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The darkness inside you

Die Vergangenheit ruht nie
von

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Seitan

Rakyaru fühlte sich kraftlos. Ihn quälten Hunger und Durst, sein Fell war schmutzig und unordentlich. Die letzten Tage war er pausenlos durch das Land gezogen, nur um die Ebene Talias und die Berge hinter sich lassen zu können. Je weiter er von seiner alten Heimat weg kam, dachte er, desto besser wäre es für alle Beteiligten. Nun fand er sich in einem Wald nahe den Bergen wieder und konnte nur durch reine Willenskraft weitergehen. Die Bewohner des Waldes sahen ihm interessiert nach, doch sprachen ihn nicht an. Für das junge Arkani war es seltsam, dass man ihn nicht so beachtete wie im Tal, doch so konnte er wenigstens ungestört seiner Wege gehen.

Noch immer ging ihm die Warnung von Yorusuta nicht aus dem Kopf. Er sollte sich vor den Menschen in Acht nehmen… Was waren diese ‚Menschen‘? Waren sie wirklich so gefährlich, dass man ihn sogar vor ihnen warnte? Rakyaru wusste es nicht.

Die leicht trockene Nase des Arkanis schnupperte in der Luft, in der Hoffnung, Wasser zu riechen. Tatsächlich konnte Rakyaru einen leichten Hauch von Wasser wahrnehmen. Er ließ sich von seiner Nase führen, kam jedoch nur langsam voran. Das Pokémon wusste, dass man in der Nähe von Wasser meist auch Futter fand, auch wenn es nur Beeren waren.

Es dauerte nicht lange, dann fand sich der schwarze Hund an einem kleinen Teich wieder. Sofort begann er begierig zu trinken. Neues Leben durchfuhr seine Glieder und Rakyaru fühlte sich erleichtert. Und wie er vermutet hatte, fanden sich auch einige Sträucher und Bäume vor, an denen Pirsif- und Sinelbeeren wuchsen. Er schlang einige hinunter, bevor er sich ins hohe Gras niederließ und die Sonne, die durch das Blätterwerk drang, schien auf sein schwarzes Fell. Zwar fühlte er sich erschöpft, aber er wollte dennoch nicht schlafen. Noch immer war er nicht sicher, wie man ihn außerhalb des Tales behandeln würde, es könnte jederzeit passieren, dass er wieder angegriffen wurde.

Die Ohren aufmerksam aufgerichtet, legte er seinen Kopf zu Boden und genoss die Ruhe. Lange dauerte diese allerdings nicht an, da aus einem nahgelegenen Busch ein gelbes, vierbeiniges Pokémon heraussprang. Sein Fell wirkte sehr stachelig und es hatte ebenso spitze Ohren. Am Hals wurde das Fell weiß und die Beine wirkten wie geschaffen für schnelle und lange Sprints. Es schien völlig außer Atem und als es Rakyaru erblickte, zuckte es zusammen. Dann schien es sich jedoch wieder zu beruhigen, um im nächsten Moment wieder nervös zu werden.

„Was liegst du hier herum? Lauf!“, rief das Pokémon, ein Blitza, zu dem Feuer-Pokémon hinüber.

Irritiert musterte der Angesprochene den Neuankömmling. Dieser schien, wie Rakyaru meinte, nicht feindlich gesinnt, und doch schlich sich Misstrauen in seine gemischten Gefühle gegenüber dem Blitza.

„Wieso sollte ich auf dich hören?“, fragte Rakyaru leicht knurrend.

„Die Menschen kommen! Wenn sie dich sehen, werden die dich bestimmt nicht entkommen lassen!“, entgegnete der Fremde schnaufend.

Menschen. Dieses Wort hallte noch einige Male in seinem Kopf. Dann hörte man ein lautes Geräusch, ein Geräusch, welches Rakyaru noch nie im Leben gehört hatte. Äste zerbrachen, Stimmen ertönten. Dann stürzte ein Baum zu Boden. Wie als hätte es nur darauf gewartet, rannte das Elektro-Pokémon davon. Eine unbekannte Panik ergriff von dem schwarzen Hund Besitz und ließ ihn auf seine schmerzenden Pfoten springen. Nun begannen auch seine Ohren durch einen lauten, schrillen Pfiff zu schmerzen. Vor Schmerz jaulte er laut auf. Gleich darauf verstummte der Pfiff und Rakyaru hörte eine männliche Stimme brüllen: „Dort drüben habe ich etwas gehört!“

Schon wollten seine Instinkte ihn dazu zwingen, loszulaufen, jedoch ließen seine geschundenen Läufe dies nicht zu. Nur einen Moment später sah sich das Legendär-Pokémon zwei Gestalten gegenüber, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Waren es diese Menschen, vor denen er gewarnt worden war?

„Ist das ein Arkani?“, fragte eines der beiden Wesen, welches einen seltsamen Gegenstand, den Rakyaru nicht kannte, in den Pfoten hielt.

Wobei man es schlecht Pfoten nennen konnte. Sie hatten keinerlei Fell und beide waren eher zierlich und bestanden aus je fünf längeren Gliedern. Sofort wusste Rakyaru, dass er es nicht mit Pokémon zu tun hatte.

„Klar, aber seit wann sind die schwarz?“, stellte das andere Wesen eine Gegenfrage.

„Was weiß ich. Lass es uns einfach fangen, bringt bestimmt viel Geld ein!“, rief wieder der andere und richtete den Gegenstand auf den Hund.

Gleich darauf begann dieser zu knurren, öffnete aus Instinkt heraus sein Maul und ließ einen heißen Feuerstrahl auf den Unbekannten niedersausen. Gerade noch rechtzeitig sprang dessen Ziel zur Seite, derweil betätigte das andere Wesen etwas an dem unbekannten Gegenstand und eine Art Spinnennetz schoss auf Rakyaru zu. Der Feuerhund war zu sehr auf den anderen fixiert, als dass er noch rechtzeitig zur Seite springen könnte.

Schließlich wurde er von dem Netz eingehüllt. Seine Instinkte gewannen wieder Überhand und er strampelte verzweifelt umher, um sich aus dem Netz zu befreien, aber jeglicher Versuch misslang. An dem Gegenstand, der das Netz abgeschossen wurde, wurde erneut etwas betätigt, durch ein Seil, dass Netz und unbekanntes Gerät miteinander verband, schoss ein starker elektrischer Schlag, der Rakyaru durchzuckte, bis er zu Boden ging.

„Das war ja viel leichter als gedacht! Das Viech hat wohl keine Ahnung gehabt, was passiert ist!“, grinste der Angegriffene.

„Du nimmst mir die Worte aus dem Mund, Takashi!“, erwiderte der andere.

„Am Besten wir verkaufen das Arkani nicht in Kanto, in einer anderen Region bringt der bestimmt noch mehr Geld ein, auch wenn er durch sein seltsames Fell schon einiges einbringen würde. Was meinst du, Neku?“, schlug das Wesen namens Takashi vor.

„Gute Idee. Wir sollten jetzt langsam verduften, nicht dass die Ranger uns noch erwischen. Das Blitza von vorhin krallen wir uns irgendwann anders“, stimmte Neku zu.

Als Rakyaru versuchte, aufzustehen, durchfuhr ihn erneut ein elektrischer Schlag, der ihm die letzten Kraftreserven raubte. Sein Blick verschwamm und die beiden Gestalten waren nur undeutlich zu erkennen. Wenn dies wirklich Menschen waren, so dachte der Feuerhund, hätte er auf die Warnung von Yorusuta und der des Blitzas hören sollen. Erneut wurde ihm schwarz vor Augen.
 

Es verging einige Zeit, dann kam Rakyaru wieder zu sich. Zunächst konnte er seinen eigenen Körper kaum bewegen, nicht einmal die Lider seiner Augen konnte er anheben. Nun bereute er es, während seiner Wanderschaft kaum Pausen gemacht zu haben.

„Wachst du auf?“, hörte Rakyaru jemanden sagen.

Mit Mühe öffnete das Legendär-Pokémon seine Augen und fand sich in einem schwach beleuchteten… Ja, wo war er überhaupt? Das letzte, woran er sich erinnern konnte, war, dass er einen elektrischen Schlag abbekommen hatte.

„Hey, bist du wach?“, ertönte dieselbe Stimme wie kurz zuvor.

„Ja… Wo bin ich?“, murmelte Rakyaru zur Antwort.

„Diese Kerle müssen dich ja ganz schön zugerichtet haben, wenn du nicht einmal weißt, wo du bist. Wir sind momentan, soweit ich mitbekommen habe, auf einem Schiff, zumindest schwankt es ziemlich“, entgegnete die Stimme.

Langsam wandte der Feuerhund seinen Kopf in die Richtung, in der er den Besitzer der Stimme vermutete. Tatsächlich saß, von seltsamen Stäben von ihm abgetrennt, ein grünes Pokémon mit einer Knospe auf dem Rücken. Wie er schien es ein Vierbeiner zu sein, aber wirkten nicht wirklich zum Rennen geeignet. Ein Bisaknosp, wie er es schon einmal gesehen hatte, nur das dieses kleiner war, als das Exemplar, das ihm einmal begegnet war. Vermutlich war es noch jung und seine Entwicklung lag noch nicht lange zurück.

„Schiff?“, fragte Rakyaru schwach.

„Du weißt nicht, was ein Schiff ist? Du bist komisch. Naja, schon vom Aussehen her, scheinst du mir komisch zu sein. Ein Arkani mit schwarzem Fell habe ich noch nie gesehen.“ Als Rakyaru leicht zu knurren begann, verstummte das Pokémon für einen Moment. „Äh… Um zum eigentlichen Thema zurückzukommen, ein Schiff ist ein Transportmittel für Menschen, womit sie Wasser überqueren können.“

Beim Wort ‚Menschen‘ zuckte das schwarze Pokémon zusammen. Kaum war er diesen ‚Menschen‘ begegnet, schon war er auf einem ‚Schiff‘. Was waren diese Menschen für seltsame Kreaturen?

„Wer bist du eigentlich? Mein Name ist Seitan!“, stellte sich das fremde Pokémon vor.

„Rakyaru ist mein… Name...“, antwortete der Gefragte darauf. „Kannst du mir sagen, was das für Stäbe sind?“

„Du hast nicht viel Ahnung, oder? Ist aber auch egal. Wie beide befinden uns im Moment in sogenannten Käfigen, damit wollen die Menschen verhindern, dass wir fliehen können. Das sind nämlich Wilderer, in anderen Worten, schlechte Menschen, so wie die meisten, die ich bisher gesehen habe“, sagte Seitan daraufhin und man konnte deutlich das Missfallen in seiner Stimme hören.

„In meiner alten… Heimat… gab es so etwas wie Menschen nicht…“

„Was? Das ist mal etwas Neues für mich, ich dachte immer, Menschen gibt es überall! Wo kommst du denn her?“, rief Seitan aufgeregt.

„Aus einem Tal, irgendwo in der Nähe der Ebene Talias in… ich glaube, es hieß Kanto“, sagte Rakyaru leise.

Es fühlte sich seltsam an, so mit einem Pokémon zu reden. In der Vergangenheit hatte er kaum Worte mit anderen gewechselt und nun fand er in diesem Seitan einen Gesprächspartner, der ihm nicht feindlich gesinnt war.

„Ein Tal in der Nähe von Talias? Dort gibt es eigentlich keine Täler, seltsam“, murmelte Seitan kaum verständlich, bis er etwas lauter wurde: „Wir werden übrigens nach Hoenn gebracht, also eine ganz andere Region und sollen dort teuer verkauft werden.“

„Verkaufen?“, erneut war Rakyaru ratlos.

„Gegen Geld, mit dem die Menschen handeln, eingetauscht werden. Wir sind für diese Menschen nichts anderes als Wesen ohne Sinn und Verstand, mit denen sie machen können, was sie wollen“, antwortete das Bisaknosp verächtlich.

Rakyaru verstand es irgendwie, wie dieses Pokémon fühlte. Er hatte es bisher nur einmal mit Menschen zu tun gehabt und doch hasste er sie schon, was er allerdings erst jetzt so richtig merkte. Das Gefühl des Zornes kannte er schon, hatte es aber nie wirklich wahr genommen.

„Wie geht es dir eigentlich? Du siehst ziemlich schwach aus, Rakyaru“, erkundigte sich das Pflanzen-Pokémon.

„Es geht schon, ich komme damit klar“, log er daraufhin.

Er wollte sich nicht schwach zeigen. Früh hatte er lernen müssen, dass Schwäche zeigen, gefährlich war und diese Lektion würde er so schnell nicht wieder vergessen. Seine Gedanken schweiften ab, in die Zeit im Tal. Die Pokémon außerhalb seines Geburtsortes behandelten ihn anders als die, die er kannte. Seitan erinnerte ihn ein wenig an seine jüngere Schwester, beide hielten ihn anscheinend für ein normales Pokémon. In seiner Kindheit hatte er sich so etwas immer gewünscht.

Aber er war nicht normal, und er würde niemals normal sein. Ein stolzes, starkes Arkani war und würde er nie sein. Eine Kämpfernatur war er nie gewesen, er wurde immer von seinen Instinkten kontrolliert und wenn man ihn mit seiner ‚Familie‘ verglich, war er schwach und mitleiderregend. Doch nicht nur das unterschied ihn von seinen Artgenossen, allein sein Fell und die ausdruckslosen Augen ließen Rakyaru schon zum Außenseiter werden.

Sein Gedankengang wurde von Seitans Stimme unterbrochen: „Mal ganz ehrlich, Rakyaru, wieso ist dein Fell schwarz? Haben dich diese Menschen angemalt oder hast du dich in irgendwelchen Beeren gewälzt?“

„Ich… ich wurde mit diesem Fell geboren…“, entgegnete der Gefragte langsam und legte den angehobenen Kopf zu Boden.

„Scheint ja ein wunder Punkt bei dir zu sein, tut mir Leid, dass ich gefragt habe“, entschuldigte sich das Bisaknosp daraufhin verstehend.

„Seitan… Kannst du mir sagen, was ‚Heimat‘ bedeutet?“, fragte Rakyaru leicht geistesabwesend.

Das junge Pflanzen-Pokémon legte den Kopf für einen Moment schief, so viel konnte der Feuerhund bei der schwachen Beleuchtung erkennen.

„Ich sehe schon, für dich hat dieses Wort eine ganz besondere Bedeutung. Du gefällst mir, Rakyaru, ich hoffe, wir treffen uns nach dieser ganzen Sache noch einmal.“ Seitan lächelte ihn an und Rakyaru spürte, wie sich in seinem Inneren ein warmes, unbekanntes Gefühl auszubreiten begann. „Heimat bedeutet, jemanden zu haben, der sich um einen sorgt. So würde ich es dir zumindest erklären.“

Mit einem Nicken zeigte er, dass er verstanden hatte, was Seitan meinte.

„Hey, Rakyaru, wir sind doch jetzt Freunde, oder?“, fragte das Pflanzen-Pokémon gleich darauf in unsicherem Ton.

„Freunde?“, Rakyaru war sichtlich verwirrt.

„Freunde eben. Ähm… Zwei Personen, die sich gut verstehen und sich gegenseitig helfen“, erklärte sein grüner Leidensgenosse.

„Wenn das so ist… Dann können wir Freunde sein“, nickte der Feuerhund.

„Super! Wir werden zusammen diese Menschen austricksen und fliehen, dann können wir uns solange irgendwo verstecken, bis sie die Suche aufgeben!“, war Seitan begeistert und wurde etwas lauter als beabsichtigt.

„Ruhe da unten!“, schrie jemand und die Stimme hallte mehrmals von den Stahlwänden zurück.

Rakyarus neuer Freund verzog das Gesicht zu einer Grimasse und streckte die Zunge beleidigend heraus. Bei diesem Anblick musste er lächeln. Gelächelt hatte er schon so lange nicht mehr. War das vielleicht ein Zeichen dafür, dass seine Zukunft besser aussah als seine Vergangenheit? Hoffen war derzeitig das einzige, was Rakyaru tun konnte. Hoffen, dass sie beide hier entkommen konnten. Hoffen, dass er die Antworten auf seine Fragen fand. Und hoffen, dass er den Menschen nie wieder begegnete.

Wie er hatte feststellen müssen, war Yorusutas Warnung nicht ohne Grund gewesen. Wieder kochte in ihm Wut auf. Nur eine Begegnung mit diesen seltsamen Wesen und schon wusste er, er hasste sie.

„Rakyaru, ruhe dich noch ein wenig aus, du siehst wirklich müde aus“, forderte sein neuer Freund in ernstem Ton.

Der Angesprochene nickte. „Du hast wohl recht…“

Gleich darauf gähnte er auf und er schloss die rötlichen Augen.

Erst jetzt merkte er, wie das Schiff schaukelte. Sie mussten sich wirklich auf dem Wasser befinden, solch ein Schaukeln konnte nur durch Wellen verursacht werden. Ihm war das im Moment allerdings egal, er wollte den Schlaf nachholen, den er in den letzten Nächten versäumt hatte…

Vielleicht… Vielleicht finde ich hier wirklich jemanden, der mich akzeptiert, wie ich bin…



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