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Die geschriebene Geschichte

历史文
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Libra

Beobachten und dann eingreifen, wenn es erforderlich wurde, das war für Jahrhunderte die Devise gewesen. Immer das Gleichgewicht wahren, nie eine Kraft zu stark werden lasse, solange es keine Gegenkraft gab, immer den Ausgleich suchen. Das war das beste gewesen, das hatte ihn stark gemacht. Mit seiner Heimat, die er selten als die seine auffasste, hatte er sich immer wenig befasst. Dort gab es nichts, das ihn hielt, dort wartete nur immer neue Gewalt, nur immer neuer Hass zwischen zweien auf ihn, die sich noch nie hatten leiden können. Meist mischten noch andere mit, doch im Grunde waren es immer nur die beiden. Und er versuchte, das Gleichgewicht zwischen ihnen zu wahren, unterstützte mal den einen, wenn er unterlegen schien, dann den anderen, um ihn vor seiner Zerschlagung zu bewahren.
 

Doch seine Träume und Ziele hatten immer in der Ferne gelegen. Weit in der Ferne, weit weg von dieser kriegerischen Heimat, die irgendwann mit ihrem Feuer die ganze Welt in Brand stecken würde. In der Ferne, so hoffte er, brauchte man ihn und er brauchte die Ferne. In seiner Jugend war er ein Pirat gewesen, hatte fremde Inseln entdeckt und diesen Jungen gefunden, der ihm so schnell schon entwachsen war und dem er nun ganz fremd war. Selbst eine Zusammenarbeit lehnten sie beide ab, egal um was es sich auch handelte. Selbst wenn die Welt unterginge, der Verrat des Jungen, die Diktatur des Alten, würde nie vergessen sein. Wie sie es auch drehten und wendeten, sie waren verbunden und doch getrennt. Auch wenn er noch immer die Partei des Jungen ergriff, wenn dieser in Schwierigkeiten war, sie waren durch Ozean und Zeit getrennt.
 

Auch dort lagen kaum noch seine Interessen. Der Junge hatte gelernt, wann er still sein musste und hatte sich in den letzten Jahren mehr und mehr in sich zurückgezogen. Auch er zog sich immer mehr zurück, weniger in sich selbst als in die Welt, solange es nur fern der Heimat war, fern der Heimat, in der alle versuchten, sich gegenseitig zu übertrumpfen. In der Ferne war alles einfacher. Niemand zweifelte an ihm, man brauchte ihn und sehnte sein Kommen herbei. Er brachte den anderen Nationen Wohlstand, Freiheit und Friede. Und ihm bereitete es eine große Freude, sich um diese Nationen zu kümmern. Er sah sich immer als eine Art großen Bruder, doch hin und wieder zog er auch seine Vorteile aus ihnen. Wenn er etwas wollte, dann konnte er unerbittlich sein. Auch das hatte er bewiesen. Er strebte an, was er auch später erlangte, er erschuf sich sein eigenes Weltreich.
 

Doch es läuft im Leben nicht immer alles so, wie man es sich erhoffte. Es kam in der Heimat zu neuen Streitereien. Er verhielt sich wie immer, unterstützte die Schwachen und hoffte auf ein Gleichgewicht nach dem Streit. Doch bei diesem Mal war alles anders. So sehr er sich auch mühte, es war kein Gleichgewicht zu erringen, er konnte keinen Ausgleich finden, der auch die anderen Sieger zufrieden gestellt hätte. Machtlos musste er zusehen, wie der Verlierer in Ketten gelegt wurde und ihm alle Schuld auferlegt wurde. Wie viele andere sah er den nächsten Konflikt bereits entstehen und wartete beinahe schon darauf, dass diese Spannungen sich erneut im Streit entladen würden. Wie viele andere hörte man seine Warnungen nicht sondern rannte immer weiter darauf los, dem Feuer entgegen.
 

Nach dem Streit lagen beide Kämpfenden am Boden, die, die diesen Streit so lange betrieben hatten. Alle waren sich einig, dass dies nie hätte geschehen dürfen und jeder wünschte, es würde sich nie wiederholen. Doch niemand verstand wie es dazu gekommen war, niemand wollte es sehen. Es gab viele Vermutungen, doch keiner konnte es mit Gewissheit sagen. Er wachte darüber, zusammen mit diesem Jungen, der nun die Führung für sich beanspruchte und seinen Gegner hoch in Eis und Kälte suchte. Er wachte darüber, dass der Unterlegene nun nicht gebeutelt sondern gescholten wurde, dass sich wieder ein zweiter finden konnte, der Mächtig war. Sie brauchten ihn, das wusste er. Sie brauchten ihn gegen den neuen Feind, den sie mit ihren Idealen heraufbeschworen hatten. Einen Feind, den er nicht unbedingt für den seinen hielt. Doch er wollte den Jungen auch nicht im Stich lassen, er wollte an seiner Seite stehen.
 

Seine Heimat überließ er wieder sich selbst, als er sah, dass sich dort alles zum besseren wandelte. Nur von außen beobachtete er, wie aus den alten Feinden Freunde wurden und sie immer besser zusammenarbeiteten. Wie sie den Kreis ihrer gemeinsamen Freunde immer mehr erweiterten und aus einem Bündnis, das sie erst aus einer Notwendigkeit heraus besiegelt hatten, langsam etwas wuchs, das später zu wahrer Einheit würde führen können. Als die beiden dann gemeinsam auf ihn zu kamen, ihn, den in der Ferne das Glück verlassen hatte, und ihm einträchtig die Hand zur Freundschaft reichen, aus dem Wunsch heraus, dass ihre Heimat stark werden konnte, damit sie in der Welt bestehen konnte, willigte er nur zögerlich ein.
 

Noch immer sah er sich nicht als Teil des Ganzen, fühlte sich nicht der Heimat zugehörig. Noch immer war er nur ein Beobachter aus der Ferne, wenn es um seine Heimat ging. Nur langsam gewöhnte er sich daran, ein Teil von ihr zu sein, es würde noch eine lange Zeit dauern, bis er sich dort auch wirklich heimisch würde fühlen können, bis er zu einem Teil von ihr wurde.



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