragen zu können.
 

„Ob du es glaubst oder nicht, ich hatte etwas anderes mit dir vor.“
 

Sich schnellstmöglich einen eigenen Wohnungsschlüssel geben zu lassen.
 

Tia sah ihn überrascht an. „Das da wäre?“
 

Dem anderen die Fehler, die er gemacht hatte oder auch nicht, verzeihen zu können.
 

Rocket seufzte. „Ich hatte gedacht, wir könnten heute mal wieder richtig schön ausgehen. Vielleicht ins Kino und dann was essen und...“

„Gut.“

„Was?“

„Klingt gut.“
 

Spontaner und überraschender zu werden.
 

„Da hättest du wirklich noch Lust drauf?“

„Wieso nicht?“

Er sah sie erstaunt an. Tia drehte sich wieder zu ihm um. Von den vergossenen Tränen war kaum noch etwas zu sehen.

Rocket konnte nicht anders als zu ihr zu gehen und sie gegen den Schreibtisch zu drücken.

„Schatz, was...?“
 

Rocket selbst in den fragwürdigsten Situationen noch als Schatz zu bezeichnen.
 

Weiter sollte sie nicht kommen.
 

Manchmal bildete Tia sich ein, der einzige Grund, weshalb sie herkam, war der, diese wunderbar weichen Lippen auf den ihren und seine warmen Hände auf ihrer Haut zu spüren.

So wie jetzt.

Sie wollte keine Geheimnisse herausfinden, indem sie irgendein Tagebuch durchblätterte.

Und sie nahm sich vor, keine Reaktion zu zeigen, sobald sie das nächste Mal, was ganz sicher kommen würde, dieses Zimmer betrat.
 

Wer brauchte schon zuckersüße Harmonie, wenn es so viel besser ging?
 

Bedingungslos zu lieben.
 

Und so kam es, dass Kiras Salat noch ein wenig länger auf die beiden warten musste...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  HD
2009-03-10T15:05:57+00:00 10.03.2009 16:05
Wow! Das End finde ich totall cool! <3
Ach, was rede ich da? Das ganze Kapi. war spitze! :D


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