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Unerreichbar.
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Kapitel 6

Mit leerem Blick starrte ich aus dem offenstehenden Fenster. Der Himmel färbte sich langsam zu dem selben rot, wie an dem Abend, an dem ich auf dem Friedhof gesessen hatte. Doch auch wenn vieles unverändert schien, war alles anders…

Ich schloss meine Augen. Die Erinnerungen waren so klar, nichts hatte ich vergessen. Die Einsamkeit, als ich an Alan gedacht hatte. Der Schmerz und gleichzeitig die Erleichterung, als ich dachte, einen Weg gefunden zu haben, zu ihm zu kommen. Das Lächeln, als ich an die Erlösung geglaubt hatte. Die Leere in dem großen Nichts. Das grelle Licht, welches mich so sehr geblendet hatte. Und Treys Gesicht, als ich in dem Krankenhaus zurück ins Leben kam.

Ich wusste nicht wie, aber irgendwie hatte ich den Kopfschuss überlebt. Ich war nie tot gewesen…

Trey hatte mir erzählt, er hatte so was schon geahnt. Ich war an dem Tag wohl besonders still gewesen, noch stiller als sonst, als all die Jahre zuvor. Also war er mir gefolgt und hatte mich gerade noch rechtzeitig finden können.

Erst war ich sauer auf ihn gewesen, weil er mich nicht einfach hatte gehen lassen, weil er mich gerettet hatte. Aber jetzt war ich es nicht mehr. Jetzt war ich froh, dass er so gehandelt hatte.

Es war nun schon drei Jahre her, seit ich versucht hatte meinem Leben ein Ende zu setzten. Drei ganze Jahre in denen Trey mir gezeigt hatte, dass es sich lohnte zu Leben. Wie schön die Welt sein konnte. Er hatte mir das gezeigt, was ich nach Alans Tot nicht hatte sehen können. Was ich nicht fühlen, nicht hören und nicht empfinden konnte. Die Einsamkeit war verschwunden. Nun bemerkte ich wieder die Wärme der strahlenden Sonne. Das Zwitschern der Vögel. Und ich konnte fühlen, dass ich nicht allein war.

Doch eines würde ich am aller wenigsten vergessen können. Und zwar die Nacht, nachdem ich aufgewacht war. Ich hatte große Probleme gehabt einzuschlafen. Doch nach einiger Zeit war ich doch noch ins Land der Träume versunken.

Vor mir spielten sich die Bilder wie ein Film ab…
 

Ich stand auf einer großen grünen Wiese. Die Sonne schien, die Vögel flogen durch die Luft und mit jedem Windhauch wurde der süße Duft von Blumen in mein Gesicht getrieben. Aber trotzdem fühlte ich mich, als wäre ich gefangen. Mit unsichtbaren Seilen gefesselt, die mir langsam die Luft abschnürten. Ich hatte mich hilfesuchend umgesehen, verzweifelt rang ich nach Atem und drohte fast zu ersticken. Doch dann…

“Poe…”, hatte ich eine weiche Stimme ganz in meiner Nähe sagen hören.

Genau in diesem Moment war alles Erdrückende von mir abgefallen. Ein wohliges Gefühl hatte sich in mir ausgebreitet. Es war seltsam dies zu spüren…

Ich fühlte mich erleichtert, denn es war Alans Stimme gewesen, die da zu mir gesprochen hatte.

Ich hatte mich umgedreht und ein sein wunderschönes Gesicht geschaut. Am Anfang musste ich ein paar mal blinzeln, um mich zu vergewissern, dass es keine Einbildung war. Er sah genauso aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte.

Für ein paar Sekunden war ich reglos gewesen. Ich konnte mich nicht bewegen, nichts denken, rein gar nichts. Die Überraschung schien mir mitten ins Gesicht geschrieben zu sein, denn ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht.

Er ist hier!

Er stand tatsächlich nur wenige Schritte von mir entfernt und lächelte dieses Lächeln, welches ich so sehr vermisst hatte!

“Alan!”, rief ich glücklich und fiel ihm um den Hals. Ich spürte seine warme Haut und seinen Herzschlag neben meinem. Und spürte die Welle von Glück, welche mich so plötzlich überflutete, dass mir eine Freudenträne über die Wange lief.

“Du bist zurück!”

Er legte vorsichtig seine Arme um mich und erwiderte die Umarmung.

“Nicht ganz, kleine Poe…”, hatte er geflüstert.

Ich lehnte mich zurück und sah ihm in die Augen. Sofort breitete sich Angst in mir aus.

“Ist das… etwa nur ein Traum?”

Meine Stimme hatte gezittert und war brüchig gewesen. Das konnte einfach nicht wahr sein! Das durfte es einfach nicht! Es wäre so unfair… mir mein Glück so vor die Nase zu setzen, nur um es mir im nächsten Moment gleich wieder zu entreißen. Und ich hätte mich doch nicht SO sehr täuschen können. Es fühlte sich alles viel zu echt, zu real an. Das konnte einfach kein Traum sein.

Ich wartete auf seine Antwort, und mir kam es so vor, als würde es Minuten dauern. Dabei waren es höchstens ein paar Sekunden.

Bitte sag, dass es kein Traum ist, flehte ich innerlich.

“Ein Traum vielleicht nicht… es ist mehr”, sagte er mit seiner weichen Stimme und sofort beruhigte ich mich. Mit fließenden Bewegungen streichelte er mir sanft über den Rücken und für einen kleinen Moment sagten wir beide nichts . Ich fühlte mich so wohl in seinen Armen. Einfach nur bei ihm zu sein, das was ich die ganze Zeit gewollt habe… und nun konnte ich es.

Normalerweise mochte ich keine Stille, ich fand sie schnell zu erdrückend und redete dann irgendwelchen Unsinn. Aber jetzt war es anders. Es war angenehm, einfach nichts zu sagen, weil wir auch so wussten, was der Andere dachte. Der Moment war perfekt und viel zu schön, um ihn mit Gerede zu zerstören. Es reichte vollkommen aus, einfach bei einander zu sein…

Doch dann, ohne es zu wollen, ohne mich daran erinnern zu können überhaupt darüber nachgedacht zu haben, sagte ich doch etwas.

Es war nur ein leises Flüstern, ein kleines Geräusch, welches die Stille durchbrach.

“Ich habe versucht zu dir zu kommen.”

Warum sagte ich das? Ich wusste es nicht, es kam einfach aus mir heraus und schien so natürlich wie atmen zu sein…

Doch als er antwortete veränderte sich etwas um uns herum. Seine Stimme war nicht mehr so weich, sie klang sogar etwas hart…

“Ich weiß…”

Ich blinzelte ihn an.

“Was ist?”, fragte ich besorgt. Hatte ich ihn verärgert, weil ich etwas gesagt hatte? Zerstörte ich dadurch den Moment?

“Poe, warum hast du das bloß getan? Wie konntest du mir das nur antun?”

Ich hatte mich geirrt. Er war nicht verärgert… sondern besorgt…

“Ich… ich wollte nicht mehr ohne dich leben…”

“Weißt du eigentlich, was für Sorgen ich mir um dich gemacht habe?”

Ich sah ihn an.

“ Es tut mir leid…”

Wieder Stille…

“Poe… wenn du aufwachst, dann wird alles wieder so sein, wie du es verlassen hast…”

“Was? Aber… ich will das nicht… ich will bei dir bleiben!”

“Ich würde auch gerne bei dir bleiben, aber das geht nun mal nicht… du musst mir noch mal etwas versprechen… aber diesmal musst du es wirklich halten, okay?”

Ich schluckte.

“Okay…”

“Du musst mir versprechen, dass du so etwas nicht noch einmal tust.”

Ich schaute ihn an. Und ich wusste genau, was er damit meinte, aber würde ich mich diesmal daran halten können? Ich war mir nicht sicher… konnte nichts antworten…

“Poe, du bist nicht allein. Weißt du noch, als ich dich das erste Mal um ein Versprechen bat? Es war dumm von mir, denn man kann seine Gefühle nicht unterdrücken. Ich habe dir gesagt, ich wäre bei dir. Und das bin ich auch, immer und überall. Auch wenn du mich nicht sehen kannst, ich werde dich immer beschützen und lieben. Aber das meine ich damit eigentlich nicht. Denn es gibt jemanden, der dich ebenfalls liebt. Er hat immer zurück stecken müssen, damit du glücklich bist. Er wusste, dass du mich liebst und hat deshalb nie etwas gesagt, auch wenn es ihn innerlich stark zerissen hat. Aber er wollte dich nicht unnötig strapazieren, also hat er den Schmerz ertragen und dir so gut geholfen, wie er konnte. Jedes Mal wenn er dich gesehen hat, wie du um mich getrauert hast, musste er leiden. Hat es ihm einen neuen Schlag versetzt, aber er hat nie an sich selbst gedacht, sondern ausschließlich an dein Wohl… und er wird bei dir bleiben und für dich sorgen, denn ich kann es leider nicht mehr.”

Mir stockte der Atem. Was redete er da? Wen meinte er? Ich konnte mich nicht bewegen.

“A-Alan…?”

Stotterte ich und er lächelte mich an.

“Ich bin froh, dass es ihn gibt, weißt du? Denn dann kann ich wissen, dass du in guten Händen bist. Und nicht allein… auch wenn ich es natürlich lieber selber wäre, verstehst du?”

Um mich herum drehte sich alles und mir wurde schwindelig. Langsam schien es dunkler zu werden…

“Es wird Zeit… ich muss mich verabschieden”, sagte Alan mit einem traurigen Lächeln im Gesicht.

“Nein! Aber ich will das nicht!”

“Ich weiß, ich ja genauso wenig, aber es lässt sich nicht aufhalten… es tut mir leid.”

Er seufzte, und bevor ich etwas entgegnen bringen konnte gab er mir einen langen Kuss. Einen Abschiedskuss, das wusste ich. Doch seltsamer Weise war ich nicht traurig, denn diesmal hatte ich die Chance mich bei ihm zu verabschieden.

“Ich liebe dich Alan, mehr als alles andere auf dieser Welt.”

“Ich liebe dich auch, Poe. Für immer und ewig.”

Dies waren seine letzten Worte. Aber trotzdem lächelten wir beide. Wir wussten, dass es unsere letzte Begegnung sein würde, doch wir ließen es zu und genossen einfach den Augenblick. Die Dunkelheit breitete sich weiter aus und verschluckte uns langsam. Ich würde es niemals vergessen. Wir beide waren glücklich und vielleicht würden wir uns tatsächlich einmal wieder sehen…
 

Dann wachte ich auf.

Das gleißende Sonnenlicht strahlte mir ins Gesicht und erschwerte es mir, etwas zu erkennen.

“Du hast im Schlaf gesprochen. Hast du schlecht geträumt?”

Fragte jemand neben mir. Ich lächelte.

“Nein, es war der schönste Traum, den ich jemals hatte.”

Ich drehte meinen Kopf und schaute Trey ins Gesicht. Er saß auf einem Stuhl neben meinem Bett und sah mich prüfend an.

“Danke Trey, vielen Dank für alles.”
 

Damals, vor drei Jahren hatte ich nicht ganz verstanden, was Alan in dem ‘Traum’ gemeint hatte. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich es jetzt richtig verstand. Ich wusste nur, dass sich alles richtig anfühlte.

Da war kein Schmerz mehr, wenn ich mich an ihn erinnerte, sondern nur noch Dankbarkeit, für die schöne Zeit, welche ich mit ihm hatte verbringen dürfen.

Alan und Trey würden sich nie ähnlich sein und ich war mir sicher, dass ich nie gleich für beide empfinden könnte.

Ganz vorsichtig schob sich meine Hand in die des Anderen.

Nein, Alan und Trey waren vollkommen verschieden. Aber eines hatten sie beide gemeinsam: Dass sie alle Sorgen mit nur einem Lächeln vertreiben, und mir zu spüren geben konnten… dass ich nie alleine sein würde.
 

                                        Ende.



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