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Sekai no himitsu

6 junge Mädchen auf der Suche nach ihrem wahren Ich
von

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Begegung

1.Kapitel: Begegnung
 

Mein Wecker störte wie jeden Morgen meinen Schlaf. Stöhnend brachte ich es nach ein paar Minuten fertig ihn auszuschalten. Ich lehnte mich auf meinen Arm, mein Blick schleifte über das kleine Zimmer. Viele Geburtstagsschlangen lagen verstreut auch dem Boden, an der Decke hingen immer noch die blauen und grünen Ballons vergangener Nacht. Das Bier und ein paar andere alkoholische Getränke standen da und dort auf dem Boden oder waren umgefallen.

Ich stand auf und steuerte in Richtung Bad, betrachtete mich in dem alten Spiegel. Meine hüftlangen Haare waren in alle Richtungen zerstreut, meine Schminke verschmiert. Meine Augen blieben an dem Knopf meiner Jeans hängen, er war offen, Reisverschluss inklusive. Was war da wohl passiert? Ich hatte keine Ahnung. Meinem Top erging es nicht anders.

Als ich in meinem nicht gerade angenehmen Zustand schweifte, fühlte ich etwas Klebriges an meinem Fuß.

„ Wäh, igitt, was ist das denn?“, kam es aus mir genervt heraus. Das schon getrocknete Bier war nur noch eine klebrige Masse auf dem Boden.

„Na klasse, ich bin doch keine Hausfrau!“ Ich ging aus dem Bad, mein Magen meldete sich, mein Kühlschrank konnte aber leider nichts bieten. Mein restlichtes Geld von meinem Geburtstag reichte vielleicht aus um bei McDonalds mir etwas zu leisten.

Einen Augenblick blieb ich stehen und schaute auf meine verschmutze Wohnung. Mein Schlafzimmer, Küche und Wohnzimmer waren ein Zimmer, außer dem Bad. Überall wo man hinsah nichts als Müll.

„ Sollte vielleicht aufräumen…“, mein Bedürfnis etwas zwischen die Zähne zu bekommen stellte sich gerade über die Pflicht sauberzumachen. Aber wenn das mein Vermieterin zu sehen bekam…

„Also gut…“, ich stöhnte. Aufräumen war nicht gerade mein Hobby.

Ich ging auf mein Kleiderschrank zu und zog ein hellblaues bauch freies Top, darüber eine Jeansjacke, zusammen mit einem leichten dunkelblauen Minirock an. Röcke standen mir einfach, ungern zog ich ein Jeans an, es sei den mir war arschkalt. Aber da ja zu dem Zeitpunkt Sommer war, brauchte ich mir wegen Kälte keine Gedanken zu machen.

Ich nahm Besen, Putzeimer aus dem Regal und machte mich ans Eingemachte. Da und dort die klebrige Masse vom Holzboden entfernen, Ballons zerplatzen lassen und Müll wegräumen.

Innerhalb einer Stunde war ich mit meinem „Großputz“ fertig. Stolz schaute ich mich auf meine jetzige saubere Wohnung um, bemerkte allerdings noch einen Fleck auf einem Regal.

Mit Hilfe von Wasser und Lappen war die Sache schnell erledigt, doch ich stieß mit meinem Ellenbogen auf etwas an und es fiel zu Boden. Ein klirrendes Geräusch hallte durch die Wohnung.

„Oh nein, Mist!“, fluchte ich leise. Das war das einzige Familienbild, das ich hatte.

Traurig schaute ich auf das alte Foto. Zwei Personen standen hinter einem kleinen Mädchen. Es lachte. Freute sich über etwas. Eine Hand war auf der Schulter des Mädchens. Ich schaute die anderen Personen auf dem Bild an. Auch sie lächelten froh in die Kamera hinein. Der Mann war schlank, groß und hatte braune Haare. Die Frau stand daneben, hatte sich vorgebeugt, bis das Gesicht auf der gleichen Höhe des Mädchens stand. Etwas gelockte Haare, feines Gesicht, die Augen stachen durch den Grünstich hervor.

Einzelne Tränen kullerten mir über die Wange. Erinnerungen schwebten mir in meinem Kopf. Gute wie schlechte…

„ Ach hör auf zu Heulen!!“, ermahnte ich mich selbst, stellte das Bild auf das Regal und putzte die restlichen Scherben auf.

Danach schnappte ich mir meine hochhackigen Schuhen und verlies mein trautes Heim.
 

In der Stadt war viel los. Menschen waren hier immer in Eile, selten eine Person traf man an die gemächlich lief oder sich für ein paar Minuten auf einer Bank ausruhte.

Ich lief durch den Park, sah die glücklichen Kinder spielen, fröhlich lachten. Ich hätte gern auch so eine tolle Kindheit gehabt, doch es kann alles anders…Nein jetzt wollte ich nicht darüber nachdenken, nicht nachdem ich eine so tolle Party hinter mir hatte.

Eigentlich war sie schrecklich gewesen. Alle meine Gäste konnten mich nicht leiden. Die einen machten sich über mich lustig, die anderen lästerten heimlich, manche könnte ich zum Mond schießen.

Warum ich dann gefeiert hatte? Zum 18. sollte man feiern, oder? Außerdem hatte ich noch nie richtige Freunde gehabt. Der einzige der dazu in Frage kann war ein Junge, in den ich verliebt bin, mit dem ich auch vielleicht ins Bett gegangen war...ich weiß es nicht mehr. Ich hatte mir die Kippe gegeben um den Abend so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Erstaunlicherweise hatte ich weder Kater noch andere Schmerzen. Ich war topfit.

Meine Beine trugen mich weiter durch den Park, trotz allem hatte ich schlechte Laune. Als plötzlich ein Ball neben mir angerollt kam. Ich nahm ihn hoch, ich schaute auf und suchte nach dem Besitzer, sah kleine Jungs die mit ihm spielen wollten, Freude haben wollten. Ich wollte es ihnen gönnen, aber es kam anders.

Ein kleine Junge lief auf mich zu, streckte die Hände nach dem Ball aus, also ob er ihn wieder haben möchte. Finster sah ich zu ihm herunter, schenkte ihm keine Freundlichkeit.

„ Hier, verschwinde!“, drohte ich ihm. Meine Miene verfinsterte sich. Er bekam Angst, schnappte sich schnell den Ball und verschwand auch so schnell wie er konnte. Andere Besucher schauten neugierig auf mich, wollten wissen was passiert sei. Andere flüsterten ihren Nachbarn zu schauten mich dabei geschockt an. Andere machten sich gleich auf und davon.

Ich ignorierte die Blicke anderer, dachte an mich. Spazieren konnte man das nicht mehr nennen, schier rannte ich aus dem Park.

„ Für das, dass du gestern die Kiste fast allein lehrgesoffen hast, bist du ganz fit“, hinter mir ertönte eine nervige, belustigte Stimmte. Ohne mich umzudrehen wusste ich schon wer es war.

„Halte die Schnauze!“, für ein Hallo hatte ich weder Lust noch Zeit. Stöhnend drehte ich mich um. Vor mir stand Taki, ein Moppel mir fauligen Zähnen und ekligem Geruch. Er achtete nicht auf die Hygiene und deshalb mochte ihn niemand, selten das es jemand tat. Gestern war er dabei gewesen, wie ich mich vollgesoffen hatte. Eigentlich ist er ja ganz nett, aber er ist ein Lustmolch. Nach tausend Anfragen, ich solle es mit ihm treiben hatte er genügend Arschtritte, Backpfeifen und Schläge hinter sich. Es wunderte mich wieso er keine blauen Flecken im Gesicht hatte und sich nicht vor Schmerzen krümmte.

„ Immer mit der Ruhe, ja? Ich wollte noch einmal Danke sagen für die Party gestern. War toll, aber es wäre besser gewesen….“

„Wag es nicht einmal daran zu denken, Taki. Du nervst. Ich frage mich schon die ganze Zeit wieso ich dich überhaupt eingeladen habe!“, beendete ich seinen Satz.

„Weil ich so unwiderstehlich bin?“, er fuhr sich durch sein fettiges blondes Haar. Sein Blick harrte auf meiner Brust. „ Wo willst du eigentlich hin?“, erkundigte er sich.

Neugieriger Bursche. „ Mir was zum Essen holen, ich schiebe schon seit Stunden den Hunger“

„Soll ich dich einladen?“, fragte er freundlich, aber mit einem völlig anderen Hintergedanken.

„Nein, ich will allein sein, also hau ab, bevor du wieder eine kassierst!“, drohend hob ich die flache Hand.

„Verstehe schon, also dann, tschau…“, er winkte zum Abschied und bewegte sich in die Richtung aus der ich kam.

Endlich allein. Ich machte mich wieder auf meinen Weg, kam an verschiedene Läden vorbei. Die Menschen waren hastig und rannten wie Hühner nervös herum. Ich quetschte mich durch die Ansammlung, stieß aber an jemanden.

Ich machte keine Anstalten mich zu entschuldigen, wollte aber wissen, wen ich angerempelt hatte. Die Zeit schien stehen zu bleiben. Ich hob den Blick und starrte in zwei leuchtend blaue Augen, die mich böse anfunkelten. Das Gesicht war durch einen schwarzen Kapuzenmantel verdeckt. Ich erkannte nur dass es sich um ein Mädchen handeln musste.

Ohne ein Ton zu sagen verschwand das Mädchen. Ich wollte etwas sagen, öffnete den Mund, aber die war schon auf und davon.

Seltsam. Ein vertrautes Gefühl kam in mir auf. Irgendwoher kannte ich die Person, oder ich werde ihr noch einmal begegnen. Ich wusste nicht warum, aber ich hatte einfach den Gedanken.
 

Nachdem ich mir mein Essen in McDonalds gegönnt hatte, wollte ich noch etwas die Stadt besichtigen. Ich kannte zwar jeden Fleck. Doch was hätte ich sonst machen sollen, es war jedenfalls besser wie daheim gelangweilt rumzusitzen.

Meine Beine liefen einfach, ohne dass ich ein Gedanken verschwende, wohin. Ich erinnerte mich wie ich früher immer mit meiner Mutter hier entlang gelaufen bin.

Plötzlich versank ich völlig darin.
 

„Mama, Mama, sieh mal ein Mann!“, ich zeigte auf einen Clown. Früher hatten mir die Ballontiere sehr gefallen, ich freute mich immer wenn ich einen bekam.

„ Ja, mein Schatz, willst einen Ballon?“, fragte mich meine Mutter. Freudig schaute ich in ihr Gesicht. Sie hatte immer glücklich ausgesehen, wenn ich lachte.

„Also dann.“, wir beide gingen auf dem Clown zu, er grinste bis über beide Ohren und gab mir ein blauer Ballon. Für mich war es einen Dackel gewesen, doch laut Clown sollte das eine Giraffe darstellen.

Zusammen gingen wir die Straße entlang, sahen den Bäumen zu, wie sie ihre Blätter verloren.

„Mama, wieso haben die Bäume keine Blätter mehr?“, fragte ich meine Mutter.

„nun ja, das geschieht jeden Herbst, es ist sehr kompliziert aber weißt du was?“, antwortete sie mir. „Es gibt auch Bäume die Sakuras verlieren.“

„Was ist das?“

„Das sind Kirschblüten. Sie sehen schön aus wenn die einzelnen Blütenblätter in dem Wind schweben, weißt du?“

„Kann ich mal welche sehen?“, fragte ich nervös, ich wollte auch die Schönheit dieser Blüten bewundern.

„Nein, sie gibt es hier nicht, aber siehst du diese Herbstblätter in verschieden Farben, das ist doch genauso schön, oder?“

Ich sah auf und sah wie die Blätter mit dem Wind spielten und immer höher stiegen. Ich schloss die Augen um mir es besser vorstellen zu können. Ich fühlte den Wind, als ob ich selbst fliegen würde.

„Das ist toll, Mama!“, sagte ich leise. Niemand antwortete mir.

„Mama?“, ich rief umher, alles war schwarz geworden, ein schwarzer Raum umhüllte mich. Ich bekam Angst.
 

„Mutter?“, ich öffnete die Augen.

„Hoppla...“, ich sollte mich auf den Weg machen bevor es wirklich stockdunkel wird.

Ich lief durch die dunklen Straßen. Alles war wie ausgestorben. Niemand sah ich. Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Ein Krachen..

Meine Schritte beschleunigten sich, ich bekam Angst allein hier zu sein. Das Klappern meiner Stöckelschuhe wurde schneller. Das Geräusch wiederholte sich des Öfteren. Es war deutlich kühler geworden.

Ich drehte mich erschrocken um und sagte leise „Hallo?“, wollte wissen wer mit mir einen Streich spielen wollte.

Bevor ich meinen Blick wieder nach vorn wandte stand urplötzlich vor mir etwas. Sehr groß, dick doch durch die knappe Straßenbeleuchtung und des schwachen Licht des Vollmonds konnte ich die Gestalt nicht sehen. Aber es knurrte gefährlich und die leuchtend roten Augen starrten in die meinen.

Ich stieß instinktiv einen lauten Schrei aus, setzte mich in Bewegung. Schnell rannte ich irgendwohin, egal wo, Hauptsache weg von diesem Ding. Außer Atem wagte ich einem Blick nach hinten, es kam sehr schnell auf mich zu.

Ich lief, rannte um mein Leben. Mein Blick wieder nach vorne und ich saß in der Falle. Ich war in eine Sackgasse gerannt. Na klasse.

Angsterfüllt machte ich Schritte zurück, bis ich dann an die Mauer stieß. Ich war zwar sportlich, aber selbst der Beste Kletterer wäre ohne Ausrüstung nie diese Wand hochgekommen.

„Hilfe…“, stieß ich noch hervor, bis das Ding direkt vor mir stand und mich anstarrte. Seine Klauen ausgebreitet, das Maul weit offen, wartend, dass sich etwas zwischen seinen Zähnen befindet.

Ich war ihm hilflos ausgeliefert…

Angst

Kapitel 2 : Angst
 

Ein“ Hilfe“ brachte ich gerade noch raus, aber es war zu leise hätten es andere gehört, und außerdem, was hätten normale Leute nichts gegen ein solches Biest ausrichten können.

Es streckte seine Arme zu mir aus und ich wurde immer mehr in die Enge getrieben. Verzweifelt suchte ich nach einem Ausweg. Zwischen seinen Art Beinen war ein Loch, gerade noch so groß, dass ich hindurch passen könnte, aber das Biest könnte mich dann auch besser schnappen.

Mir blieb nichts anderes übrig als es zu versuchen. Mit einem Satz setzte ich mich in Bewegung und rannte die kalten Straßen hinunter. Ohne Orientierung steuerte ich in irgendwelche Richtungen, keine Ahnung wo ich jetzt war. Auf jeden Fall hatte ich die Gestalt abgeschüttelt. Da war ich mir sicher. Jedenfalls hörte ich weder laute Geräusche, noch Schritte.

„Ach du Heiliger…was war das bloß“, im Internet würde sich bestimmt etwas finden lassen, wie eine schwarze Gestalt mit ekligem Geruch und was es genau war. Also normal war das nicht.

Bevor ich mich nach Hause begab, stellte ich sicher, dass niemand mir gefolgt war, oder es noch tun würde. So weit, so gut. Niemand war zu sehen.

Also setze ich meinen Weg fort und begab mich in meine Wohnung zurück.

Daheim wollte ich mich hinlegen, doch die Albträume ließen mich nicht schlafen. Wer war der Typ? Warum verfolgte er mich, oder war er hinter etwas anderem her? Fragen über Fragen schwirrten durch meine Gedanken, jetzt konnte ich keinen klaren Kopf fassen. Ich versuchte ein wenig zur Ruhe zu kommen, um mich erst einmal auszuschlafen.

Meine Träume waren alles andere als normal. Ich selber schwebte in der Luft und sah aus wie eine alte Hexe aus Märchenfilmen. Mit Warze und alles was dazu gehört. Mit einem Mal war ich wieder auf der Straße, sah wieder wie ich aus, wo wie die Erinnerung an meine Mutter hatte. Der Wind peitschte über die Bäume hinweg, die Blätter wehten durch ihn. Alles begann sich durch die Lüfte zu erheben. Meine langen braunen Haare, meine Kleider, ich selbst schwebte durch die Luft.

„Was zum...?“, bevor ich mich fragen konnte was hier vor sich ging, schloss ich die Augen und spürte den Wind wieder durch mich hindurchfließen. Alles fühlte sich bekannt an. In meinen Gedanken sah ich zwei Augen. Sie waren blau und starrten mich an, ich kannte sie, sie gehörtem dem Mädchen, dass ich aus Versehen angerempelt hatte. Sie verschwanden wieder und ich öffnete die Augen, sah ein Gewitter kommen, sah Pflanzen aus dem Boden kommen, Regentropfen strömten aus dem Himmel, er war dunkel, schwärzer wie die Nacht, obwohl es schon Nacht war. Meine Haare klatschen mir auf meine Schulter, meine Kleider waren nass. Ich sah jemanden auf mich zukommen. Es war die gleiche Person, die mich vorhin verfolgt hatte. Ich wollte mich wieder aus dem Staub machen, doch an meinen Hüften ringelten sich seine Arme, Finger, was auch immer es war oder waren. Er zog mich zu ihm und öffnete sogleich sein großes Maul, wollte mich fressen. Erschrocken schaute ich ihn an, in seine brennenden leuchtenden Augen. Ich saß wieder in der Falle.
 

Schweißgebadet wachte ich auf und sofort setzte ich mich auf. Etwas klopfte an mein Fenster, oder war es nur der Wind? Ich wandte mein Blick darauf, meine Augen weiteten sich.

„Nein das kann nicht sein…“, ohne jeden Schrei schlug ich meine Bettdecke zurück und rannte aus der Wohnung. Es war mir egal ob ich albern aussah in meinem Morgenmantel oder ob ich wegen nichts wegrannte, ich sah es, es war real.

Aus dem Haus draußen rannte ich wieder um mein Leben, blieb weder stehen noch verschwendete einen Blick nach hinten. Ebenso ein gefährlich aussehendes Biest war hinter mir her. Nur das es einem Vogel ähnelte oder ob es das gleiche war weiß ich nicht, egal ich musste laufen.

Mir kam die Idee in den Wald zu laufen, da könne es nicht so gut fliegen, doch es könnten andere mich verfolgen, und ich kannte unter anderem mich nicht so gut in ihm aus. Ich würde dann noch mehr Probleme bekommen, als ich ohne hin schon hätte.

Aber was blieb mir anderes übrig. In der Stadt konnte dieses Biest mir überall hin verfolgen, ohne dass ich eine Ahnung hatte.

„Ich hatte mir mein Leben etwas anderes vorgestellt“, brachte ich erschöpft aus. Plötzlich stieß ich an eine Wand und fiel auf dem Bogen. Sag mir jetzt nicht schon wieder, dass das eine Wand ist. Ich fasste mir an den Kopf, um nach einer Wunde zu suchen, doch ich fand keine.

Ohne nachzudenken floh ich hinter die Kiste, die mir vielleicht etwas Schutz bieten konnte, aber das tat sie leider nicht. Mit einem Ruck war daraus Kleinholz geworden, und ich sah meinem Leben als Ende nahe.

Wieder brüllte die Gestalt, doch das hörte sich eher nach Schmerzen wie nach Wut an.

„Was zum…?“, ich drehte mich um und erblickte eine weitere Gestalt.

„Hat man dir nicht beigebracht, dass es unhöflich, ein Mädchen von hinten anzugreifen?“, fragte die zweite Gestalt. Es hörte sich nach einem Mädchen an. Mit Sicherheit war es auch eines.

Wieder schreite ihr schwarzer Gegner sie an, brüllte laut vor Schmerz, und ging in die Knie. Es erstaunte mich zu sehen, dass dieses Mädchen meine Retterin war.

Ohne wirklich zu wissen was geschehen war, packte mich jemand an meinem Arm und zog mich weg. Ich sah nur noch das Monster, dass mit seinen Schmerzen beschäftigt war, das war eine Gelegenheit zu verschwinden. Doch langsam stand es auf und schaute sich nach seinem Opfer, in dem Fall ich, um.

Bevor es überhaupt realisierte, dass ich weg war, bogen ich und mein Partner in eine Straße um. Mein Blick wandte sich nach vorne und ich sah den Wald von weitem. Nebenbei sah ich noch grünliche Haare im Wind schweben, die dem Mädchen gehören mussten.

Ich selbst war schon halber aus der Puste, doch meine Begleiterin zog mich weiter am Arm und interessierte sich nicht ob ich nicht mehr oder noch weiterlaufen konnte.

Der Wald kam näher, wir stiegen eine steile Bergsteige hinauf, sie half mir hochzukommen und wir rannten weiter in den Wald hinein.

Nachdem ich nun wirklich nicht mehr konnte, blieb ich stur stehen, sie wandte sich um und untersuchte den Himmel nach irgendwelchen komisch aussehenden Vögeln und auch mein Blick ging durch die Bäume auch ich suchte nach ihnen, doch wir beide fanden nichts.

Ein Seufzer war zu hören, ich schaute wieder das Mädchen an.

„Danke, ohne deine Hilfe wäre ich jetzt Vogelfutter. Sag mal wie hast du eigentlich das Ding in die Knie gezwungen?“, ich bedankte mich bei ihr, doch meine Frage konnte oder wollte sie nicht beantworten.

Stattdessen sagte sie:“ Sei nächstes Mal vorsichtiger, wenn du von ihnen verfolgt wirst, die Viecher sind gefährlich!“, warnte sie mich.

„Ist mir jetzt auch bekannt.“, antwortete ich in einem ironischen Ton.

Von weit her hörten wir beide ein lautes Geräusch immer näher kommen. Meine Begleiterin wusste, woher es kam und wandte ihren Blick in die entsprechende Richtung.

„ Kennst du einen Ort, wo wir sicher wären?“, ihre Frage war kühl, doch ich schüttelte den Kopf.

„Sorry, aber die haben mich in meiner Wohnung aufgespürt, also schätze ich wir wären dort nicht sicher.“, beantwortete ich ihre Frage.

„Wie viel Uhr?“

„Was?“, verdutzt schaute ich sie an. Ich konnte kaum sehen, wie sie aussah, wollte es aber gerne wissen.

„Welche Zeit?“, fragte sie erneut.

„Ich hab keine Uhr da.“

Sie stieß genervt die Luft hörbar aus ihrem Mund. „Dann eben anders.“

Fragend wollte ich wissen, was sie jetzt wieder vor hatte. Sie hob ihren Daumen in die Richtung, aus der das Kreischen des Vogels herkam, zeichnete einen Bogen in der Luft und machte dasselbe in die entgegengesetzte Richtung. Danach stieß sie ein Pfeifton aus und erneut hörte ich lautes Kreischen.

„Weißt du, ich glaube es wäre ratsam keine lauten Geräusche zu machen, wenn das Vieh und hören kann.“, gab ich ihr einen Tipp doch sie reagierte nicht darauf.

Sie erhob einen Ellenbogen und schien auf etwas zu warten. Nach kurzer Zeit kam ein Rabe angeflogen und krähte etwas in unterschiedlicher Tonlage. Ich bekam ein Nicken zu sehen und wieder krähte er. Sie hörte ihm derweil geduldig zu.

„Danke.“, sprach sie und schickte ihren Vogel wieder zurück von wo er gekommen war.

Okay, alles klar.

„Es wird bald hell. Wir gehen in deine Wohnung!“, beschloss sie einfach so und ging in eine Richtung.

„`Kay, aber die ist in der Richtung:“, wies ich sie hin und zeigte ich mit dem Finger dort hin.
 

In meiner Wohnung angekommen, schaltete ich das Licht an und lies mich sofort in mein Bett fallen.

„So erschöpft?“, fragte sich frech.

„Wenn dich jemand durch die gesamte Stadt zieht und dann noch nicht einmal wissen warum man überhaupt wegrennen muss“, gab ich als Gegenwehr zu hören. „Sag mal wer bist du überhaupt?“

Sie schaute sich um und erblickte meine Küche, ging hinein, durchsuchte sie, tat dasselbe mit dem Bad, inspizierte meinen Fernseher, schien dabei in gerade in ihrer Welt zu schweben.

„Hallo? Noch da?“

Sie blickte auf und sah mir direkt in die Augen. Sie besaß rubinrote Augen, unpassend zu ihren spinatgrünen Haaren, die ihr bis zu den Schulter gingen. Ein kleines Zöpfchen an der linken Kopfhälfte hing in die Höhe, was ihr ein kindliches Aussehen verleiht. Am Auffälligsten waren aber ihre Kleider. Ein dunkelgrünes Tuch bedeckte ihre Brust, zusammengeknotet, bauchfrei und ihr Unterleib erging es nicht anders. Nur dass es an der linken Hüfte zusammengeknotet war, eine enganliegende kurze Hose bedeckten andere Dinge. Bei den genaueren Betrachten erkannte man zwei goldene Ohrringe, die ihr sehr standen und zu ihrer Kette passten. Die wiederrum bestand aus einer flachen Kette, dessen Kunstedelstein an ihr befestigt war. Einen Armreif an ihrem rechten Oberarm und ihre Lederstiefel besaß sie ebenfalls. Als Gesamtpaket sah sie aus wie Tarzan als Frau, denn als Waffe benutzte sie offenbar Pfeil und Bogen. Ihr Köcher war per Band an ihrem Rücke befestigt.

Immer noch sah sie mich an, als ob ich ein Alien wäre. Also machte ich den Anfang und stellte mich vor:“ Ich bin Yukino, manche sagen auch Yuki zu mir aber das höre ich nicht gerne, Und du bist?“

Endlich öffnete sie ihrem Mund und antwortete mir: „Rei.“

Alles klar, also was ist jetzt mit ihr?

„So heiße ich und du wohnst also hier in diesem großen Baumhaus mit diesen komischen Zimmern?“, ihre Frage irritierte mich etwas, ich runzelte die Stirn.

„Das ist eine Wohnung, aber egal, danke dass du mich gerettet hast“, ich bedankte mich nochmals bei ihr.

„Gern geschehen, du wohnst also in einer Wohnung, ja? Also ich wohne im Wald“, und zeigte dabei mit dem Finger nach draußen.

„Du weißt nicht zufällig was das für Dinger waren, die hinter mir her waren, oder?“

„Dinger? Das heißt dich haben auch mehrere bedroht? Ich konnte ihnen entwischen, indem ich sie mit meinen Pfeilen attackierte, doch ich konnte sie nicht besiegen, auch meine Freunde nicht.“, sie seufzte.

„Meinst du mit Freunden die Tiere?“ ich wunderte mich dass sie Tiere als Freunde hatte.

„Ja, richtig, der Rabe sagte mir wann es hell wird. Vögel sind sehr schlau, weißt du?“, sie erzählte sehr begeistert von ihrem schwarzem Freund.

„Du kannst…?“, meine Mundklappe hing offen und ich wunderte mich mehr als genug.“…mit Tieren reden?“

„Ist das so ungewöhnlich?“, frage sie erstaunt über meiner Reaktion.

Nein überhaupt nicht, eigentlich kann das vielleicht kein Mensch eingeschlossen dir.

„ Und eine Familie, hast du Geschwister?“, wollte ich wissen.

Doch sie schaute traurig drein und ihr Blick wandte sich weg. Schnell wollte ich mich entschuldigen falls ich sie auf etwas angesprochen hatte, was ihr wehtat, doch sie hob die Hand und ich verstummte.

„Nein, nein, ist schon in Ordnung.“, mehr verriet sie mir nicht.

Als Entschuldigung bot ich, sie solle doch bei mir schlafen, damit sie ihr nicht so kalt, ich würde dann eben auf der Coach pennen, obwohl es etwas hart war, sie nickte.

„Na gut, ich geh dann mal schlafen…“, kündigte ich an und gähnte laut, holte ein paar Ersatzdecken aus dem Schrank und versuchte es mir auf dem Sofa gemütlich zu machen.

Ich hatte direkten Blick zu Rei. Sie kuschelte sich in die Decke ein und lächelte ein wenig im Schlaf, daraufhin erschien in meinem Gesicht ebenfalls ein Lächeln. Es freute mich endlich nach so vielen Jahren wieder jemand bei mir zu haben, auch wenn ich Rei kaum kannte, sie schien ebenfalls allein zu sein, so wie ich. Auch wenn ich nicht etwas über ihrer Familie kannte, hatte ich ein vertrautes Gefühl in mir aufsteigen, das gleiche fühlte ich bei dem Mädchen im Kapuzenmantel und im Traum. Mein Leben wurde immer seltsamer. Anstatt mich darüber aufzuregen, dass ich es nicht immer jeden rechtmachen konnte, hörte ich ein leises Schnarchen, was aus Reis Richtung kam. Genüsslich hörte ich ihr zu, toll jemand bei mir zu haben, auch wenn vielleicht nur diese eine Nacht.

Ich konnte noch so fest meine Augen schließen, schlafen wollte und konnte ich nicht, also setzte ich mich auf und verschwand in dem schönen Anblick des Vollmondes. Er zog mich vollkommen auf, ich konnte nichts dagegen tun, wollte es auch nicht. Vor meinen Augen sah ich wieder Bilder von unserem kleinen Abenteuer, von meiner Mutter, von Rei, und Bilder aus meinem Traum. Was geschah dort mit dem Boden, dem Wind? Warum hatte ich so ein vertrautes Gefühl wenn ich mich dem Wind hingebe? Noch mehr Fragen als ich ohne hin schon hatte, schwirrten mir durch den Kopf. Ich wollte Antworten, doch wer könnte das tun? Rei? Das Mädchen kannte mich noch nicht einmal, doch ich vertraue ihr mein Leben an, obwohl…mir ein Gedankengang, kam doch ich nicht wo wusste ich die Person hätte finden können.

Verzweiflung

Kapitel 3: Verzweiflung
 

Die Nacht hatte ich überraschender Weise sehr gut hinter mir gebracht, ohne Störungen. Erstaunlicherweise war es auch einer der ersten Nächte seit langem, die ich ohne Träume verbracht hatte. Auch schon zuvor, bevor ich das Mädchen traf und die Bestien hinter mir her waren, wurden meine Träume von seltsamen Dingen geplagt.

Als ich aufstehen wollte, hatte ich Rückenschmerzen, wahrscheinlich von dem Sofa, doch dass glaubte ich nicht. Auch Seitenstechen quälte mich diesen Morgen, doch das hinderte mich nicht daran, Kaffee zu kochen.

Einen Blick wollte ich auf Rei riskieren, aber ihr Schnarchen verrät, sie schlief noch, anscheinend ist mein Bett gemütlicher als die Blätter im Wald. Bei diesem Gedanken spielte sich ein Lächeln in meinem Gesicht zum Grinsen.

Der Wasserkocher brummte und zischte, doch Rei ließ sich nicht aufwecken. Meine Augen wanderten über ihren gesamten Körper. Sie hatte die Decke als Kuscheltier genutzt und kuschelte mit ihm, etwas Sabber hing an ihren Mundwinkeln. Daraufhin verzog ich das Gesicht, ihre Kleider legte sie nicht ab, aber ihr Köcher stand neben ihr auf dem Bogen, in ihm noch die Pfeile und der Bogen. Bei genauerem Hinsehen, sah man, dass er aus Holz war.

„Ein alter Holzbogen?“, fragte ich mich leise. Ich wusste, dass diese Bögen im Mittelalter oder noch davor benutzt worden, heutzutage wurden Bögen aus Metalle und dessen Pfeile deren Spitze spitz zuliefen, aber bestanden nicht wie früheren aus angespitzten Steinen, wie die von Rei welche waren. Es interessierte mich woher sie die Fähigkeit besaß mit Tieren(„ihren Freunden“) zu sprechen und mit Pfeil und Bogen umzugehen.

Das Piepen des Kochers riss mich aus den Gedanken und ich goss das heiße Wasser in meine Tasse, zusammen mit dem Pulver verrührte ich die Brühe mit dem Löffel. Für manche war der Kaffemaschinenkaffe einfach besser, aber da ich weder eine besaß, noch mir eine anlegen wollte und mir ebenso diese Brühe besser schmeckte, brauchte ich mir keine Sorgen machen.

Das Schnarchen wurde leiser, bis ich das Geräusch einer Decke hörte. Rasch drehte ich mich um und nahm ein Schluck aus der Tasse. Grinsend sah ich Rei an, wie sie ihre Augen rieb und laut gähnte.

„Na, Schlafmütze, auch einen Kaffee gefällig?“, frage ich sie.

Anstatt mir zu antworten, ging sie einfach an mir vorbei und schüttete etwas in die I LIKE YOU/I LOVE YOU- Tasse, nahm einen Schluck und lehnte sich gelassen an die Kante der Küche. Sie schaute mich eingehend an und fragte: „ Was?“

Ich hatte sie weder beobachtet noch angeschaut. Meine Augenbraue ging in die Höhe.

„Bist du morgens immer so gut drauf?“, wollte ich von dem schlechtgelauntem Morgenmuffel wissen.

Sie senkte ihren Blick und betrachtete den Boden. Traurigkeit huschte über ihr Gesicht, doch im Nu war es verschwunden.

„Alles okay?“

„Danke...“

Erstaunt über ihre Aussage setzte ich meine Tasse ab und ging zu ihr rüber, nahm ihre Finger, ihr Blick folgte ihrer Hand bis wir in Augenweite standen.

„Was ist los? Und warum um Gottes Willen bedankst du dich bei mir?“

„Nicht so wichtig“, sagte sie schlicht, als ob nichts gewesen wäre. Doch mir war es wichtig, was sie kümmerte. Rei wollte sich abwenden, doch ich stellte mich ihr in den Weg und starrte sie mit einem bösen Blick an.

„Mal langsam, wenn du dich schon verziehst, dann macht du alles nur noch schlimmer, also sag mit verdammt noch mal, was mit dir los ist?“, schnauzte ich sie an.

Fest hielt sich meinen Blick stand, aber sie konnte mir nicht direkt in die Augen sehen, das konnte noch niemand.

„Ich…wollte nur so danke sagen…“, sie wollte, dass ich aufhörte, danach zu bohren, doch das konnte Rei sich abschminken. Weiter funkelte ich sie böse an. Endlich gab sie sich geschlagen.

„Du…“

„Ja, was ist mit mir, wenn dir etwas nicht an mir gefällt oder dir etwas nicht passt, dann sag es doch, ich kann das vielleicht ändern“, gab ich als Vorschlag.

„Nein, es ist nur so…“, nervös blickten ihre Augen umher, aber nur mir nicht in das Gesicht. „…die erste sie so nett zu mir ist…“

Erleichtert atmete ich auf. Ich dachte schon es wäre etwas Schlimmeres. Doch dann fiel mir etwas auf.

„Die erste?“

Sie nickte. Das ließ mich nachdenklich werden. Mir erging es nicht anders. Ich kannte das Gefühl von jedem verstoßen zu werden, niemand wir einen haben. In Erinnerungen schwenkte ich, als ich mich dann wieder erholte und meine Hand auf ihre Schulter legte.

„Ich habe und hatte nie einen Freund, ich war immer auf mich allein gestellt, außer den Tieren war ich in einer Stadt nie willkommen“, gestand sie mir.

„Du wirst es nicht glauben, aber ich sage die mal zwei Dinge.“, fing ich an.

Neugierig was ich ihr zu sagen hatte, hob sie den Blick und starrte in meine smaragdgrünen Augen und ich in ihre rubinähnlichen.

„Erstens: Mir ist es genau so ergangen wie dir, also bist du nicht allein. Jeder Mensch war mal oder wird noch allein sein, so ist nun mal der Lauf der Dinge. Ich kämpfte mich auch durch und steh nun hier, meine Mutter starb früh und hinterließ mir meinen schrecklichen Vater. Er hatte mich nur geschlagen, manchmal sogar bin ich mit einem Bruch davongekommen. Es hört sich vielleicht unrealistisch an, aber es ist so.“, ich wollte zwar nicht, dass sie an meiner traurigen Kindheit teilnahm, aber ich wusste irgendwie, dass ich ihr vertrauen konnte.

„Und Zweitens: Du bist ab sofort bei mir, also kannst du jetzt hier wohnen. Es macht mir nichts aus, jemanden bei mir zu haben, wirklich nicht. „, daraufhin lächelte ich freudig.

Rei tat es ebenfalls, diesmal kein gewolltes, sondern ein echtes. Das freute mich. Ich war nicht mehr allein...dachte ich jedenfalls…

Rei wohnte seit her bei mir. Ich musste zwar etwas Miete draufzahlen, aber das machte mit nichts aus. Ich besorgte ihr gescheite Kleider und zeigte ihr das Stadtleben. Unsere Stadt war zwar klein, aber handlich. Mein Heimatland, bekannt und doch so fremd.

Eines Morgens musste ich Einkäufe erledigen und bat Rei, den Haushalt du machen, während ich weg war. Ich vertraute ihr, mehr als jemals einem, falls ich es davor überhaupt bei jemand getan hatte. Ich glaubte nicht, nahm den Aufzug runter(Ich wohnte im 3. Stock) und ging gemütlich die Straße entlang. Ich genoss die Morgenluft einzuatmen, hatte gute Laune, aber wollte sie nicht mit jedem teilen. Sie war meine.

Meine Beine trugen mich in den nächsten Laden, mein Blick traf Taki. Er sah mich nicht, aber er ging direkt auf mich zu. Schon von Weitem roch ich ihn und rümpfte die Nase.

Verzweifelt in meinem Gehirn suchte ich nach einem Umweg doch als ich erhofft einen fand, stieß ich mit dem Egelpaket zusammen. Erstaunlich schnell ging die Gute-Laune-Skala rapide runter, mein Zorn war kaum zu übersehen.

„Oh ,hallo…t´schuldigung…Yuki..no..“, er realisierte mich nicht einmal. Meine Augen folgten ihm, wie er hypnotisiert an mir vorbeiging, weder ein Blick riskiert noch ein Wort, nie hatte sich Taki entschuldigt, nie hatte er mich bei meinem vollständigen Namen benannt. Es stimmte etwas nicht mit ihm, eindeutig, denn sein Gang verriet es von sich aus. Er humpelte, stolperte rechts, dann nach links und ging alla betrunken um die Ecke. Meine Augenbrauen zogen sich höher. Schulterzuckend setzte ich meinen Weg fort, kaufte die benötigten Sachen ein und machte mich auf den Nachhauseweg.

Daheim angekommen schrie ich nach Rei, sie solle doch bitte den Kocher anmachen, doch ich bekam weder eine Antwort noch hörte ich etwas. Vielleicht schlief sie, wollte mich davon selbst überzeugen, stallte dabei die ganze Wohnung auf den Kopf. Selbst wenn die Untermieter sich wegen Lärm beschweren war es mir egal. Verzweifelt setzte ich mich auf den Boden und schnaufte erst einmal durch. Ich ordnete meine Gedanken wo sie hätte sein können. In der Stadt? Nein, ich war mir zwar nicht sicher, aber möglich wäre es auch nicht, dafür kannte ich sie zu gut. Außerdem hatte ich keine Lust die gesamte Gegend nach ihr abzusuchen.

Meine Augen wieder offen sah ich einen Brief, der durch meine Hast zu Boden gefallen war. Erschrocken nahm ich ihn und las die Nachricht:

Liebe Yukino,

ich danke dir für deine Gastfreundschaft, aber ich muss zurück!

Wohin zurück? Ihre Worte, sie hätte keine Heimat, hallten mir durch den Kopf. Ich las weiter.

Es hatte mir sehr gefallen bei dir in den letzten Tagen und du bist für mich eine echte Freundin geworden. Ich hoffe du bist mit nicht böse, das sich so schnell weg bin. Ich musste, bitte entschuldige. Nicht nur mit diesem Brief, sondern alles. Du wirst es nicht verstehen, warum ich weg bin.

Und ob ich es verstehen werde, wenn ich mit ihr fertig war! Sie wird mir einiges erklären müssen, ob ich ihr verzeihen würde? Eigentlich hatte ich mich in ihr Leben eingemischt, was mich nichts anging, da stimmte ich ihr zu, aber ich vertraute ihr. Vielleicht zu sehr?

Ich wünsche dir alles Liebe auf deinem restlichen Lebensweg…

Deine Rei

P.s: Ich habe dir deine Sachen wieder hingelegt, ich dachte sie gehören dir, nicht mir, also viel Spaß noch…

Jetzt lohnte es sich die Stadt hoch und runter zu rennen, aber zuvor versicherte ich mir, dass sie wirklich alles mitgenommen hatte. Ihre von mir gekauften Klamotten lagen auf dem Bett unter der Decke, ihren Köcher mit Pfeilen und dem Bogen waren nirgends zu sehen. Doch ich fand noch einen ihrer Ohrringe an der Stelle, wo der Brief zu finden war. Ich steckte ihn mir in meine Rocktasche, schnappte mir eine Kittel und verschwand in der Stadt…

Manchmal fragte ich Leute, ob sie Rei gesehen hätten, aber ohne Erfolg, ebenso viel Glück hatte ich in engen Gassen oder schmalen Straßen, sie hätte sich vielleicht dort eingenistet.

Aus der Puste am späten Abend kam ich auf die Idee, an unserem Standort zu suchen, wo ich sie das erste Mal gesehen hatte. Aber auch dort fand ich keinen Hinweis, sie wäre dort gewesen. Erschöpft lies ich mich aus dem Boden sinken, mein Rücken an der Wand gelehnt. Mein Blick schweifte über die Wand zu der zerstörte Kiste, die in Trümmern einzeln und verstreut dalag.

„ Mami, schau mal, wie schön die Bäume sind…“, ein Kind rief seiner Mutter zu. Meine Augen schlossen sich und ich versank wieder in Gedanken.

Vertrauen…Freundschaft…Ehrlichkeit…das sind die wichtigsten drei Wörter in meinem Leben. Meine Mum hatte sie mir beigebracht, nachdem sie an dem Unfall verwickelt war, daraufhin lief mir eine Träne über die Wange. Ich verglich sie mit Rei, ob sie mich nur benutzte, wie die anderen es immer taten? Das zweifelte die Ehrlichkeit an. Vertrauen? Ich vertraute Rei, sehr sogar, oder wurde ich getäuscht? Eine weitere Frage: Freundschaft oder ausgenutztes Spiel? Ich wollte sie finden…meine Fragen soll sie beantworten können.

„die Blätter sind so schön…“, wieder der Knirps.

Warte mal. Blätter…Bäume...an meisten gab es sie im Wald. Und dort würde ich sie finden. Mit Sicherheit!!

Rennend versuchte ich Rei in Gedanken zu orten aber das erwies sich als schwer. Wie hätte ich denn das machen sollen? Meine innere Stimme sagte mir, ich solle einfach hineinlaufen und nach ihr suchen.

Dort angekommen, formte ich meine Hände als Verstärker, um mehr an Lautstärke zu gewinnen, doch ich wartete. Sollte ich wirklich laut Rei schreien und damit die gefährlichen Tiere zu mir locken? Schlechte Idee, ganz schlechte.

Ich hörte ein Knacksen, als ob ein Stock oder so etwas brach. Jemand war hier, aber wer? Ich wollte nicht auffallen und auch nicht erwischt werden, deswegen versteckte ich mich hinter einem Busch. Versuchend etwas in dieser Dunkelheit zu sehen, schaute ich die Lichtung nach Lebewesen außer mir um, doch nichts geschah.

Plötzlich wieder das ähnliche Geräusch, Stimmen waren zu hören.

„Ich weiß...ja klar…Edward…warten Sie, ich bin im Wald….ja, mir passiert schon nichts, wer könnte denn hier sonst noch sein... Wilder? Tiere? Sie träumen doch…ja, ja…tschau. Ja, machen sie das…“, eine Mädchenstimme. Ziemlich hoch, hörte ein Klirren, wie Metall, solche Gürtel oder Ketten. Da war ich mir sicher. Der Halbmond spendete mir Licht, wenigstens sehen zu können, wo sich die Person befand. Ich regte meinen Hals, um besser die Lichtung im Auge zu haben, und dort stand sie. Nicht gerade groß, aber leicht angekleidet mit ¾ Hose und Top. Am Ohr hielt sie ihr Handy, sprach Edward, wer auch immer das war. Als sie sich umdrehen zu versuchte, duckte ich mich blitzschnell und fiel auch meinen Hintern. Das Geräusch verriet mich. Die Gestalt kam auf mich zu und schaute mir direkt ins Gesicht. Ich versuchte es auf die freundliche Weise.

„Hi, wie geht´s?“, ich hob die Hand zur Begrüßung, daraufhin lächelte ich dämlich. Sie grinste und fing an zu lachen. Verdutzt starrte ich auf sie, fragte mich was so lustig sei. Es war ein tolles Lachen ein herzhaftes und ansteckend. Sofort fing ich selbst über meine Dummheit zu lachen. Ihre Hand half mir mich wieder auf die Beine zu bringen.

Wieder stehend fragte sie mich wer ich sei.

„Ich suche nur jemanden…“, mehr wollte ich nicht preisgeben. Stur wollte ich ihr die gleiche Frage stellen, doch schnell tippte sie etwas in ihr Handy etwas und rief:“ Edward, setzte bitte Tee auf, wir bekommen Besuch.“ Beendete ihr Telefonat und zog mich an meinem Arm in Richtung Norden. Eigentlich liefen wir an der Stadt vorbei, eher am Stadtrand. Himitsu. So hieß sie, Geheimnis. Ich fragte mich wieso. Meine Mutter stammte aus einer größeren City, mein Vater ist auf dem Land aufgewachsen. Gemeinsam zogen wir dann zu dritt nach Himitsu. Seufzend blieb sie endlich stehen. So die ganze Zeit hin und her gezogen zu werden.

Es dämmerte, fing an zu regnen. Ich fragte mich wie es jetzt mitten im Sommer regnen könne. Ohne dass Wolken vorher zu sehen waren.

„Tsu….WO WARST DU?“, erschrocken fuhr ich zusammen und wurde von einer Kleinen überrannt.

„Nur kurz im Wald….mir ist nichts passiert.“, antwortete sie ihrem Fan. Tränen rannten von dem Mädchen runter und sie klammerte sich immer fester an sie ran.

Meine Mitstreiterin bemerkte erst jetzt den Regen, und sagte: „ Wir sollten rein gehen“, das taten wir jetzt auch.

Die Hütte war eine Bibliothek, eine Wohnung und Puppenstube in einem. In einer Ecke waren Regale voller Bücher, in der anderen schmückten Puppen und Kinderspielzeug die leere Hütte. Eigentlich war sie zu groß für nur zwei Personen, doch ich beschloss weder etwas darüber zu sagen, noch Wörter wegen der für mich altmodischen Einrichtung zu verlieren. Stattdessen setzte ich mich auf einen alten Stuhl, ich hatte Angst er könne wegen meinem Gewicht zusammenbrechen, so laut knarrte er. Das kleine Mädchen lachte. Die einzelnen Zahnlücken lugen hervor, also stufte ich sie zwölf oder etwas jünger ein. Meine Retterin aus dem Regen kam aus den Küchenecken, schnappte sich ein Stuhl (der nicht laute Geräusche von sich gab), stellte drei Tassen Kaffee auf den Tisch und begann zu reden.

„Was hat ein junges Mädchen wie du draußen allein im Wald zu suchen?“, fragte sie frech, es hörte sich jedenfalls für mich so an.

„Ich glaube es schon einmal erwähnt zu haben, aber ich war auf der Suche…“, gab ich ihr als Antwort zu hören. Sie zog eine Braue hoch, stütze sich von der Kante ab und schaute auf mich herab. Erstmalig sah ich ihr markantes Gesicht. Ihre runde Brille stand ihr, lies sie einer Lehrerin ähnlich aussehen. Vorhin hatte ich doch ein Klirren gehört, aber es kam nicht von Gürtelschnallen, sondern von ihrer lustigen Weihnachtsmütze mit einem Glöckchen am Zipfel. Es erinnerte mich an den Weihnachtsmann in Frauenform, deswegen musste ich schmunzeln.

„Ich bin Tsu…“, doch bevor sie ihr Satz zu Ende sprach, hüpfte ihre Mitbewohnerin ihr auf die Schultern und lächelte.

„Ich bin Akita!“, stellte sie sich vor.“Und das ist Tsurino!“ Ihre kastanienbraunen Haare waren durch ein Halsband zurückgesteckt. Das gestreifte Muster erinnerte mich an Matrosenkapuze. Akita, ein seltsamer Name. Ebenso meiner und Tsurino ihrer, doch das kümmerte mich eher weniger.

„Tsurino, Akita, ich bin Yukino, freut mich.“, doch in Wirklichkeit wollte ich so schnell wie möglich weg hier. Rei könnte was weiß ich was passiert sein, doch ich wollte mir meine Eile nicht anmerken lassen.

Noch bevor ich etwas Weiteres sagen konnte, sah ich die Augen von Akita. Eine Mischung aus rot, blau und grün. Genau konnte ich nicht ermitteln welche Farbe die Oberhand gewann. Immer wieder spiegelte das Licht sie anders, jedes Mal kam eine neue Kombination. Faszinierend starrte ich in ihre, sie in meine.

„Is was?“, fragte sie mich neugierig. Ich schüttelte den Kopf. Lautes Krachen und Donnern war zu hören, der Boden vibrierte bei jedem Geräusch. Ich zuckte zusammen, Tsurino hob den Kopf.

„Seltsam, um diese Jahreszeit ein solches Ausmaß an Gewitter war mir noch nie untergekommen“, sie war überraschst, was das Wetter anstellen konnte.

Ein lauteres Krachen und Schreie waren zu hören. Abrupt stand in an der jetzt offenen Tür und untersuchte die Gegend ab, woher die Hilferufe herkamen, doch ich fand keine Spuren. Auch Akita und Tsurino waren neugierig geworden, es regnete immer noch in Strömen.

Ich rannte in den Regen, mein Blick ließ sich nicht davon abwenden, wahrscheinlich kamen sie aus der Stadt. Damit hatte ich nicht unrecht, denn als ich ankam, loderten Flammen auf. Vielleicht nur ein kleines Feuer, oder jemand spielte einen Streich aber dafür war alles viel zu groß und real.

Hinter mir ertönten Rufe, auch schon vorher wollten mich meine Begleiterin und ihr Fan mich davon abhalten, nachzusehen, doch ich wollte nicht.

Erschrocken starrte ich in den Augenblick. Schreie der Menschen, Wutausbrüche meiner früheren Verfolger, Feuer und Flammen verbrannten die Häuser, alles was den Bewohnern lieb war.

„Das gibt’s dich nicht, wie kann so was passieren?“

„Ich weiß es nicht“, ich schaute Tsurino an. Sie war selbst überwältigt von dem Anblick, Akita versteckte sich hinter ihr. Sie war unfähig etwas zu sagen.

Gerade wollte ich mir das Spektakel aus der Nähe ansehen, eine Hand auf meiner Schuler hielt mich davon ab. Ich schaute zurück, sie schüttelte den Kopf. Böse blicke warf ich ihr zu, doch sie ignorierte diese.

„Ich will euch ja nicht stören, aber wir bekommen Probleme…“, Akita meldete sich. Ängstlich zeigte sie auf ein Monstrum, das uns bemerkt zu haben schien. Direkt wollte es mit seiner Klaue ausholen, da blockierte es etwas. Zum Schutz hatte ich meine Arme vor dem Gesicht gehalten, doch jetzt hörte ich nur ein dumpfen Aufprall.

Wieder öffnete ich die Augen, sah das Biest vor Schmerz aufschreien. Ranken umschlungen mich, zogen mich zurück hinter einen Baum.

„Dort wirst erst mal verweilen bis ich hier fertig bin, ´kay?“, Tsurino hob ihre Arme an, ihre Hände glühten grün, ein wenig gelb auf. Konzentriert befehligte sie die Ranken auf das Monster zu. Eigentlich hätte ich mich jetzt wundern sollen, aber das in letzter Zeit so viel in meinem Leben geschah, für das ich weder eine richtige Erklärung fand, noch es zu kapieren schien, warum dies überhaupt in MEIMNEM Leben passiert.

„Wie machst du das?“, ich wollte wissen, wie Tsurino die Natur beherrschte. Schulterzuckend wandte sich kurz zu mir, danach hievten sich Bäume aus der Erde, umschlungen einige kleinere Egelpacktete, diese wurden jämmerlich zerdrückt. Für sie schien es Alltag zu sein, denn Tsurino beherrschte die Kräfte sehr.

Fragend sah ich mich nach Akita um, sie versteckte sich wie ich hinter einem Baum. Doch ich wollte auch meinen Teil dazu beitragen, schlich mich aus meinem sichererem Versteck und hob wie sich die Hände, aber nichts geschah. Verdutzt schüttelte ich sich, regte mich auf, warum es bei mir nicht klappte.

Du musst an dich glauben…fühle den Wind, die Kraft in dir… Eine bekannte Stimme sprach zu mir.

„Und wie soll ich das anstellen, ich bin erst Anfängerin“, gab ich meinen Senf dazu.

Glaub an dich, Yukino…ich liebe dich…

Richtig, es war Mutter, wie konnte sie nach all den verstorbenen Jahren zu mir sprechen. Der Wind kühlte meine Haut. Ich breitete die Arme aus, genoss den stillen Moment in mir. Alles schien zu verschwimmen, ich spürte etwas Neues in mir.

Wie in Trance blickte die eine Kreatur böse an, wünschte mir, dass es einfach tot wäre, langsam bewegte sich meine Hand , mein Finger in die Richtung, aus ihr kam ein Strahl geschossen. Ein Druck entstand, ich schleuderte nach hinten, traf trotzdem das Monstrum. Es teilte sich in Zwei, und verschwand in das Nichts. Erschrocken über meine eigenen Kräfte wagte ich einen Blick in die Stadt. Sie war komplett zerstört, ich fühlte mich wie im 2. Weltkrieg. Nichts war übrig geblieben, Tsurino sagte: „ Wir müssen von hier verschwinden, Yukino, wir können nichts mehr tun, die sind erledigt“

Stimmt, weit hinten fielen ein paar andere Monster erschöpft auf den Boden. Doch das war nur eine vage Erinnerung, denn ich schloss die Augen und fiel zu Boden…

Einigung?

Hinter mir hörte ich noch leise Stimmen, die meinen Namen riefen, auch bildete ich mir ein die Stimme von Rei zu hören, doch dann war ich schon weg. In den schwarzen Raum pfiff Wind, einen leichte Brise, niemand war zu sehen. Insgeheim hörte ich Rufe, Schreie, sah das Bild meiner Heimatstadt vor mir. Eigentlich wäre ich gern in Tränen ausgebrochen, doch dafür war ich viel zu erschöpft. Vor Himitsu aus sah ich in den Himmel, staunte über den sternenklaren Himmel. Er erweiterte sich und ich sah die Erde, plus Weltall, also alles inklusive. Über ihr befanden sich Wolken, wie der Himmel in der Bibel beschrieben. Darunter war die Hölle, vermutete ich jedenfalls, denn mit einer Schlucht, Schwefel und Rauch stiegen auf, also für mich war das die perfekte Form einer Hölle. Die Erde flog zwischen beiden, einmal schwarz dann wieder weiß, wieder Grautöne, umrannte die Kugel in ihrer doch so schönen Meer und Landespracht. Immer mehr gewann schwarz die Oberhand und die Erde verfinsterte sich.

Ihr müsst die Welt retten, nur ihr seid im Stande…

Die Herrin des Schwarzen

Die Hüterin deren, denen es schlecht geht

Die Herrscherin über Wind und Wetter,

Die Gebieterin der Freiheit

Die Kämpferin der Schlacht

Und des Tieres Pracht

Schließen sich zusammen, alle sechs

Retten die Welt vor ihm

Schützen die Armen, verfolgen die Reichen…

Eine raue Stimme sprach mir ein Gedicht zu. Selbst konnte ich wenig damit anfangen, aber vielleicht sollte ich es mir merken, also zitierte ich es mir gedanklich, denn für weitere Fragen war es zu spät.

Es roch nach Schinken, Tee und Gras. Geniale Mischung, aber dennoch lag ich gemütlich. Mein Blick schweifte über die seltsame Einrichtung. Schwarz, verbunden mit lila und Blautönen.

Ich stand auf, aber mein Schmerz in meiner Brust und der Kopf brummte ließen es beide nicht zu. Ich ignorierte, oder versuchte es zumindest, sah mich im Spiegel an. Meine Kleider und ich hatten nichts abbekommen.

Etwas anderes erregte meine Aufmerksamkeit. Stimmen. Aus einer erhörte ich Tsurino. Wenigstens eine, die mir bekannt war. Die anderen, waren selbst beim Lauschen zu leise. Also öffnete ich die Tür. Alle Blicke zogen sich zu mir.

„Bin ich ein Popstar?“, mein Witz war nicht so lustig, denn niemand lachte.

„Nur so ein kleiner Witz, Sorry.“, murrend bestaunte ich eine andere Person, mit der sich Tsurino offensichtlich unterhalten hatte. Schwarze Kleidung stand an der Tagesordnung. Kühle violett-schwarz ähnliche Augen starrten mich an. Ich erkundigte mich auch danach, ob ich ihr oder sie mir sympathisch war. Aber ich entschied mich für nicht so, denn ihre schwarzen langen Haare hingen ihr auf ihrer rechten Schulter, zusammengebunden, glatt. Ihre Kleidung war ein bloßer Mantel, alla chinesisch geschnitten, ging ihr bis zu Hüfte, ein Metall lila abgefärbter Gürtel hin locker daran. Der Mantel ist dann aufgeschnitten in zwei Teile, darunter eine enge Legginghose. Auch schwarz, doch anders farbige Striche zierten das Gewand, irgendwie gefiel es mir, aber die Person, die darin stand, war mir unheimlich.

Nach der Inspektion ging sie und ließ mich mit Tsurino allein.

„Dir geht es wieder besser?“, fragte sie mich. Ich hatte sie etwas fürsorglicher erwartet, doch ihre Stimme war mir gerade ebenso unsympathisch wie dieses Mädchen von vorhin.

Nickend fragte ich, was mit mir gewesen sei.

„Ich weiß es nicht wirklich, du bist einfach umgefallen, danach ist es mir auch nicht besser ergangen…“, gab sie zu.

„Soll das heißen, du bist auch….ohnmächtig geworden, einfach so?“, zur Antwort nickte sie mir.

„Schön wenn ihr euch so gut versteht, aber wir sollten uns mal versammeln…“, wieder diese raue Stimme.

Während nicht nur sie, sondern auch zwei weitere Mädchen rein traten. Eine davon kannte ich.

Schnell breitete ich meine Arme aus und umarmte Rei, ich zerdrückte sie fast.

„Rei ich dachte schon dir sei was Schlimmes passiert…“

„Äh, kannst du mich mal loslassen? Und…kennen wir uns überhaupt?“, fragte mein Opfer. Erschrocken über ihre Aussage wandte ich mich zu ihr. Sie sah aus wie immer, grüne Haare, viel Haut zeigte sie auch, ebenfalls ihr Köcher mit Pfeilen und ihrem Bogen schmückten ihren kriegerischen Wesen. Doch ihr Gesicht sah anders aus. Ich selbst konnte mir nicht sagen, was an Rei anders war, jedenfalls sah sie glücklicher aus, fröhlicher.

Sie strahlte mich an, ich schaute sie nur verdutzt an.

„Du warst vor nicht einmal 24 Stunden in meiner Wohnung, hast dort gewohnt….wir haben…“, zitierte ich, doch durch meine lässige Art zog ich nun die alle Blicke auf mich. „Was denn?“

„Ich will nicht unhöflich sein, aber erstens kenne ich dich nicht, zweitens bin ich vor den Vorfall in Himitsu nur im Wald gewesen…“, sie sah mich an.

„Und drittens wie kann es sein, dass du mich nicht kennst?“, ich war verwirrt. Wieso kannte sie mich nicht mehr? Irritiert darüber, was der Grund dafür sein könnte, starrte ich durch die Runde. Als ich noch ein Mädchen sah, erkannte ich die eisblauen Augen, die ich schon einmal in der Stadt gesehen hatte. Eigentlich wollte ich mich melden und sie fragen wer sie ist, aber Tsurino ergriff das Wort.

„Also…ich danke dir für die Unterkunft in deiner Hütte…“, bedankte sie sich bei dem schwarzen Mädchen. Sie allerdings erhob die Hand und warf ab.

„Schon okay…“, wegen der rauen Stimme bildete sich einen kalten Schauer auf meinem Rücken.

Stille überschlug sich, ich war nicht die ruhigste also fing ich an. Eine Frage brannte mir die ganze Zeit unter den Fingernägeln.

„Was macht ihr alle hier?“, meine komisch laute Stimme hallte durch die kleine Hütte. Alle Blicke nun auf mich gerichtet, fing ein Mädchen an.

„Das wissen wir nicht…jedenfalls wissen wir nur, dass wir bestimmt sind hier zu sein“, wieder die kalte Stimme.

„Du meinst es hat einen Grund, warum wir hier alle herbestellt worden sind, ja?“, meinte ich zurück. Sie nickte. „Übrigens, ich bin Shizuka… nur mal so am Rande.“

„Mein Name ist Akita“, Akitas Stimme zerrte mich aus meiner angeblichen Trance. Vorher hatte ich sie nicht bemerkt. „Und das ist meine Schwester, Tsurino“, unglaubwürdig zog ich meine Braue hoch, die zwei und verwandt? Da sehen sich Stock und Stein ja noch ähnlicher.

„Ich heiße Suki“, die erstaunlich sanfte Stimme wärmte meinen Körper. Hätte nicht gedacht, dass sie so ist, nett und höflich. Sie stand genau unter dem Lichtschein einer Lampe. Ihre silbrigen Haare glänzten und passten gut zu ihrer stattlichen Figur. Zwei Zöpfe zierten ihre Kopfhaut und gingen ihr bis zur Hüfte. Ein kurzes Kleid bis fast zu den Knien, doch keine gewöhnliches. Eher eine Art Kimono ohne Unterteil. Ein kurzes Band schlang sich auch um die Hüfte, mehrmals umgebunden, ein langes Schwert daran befestigt. Lederschuhe wärmten ihre Füße, doch ihre Unterbeine waren frei. War ihr denn nicht kalt? Eher nicht, denn trotz ihres freundlichen Gesichts verbirgt sich vermutlich dahinter ein Raubtier. Ich kannte solche Mimik, wie mein Vater. Deswegen traute ich ihr nicht.

Aber um nicht gleich einen schlechten Eindruck zu vermitteln, stellte ich mich ebenfalls vor. „Yukino“, kurz und knapp, mir war nicht alles hier geheuer, das einzig bekannte waren Tsurino und Akita.

„Und du musst Rei sein, oder?“, Rei nickte.

„Also, was machen wir hier?“, fragte ich neugierig. Aber niemand konnte sie mir beantworten

„Warte mal“, ich erinnerte mich an etwas, worüber ich mit Tsurino geredet hatte. „Sagtest du nicht, dass ich nicht die einzige sei, die ohnmächtig geworden ist“

„Ja, Akita ist das ähnliche passiert. Sie ist kurz nach dir umgekippt. Und mir genauso…“, Tsurino erinnerte sich.

Akita mischte sich ein: „ Ja und ich hatte einen seltsamen Traum von der Welt und eine komische Stimme hat was zu mir gesagt.“

„Und was hatte sie dir gesagt“, hackte ich ein. Hörte sich ähnlich an meinen Traum an.

„Na ja, so genau hatte ich nicht mitgehört, nur dass sie gesagt hat, dass sich irgendjemand zusammen schließt um die Welt zu retten.“

„Ich hatte auch so einen…“, Suki meldete sich.

„Und erging es nicht besser“ erzählte Shizuka und zeigte aus Tsurino und sich.

Nickend stimmte ich mit ein.“Ich ebenfalls, aber was bedeutete er?“ Wieder war diese Frage unbeantwortet. Ich erinnerte mich nur an die ersten Wörter, die ich leise aufzählte: „ Ihr müsst die Welt retten…nur ihr seid im Stande.“

„Die Herrin des schwarzen“, Rei stimmte mit ein.

„Die Hüterin deren, denen es schlecht geht“, Akita erinnerte sich ebenfalls.

„Die Herrscherin über Wind und Wetter“, sagte Tsurino. „Die Gebieterin der Freiheit“

„Die Kämpferin der Schlacht und des Tieres Pracht“, auch Shizuka, Suki und ich sangen im Chor.

Doch die letzten Zeilen zitierten wir alle gemeinsam. „Schließen sich zusammen, Retten die Welt vor ihm, Schützen die Armen und verfolgen die Reichen“

Ich schauderte. Wie in Trance sprachen wir alle im Chor.

„Und was bedeutet das?“, fragte Akita nach.

„Und wieder haben wir keine Antwort darauf“, erklärte Tsurino ihr. „Es wäre schön wenn wir eine hätten“, sie legte die Stirn in Falten uns schien zu überlegen. Auch Suki blickte ernst drein.

Als ich meinen Blick auf Rei wandte, hob sie den Kopf und schaute zur Decke, ihr Gesicht war auch in Falten gelegt.

„Irgendetwas ist hier…“, meinte sie. Ihr schien es ernst zu sein, denn jeder richtete sich nun zu ihr.

„Und was?“, raunte Shizuka mit ihrer tiefen Stimme.

„Ich weiß nicht...“, immer noch den Kopf gehoben sagte sie:“ Jedenfalls stimmt hier etwas nicht!“, schaute dabei zu Suki.

„Was denn?“, unschuldig hob sie die Hände. Anfangs war ich ihr auch misstrauisch gewesen, mit Recht. Doch so langsam kam mir der Verdacht, sie war gar nicht der Auslöser für Rei´s Benehmen.

Shizuka schien nun auch misstrauisch zu werden, denn sie blickte Suki an.

„Es kommt von dort“, Rei´s Hand zeigte in Richtung Norden. Kopf- und Schulterzuckend versuchte ich, etwas wahrzunehmen, doch so einfach war es auch nicht gewesen.

Ein Quietschen der Holzdielen lies mich nach rechts schauen. Shizuka machte sich auf den Weg zur Tür.

„Hey, warte, nicht so schnell, was machst du?“, ich hielt sie an der Schulter fest, um sie davon abzuhalten, was sie gerade machen wollte.

„Gucken wer sich auf den Weg macht, meine Hütte in Schutt und Asche zu reißen.“, antwortete sie mir, ohne sich auch nur einmal umzudrehen. Seufzend ging ich ihr nach. Auch Suki und die anderen folgten mir, Rei konzentrierte sich immer noch auf dieses unhörbare Geräusch.

Ohne auch nur ein Laut von sich zu geben, rannte Shizuka in ein Richtung, zog ein messerähnliches Ding aus dem Gürtel hervor. Es glitzerte vor Blut, als eine Gestalt auf Knien zu Boden ging. Erschrocken hob ich die Hände vor dem Mund und stieß einen lauten Schrei raus.

„Ruhe“, schnauzte mich die Killerin an. „Du lockst sonst noch mehr an.“

Als ich den toten näher betrachte, sah ich, dass die Sonnenstrahlen der Grund für den modrigen Geruch waren, denn das Opfer ging in Flammen auf.

„Was…?“, ich konnte wegen dem Schock nicht mehr richtig etwas realisieren. Hinter mir ertönte ein Keuchen, doch als ich mich umdrehte lag ein weiterer Körper auf dem Boden, Blut strömte nur so. Wieder hatte Shizuka mit ihrem Messer ihn totgeschlagen. Als ich mich umsah hörte ich ein Stöhnen oder ein Zombieähnliches Geräusch. Hunderte versammelten sich hier vor der Hütte und hatten uns eingeschlossen. Jetzt erinnerten sie mich an einen Gruselfilm, indem wir mit Sicherheit den Bestpreis gewonnen hätten.

„Das sind keine echten Menschen!“, warnte mich Suki. Ja, das sah ich auch, als ich das bekannte Leuchten in ihren Augen sah. Das waren meine Verfolger von letzter Nacht, doch sie schienen über mein Anblick nicht gerade erfreut zu sein, denn sie wollten mich angreifen. Zum Glück blockten Suki und Shizuka die Angriffe ab, denn ansonsten wäre ich jetzt Fischfutter. Rei stimmte auch mit ein, sodass ihre Pfeile über unsere Feinde niederprasselten. Zielsicher traf sie ein nach dem Anderen, sodass immer mehr schwarz den vorher grünen Wiesenboden bedeckten.

Ich wand mich ab, und suchte Schutz hinter den Verteidigern, doch auch Tsurino schien sich im Kampf zu beteiligen. Rankenhiebe und Grünzeug schossen aus dem Boden und beschützen die anderen Angreifer vor den Attacken unserer Feinde. Eigentlich wäre ich am liebsten schreiend mit erhobenen Händen weggerannt, doch diese Chance ermöglichte mir niemand. Weder ein Fluchtweg noch eine Gelegenheit dazu bietet sich an und die schwarzen Gestalten kamen immer näher.

Angesichts der Tatsache, dass wir keine Möglichkeiten hatten eventuell heil aus der Sache herauszukommen, kämpften die vier immer weiter. Erfahrungsweise wäre ich gern auch auf das Schlachtfeld gesprungen um mit den Anderem Henker zu spielen, doch ich meine Angst und davor, was passieren würde, wenn ich angriff, lähmten meine Beine. Vor Schock fiel ich auf den Boden, und sah Akita zu mir kommen.

„Yukino, alles klar?“, die Kleine blickte mich an. Ihre Sorgen standen ihr ins Gesicht geschrieben. „Hey, du bist ja…verletzt. Tsu, komm schnell! Mit Yukino ist etwas!“

Ich wollte mir die Ohren zuhalten. Akitas kräftiges Organ hallte in meinen Ohren. Schwindel erfasste mich und ich drohte Ohnmächtig zu werden, Schon wieder. Aber bevor ich umkippte fühlte ich etwas in mir. Was wusste ich nicht, aber es war einfach ein tolles Gefühl. Ich streckte meinen Rücken und es bildete sich ein Hohlkreuz. Irgendwas passierte mit mir, wusste aber nicht was oder warum. Wieder erfasste mich ein Spuckgefühl und es wurde mir erneut schwarz vor Augen. Ich wollte es verhindern um den anderen im Kampf beizustehen. Doch immer wenn ich versuchte, mich dagegen zu wehren wurde mir schlecht. Doch schließlich verlor ich und das Etwas zog mich außer Bewusstsein.

Deutungen und Gedanken

Wieder wachte ich in einem schwarzen Raum auf. Nur das dieser hier nicht so einen kuriosen Geruch hatte und ich nicht auf einem gemütlichen Bett lag. Der harte Boden war der Grund für meine Rückenschmerzen. Langsam erhob ich mich und stütze mein Kreuz mit der linken Hand. Mit der anderen hielt ich meinen Körper im Gleichgewicht und versuchte aufzustehen. Irgendetwas hielt mich aber davon. Empört wollte ich mich dagegen wehren, jedoch hielt man mir den Mund zu. Erst jetzt merkte ich auch, dass meine Augen verbunden waren.

Anhand der anderen sinne versuchte ich meinen Standort ausfindig zu machen. Eine friedliche Idylle war zu erwarten, doch es kam anders. Der harte Boden war kalt und fühlte sich an wie ein Metall. Die Hand fühlte sich ebenfalls kühl an, aber nicht gerade sanft. Wenigstens waren meine Hände nicht gefesselt, sodass ich mich vielleicht trotzdem aus dieser Lage befreien konnte. Zu Hören war ein Klirren, darauf ein Echo. Also ein Lagerhaus oder eine große Halle. Irgendetwas Ähnliches.

Im Nachhinein hörte ich aber noch andere Geräusche. Ein Laufen auf hartem Boden und Knirschen von Kieselsteinen.

Endlich verblassten die Geräusche sodass ich wieder ein Klirren vernahm.

„Sie sind weg!“, dieser Jemand, der mir vorher den Mund zugehalten hatte, nahm sie schließlich von meinem Mund weg, sodass ich wieder meine Klappe benutzen konnte. Auch wurde mir die Augenbinde abgenommen und das Gewicht auf meinem Körper wurde leichter. Die Gestalt konnte ich durch die noch vorhandene Dunkelheit nicht erkennen. Erst als ich ein paar Mal blinzelte erkannte ich die vermutete Lagerhalle. Mein angeblicher Entführer entpuppte sich als Shizuka. Sie sah sich aufmerksam um, als wären wir verfolgt worden. Düster drein blickte sie sich immer wieder um, sicherte die Gegend ab.

„Alles klar?“, fragte ich neugierig, doch sofort wurde mir wieder die Hand vor dem Mund gehalten.

„Ruhe!“, fuhr sie mich an. Ich hatte keine Ahnung was sich vor sich ging. Vor allem was wir nach dem Kampf mit den schwarzen Gestalten in dieser Halle machen. Wie lange war ich weg gewesen? Und wo sind die anderen? Ich schaute mich um und erkannte trotz der Dunkelheit und dem schwachen Licht des Mondes kein bekanntes Gesicht.

Endlich nahm Shizuka ihre Hand aus meinem Gesicht, doch hielt sie immer noch hoch. Ich hielt den Rand, denn ich wollte mir nicht schon wieder eine Hand im Gesicht gönnen.

„Schnell“, sie nahm ohne zu fragen grob meinen Arm und zog mich hinter eine Kiste. Jedenfalls dachte ich es ist eine, denn das gefühlte Holz rieb sich an meinem Rücken. Shizuka drückte sich gegen den Gegenstand und ihr Dolch, den sie wahrscheinlich auch beim letzten Kampf genutzt hatte, blitze in ihrer Hand. Erst jetzt konnte ich mir einen genaueren Blick darüber verschaffen. Das spitz zulaufende Ende war relativ scharf, so wie die ganze Klinge. Links und rechts standen noch zwei weitere Spitzen, jedoch kleiner, heraus. Das Silber blitzte bedrohlich im Schein des Mondes. Jedenfalls vermutete ich dass es Nacht war, denn ich war hundsmüde. Oder die Ursache dafür war eine ganz andere. Aber mir schwebte etwas ganz anderes im Hirn rum.

„Warum verstecken wir uns?“, flüsterte ich so leise wie möglich meiner Nebensitzerin zu. Entweder sie verstand die Frage nicht oder ignorierte mich, weil sie sich auf ganz andere Dinge konzentrierte.

Nach einer Weile sitzend hinter einer Kiste wurde mein Hinterteil steif und ich musste ihn mir teilweise massieren um nicht wehleidig zu werden.

Plötzlich hörte ich wieder ein Klirren. Mit Konzentration ordnete ich es nach einer Rüstung oder etwas Ähnliches ein, denn das Geräusch war mir anders nicht bekannt. Als ich wieder zu Shizuka blicken wollte sah sie mich direkt an.

„Ich schaue nach ob die Lust rein ist. Du verschwindest von hier, klar?“, wies sie mich an und machte sich zum Aufstehen bereit.

„Nein, wo soll ich den hinlaufen? Wo sind wir überhaupt?“

„Keine Ahnung, jedenfalls nicht mehr in Himitsu.“, und schon war sie weg. Neugierig folgte ich ihr mir meine Augen und wollte ihr eventuell nachgehen, aber ich entschied mich in den Moment dagegen als Shizuka aus dem Hinterhalt angegriffen wurde. Durch das dunkle konnte ich wenig sehen, doch sie wurde von allen Seiten eingekreist. Nur die meinige Richtung blieb frei. Tapfer wehrte sie sich gegen ihre Angreifer.

„Verschwindet!! Ihr sollt verschwinden hab ich gesagt! “, rief sie ihren Feinden zu, doch schnell merkte ich, dass die Nachricht nicht an sie, sondern an mich gemeint war. Um kein Aufsehen zu erregen, sprach sie mit ihnen. Meinte aber mich. Clever. Trotzdem sollte ich ihren Rat zu Herzen nehmen und machte mich aus dem Staub.

Mit einem Satz sprang ich aus der Hocke und stand nun auf meinen zwei Füßen. Ich rannte in die entgegengesetzte Richtung, in der sich Shizuka gegen die Rüstungstypen wehrte, ohne noch einmal zurückzublicken entschloss ich mich in einer Gasse ein Versteck aufzusuchen.

Nach endlosem Rennen saß ich nun erschöpft an eine Wand gelehnt. Meine Umgebung betrachtete ich kaum. Ich war nur auf meine Verfolger konzentriert. Schließlich entschied ich mich, dass niemand mehr mich suchte und so suchte ich nach etwas nützlichem ab, dass ich eventuell als Waffe benutzen konnte. Nachdem ich selbst auch nicht nutzbares fand, setzte ich mich in eine Ecke und nahm die Beine in den Arm. Wo bin ich hier? Was mache ich hier? Und warum? Wieso ich, und nicht irgendjemand anders? Die dunkle Ecke bietet mir vielleicht Schutz, da es etwas versteckt in der Gasse lag, doch trotzdem…ich fühlte mich hilflos. Gegen die Kreaturen in Himitsu oder vor Shizukas Hütte hatte ich nicht ausrichten können. Einmal hatte ich es geschafft, einen Strahl aus meinen Händen zu zaubern, doch selbst da wurde ich ohnmächtig. Gegen die Rüstungstypen? Ich bin einfach weggelaufen, wie damals, bei Vater. Ich bin abgehauen ohne mich zu verteidigen. Bin vor meinen Ängsten davongelaufen. Aber was hätte ich schon machen sollen? Ich bin schwach, einfach nur lächerlich, dass ich überhaupt noch lebe. Oder nur pures Glück?

Vor Verzweiflung fingen meinen Augen an zu Tränen. Jetzt heulte ich auch noch.

„Heulsuse“, eine Stimme in meinem Kopf.

Ja, eine Heulsuse. Das bin ich wohl. Erinnerungen aus meiner Kindheit machten mir immer mehr zu schaffen.

„Los, auf sie. Vernichtet sie!“, schon wieder Stimmen.

Bilder erschienen schwach. Verschwommen nahm ich etwas war. Schmerz. Körperlicher Schmerz. Meine Hände taten weh. Ich zerrte an den Fesseln. Ich wollte meine Augen öffnen, doch weiterer Schmerz machte sich bemerkbar.

Sofort wachte ich auf. Ein Traum? Schon wieder. Ich fasste mich an meinem Kopf, und zu sehen ob noch alles dran war. Ich war wohl eingeschlafen. Der harte Steinboden war der Grund für meine Rückenschmerzen.

Wie lange war ich eigentlich flach gelegen? Mir kam es ziemlich lange vor, aber es war immer noch dunkel. Langsam stand ich auf und schaute mich um. Immer noch das Versteck, das ich vorhin bei der Verfolgung gewählt hatte. Was sollte ich jetzt machen?

Zu verstecken würde vielleicht für Sicherheit sorgen. Doch die Neugier trieb mich an, und ich krabbelte in Richtung Ausgang der Gasse und sah auf. Keiner war zu sehen. Während ich mich erhob, suchte ich immer wieder die Gegend nach Fremden Gestalten ab. Niemand ließ sich blicken. Komisch. Okay, nachts war selten Betrieb in einer Stadt, sei es nicht LA oder New York. Ich wagte mich aus meinem Versteck vor und schaute ich noch einmal vorsichtshalber um.

Langsam ging ich die Straße entlang, sie schien kein Ende zu nehmen. Kleine Gassen ließen sich blicken, doch sonst war niemand zu sehen.

Nach einer Weile kam ich an einem Haus vorbei, in dem noch Licht an war. Vorher hatte ich es gar nicht bemerkt. Ich blieb stehen und betrachtete es genauer. Ein großes Schild mit Leuchtbuchstaben schrieben „The Night Dream“. Leise Jazzmusik war zu hören. Sie kam aus dem Cafe. Eigentlich wollte ich keinem begegnen, aber vielleicht war ja auch niemand drinnen. Außerdem knurrte mein Magen. Aber ich hatte kein Geld dabei. Seufzend entschied ich doch in das Café hereinzugehen. Manchmal ergab sich etwas. Ich schob die Saloontür weg und sah mich um. Holzdielen knarrten unter meinem Gewicht, aber die urige Einrichtung bestaunte ich zutiefst. Vieles aus Eichenholz, doch der Boden war aus Kiefer. Das Licht spielte manchmal mit den Farben. Da und dort standen Kerzen, besonders das alte Klavier, das in der Ecke verstaubte, faszinierte mich. Ich wusste nicht warum, aber das gesamte hier schien mir bekannt vorzukommen. Als ob ich schon einmal hier gewesen bin. Plötzlich erinnerte ich mich auch an das Gefühl, dass ich gehabt hatte, als ich Suki begegnet bin. Eigentlich mochte ich das Feeling. Alles bekannt zu haben. Nichts fremd, doch alles hier schien etwas auszustrahlen.

Ich näherte mich der Theke wo mir schon, kurz bevor ich mich auf den Barhocker setzte, mir man ein Getränk hinstelle. Doch ich betonte ich habe kein Geld. Der Barkeeper meinte es sei in Ordnung und ging. Bei seinem Vortrag zeigte er auf jemanden links eine paar Stühle neben mir. Unbemerkt schaute ich meinen Spender an. Viel konnte ich nicht erkennen. Nur einen Zylinder auf dem Kopf und eine schwarzer Mantel bedeckten seinen ganzen Körper. Nachdem er bemerkte, dass ich ihn ansah, lächelte er mir aus seinem Bart zu und drehte sich zu mir. Seine Augen waren braun, seine Haut hatte einen dunklen Ton. Markantes Gesicht, aber bestimmt Mitte 40. Lächelnd wollte ich mich bedanken und nickte den Kopf leicht. Er wiederrum sprang zu mir herüber und saß schnurstracks neben mir. Erstaunt darüber öffnete sich mein Mund. Schnell beugte er sich zu mir herüber.

„Sich drehen bedeutet nicht alles zu wissen.“

Verständnislos sah ich ihn an, doch er hörte nicht auf mit den Rätseln.

„Vertrauen ist das wichtigste, doch manche nutzen dies auch aus.“ Fragezeichen tauchten imaginär auf.

„ Viele sehen nie das, was sie sehen, doch andere machen die Augen zu und sehen trotzdem.“

Eigentlich versuchte ich nicht das zu verstehen, doch irgendwie sprachen mich diese Sätze an.

„Freunde sind nicht Feinde, aber Feinde sind Freunde. Es gibt kein zwischendrin.“

Endlich nahm er seinen Oberkörper weg und setzte sich wieder zu seinen Getränk. Ich wollte ihn fragen, was dass alles zu bedeuten hat, doch er lächelte nur und stand auf, und ging aus dem Cafe, Schnell rannte ich ihm nach und sah mich aber auf der lehren Straße um.

„Was meinte er damit?“, mich fragend wollte ich zurück in das Cafe gehen, doch ich sah nur eine leere Gasse.

„Sag mal, bin ich jetzt völlig verblödet, oder wie?“, erst greifen mich schwarzen komische Gestalten an, danach bin ich in einer mysteriösen Stadt und jetzt verschwindet ein ganzes Cafe hinter mir mit einem Fingerschnipsen.

War alles vielleicht eine Illusion? Ja, ich schlafe, alles ist nicht echt. Aber mir scheint alles so real. Warum ich?

Fragen kamen wieder auf, die noch immer unbeantwortet waren. Was machte ich jetzt? Wie kam ich überhaupt hierher? Eigentlich bin ich ja weggelaufen vor diesen Rittern. Und was sollte jetzt aus mir werden? Shizuka hatte sich für mich geopfert.

Shizuka! Oh nein, sie hatte ich ganz vergessen. Was war aus ihr geworden, nachdem sie sich gewehrt hat?

Ich rannte in eine Richtung die Straße entlang. Irgendwie musste ich ihr helfen. Aber wie? Wo war sie? Wie? Was? Wo?

Verzweifelt blieb ich stehen. Wohin sollte ich überhaupt? Und wie sollte ich ihr helfen? Ich konnte weder mit einer Waffe umgehen, noch konnte ich einfach so verschwinden oder sonst etwas.

Glaube an dich, Yukino…du hast die Kraft dazu…

Habe ich das wirklich?

Ja hast du!

Meine innere Stimme? Vielleicht sollte ich mal auf sie hören. Okay, ich versuche mal was. Ich holte tief Luft und konzentrierte mich auf den Wind. Tief in mir brodelte etwas. Langsam dachte ich an Wind und Wetter, dachte daran, alles beherrschen zu können. Seien es Blitze oder Donner. Regen oder Sturm. Meine geschlossenen Augen und mein Gehirn fantasierten sich alles zusammen. Ich hatte Macht und war nicht schwach. Einmal in meinem Leben dachte ich, dass es sich lohnt, wirklich zu leben. Zu lachen. Das herrliche Gefühl schwang sich durch meinen Körper.

Ich öffnete meine Augen, um zu sehen ob dies auch wirklich real war. Dieser Moment war eine Wohltat.

Erstaunt kriegte ich die Klappe nicht mehr zu.

„Das gibt es doch nicht! Ich….“, erstaunt sah ich auf dem Boden. Der befand sich jetzt mehrere Meter unter mir. Ja, ich flog. Unglaublich was alles der Verstand zu Stande bringt, wenn man verrückt wurde. War ich das wirklich? Ja, das bestätigte nicht nur mein Verhalten, sondern auch das was ich jetzt gerade tat.

Aber wie hatte ich das hinbekommen? Erschrocken über das, was ich tat, flog ich mit hohem Bogen auf mein Hinterteil.

„Was zum…? Wieso funktioniert das denn nicht?“, fragend rieb ich mir mein angestoßenes Gesäß. Warte mal, vielleicht hatte das Ganze mit Konzentration zu tun.

Nochmals machte ich das von gerade eben. Ich fühlte die Luft, den Wind. Mein ganzer Körper kribbelte. Wieder flog ich ein Stück über dem Boden. Es funktionierte. Ich flog tatsächlich. Naja, wenn ich schon fliegen konnte, sollte ich mir einen Überblick verschaffen, wie die Stadt von oben so aussieht.

Ich bildete mir das mit Sicherheit ein, denn kein normaler Mensch war in der Lage, sich wie ein Vögelchen zu verhalten und zu schweben wie eines. Immer höher stieg ich in den Himmel empor. Als ich eine gute Höhe erreicht hatte, sah ich über die Gegend und versuchte, jemand zu sehen. Denn andere konnten mich vielleicht besser erkennen, wie ich sie.

Nachdem ich beschloss, dass das nichts brächte, sich nach Shizuka im Himmel zu erkunden, wollte ich wieder auf dem Boden nach ihr suchen. Trotz der nächtlichen und dunklen Umgebung schaute ich mich nach diesen Rittern um. Vielleicht sind die ja auf Streife und suchten mich immer noch.

Auf dem Grund angekommen, fragte ich mich, wie es jetzt weiter gehen sollte. Ziellos durch die Stadt zu rennen und laut nach ihrem Namen zu schreien. würde nur noch mehr Aufmerksamkeit erregen. Trotzdem sollte ich sie aufsuchen. Aber wie?

Ein Cafe oder ein Ort, wo sich viele Menschen trafen, konnte man gut Informationen bekommen. Jedenfalls war das immer in Filmen der Fall. Also, und wo sollte ich einen Ort wie diesen Auftreiben? Cafe konnte ich vergessen, um die Uhrzeit nicht. Obwohl das andere von vorhin war offen. In einem Park wird nachts wenig los sein.

Auf gutem Glück eignete ich mich, noch einmal die Stadt von oben zu betrachten. Von dort aus konnte ich vielleicht jemanden ausmachen.

Nachdem ich im hohen Bogen und ziemlich unsicher wieder die sichere Erde verlassen hatte, betrachtete ich die Gegend. Von fern sah ich ein Licht, schwach aber es war zu erkennen. Nach genauerem Hinschauen erkannte ich den Aufgang der Sonne. Es war schon Morgen und ich konnte meine Müdigkeit kaum unterdrücken. Trotz meines wiederkommenden Wunsches, dass ich umflog, versuchte ich wach zu bleiben.

Langsam kamen auch Leute wieder auf die Straße. Marktleute bauten ihre Marktstände auf, andere schauten amüsiert um, andere rannten eilig herum. Weswegen die wahrscheinlich pünktlich zu einem Termin kommen wollten.

Ich selbst hatte keinen Schimmer wo ich anfangen sollte zu suchen. Fremde Leute konnte ich schlecht fragen, obwohl Shizuka aufgefallen wäre wie Glühwürmchen in der tiefsten Nacht.

Ihre Kleidung machte sie zum Hingucker, aber ich sollte nichts sagen. Mein Minirock war schmutzig, mein Top ausgebleicht und von kleinen schwarzen Flecken versehrt. Die Jeansjacke hatte am Meisten abbekommen. Kleine Löcher machten sich an den Ärmeln Platz und der Reißverschluss wollte nicht mehr zugehen. Mit meinen klapperten Stöckelschuhen fiel ich wahrscheinlich genauso auf wie Shizuka. Mit einem Umhang würde ich aber trotzdem Aufmerksamkeit erregen. Deswegen entschied ich mich den nächsten Laden aufzusuchen und mir ein paar Klamotten zu besorgen. Eventuell etwas „ausleihen“. Obwohl dies sonst nicht meine Art war.

Kaum hatte ich meinen Gedanken geplant, sah ich einen Korb mit Kleidern darin. Draufstand: „ Kostenlose Kleider, jetzt zum Mitnehmen!!“

„So geht’s auch.“, zufrieden damit, dass ich nicht mein Plan in die Tat umsetzten musste nahm ich mit etwas heraus. Ich fand einen zerschlissenen Umhang, zwar nicht unbedingt in gutem Zustand aber immerhin etwas. Auch ließ sich ein kurzer Rock in einem rot finden. Das Oberteil war etwas, naja, komisch. Zu bedecken war nur mein Brustbereich, mein Bauch war frei. Das Unterteil war, nachdem ich mich in einem Spiegel in dem Laden betrachtete, schräg geschnitten und mit einem Gürtel versehen. Dieser war auch etwas schräger und hin locker an meiner Hüfte. Vielleicht ließen sich ja Dolche oder andere kleinere Waffen daran befestigen. Weil ich vermutete, dass ich nochmals vor Rittern oder anderen schwarzen Gestalten wegrennen musste, band ich an meiner Stirn ein braunes Tuch um, damit nicht gleich alle offenen Haare ins Gesicht fielen. Im Gesamtpacket fühlte ich mich wie eine Piratin, sah auch so aus wie im Bilderbuch beschrieben.

Falls ich Shizuka im Laufe der nächsten Zeit finden sollte, nahm ich auch für sie einen Umhang mit, weil ich nicht wusste, was ich gefiel, bevor ich noch etwas Falsches mitnahm.

„Du siehst nicht schlecht aus!“, eine Stimme von sprach mich an. Als ich mich umdrehte, stand vor mir ein süßer Kerl. Der muskulöse Oberkörper war von einem dünnen Hemd bedeckt, sodass mein Gegenüber mit seinen starken Muskeln prahlen konnte. Eine knielange Hose zeigte seine beharrten Beinen. Na wie das appetitlich aussah. Zwar hatte sein Kopf eine markante Form, aber die braunen Haare waren lang, mit einem Zopf zusammengebunden, passten allerdings nicht zu seinen grünen Augen.

„Wow, hast wohl auch die Grünen, oder?“, fragte er mich mit einen tiefen Stimme. Sein fettes Grinsen im Gesicht zeigte, dass er ein typisches Exemplar von Macho war.

„Hä?“, ich verstand nur Bahnhof.

„Na, meine hübschen Augen passen direkt zu deinen, das heißt, wir passen zusammen.“, er formte mit seinen Lippen einen Kussmund. „Ich bin der Stärkste hier!“, und stellte seine Muskeln zur Schau.

„Hör mal, ich muss weiter, was erledigen, also lass mich bitte in Ruhe, ja?“, ich wollte an ihm vorbei, doch er stellte sich mit seinem ganzen schrankähnlichen Körper mir in den Weg.

„Nicht so schnell, kleine. Überleg mal, du und ich! Du willst mich doch nicht wütend machen, oder?“, langsam schien mir die Sache nicht geheuer zu werden. Sein anfangs nettes Gesicht wurde zu einem nicht so netten.

Um noch beeindruckender zu wirken, nahm er sein Gesicht zurück und bildete mit seinem Rücken ein Hohlkreuz, sodass er wie ein Gorilla seine ganze Stärke und Macht demonstrieren konnte. Innerhalb des Ladens wurde es still und Schaulustige wandten sich an mich und meinen Verehrer.

Auch wenn die Sache hier aus dem Ruder läuft, ich hörte nie auf jemanden. Meine 4 Jahre, in denen ich nun alleine lebte, hatte ich eines gelernt. Höre auf dein Herz. Und auch der Typ im Cafe meinte, ich sollte aussuchen zwischen Freund und Feind. Es gibt kein Zwischendrin. Also entschied ich mich, dass mein Ansprechpartner mir hier auf die Nerven ging. Lässig nahm ich meine Hände an die Hüfte und schwang sie etwas nach rechts. Der Kerl könnte sich noch so vor mir aufplustern, ich wollte Shizuka helfen, also sollte ich so langsam mal los.

„Ich sage es nicht noch einmal. Schwing deinen Arsch aus meinem Blickgeld, damit ich vorbei kann.“, mein Ton wurde ernster.

„Bitte, was meinst du, mir einen Korb geben zu müssen. Du hast sie doch nicht mehr alle.“ Langsam kam er auf mich zu. „Hier herrsche ich, also wirst du nun mit mir kommen. Mit dem Großen Otowaru.“ Bedrohenden Blicks starrte er mir in die Augen. Die Anspannung schien nun immer mehr zu zunehmen.

„Ich gehe schon, nur mit einem solchen Idioten wie dir doch nicht, der sich aufspielen muss und trotzdem nichts in der Birne hat, unteranderem mit seinem Unterteil denkt, ist für mich erstens kein Mann. Und zweitens werde ich auch ungemütlich, wenn du dein Gesicht nicht aus meinem nimmt, Du stinkst!“

„Na dann, du wirst von mir noch hören, Kleine. Und ich sage dir, dann werde ich nicht so freundlich sein. Klar?“, mein Verehrer stapfte von dannen. Endlich allein. Auch die anderen Einkäufer gingen ihrs Weges. Dennoch, Blicke blieben an mir haften. Als ob ich sie nicht mehr alle hatte.

Ich ignorierte sie und ging aus dem Laden. Schon auf der Straße, rief mir wieder jemand zu. Seufzend, welcher Idiot es nun wieder auf mich abgesehen hatte, schaute ich über die Schulter. Zu sehen war ein schlanker Junge, vielleicht etwas in meinem Alter. Die Hand zu mir haltend, hastete er zu mir. Seine gelockten roten Haare standen in alle Richtungen und seine haselnussbraunen Augen auf mich gerichtet. Er freute sich über irgendwas, denn er strahlte über das gesamte Gesicht. Fehlte nur noch Sabber, dann wäre er das perfekte Beispiel für einen Hund, der wie verrückt dem Ball hinterherrennt.

„Hey, warte mal“, schrie er las ich mich zum Gehen wandte. Ich hatte keinen Nerv mehr für einen ausgeplusterten Macho, noch wollte ich nicht noch mehr Zeit verlieren, Shizuka könnte was weiß ich passiert sein.

„Jetzt bleib doch mal stehen“, er kam immer näher und schließlich erreichte er mich doch. Irgendwie hatte ich Mitleid mit ihm. Seine Kleider waren nicht gerade in einem guten Zustand.

„Was willst du?“, fragte ich ihn mit genervter Stimme.

„Also…“, er musste er einmal Luft holen.

„Fass sich kurz, ich habe es eilig!“

„Jaja, zu hast ganz schön Mut, weißt du das?“

„Wie meinen?“, ich erhob eine Augenbraue.

„Wie du dich ihm in den Weg gestellt hast. Unglaublich, weißt du denn nicht wer das ist?“, fragte er mich. Unglaublich schüttelte ich den Kopf. „Ist das denn so wichtig?“

„Klar, dass war die rechte Hand des Fürst dieser Gegend, Otowaru. Du steckst ganz schön in Schwierigkeiten, wenn er dich noch einmal zu fassen kriegt, weißt du das?“

„Schön, aber das hindert mich nicht daran, meine Mission zu gefährden, also wenn du mich bitte nun in Ruhe lässt.“ Ich wandte mich um und ging meinen Weg. Plötzlich bemerkte ich, dass es wieder dämmerte. War es schon Abend?

„Hey“, der Typ von vorhin. „Ich bin Ikiru. Und du?“ , er lief mir nach. Ich stöhnte und rollte die Augen.

„Wenn ich es dir sage, lässt du mich dann in Ruhe?“ er nickte, aber dennoch hatte ich den Verdacht, dass er mich immer noch nerven würde. „Yukino“, beantwortete ich seine Frage.

„Hallo Yukino! Sag mal, du bist aber nicht unbedingt aus dieser Gegend, oder?“, fragte er wieder neugierig.

„Was interessiert dich das denn?“, ich stoppte und sah ihn genervt an. „Würdest du mir bitte die Ehre erweisen und verschwinden, ich hab was zu erledigen, okay?“, ohne ein weiteres Wort drehte ich mich um und lies Ikiru stehen.

Ich dachte anfangs, es würde einfach werden Shizuka in der Menschenmenge zu finden, doch dem war nicht der Fall. Ich suchte noch den Rest des Abends nach Hinweisen, die mir weiterhelfen könnten, aber leider hatte ich weder eine Auskunft erhalten, noch wusste jemand etwas über sie. Seufzend lehnte ich mich an die Wand eines Hauses und versuchte einen klaren Kopf zu kriegen. Okay, einen Tag lang habe ich nach ihr gesucht, doch was war aus ihr geworden? Eigentlich war ich ja Optimist, doch ich befürchtete das Schlimmste. Was wenn ihr was zugestoßen ist. Verzweifelt tat ich meine Hände an den Kopf und überlegte. Eigentlich sollte ich noch einmal die ganze Stadt absuchen, aber ich war müde und hungrig. Außerdem wie sollte ich sie finden ohne jemanden, der sich hier auskannte. Problem nur: ich kenne keinen hier.

„Warum ich immer?“, flüsterte ich und senkte meinen Kopf auf meine Knie ich an mich zog. Zum Aufgeben war zwar keine Zeit. Das war klar und ich hatte auch verstanden, dass ich Shizuka aus den Händen der Ritter befreien musste. Nur wie stellte ich das an?

Wieder stieß ich einen Seufzer aus. Erst einmal sollte ich es ausnutzen, dass niemand mehr auf der Straße zu sehen war. Deshalb erhob ich mich in die Lüfte und betrachtete wieder die Stadt. So und jetzt? Nicht nur dass ich keine Ahnung hatte, was ich jetzt fabrizieren sollte, sondern auch mein Hunger und die Müdigkeit machten sich immer mehr an mir zu schaffen. Als ich wieder auf dem Boden angekommen war, suchte ich mir eine etwas gemütlich aussehende Ecke und schlief ein.

Hoffnungen?

Durch die traumlose Nacht hatte ich mich gut erholt, nur der harte Grund verursachte mir Rückenschmerzen. Ich reckte mich und betrachtete mein Schlafgemach. Wieder eine verlassene Gasse. Da und dort zeigten sich alte Kartons oder Schrottteile, manche Dinge ließen sich aber nicht mehr identifizieren. Vielleicht hätte ich einige Dinge gebrauchen, können aber ihr Aussehen machten es unmöglich. Das Tageslicht kämpfte sich durch die wenigen Löcher oder Stellen durch, sodass ein wenig Licht durchbrach. Meine Augen gewöhnten sich langsam an den Tagesanbruch.

Meine Beine trugen mich auf die Straße, die schon voll beladen mit Leuten und Menschen waren. Was mir erst jetzt auffiel war, dass alle nicht die besten Kleider trugen. Viele Teile zerschlissen und zerfetzt. Ich war wohl in einen Armenviertel gelangt. Eigentlich kümmerte ich mich wenig um andere Menschen, vor allem Bettler. Doch diese hier schienen trotz ihrer finanziellen Schwierigkeiten ein glückliches Leben zu führen. Einige lachten und strahlten über das gesamte Gesicht, andere unterhielten sich fröhlich und vergnügt mit ihrem Gegenüber.

Durch meine Klamotten fiel ich wenig auf. Mein Magen meldete sich wieder. Ich ging zu einem Stand und wollte nach einem Apfel greifen, doch da hörte ich Schreie. Neugierig wandte ich meinem Kopf in die Richtung und erblickte, dass sich das Menschenschaar in zwei Gruppen teilte. Sie bewegten sich, sodass eine Lücke in der Mitte entstand. Ich schloss mich den an, weil ich nicht auffallen wollte. Jetzt knieten sich die Leute hin. Ich tat auch dem gleich. Wahrscheinlich irgendein Fürst oder jemand anderes, der von großer Bedeutung waren. Trotzdem schien dieser jemand nicht gerade beliebt zu sein, denn die Fröhlichkeit von vorhin war aus den Gesichtern der Menschen verschwunden. Leise hörte ich ein Wiehern und ein Hufenschlag. Pferde erblickten sich und darauf mein Verehrer.

Unbemerkt versuchte ich, mich in die letzten Reihen zu begeben, denn ich hatte keine Lust, mich noch einmal mit jemand wie ihn zu messen. Außerdem schien er besser bekleidet zu sein, doch seine hohe Position steigt ihm zu Kopf. Eindeutig.

Ich sah auf den Grund, hoffentlich ritt er einfach vorbei. Doch leider wollte mir der liebe Gott wieder einmal einen Streich spielen oder er kann mich einfach nicht leiden, denn direkt vor mir blieb er stehen. Langsam und mit großer Mühe stieg er ab und blieb stehen, sah mit erhobenem Blick auf seine Untertanen.

„Begrüßt euren Herrscher, na los!“, schrie er, dabei verstreute er seinen Speichel schön in alle Richtungen. Na lecker. Dem Schein nach meinte er sich selbst, denn auf einmal küssten alle den Boden und verharrten in dieser Stellung. Wiederwillig tat ich es ihnen gleich doch erhob ich mich so weit, dass ich das Spektakel noch sehen konnte.

„Geht doch, nächstes Mal werde ich nichts sagen und wer sich nicht daran richtet, dem droht der Tod.“, um seine Drohung zu verdeutlichen, deutete er mit seinem Finger und dem Hals einen Kopf kürzer an.

Geklapper von Metall war zu hören. Zwei Ritter, genau die gleichen wie in der Nacht von Shizukas heldenhafter Tat, sprinteten zu ihm und verbeugten sich kurz.

„Wo wart ihr?“, fragte der Erhabene seine Ritter.

„Entschuldigt aufrichtig, Mylord, doch wir sind zu spät los“. Sprach einer von ihnen und verbeugte sich wieder.

„Wir werden uns später unterhalten. Jetzt will ich Ikiru Yamada sehen, wo ist er?“, rief er.

Sofort erhob sich eine Gestalt, alle Augenpaare richteten sich nun zu ihm.

„Was wünscht ihr, Mylord?“, fragte dieser mit dem Kopf nach unten gerichtet. Warte mal, das war dieser Typ der mich angesprochen hatte. Ich hoffte das Beste für ihn. Wenn es wirklich einen Gott gibt, und auch wenn er mich nicht leiden kann, würde ich ihn beten, dass er Ikiru ein besseres Schicksal auferlegt hat wie mir.

„So das bist du also. Was für ein armseliges Würstchen. Nicht einmal einem Köter würde ich solche Kleider geben. Eine solche Person ist eine Schande für diese Welt.“, verhöhnte er Ikiru. Er wiederum versuchte sich zu beherrschen, nichts zu sagen. Ich sah wie er die Fäuste ballte.

„Ich weiß und stimme euch zu, Mylord!“, sagte er ihm und verbeugte sich. Mir blieb der Mund offen stehen. Ikiru wurde beleidigt und stimmt noch zu. Beleidigt ist kein Ausdruck. Für diesen aufgeblasenen Vollidioten waren seine Untertanen nichts als Dreck, und so behandelt er sie auch. Noch durch die hohe Position, die er genießt, wagt es sich niemand, etwas zu sagen oder zu wiedersprechen.

„Komm her und küsse mir die Füße!“, langsam fing es bei mir an zu brodeln. Was glaubt er eigentlich wer er ist? Wenn ich doch nur etwas unternehmen könnte. Ich versuchtem ich zu beherrschen.

Ikiru befolgte die Anweisung und küsste ihn wirklich die Füße. Angewidert hielt er inne, doch Otowaru schlug mit dem Fuß immer wieder auf den Armen ein, sodass er vor Erschöpfung auf den Boden fiel.

„Hebt ihn auf“, befahl er den Rittern. Durch die Stütze der Ritter, blickte Ikiru ihn mit hasserfülltem Blick an. Eine kleine Platzwunde war an seiner Stirn zu sehn. Das Blut trat heraus und floss von seinem Gesicht, wo es auf den Boden tropfte.

„Du bist wertlos, genauso wir jeder hier.“ Otowaru ließ ein böses Lachen hören, dass sich eher wie ein raues Husten anhörte.

„Los, sag wie toll ich bin!“, forderte er ihn auf.

„Ihr seid….“, Ikiru konnte kaum ein Wort herausbringen.

„Zu schwierig wohl für einen dummen Jungen. Na dann, sag wie blöd du bist.“ Otowaru stichelte ihn immer weiter an, bis Ikiru etwas hören ließ.

„Ihr seid toll, wirklich super“, eher ironisch gemeint als ernst, sprach Ikiru sehr leise. Durch das ständige Lachen von Otowaru hörte es sich für ihn an wie ein Kompliment.

„Na also, geht doch. Los ich will von hier verschwinden. In diesem Drecksloch will ich nicht mehr bleiben, sonst werden ich mich noch anstecken mit irgendeiner Krankheit.“ Er schwingt sich auf das Pferd und ritt weg. Erleichtert darüber, dass er mich nicht entdeckt hatte, stieß ich ein wenig Luft aus. Nachdem sich auch die Wachen ihren weg gingen ließen sie Ikiru einfach auf dem Boden liegen. Er wiederum krümmte sich vor Schmerzen, doch selbst die Bewohner schienen sich nicht dafür zu interessieren, was aus dem Armen wird. Sie liefen wieder verstreut durch die Gegend und übersahen ihn. Da er der einzige war, der mich angesprochen hatte, nahm ich ihn und steuerte auf eine Gasse zu, sodass wir nicht gesehen werden. Andere würden uns nur stören.

„Hey, alles klar, Kleiner?“, ich klatsche ihm meine Hand ins Gesicht, immer stärker, doch bekam nur ein Söhnen zu hören. Das Blut war inzwischen getrocknet und klebte an seiner Wange. Zur Sicherheit nahm ich mein Piratentuch vom Kopf und band es um die Wunde, sodass sie, falls sie sich noch einmal öffnen sollte, den Bluterguss stoppen sollte. Viel verstand ich nicht von Heilkunde, oder die Gesundheit des Menschen, selbst mein Traumberuf war nie Krankenschwester oder Ärztin gewesen. Aber irgendetwas musste ich ja machen.

Was mir am meisten Sorgen bereitete war, dass Ikiru nicht aufwachen wollte. Immer wieder redete ich auf ihn ein, doch nicht einmal zuckte er zusammen. In Filmen wachen doch die Opfer immer auf, wenn man verzweifelt war, aber leider war das die Wirklichkeit, obwohl ich mir mein Leben anders vorgestellt hatte.

Ich stand auf und ging auf den Apfelstand zu. Der Obstverkäufer fragte mich, was ich wolle.

„Haben Sie hier einen Arzt?“, fragte ich ihn.

Doch er sah mich komisch an und zuckte die Achseln. Er schnatterte irgendetwas in einer Sprache, die ich nicht verstand. Eine Augenbraue nach oben und kopfschüttelnd verlies ich ihn und machte mich weiter zum nächsten Verkäufer. Auch wieder die gleiche Frage stellend, brachte er es zu Stande, in einer für mich verständlichen Sprache zu sprechen.

„Ja, es gibt hier einen, Ihr müsst nur dem Weg folgen und dann am Ende in eine kleine Gasse einbiegen. Dann kommt ihr am Marktplatz heraus. Dort müsste ein Heiler zu finden sein.“

„Danke! Sie haben mir sehr geholfen“, ich machte mich auf zu gehen, doch eine Frage blieb mir noch unbeantwortet. „Warum konnte ich den Obstverkäufer nicht verstehen?“, fragte ich nochmals.

Aber entweder ich in wieder verblödet oder ich bin zu doof um zuzuhören. Auch mein Gegenüber sprach nun in einer unbekannten unverständlichen Sprache.

Ich bedankte mich aber und ging zu Ikiru, er war inzwischen eingeschlafen. Jedenfalls sieht es so aus. Und wie schaffe ich ihn zu diesem Arzt?

„Du bereitest mir wirklich Schwierigkeiten, weißt du das?“

Ich versuchte ihn auszuheben und auf meinem Rücken Huckepack zu tragen. Es funktionierte, aber lange hielt ich das nicht aus. Trotzdem riss ich mich zusammen, ging direkt zu diesem Heiler.
 

Am Marktplatz angekommen, war mehr los, als ich dachte. Jeder sah uns an, als ob wir Aliens wären. Ich versuchte die Blicke zu ignorieren. Ich war kein Star, der Autogramme verteilt und den jeder anhimmelt.

Schließlich entdeckte ich die Arztpraxis und ging auch schleunigst hinein. Als ich sie betrat, kam ich mir vor wie im Mittelalter. Ein Zimmer, indem ich auch stand, war ein ähnliches Wartezimmer, manche saßen auf dem Boden oder auf Stühlen und schauten betrübt auf den Grund. Niemand betrachtete mich, während ich durch die Stube in das andere neben gelegenen Raum zusteuerte. Drinnen saß ein Mann auf einem Stuhl, beugte sich über einen Schreibtisch, sah konzentriert auf sein Blatt. Ich räusperte mich und er nahm sein Gesicht von dem Blatt. Jetzt konnte ich ihn besser ansehen.

„Ich bitte Euch zu warten bis Ihr dran seid“, sagte der Sekretär, doch ich blieb stur stehen. Mit einem ernsten Blick forderte er mich erneut auf, doch auch wieder konnte ich seiner Bitten ich nachgehen.

„Entschuldige, aber ich muss jemanden abliefern!“, sagte ich ihm

„Habt ihr einen Pass?“, fragte er mich dagegen.

„Einen Pass, äh… ich glaube nicht.“

„Dann könnt Ihr wieder gehen.“, er machte eine kurze Bewegung mit der Hand. Als er sah, dass ich wieder nicht auf ihn hörte, stand er auf und zeigte auf die Tür.

„Ohne Pass kann ich Euch nicht behandeln. Also…wenn ich Euch bitten dürfte…“, er blickte mich an, ich schaute in seine grauen Augen. Durch die ebenfalls grauen Haare sah er nicht aus wie ein Arzt. Auch nahm ich es ihm nicht ab, dass er die Patienten behandelte. Ikiru auf meinem Rücken stöhnte, er kam zu sich. Doch auch wieder öffnete sich die Wunde und Blut trat heraus.

„Ihr verschmutzt meinen Laden, also verschwindet, bevor ich zu härteren Mitteln greife!“, drohte er mir.

Ohne ein weiteres Wort ging ich aus dem Gebäude und auch blieb ich davor stehen. Na super, besser konnte es ja nicht laufen! Was mache ich jetzt mit Ikiru. Da er mir langsam zu schwer wurde, ließ ich ihn an eine Wand lehnend zurück und beschaute die Gegend, ob nicht noch ein Arzt zu finden war.

Noch bevor ich bemerkte, dass jemand sich Ikiru näherte, hatte dieser Jemand auch ihn schon in der Hand. Schnell drehte ich mich um und sah einen alten Mann, dessen graue Haare lang auf seine Schultern fielen. Seine Kleider waren nicht in gutem Zustand, doch er ließ sich nicht von mir stören. Weil ich dachte, er wolle nach Geld suchen, ging ich auf ihn zu und sagte: „Bei ihm wirst du nichts finden. Also geh wieder“, doch er ignorierte mich weiter und untersuchte die Platzwunde.

„Ganz schön tief“, meinte er nur und berührte sie. Das Resultat bestand daraus, dass Ikiru vor Schmerz zusammenzuckte, aber nicht aufwachte.

„Hay, du tust ihm weh!“, rief ich. Ich wollte den Bettler von meinem Freund wegzerren, doch er schien mich gerade erst richtig registriert zu haben.

„Hast du ihn etwa herumgeschleppt? Da war nicht gut, aber trotzdem hast du dir Mühe gegeben.“, er sah mir direkt in meine grünen Augen. Obwohl der alte Greis mir unheimlich vorkam, hatte er schöne eisblaue Augen. Sie strahlten förmlich wie Sonnenstrahlen, man sah sie sofort. Trotz seines Ausstrahlens hatte er etwas Nettes an sich.

„Ich wollte ihn zu diesem Arzt bringen, aber er hatte Ikiru nicht versorgen wollen. Deswegen bin ich hier.“, ich brauchte Hilfe, und hoffte auch von diesem Mann welche zu bekommen.

„Komm mit!“, sagte er, während er sich umdrehte und ging. Schnell hob ich Ikiru auf meine Schulter und versuchte durch Gleichgewicht dem Mann zu folgen.

Nachdem wir an einem Haus angekommen sind, schloss er die Tür auf und lief hinein. Dabei winkte er auch mich zusammen mit meinem Getragenen.

Viel bot die Einrichtung nicht, nur ein kleines Bett, Tisch ein Stuhl, und ein paar Kerzen für Licht. Langsam dachte ich wirklich im Mittelalter gelandet zu sein.

„Leg ihn aufs Bett“, wies er mich an und ich tat dem nach. Der Alte kam mit einer Schere und anderen Verbandsmaterialien an das Gestell. Er tupfe mit einem in ein Medikament getrunkenes Tuch auf die Wunde. Auch wieder schrie Ikiru auf.

„Bist du dir sicher, dass…“, wollte ich fragen, doch plötzlich rief der Mann: „Ruhe, ich muss mich konzentrieren.“ Ich verstummte und schaute ihm bei der Arbeit zu. Dem Schein nach verstand er etwas von seinem Handwerk, denn der nahm professionell Dinge in die Hand, tupfte da und dort irgendein Zeug auf die Wunde und Ikiru schlief seelenruhig weiter.

Er vollendete sein Kunstwerk, indem er nun die Wunde mit einem Verband schmückte.

„So, fertig.“, er rieb sich den Schweiß aus der Stirn und entsorgte das mir Blut vollgesogene Tuch von mir.

„Ich danke dir“, sagte ich zu ihm. Er wiederrum starrte mich wieder lange an und lächelte.

„Du hast wohl gedacht der Heiler vom Marktplatz könne ihm helfen, oder?“

Ich nickte.

„Naja, wer neu hier ist kennt sich nicht aus. Der wollte dir nur Geld aus der Tasche ziehen. Aber er erkennt wer Kohle hat und wer nicht. Da du auch zu denen gehörst, die arm wir eine Kirchenmaus sind, schmeißt er gleich raus.“

„Wie kann ich dir danken?“, fragte ich aus Neugier. Bevor ich noch etwas bei Ikirus Retter offen hatte musste Shizuka warten.

„Ich will nur, dass der Kleine gesund wird. Bleib am besten die Nacht noch hier, sonst hat er niemanden.“, und somit verabschiedete er sich und ging in einen anderen Raum, indem wohl er schlief.

Die Nacht blieb ich wirklich bei Ikiru, aber kam mir vor wie ein Prinz seine Prinzessin schützt oder wie ein Wachhund. Manchmal summte oder murmelte etwas vor sich hin, doch er schlief ruhig und ohne Albträume. Da in der Nacht nichts aufregendes passierte, nickte ich ein und träumte wieder. Doch dieser Traum war alles andere als schön. Ja richtig, hundert Punkte und eine Waschmaschine wer für einen schrecklichen Albtraum tippt. Und ihr habt richtig geraten.
 

Ich befand mich in dem Cafe, indem mich der komische Kauz ansprach und mir Rätselaufgaben stellten. Immer wieder wiederholte er seine Sätze, sodass ich sie mir langsam einprägte. Nachdem ich endlich einen Ton herausbekam, befand ich mich in einem Kerker. Ich wusste nicht warum, oder wieso. Aber ich konnte alles von oben betrachten. Niemand sah mich, aber ich konnte sie sehen.

Der Schmerz von der ersten Nacht durchströmte meinen Körper, und ich schrie auf. Peitschenhiebe regneten auf mich ein. Der Schmerz wurde größer während ich mich versuchte, mich nicht daran zu erinnern und aufzuwachen. Doch irgendjemand hinderte mich daran. Wer war das? Langsam und mit großer Mühe öffnete ich meine Augen und sah ein Mädchen. Durch die Dunkelheit erkannte ich nur die Kleider. Sie waren bläulich oder schwarz? Genau konnte ich es nicht sagen, denn der Schmerz machte es mir unmöglich zu sehen, was da unten passierte. „Yukino!“

„Hör auf, ich kann nicht mehr!“, schrie ich aus Verzweiflung.

„Yukino, wach auf!“, jemand rief nach mir. Ich soll aufwachen? Wie denn?
 

Langsam öffnete ich die Augen und erkannte Ikiru über mich gebeugt. Er strahlte über das ganze Gesicht. Er schien ihm wieder gut zu gehen. Das freut mich. Durch den linken Arm stütze ich mich und saß in der Hocke. Meine Augen reibend merkte ich, dass wir nicht mehr in der Hütte des alten Mannes waren.

„Aber wie...?“, ahnungslos fragte ich mich wieder, wie ich hier her gekommen war.

„“Schlaf nicht! Wach auf, komm, es ist schon lange hell.“, Ikiru hüpfte wie ein verrücktes Huhn über die Gasse. Schon wieder eine Gasse? Wie oft denn noch?

„Wie geht’s deiner wunde?“, erkundigte ich mich.

„Ohne dich würde ich immer noch bluten wie die Sau. Du hast das wirklich für mich getan und nicht aus Mitleid?“, seine Frage war sehr ernst an mich gerichtet. Nickend stimmte ich ihm zu. „Was soll ich sagen?“, verlegend schaute er den Boden an.

„Einfach nichts, okay?“, antwortete ich ihm. Er nickte und lächelte wieder. „Doch eines interessiert mich trotzdem. Was hast du mit dem Kerl zu schaffen?“

„Wen meinst du?“, fragte er wieder.

„Na, Otowaru! Wen sonst, von wem hast du denn deine Platzwunde zu verdanken?“, meinte ich in einem ironischen Ton.

„Warum fragst du?“, meinte er nur.

„Stellst du immer Gegenfragen?“

„Ehrlich?“

„Ach zum Teufel! Wenn du es mir nicht sagen willst, dann sag es mir gleich und rede nicht drum rum!“, stellte ich klar fest.

„Jaja, schon gut, nicht gleich ein Grund auszurasten!“, er rückte ein paar Zentimeter von mir ab.

Also, was mache ich jetzt? Schon wieder bin ich so ahnungslos wie vor ein paar Stunden. Deswegen lies ich ein Stöhnen ertönen.

„Ist was?“, fragte Ikiru neugierig. Da er hier in dem Viertel nicht gerade einen guten Ruf hatte und außerdem ich ihn nicht schon wieder in Schwierigkeiten bringen wollte schwieg ich. Nachdem er von mir keine Antwort zu hören bekam, sagte er schließlich: „ Suchst du jemanden?“

Sofort schrak ich auf und starrte ihn an. Er aber lächelte. Sein Grinsen war kaum zu übersehen.

„Also doch.“

„Woher…?“, flüsterte ich, doch ich versuchte meine Gefühle zu verbergen. „Warum fragst du?“, meinte ich dagegen.

Nach seiner Mimik an zu schließen hatte er mich auf frischer Tat ertappt.

„Nur so.“, unschuldig wie ein Lamm machte er sich auf zum Gehen. Doch ich stand schnell auf und hielt ihn am Arm fest. Ikiru wandte sich zu mir und starrte in meine smaragdgrünen Augen. Er hielt meinem Blick stand, sein ernster Gesichtsausdruck überraschte mich.

Was soll ich jetzt machen? Wenn ich es ihm sage, dann bringe ich ihn wahrscheinlich noch mehr in Schwierigkeiten, als er ohne hin nicht schon ist. Und außerdem was bringt es ihm das zum wissen? Es ist ja nicht so als ob er mich dann besser versteht oder mir helfen könnte. Auch wenn mich meine Neugier antreibt und ich wissen will was er mit diesem Fürsten Otowaru zu tun hatte. Selbst da hatte er es mit nicht gesagt. Wenn ich ihn allerdings nichts verrate, wird er nur noch weiter darauf eingehen und so lange mir auf die Nerven gehen, bis ich nachgeben muss oder ich lüge ihn an, aber meine Künste darin sind nicht gerade vorbildlich. Sofort würde er mich dabei ertappen. Also was blieb mir anderes übrig? Trotzdem wollte ich mich meinem Schicksal noch nicht hingeben.

„Ja du hast Recht, ich suche jemanden?“, lies ich ihn wissen, doch mehr auch nicht.

„Und wen?“, hinterfragte er. Weiterhin starrte er mich mit seinem ernsten Gesichtsausdruck an.

„ Jemanden!“, meinte ich nur. Doch so langsam verzweifelte ich. Ich wollte Ikiru weitere Treffen mit Schlägen oder Tritten ersparen, deshalb schwieg ich.

„Wen?“, diesmal bedrohlicher.

„Ach verdammt, was geht dich das an?“, alle Gefühle strömten nur so aus mich heraus. Selbstkontrolle war jetzt nicht mehr vorhanden. Heulend sank ich auf den Boden. Tränen über Tränen rannten mir über das Gesicht und tropfen einzeln zu Boden. Schluchzend sah ich auf als Ikiru näher kam. Seine Hand auf meine Schulter legend blickte er mich mit einem besorgt an.

„Schon gut.“, er lächelte mir zu. Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich als Heulsuse kniete vor ihm und er lacht. Lächeln? Wann hatte ich das letzte Mal die Gelegenheit dazu zu lächeln, zu lachen.

Schwach erinnerte ich mich wieder an die Begegnung mit Akita und Tsurino. Beide lachten als sie mich fanden. Ich lachte mit. Ikiru lächelte auch.

„Alles wird gut“, er kam immer näher als er schließlich mich in den Arm nahm. Ich kam vor Staunen nicht mehr ein Wort heraus.

„Wie?“, mein erster Satz nach mehreren Minuten. „Wieso?“

„Hey, warum heulst du? Das macht die Sache doch auch nicht besser.“, seine Aufmunterungsversuche schlugen bei mir fehl, aber ich fühlte mich besser. Eine Hand hielt er zu mir hin, ich nahm sie entgegen.

Als ich mich endlich wieder beruhigt hatte, lachte Ikiru immer noch und ich musste schmunzeln.

„Vollidiot!“, meinte ich zu ihm. Doch immer noch traten aus mir Schluchzer auf.

„Also, ich höre.“ Na gut. Ich erzählte es ihm. Alles. Vom Treffen mit den Schwarzem Gestalten, den Kampf mit meiner Stadt, von Shizuka und den anderen, von den Rittern und meinem Hauptproblem. Doch die Sache mit dem Fliegen ließ ich aus. Er würde mich für verrückt erklären. Nach einer Weile und manchen Kommentaren setzte er sich zu Boden und überlegte.

„So, das ist dein Problem!“, meinte er. Ikiru kam mir vor wie ein Professor vor, der jahrelang lebte und alles weiß. Von wegen ich habe keine Fantasie. Er schien nach einer Lösung zu suchen. Aus diesem Grund fragte ich ihn auch, was er vorhatte oder ob er eine Ahnung hat, was jetzt zu tun wäre.

„Hast du wirklich Ritter gesehen?“, vorsichthalber fragte er noch einmal nach.

„Ja, wirklich.“

„Na dann, ist alles klar“, schelmisch grinste er.

Ich starte ihn ahnungslos an. „ Was?“

„Wir retten sie!!“, sagte er.

Verbündete?

Eigentlich würde ich gerne in seinen Plan eingewiesen werden aber nachdem ich jede Minute danach fragte starrte er mich an und beantwortete mir meine Frage mit demselben Grinsen und demselben Satz: “Warts ab, es wird ziemlich lustig. Glaube mir!“

Schön, er wusste was und ich wollte es wissen, und er hatte natürlich eine Idee wie wir Shizuka finden könnten. Frage mich nur wie das aussehen sollte.

Es war mittlerweile Nachmittag und wir standen immer noch Däumchen drehend in der Gasse, in der ich meine Lebensgeschichte offenbart hatte. Still schweigend streichelte Ikiru seinen imaginären Bart. Mir kam er immer noch wie ein Professor vor.

Stundenlang hatte ich nun in der engen Straße gewartet, jedoch kein Ton mit meinem Freund gewechselt. Ich wollte ihn nicht stören bei seinem Gedankenspiel. Irgendwann wurde es mir zu blöd, dass ich mich an die Wand lehnte, die ich vor einigen Momenten noch verflucht hatte. Stabil war sie, jedenfalls konnte sie mich unter meinem Gewicht tragen. Meine Arme verschränkte ich und zog eine Augenbraue gen Himmel.

„Sag mal, hast du jetzt genug geplant oder willst du weiter hier noch Wurzeln schlagen?“, doch auch wieder bekam ich nur ein Brummen zu hören.

„Also, wie sieht deine ach so geniale Idee nun aus?“, ich durchlöcherte ihn weiter. Nichts, nur ein Brummen.

„Rede nicht so viel, das schadet deinen Stimmbändern!“, witzelte ich, aber entweder beachtete er mich nicht oder er war zu sehr in seine Gedankenwelt vertieft. Ich konnte es ihm nicht übelnehmen. Ich selbst war auch einmal so ein Träumer gewesen. Immer gedacht die Welt sei voller guter Dinge, nirgendwo Krieg oder Verderben, immer und auf der ganzen Welt Frieden.

Bis das mit meiner Mutter passierte.

Keine Ahnung, ob ich überhaupt noch hoffte oder an etwas oder jemanden glaubte. Mein Vater…

Dunkel erinnerte ich mich an ihm. Vier Jahre Einsamkeit hinterlässt viel. Eigentlich wollte ich mich nicht an ihn erinnern. Nachdem meine Mutter nun den Gänseblümchen von unten beim Wachsen zusieht, bezweifle ich, ob ich jemals Freunde hatte. Von außen mag ich eine selbstbewusste Person sein. Dies verdankte ich den Menschen, die mich verachteten. Heulen brachte nicht viel, und sie brächte auch nicht meine Mutter zurück. Niemand konnte das. Leider.

Ich schloss die Augen um die Erinnerung an diesen Augenblick aus meinem Kopf zu verbannen, aber es gelang mir nur schwer. Eine Ablenkung käme wie gerufen.

Und die geschah auch. Ikiru erhob sich von seinem Sitzplatz, der aus Steinen und Beton, auch Boden genannt, bestand und rieb sich den Hintern.

„Ganz schön gemütlich, nicht wahr?“

Er drehte sich um und gähnte. Das durfte nicht wahr sein.

„Sag mir jetzt nicht, dass du die ganze Zeit gepennt hast?“, genervt davon kam ich bedrohlich näher.

„Nein, nein. Ich war nur etwas….nach etwas gesucht, wenn man es so sagen kann.“, erzählte er mir.

„Kannst du mich nicht langsam einweihen?“, fragte ich ihn.

Grinsend schaute er mich an, wandte sich aber ab und verließ die Gasse. Ich rannte ihm nach. Gemeinsam liefen wir nun die Straße hinab.
 

Es dämmerte langsam, doch bis jetzt wusste ich nur unser Ziel. Wie wir da hingelangten, wusste ich nicht.

„ Er müsste es wissen!“, Ikiru flüsterte irgendetwas vor sich hin. Lässig nahm ich die Hände hinter den Kopf. Wenn ich wieder anfing, ihn zu fragen, warum und wieso, würde er es mir sowieso nicht verraten.

Trotzdem fragte ich neugierig: „ Sag mal, was haben wir denn jetzt vor?“

„Wir werden ihn am besten gleich suchen. Sonst verpassen wir ihn noch!“, meinte er.

„Und vom wem sprichst du?“, fragte ich nochmals.

„Von Kyosho! Der Kerl wird uns vielleicht helfen können.“

„Aha, und wer ist das?“

„Eine Legende besagt er solle einen Drachen alleine besiegt haben und ziemlich stark sein. Ich aber glaube dem nicht so ganz!“, beantwortete er mir.

Sofort kam mir eine Person in den Kopf.

„Ein Ritter also.“, stellte ich fest.

„Ich weiß es nicht. Manche sagen, dass er einer ist, oder andere behaupten er habe sich schon früh zur Ruhe gesellt. Alles nur Gerüchte. Wie kann ein einzelner Mensch einem mächtigen Drachen trotzen. Einfach unmöglich!“, seine Meinung verdeutlichte er ziemlich.

Warte mal, einen Drachen?

„Es gibt hier Drachen?“, verdutzt starrte ich ihn an. Ich blieb stehen und glotze Ikiru von oben bis unten an.

„Natürlich, was dachtest du denn? Naja, wenn man es so nimmt, nicht ganz.“

„Eine Aufklärung wäre nicht ganz schlecht!“

„Ähm, also, es gibt Frauen und Männer und…“, fing er an, doch er meinte seinen Kommentar nicht ernst.

„NICHT DAS! Das weiß ich selber. Wie kann man nur so blöd sein?“, ich fasste mich am Kopf. Er lachte aber nur.

„Sorry, aber das musste sein. Also gut. Es ist ja noch eine Strecke!“ Ich machte mich auf eine lange Story gefasst. Ein Schwätzer war Ikiru nicht und ich hoffte mehr von dieser Welt in Erfahrung bringen zu können, sodass ich mich besser anpassen konnte.

„Bis wir bei ihm sind, müssen wir bis zum nächsten Dorf laufen. Das ist gleich hinter dem Hügel, aber zwei Stunden werden wir laufen müssen.“

Er zeigte auf einen Berg. Die Sonne war hinter ihm untergegangen, weswegen sich der Himmel rötlich verfärbte. Auch gelbe und vielleicht auch bläuliche Farben spielten miteinander. Der Anblick war grandios. Ich blieb noch eine Weile stehen und betrachtete die Schönheit der Natur.

„Bis nach Zankokuna werden wir laufen müssen.“, wiederholte er sich.

Nachdem wir aus der Stadt waren, fing Ikiru an zu erzählen.

„Das Land ist eigentlich eine riesengroße Insel. Vom Meer umgeben kommt niemand hierher oder hier weg. Wenigen ist die Flucht gelungen, und denen, die das große Glück hatten, von ihnen wurde nie etwas gehört.“, um dem Ganzen mehr Betonung zu geben vertiefte er seine Stimme und seine Mimik veränderte sich stark.

„Zwei Fragen: Erstens, was heißt Zankokuna überhaupt? Und zweitens, warum kommt niemand hier weg, ihr habt doch Schiffe? Oder sehe ich das jetzt falsch?“, alles verstand ich nicht ganz.

„Nun, das Dorf wurde ursprünglich von Japanern belagert und übernommen. In der Umgebung gab es schon immer Krieg und Hass. Das Land ist von diesen Gefühlen geprägt. Nachdem sich die Dorfbewohner gewehrt haben und keinen Streit oder Krieg mehr wollten, wurde es vor nicht einmal 10 Jahren vollständig zerstört. Deswegen Zankokuna, also „grausam“, wenn du es so willst.“

Er machte eine Pause. Ich schluckte schwer. Das hatte ich nicht erwartet.

„Aber…wieso gehen wir jetzt da hin, wenn niemand mehr dort wohnt.“, fragte ich.

„Es ist wieder bewohnbar, jedoch ist die Stadt zu voll, sodass wir keine Flüchtlinge mehr annehmen können, geschweige denn der Fürst gestattet niemanden mehr.“

Er sah mir direkt in meine Augen. Sein trauriger Blick zeigte, dass er einiges hinter sich haben müsste.

„Das Land wurde, nachdem man sich gegen den Krieg entschieden hatte, in mehrere kleine Gebiete geteilt. Jedes dieser Gebiete hat einen Fürsten, den die uneingeschränkte Macht zugetragen war. Das Volk wird nur so lange leben, wie die Gnade der Fürsten anhält. So viel steht fest.

Und zu deiner anderen Frage: Man kann aus diesem Land flüchten, aber niemand will an einem unsinnigen Tod sterben. Wer ist denn heute so stark außer denjenigen, die dem Fürsten dienen? Wie die Ritter. Und wenn sich jemanden gegen sie stellt…“, er fuhr mit der Hand über den Hals.

„Deswegen hast du dich nicht gegen Otowaru gewehrt? Weil du nicht sterben wolltest, richtig?“, meine Vermutung bestätigte sich durch sein Nicken.

„Außerdem ist laut einer Sage die Insel von Monster umgeben, so laut diejenigen, die es gewagt haben, die Insel zu verlassen. Andere behaupten, es ist die Macht der Götter, andere meinen es ist der König selbst, der dieses Land als oberster Herrscher regiert. Er sei ein Sohn der Götter oder Tochter, weshalb man sagt, sie sollen außergewöhnliche Mächte besitzen.“

Ich musterte ihn. Ikiru sah geradeaus. Seine strengen Gesichtszüge hinterließen ein Frösteln auf meinem Rücken. Aber auch seine Geschichte verursachte bei mir ein eiskaltes Herunterlaufen auf meinem Rücken.

Eigentlich sah er nicht schlecht aus. Seine fast weinroten Locken betonten sein rundes Gesicht deutlich. Die haselnussbraunen Augen wandten sich nun zu mir und sahen mir direkt in die meine. Seine Statur bestand aus keinem Schrank, aber er war auch nicht dürr. Genau mein Typ. Seine Muskeln verdeckte er durch seine Kleidung.

Leise lächelte ich in mich hinein. Welche Ironie des Schicksals. Ich hatte nichts für Männer übrig. Sie verraten einen nur, sind grausame Menschen. Ich hasste sie, meinen Vater,… er trug die Schuld daran. Ich hoffte er drehte sich im Grabe herum. Und wenn nicht verfluchte ich ihn. Sollte ihm doch das Schlimmste passieren.

Und jetzt? Jetzt gefällt mir einer dieser Wesen? Zweifel kamen auf.

„Yukino? Alles klar?“, fragte mich Ikiru, als er mich etwas schüttelte.

„Was? Jaja, erzähl ruhig weiter.“, antwortete ich ihm.

Bevor er wieder anfing, sah er mich an.

„Okay, der König soll ja der Sohn der Götter sein. Demnach soll vor was weiß ich vielen Jahren er mit einer Göttin sechs Kinder gehabt haben, die sich wiederrum um die sechs großen Gebiete verteilten und dort herrschten. Wenn man es so will, es sind auch die Fürsten. Kein normal Sterblicher darf es wagen ihnen in die Augen zu schauen, man muss die vergöttern, und so weiter. Schließlich sind sie die Kinder von einer Göttin geboren worden.“

Wieder sah ich ihn an. Die Dunkelheit, die sich langsam um uns verbreitete, ließ in mir Angst aufsteigen, doch ich hielt mich zurück zu schreien.

„Die Kinder waren nach der Angst der Menschen benannt, geschweige denn die negativen Gefühle und die Ängste, sodass man es nicht wagen sollte ihnen zu trotzen oder sie nicht zu vergöttern.

Die Fürsten werden heute noch so benannt. Auch ihr Gebiet heißt so. Unseres, in dem wir und gerade befinden wird Keibetsu, also Verachtung, genannt. Wie du selbst gesehen hast wird das einfache Volk von den Adligen verachtet.“

Ich unterbrach ihn: „Gibt´s eigentlich auch so Adlige wie im Mittelalter?“

„Wie?“, er runzelte die Stirn.

„Naja, zuerst dir Sklaven, dann die Bauern, dann die mit Geld, die Adligen und so, verstehst du?“, ich versuchte ihm unsere Geschichte erklären.

„Naja, wie soll ich dir das Erklären? Also hör zu: Es gibt nur das Volk, dass die meiste Bevölkerung der Insel ausmacht. Danach folgen die Ritter oder Gefolgsleute des Fürsten, wie seine Wachen. Über ihnen steht die rechte Hand eines Fürsten, die Fürsten selbst und danach eben der König.“

„Also hast du nichts zu sagen?“, Freiheit war mir wichtiger als alles andere auf der Welt. Solange ich gefangen war, ich würde viel lieber sterben.

„So ungefähr. Also die anderen Gebiete wurden Shi, also Tod, danach kommen wir, Keibetsu, rechts daneben folgen Feuer, Kasai, und Trauer, Soretsu und Waru, was so viel wie Böse heißt, benannt. Diese Länder umgeben das Zentrum, Senta, indem der König sein Reich hat.“

„Und was ist mit den Drachen? Oder gibt’s auch noch andere Fabelwesen?“, neugierig schaute ich ihn an.

„Man erzählt sich, dass es eine Gruppe gegeben hat, die für die Befreiung von Jiko gekämpft haben soll. Ob diese allerdings wirklich existiert, weiß ich nicht. Denn niemand hat etwas von ihr gehört. Aber…“, langsam fing er an, seine Mimik zu verändern. Er musste sich bei irgendetwas beherrschen, nicht auszusprechen, dass vermutete ich jedenfalls. Ich hoffte, ihn nicht zu arg gequält zu haben.

„Alles okay?“, fragte ich vorsichtig nach. Nickend machte er weiter.

„Diese Vereinigung habe Fabelwesen wie Drachen oder Kobolde als Verbündete gehabt. Es gab auch Außerwählte, die Drachen haben reiten können, doch das ist alles nur erstunken und erlogen!“, am Ende schrie er fast. Irgendwas verheimlichte er mir. Aber wenn ich nachfragte würde er mir wahrscheinlich ein Ohrfeige geben und wütend weglaufen. Deswegen hielt ich mich zurück. Er wollte mir ja nicht einmal etwas von Otowaru erzählen.

„Okay, wirklich, als Erzähler würdest du ziemlich gut durchgehen, verdient man dabei was?“, fragte ich ironisch, um den angespannten Augenblick zu entgehen.

„Wir sind da.“, meinte Ikiru nur.

„Ich mein ja nur, sorry…“ murmelte ich vor mich in. Dann sah ich das Dorf unter mir. Eine Hälfte war vollkommen zerstört. Sumpflandschaft breitete sich aus und drohte das Dorf zu verwachsen, doch die Einwohner lebten in kleinen Häusern friedlich zusammen. Vereinzelt kamen sie heraus, ein kleiner Markt hatte sich auf dem Marktplatz versammelt.

„Warum meinst du, dass dieser Typ uns helfen könnte?“, fragte ich nach, nachdem wir und in das Dorf gesellt hatten. Kurz vor dem Eingang hielt er an und starrte mich an.

„Weil er in dem Gefängnis gearbeitet hat und mir der einzige bekannte Mensch der sich in der Nähe zur Ruhe gesellt hat. Das sollten wir nutzen. Und noch was, würdest du bitte aufhören so viele Fragen zu stellen, vor allem jetzt, es kann dich einer hören. Wenn du erkannt wirst, dass du nicht von hier stammst, könnten wir beide große Probleme bekommen!“, warnte er mich.

Nickend schmiss ich imaginär einen Schlüssel weg, nachdem ich meinen Mund zugeschlossen hatte.
 

Viele Leute, die uns über den Weg liefen, hatten wir nach Kyosho gefragt. Doch vergeblich. Niemand wollte, konnte etwas sagen, aber sie wussten etwas. Als wir schließlich an einem Stand den Verkäufer fragten, meinte dieser wir müssten am Rand des Dorfes suchen. Als dies auch abgeschlossen war, hatten wir nichts gefunden.

Erschöpft lies ich mich an dem Brunnenrand nieder und massierte mir die Waden. Ikiru blieb stur stehen und starrte geradeaus. Seinen Kopf hochrot, lief er nun nervös auf und ab.

„Wenn du so weiter machst, dann explodierst du.“, meinte ich zu ihm, um ihn etwas runterzubringen. Aber er hörte mir nicht zu.

Noch mindestens blieben wir eine Stunde am Dorfrand und warteten, dass etwas passierte. Ich hatte mich wieder etwas auskuriert, stand auf und betrachtete Ikiru. Er hatte sich auch wieder beruhigt, kam auf mich zu und blieb vor mir stehen.

„Was machen wir jetzt?“, fragte ich nach.

„Ich weiß es nicht, wirklich nicht! Und ich dachte ich hatte ihn gefunden.“

Ich wusste auch nicht weiter, aber irgendwie kamen mir die Wörter des mysteriösen Mannes auf, denn ich im „The Night Dream“ getroffen hatte. Wie hypnotisiert sprach ich dessen Worte nach.

„Viele sehen nie das, was sie sehen, doch andere machen die Augen zu und sehen trotzdem.“, flüsterte ich. Meine Stimme war nicht mehr meine. Die Welt vor mir verschwamm. Ich sah undeutlich Wesen, die meinen Namen riefen. Ein Brüllen war zu hören. Alles verschwamm wieder.

Blinzelnd kam ich wieder zu mir. Was war das denn? Ich musterte Ikiru, doch er überlegte fieberhaft, wie wir diesen Kyosho finden konnten.

Aber was hatte das zu bedeuten? Dieser Satz.

Viele sehen nie das, was sie sehen.

Ich sehe Dinge nur vor mir, jedenfalls was mir meine Augen mir zeigten. Das müsste also heißen, man sieht nur durch die Dingen, die man sieht und betrachtet sie nicht genau. Also müsste dann auch etwas dahinterstecken. Und wenn ich meine Augen schließe und mich konzentriere, dann sehe zwar nur Dunkelheit, aber ich fühle Dinge, die ich zuvor nicht wahrgenommen hatte.

Genau dies tat ich jetzt auch und nahm eine warme Aura war. Ohne meine Augen zu öffnen wusste ich, dass Ikiru nun aufgestanden war und wieder nervös wie ein Huhn herumlief. Doch ganz schwach fühlte ich noch etwas, diese Aura schlängelte sich durch das Dorf weiter raus. Nicht weit von hier entfernt würden wir Kyosho also finden.

„Komm mit“, forderte ich Ikiru auf. Er sah mich verdutzt an, doch folgte mir ohne Wiederrede. Wie von jemand kontrolliert lief ich gezielt aus dem Dorf und blieb dann nach ein paar Minuten stehen.

„Dort, da wohnt er“, ich zeigte auf ein altes Haus, dass schon sehr viel hinter sich haben müsste. Vermoortes Holz zierte die Hütte, die Pflanzen schlangen sich um die dünnen Wände. Ein Eingang war vorerst nicht zu finden, denn die Dunkelheit erschwerte die Suche. Die Umgebung glich einem Dschungel, jedenfalls stand am Rand die Hütte, hinter ihr waren übliche Geräusche des Urwaldes zu hören.

„Bist du dir wirklich sicher?“, Ikiru müsste mich für verrückt halten. Doch ich war mir sicher. Diese Aura kam aus dieser Hütte.

„Ja, ich spüre es einfach, dass er dort drin sein muss“, antwortete ich ihm.

„Okay, naja ich hatte mir das jetzt ein wenig anders vorgestellt, aber wenn´s sein muss“ Er seufzte.
 

Nachdem wir uns in die höhlenähnliche Hütte gewagt hatten, sahen wir niemanden. Manchmal riefen wir auch, aber weder ein Antwort nicht einmal ein Fiepen einer Maus.

Die Inneneinrichtung bestand aus einem Stuhl, davor ein Mahagonitisch, einem alten Bett und einem kleinen Schrank. Alles war vermodert. Wie ein Spukschloss, naja eher eine Spuckhütte. Über meinen kleinen Witz lächelte ich schwach.

„Und was jetzt?“, fragte Ikiru mich, als er auf dem Boden Platz nahm. Er runzelte die Stirn und begann zu überlegen.

„Wenn du die ganze Zeit nach wissenschaftlichen Ergebnissen suchst werden wir ihn auch nicht finden. Ich bin mir ganz sicher, hier ist er irgendwo.“, ich beharrte darauf. Mein Gefühl betrog mich nicht. Sie wurde immer stärker. Wie Elektrizität.

„Irgendwo ist gut.“, er lachte leise.

„Spürst du das nicht?“, ich sah ihn an, wie man in der Nacht eben jemanden angucken konnte.

„Was denn? Da einzige dass ich fühle sind die Ameisen, die hier auf meiner Haut herumkriechen und das einzige, was ich rieche, ist das modrige Holz und die verrotteten Möbel.“, meinte er in einem ebenso ironischen Ton, wie ich ihn in der Gasse genervt hatte.

Rache ist zwar süß, aber sein Ton verdeutlichte Desinteresse. Von Natur wollte ich zu solchen Reden meinen Senf dazu geben, aber ich hielt mich zurück. Schließlich konzentrierte ich mich auf mein Gefühl ich schlich durch die Hütte. Ikiru blieb auf dem Boden hocken und seufzte. Wahrscheinlich stempelte er mich jetzt als Verrückte ab, aber das war mir egal.

Ich schloss die Augen und spürte zwar die Aura intensiver, trotzdem, ich verlor meinen Orientierungssinn. Ich vertiefte mich und schloss alles um mich herum aus. Alles und jeden. Ikiru konnte ich schon lange nicht mehr hören, die Grillen, die normalerweise fröhlich ihr Konzert zirpen, hörte ich nur in beachtlicher Entfernung.

Langsam nahm ich sie wahr. Ein Duft, nein, eine Macht, die mich einschloss. Ikiru strömte ebenfalls eine solche Macht aus. Ich war anscheinend umgefallen, denn ich lag nun in den Armen Ikirus, er rief mir immer wieder zu ich solle aufwachen, doch mein Körper gehorchte mir nicht. Geistig wehrte ich mich dagegen, sagte mir immer wieder: „Beweg deinen Arsch!“

Die Kraft verstärkte sich und führte in den Wald. Der Weg bahnte sich durch meine Augen und ich schlug sie auf. Ich sah eine weitere Hütte in der sich eine Falltür befand. Dort würden wir ihn finden. Kyosho.

„Yukino, wach zum Teufel auf. Hallo?“, immer wieder rief Ikiru mir zu, als ob ich zu lange geschlafen hätte und nicht wach werden wollte.

Plötzlich tat ich es aber. Als ob ich Kopfschmerzen hätte, griff ich instinktiv an meinen Kopf. Erschöpft brachte ich noch die Frage raus, was das war.

„Keine Ahnung, aber du bist einfach so umgekippt. Alles okay mit dir?“, fragte er nach. Nickend stand ich auf und meinte: „Ich weiß, wo wie ihn finden! Im Wald dort gibt es eine Hütte, dort befindet er sich. Unter einer Falltür.“

Stirnrunzelnd betrachtete er mich und nahm seinen Kopf unter einer meiner Arme. So stütze er mich.

„Sag mir wo hin und ich führe dich. Du kippst mir ja schier um.“ Ich dankte ihm. Keine Ahnung woher ich jetzt auf einen Schlag so erschöpft war. Meine Kraft verschwand einfach. Ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Verdammt. War ich zu schwach gewesen? Oder geschah dies mit meinem Wunsch, Kyosho zu finden? Die Fragen ließen in meinen Kopf weitere Schmerzen zu. Er dröhnte wie laute Musik.

Ich zeigte mit meiner freien Hand in Richtung Südwest, nahm sie erschöpft wieder runter und Ikiru half mir zu laufen. Eigentlich bekamen wir das ganz gut hin, sodass der Wald ohne weitere Hindernisse zu bewältigen war.

Mit der Zeit erholte ich mich auch von dem kleinen Unfall und lief allein. Ikiru hielt sich dicht neben mir. Angst beschrieb seine Züge. Ich konnte es ihm nicht übel nehmen. Schließlich hatte jeder Mensch Angst. Voller Stolz und ohne Furcht in eine ihm unbekannte Gegend zu reisen, ohne dass er weiß, was auf ihn zu kommt, war nicht nur leichtsinnig, sondern auch total bescheuert, jedenfalls für mich.

Die Hütte kam näher. Ebenfalls wie die andere bestand diese aus verdorrtem Holz, sodass man dachte, sie fiel gleich in sich zusammen.

„Hier soll er also wohnen?“, fragte Ikiru langsam und leise. Wieder nickte ich ihm zu und sah ihn an. Er betrachtete das Haus und wandte sich meinem Gesicht zu. Wahrscheinlich hatte er bemerkt, dass ich seine Angst gespürt hatte, sodass er ernster dreinblickte und entschlossen mir entgegen trat. Irgendwie war das süß, sodass ich mir ein Lächeln nicht verkneifen konnte. Er war zwar kein Kämpfer, trotzdem war ich ihm dankbar, dass er mit kam und mir half, aus dieser Welt zu verschwinden geschweigenden Shizuka zu finden.

Gemeinsam betraten wir die Höhle und schauten uns um. Einen Schauder lief mir über den Rücken, als ich die Spinnennetze und die Bilder an der Wand und in den Ecken sah. Wenn man viel Fantasie hatte, dachte man, die Augen der Portraits verfolgten einen.

Ikiru fröstelte. Auch er schien denken, dass wir wirklich in einem Gruselfilm gute Chancen auf eine Rollen hatten. Vor allem war die Umgebung nicht gerade ein Kinderspielplatz oder ein zuckersüßes Ponyhof, also für kleine Kinder ungeeignet.

Nachdem die Stille mir zu viel wurde, ergriff ich das Wort.

„Die Falltür muss hier sein, auf dem Boden unter einem Teppich. Also, dann viel Spaß beim Suchen.“, mein ironischer Ton hinterließ ein Grinsen auf Ikirus Gesicht.
 

Weitere Stunden vergingen und schließlich entdeckten wir die Türe. Das Finden war nicht das Problem. Das Öffnen erwies sich als schwieriger. Ein Brecheisen hätte man gebraucht, doch als ich Ikiru darauf aufmerksam machte, er solle danach suchen, sah er mich schief an und meinte, ich solle ihm mal meine Welt erklären. Ich aber sagte ihm, die sei wesentlich komplizierter als er dachte, auch wieder bekam ich einen doofen Anblick zurück.

„Belassen wir es einfach dabei, okay?“, meinte ich am Ende unserer Diskussion.

Schließlich gelang es uns, die Falltür anzuheben und hinunterzutauchen. Gespannt darauf, was uns erwartete, schritt ich voraus, Ikiru dicht hinter mir. Die Aura, die Kyosho vermutlich ausstieß, wurde immer stärker.

Der Gang, der ohne Fackel oder einem anderem Licht war, endete wieder bei einer Tür. Drinnen hörte ich nichts, als ich lauschen wollte, auch Ikiru konnte nichts wahrnehmen.

Ich macht die Tür einfach auf, neugierig wie ich war. Drinnen sah ich ein kleines Zimmer, angerichtet mit einem Schreibtisch, einem Stuhl, einer kleinen Kommode, und einem Bett. Hier wohnte er also. Kyosho.

„Hey, schau mal“, wies mich Ikiru an. Er war zum Schreibtisch gelaufen und suchte ihn ab. Dabei hielt er ein Buch in der Hand. Die Schrift auf dem Titelblatt war verblasst, aber es schien sich um ein Tagebuch zu handeln. Ikiru blätterte durch und las einige Abschnitte durch. Der Schreiber schien Kaligraphie angewandt zu haben, denn ich konnte nur einzelne Wörter lesen und das nur mir viel Anstrengung.

„Neugierige Kinder haben hier nichts verloren, also verzieht euch wieder, sonst werde ich ungemütlich!“, eine bedrohliche Stimme kam immer näher. Ich wandte mich um und sah einen hochgewachsenen Mann an einem Türrahmen. Er war sauer.

Jetzt hatten wie ein Problem. Ein riesen großes.

Wahrheit

„Also, verschwindet ihr jetzt?“, immer näher kam der Mann. Es schien sich um einen jungen Typen zu handeln. Eine Rüstung zierte seinen muskulösen Körper. So Mitte 20 wenn nicht gar 30 Jahre, älter schätze ich ihn nicht ein. Das Schwert war an seiner Hüfte befestigt. An seiner Rechten befand sich eine Fackel, die seine dunklen, schwarzen Haare eine bedrohliche Ausstrahlung verliehen. Seine Augen schienen ebenfalls schwarz zu sein, ich konnte es nicht genau sagen, da das Licht zu schwach war. Seine Linke haftete an seiner Waffe.

Nachdem er nun nur noch einen Meter von mir und Ikiru entfernt war, fragte er nochmals: „Wie kommt ihr hier her, und wer seid ihr?“

Ich wich ihm aus, denn sein Gesicht war mir am Nächsten. Eine kleine Narbe über seinem Auge besagte, dass er vielleicht ein Krieger war, wenn nicht gar ein Ritter. Dann hatten wir ein Problem.

Ikiru wollte seine Frage beantworten, aber ich trat ihm auf den Fuß und sprach stattdessen für ihn.

„Und wer bist du?“, Ikiru fluchte über seine Schmerzen am Fuß. Ein leichtes Sorry entwich aus meinem Mund, doch der Mann lachte nur. Es war ein grausames Lachen, als ob er sich freute, jemanden zu bedrohen.

„Hör zu Kleine: Ich glaube nicht dass du in der Lage bist Forderungen zu stellen. Schon gar nicht, wenn ich dich etwas frage, verstanden? Ich kann euch in Stücke schneiden, bevor ihr überhaupt Hallo sagen könnt. Also frage ich euch noch einmal, wenn ihr da nicht antwortet, dann kann ich für nichts mehr garantieren.“, um seine Drohung noch zu verstärken, ließ er sein Schwert etwas aus der Scheide gleiten. Das Metall schimmerte im Licht der Fackel. Ikirus Blick haftete daran, ich starrte ihn ins Gesicht. Sein Grinsen lag schief und seine weißen Zähne zeigten sich. Er kam näher, während er in mein Gesicht schaute. Nur noch Zentimeter lagen zwischen ihm und mir.

„Also?“, er zog das Schwert weiter raus.

Ich ergriff das Wort.

„Erstens: Tu dein verdammte Maul aus meinem Gesicht. Zweitens behandelt man so keine Dame!“, meinte ich nur. Durch meine robuste Art wich er ein wenig zurück. Doch das hatte nicht mit scheu oder Angst zu tun. Ich grinste wieder schief. Ein höhnisches Lachen war aus seiner Kehle zu hören.

„Ach, so eine bist du. Meinst du, durch deine Klappe kommst du hier raus?“, er nahm sein Schwert und kam blitzschnell näher. Ich stellte mich noch vor Ikiru, damit wenigstens er nicht verletzt wird. Doch der Mann wollte uns nicht an die Gurgel, sondern drückte seine Waffe an meine Kehle. Schweiß trat plötzlich aus mir heraus. Er war aus einem anderen Kaliber geschnitzt. Also konnte ich nichts gegen ihn ausrichten. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt, naja, dass hoffte ich jedenfalls.

„Lass Ikiru da raus, er hat nichts getan!“, meinte ich.

„Stimmt, er ist im Gegensatz zu dir der Schlauere und hält sich da raus. Also, wer seid ihr? Das nächste Mal halte ich einen Kopf in der Hand, wenn du nicht antwortest.“, wieder drückte er die Klinge an meinen Hals.

„Wir sind hier um Kyosho zu suchen, wir brauchen seine Hilfe!“, schrie Ikiru hinter mir. Aus Angst, er habe etwas Falsches gesagt, nahm er seine Hände über dem Kopf und fiel auf den Boden.

„Ist doch schon mal was!“, der Typ ging einen Schritt zurück. „Was wollt ihr von ihm?“

„Ist er überhaupt hier?“, entgegnete ich ihm. Er schaute mich an.

„Warum braucht ihr seine Hilfe?“, fragte er zurück.

„Ist er hier?“, ich betonte jedes Wort.

„Vielleicht, also, was wollt ihr von ihm?“

„Wir brauchen seine Hilfe, weil wir jemanden suchen.“, meinte Ikiru, diesmal mutiger, er stand auf und trat ihm entschlossen entgegen.

„So? Und wen?“

„Sagst du uns wie wir zu Kyosho kommen und wir sagen dir, wen wir suchen.“, schlug ich vor.

„Ich führe euch zu ihm, also wen sucht ihr?“, meinte er dagegen.

Kompromisslos würden wir die Sache nicht bestehen. Ein erfahrener Schwertkämpfer, dagegen konnte ich nicht ankommen. Fliegen konnte ich unter der Erde auch vergessen. Wohl oder übel musste ich ihm unseren Grund erzählen.

„Meine Freundin Shizuka ist von Rittern gefangen genommen worden, als ich wehgelaufen bin. Ich habe die starke Vermutung, dass sie noch lebt. Deswegen.“

„Wie kam zu der Entführung?“

„Sie waren hinter uns her, als Shizuka mich beschütze und ich lief. Seitdem habe ich nicht mehr über sie gehört.“, darüber, dass ich mich feige verdrückt habe, ballte ich die Fäuste. Ich sah zu dem Mann hoch und er musterte mich.

„Deswegen braucht ihr also meine Hilfe?“, fragte er.

„Du bist also der Typ?“, fragte ich ihn. Ein Ahnung hatte ich zwar zuvor schon, aber war mir nicht so sicher gewesen.

„Was dagegen?“, ein wenig Enttäuschung lag in seinem Ton.

„Nein, aber ich hatte mir einen alten Knacker vorgestellt und nicht so ein…einen Jungspund wie du!“, ehrlich beantwortete ich seine Frage, sah ihn dabei tief in seine Augen. Das Schwarz wurde etwas heller, es zeigte sich, dass es kein schwarz an sich war, sondern ein sehr dunkles Braun.

„Also, hilfst du uns, sie zu finden?“, fragte ich ihn nach endlosem Schweigen.

„Angesichts der Tatsache, dass ich mich erst vor kurzem zur Ruhe gesellt habe und mich dann nicht wieder in Gefahr begeben will…“, ein kleine Pause, er sah zwischen mir und Ikiru hin und her. „Vielleicht!“, sagte er nur und wandte sich zum Gehen. Ging hinaus und hob die Falltür mit Leichtigkeit an, an der wir mindestens Stunden gezogen hatten. Kraft hatte er, wenigstens. Hoffen wir mal, dass er Grips besaß.

Nachdem wir uns jetzt in dem Spukwald gemeinsam versammelt hatten, herrschte Stille. Schwiegen breitete sich über uns aus. Ikiru horchte die ihm unbekannten Geräusche des Dschungels. Entweder ihm war so langweilig, dass er versuchte, nicht mehr Angst zu haben, oder er wollte einem Streit zwischen uns und Kyosho aus dem Weg gehen.

Ich sah derweilen immer wieder zu Kyosho rüber um mich zu vergewissern, was er jetzt vorhatte. Brauchten Männer immer so lange, wenn sie überlegen wollten? Ich nahm ihm seine Entscheidung ab.

„In der Nähe hat es ein Dorf. Vielleicht wissen die Einwohner was.“, meine Stimme brachte ihn wieder aus einer Trance ähnlichen Zustand und er schaute mich auch an, als ich mich in Bewegung setzte. Kyosho hielt mich am Arm fest und schüttelte bedenklich den Kopf.

„Niemand wird etwas wissen, wenn du sie fragst. Und selbst wenn sie etwas wissen, wenn sie Informationen hergeben, sei es auch ein Bekannter, werden sie dafür bestraft.“

Sein Blick wurde düsterer, als er ohnehin schon war. Direkter Augenkontakt, und lies mich dann auch wieder los. Nickens stimmte Ikiru ihm zu.

„Und was dann?“, fragte ich stadtdessen.

„Ich werde die Informationen beschaffen, ihr wartet hier, bis ich wieder zurück bin. Sollte ich in den nächsten drei Tagen nicht kommen, sucht euch jemand anders und schaut euch um. Aber kommt mir auf keinen Fall hinterher, verstanden?!“, meinte er und machte sich auf, zu gehen, doch bevor er ganz verschwand, ergriff ich nochmals das Wort.

„Was? Drei Tage? Sonst noch Wünsche, wie lange brauchst du denn?“, ich schrie fast. Ungläubigkeit breitete sich über mein Gesicht aus. Doch bevor ich noch etwas einwenden konnte, nickte Ikiru wieder entschlossen und meinte, wir kämen zurecht und warteten hier, bis er wiederkäme. Also genau seinen Plan befolgen, wenn man es überhaupt als Plan bezeichnen konnte.

Ich meinte noch ein leichtes Grinsen von Kyosho wahrgenommen zu haben, bevor er sich wieder dem Gehen zuwandte und Ikiru und mich allein in diesem Spukwald zurückließ.

„Was sollte das denn?“, ich hielt Ikiru an den Schultern fest und schüttelte ihn leicht. Ich konnte nicht glauben, was er gesagt hatte. Shizuka war meinetwegen gefangen genommen worden. Ich musste sie zurück holen und nicht irgendein dahergelaufener Krieger, der meint, wir bleiben Däumchen drehend in seiner Hütte und warteten, bis etwas passierte. Ich wusste nicht einmal, ob wir ihm trauen konnten.

„Beruhig dich mal.“, er nahm meine Hände von seinen Schultern. Schaute mich dabei eindringlich an.

„Ich habe dir vertraut, als du uns hierher geführt hast. Ich bin dir dankbar, für das, was du für mich getan hast.“, meinte er. Seine Miene ernst gesetzt.

„Was hat das jetzt mit dem hier zu tun?“, ich verstand ihn immer noch nicht.

„Vertrau mir. Als ich in seinem Tagebuch geblättert habe, habe ich ein paar interessante Dinge gelesen, die ich dir zeigen will. Ich bin mir nicht sicher, ob wir ihm wirklich trauen können, aber irgendwas sagt mir, dass er uns wirklich helfen wird, deine Freundin zu finden.“, er meinte es wirklich ernst, denn seine Miene hatte sich nicht verändert. Stur starrte er mich an, als ob er so verhindern würde, dass ich Kyosho nachlaufen würde.

Ich stieß die Luft aus meiner Lunge scharf aus und atmete auch wieder tief ein. Es bewirkte zwar, dass ich runterkam, trotzdem war ich immer noch auf Hundertachtzig. Sturer Bock.

„Also gut, zeig mir mal deinen Fund.“, bereitwillig gingen wir wieder in das unterirdische Zimmer. Gezielt griff Ikiru eine Schublade auf, und holte das Tagebuch heraus. Pustete etwas darüber und gab es mir. Ich wusste nicht was ich damit machen sollte, als ich die Aufschrift sah. Den restlichen Staub wischte ich mit der Hand weg. Die Schrift war ebenso verschnörkelt. Entziffern konnte ich es kaum aber ich versuchte, das Wort zu lesen.

„Kannst du es lesen?“, fragte Ikiru nach, nachdem ich angestrengt die Stirn faltete. Doch, irgendwie konnte ich >Geheimnisse< lesen. Welche und wessen Geheimnisse?

„Das hatte ich mich auch gefragt.“, Ikiru stand nun neben mir und sah aus den Einband. Als ob er meine Gedanken gelesen hätte, sagte er nun das, was ich gerade eben meinen wollte.

„Weißt du es jetzt?“, neugierig blickte ich ihn an.

Anstatt zu antworten, nahm er wieder das Buch an sich und blätterte drin herum, bis er die passende Seite gefunden hatte, gab es mir und meinte: „Les.“

Und das tat ich auch, doch was ich zu lesen bekam, stockte mir der Atem:
 

3. Tag der Kriegsjahre
 

Ich bin ausgehungert. Mein Magen bekam in den letzten zwei Tagen nichts Anständiges mehr zu Essen. Der Fürst, dem wir ewig Treue schwören, ließ uns im Stich. Das habe aber zu spät bemerkt. Einige meine Kameraden und ich gelang uns die Flucht, während andere immer noch wie besessen weiterkämpfen, nur um den Fürsten nicht fallen zu lassen. Dem, der sich ihm widersetzt, gilt die Todesstrafe. Meine Narben an meinem gesamten Körper bezeugen es. Gnade ist ein bloß ein Wort für ihn. Der Schmerz der Peitschenhiebe, den ich seit letzter Woche in mir trage, ist unerträglich. Und trotzdem zwang er mich, zu kämpfen.

Lora ist schwach, er hat hohes Fieber, aber wir keine Medizin. Der Winter bricht an. Dadurch müssen wir nicht nur gegen die Kälte, sondern auch gegen die Natur kämpfen.

Es sind erst zwei Tage vergangen, nachdem wir uns retten konnten, doch bisher haben es nur noch Lora, ich und Terik geschafft. Von zwanzig, nur noch drei übrig. Lora droht der Tod, wir können ihm nicht mehr helfen. Leider, wenn ich könnte, würde ich es ja gerne, aber ich bin kein Arzt.

Terik ist nach draußen gegangen, um etwas Essbares zu holen, aber ich bezweifle, ob er jemals wieder zurückkehrt. Jetzt bin ich allein. Das Atmen von Lora ist schwächer geworden, er ist Tod. Seine Leiche verstauten wir in der Höhle und verbrannten ihn, sodass niemand uns folgen konnte. Selbst wenn Terik es schafft, und heil irgendwo ankommt. Er wird nicht zurückkehren, nur um mich zu holen. Er wird es nicht tun. Da bin ich mir sicher.

Meine Gedanken halten mich warm. Auch wenn ich keine Familie habe, nie welche haben werde, hätte ich gerne eine gehabt. Ich selbst kann nichts mehr tun, um den Tod zu entweichen. Mein Schicksal ist besiegelt.

Die Kriege, die seit mehreren Jahrhunderten zwischen den Ländern stadtfinden, sind nicht nur grausam. Sie sind schrecklich. Ich bin noch jung, aber mit meinen siebzehn Jahren verpflichtet, als Kämpfer in die Schlacht zu ziehen, ohne richtige Rüstung. Nachdem ich endlich die Augen geöffnet habe, wird mir klar, dass diese Insel die reinste Hölle ist. Kleine Kinder, vor allem Jungen, werden von ihren Eltern weggezerrt, nur um mit schon vierzehn Jahren ins Kriegsgeschehen mit einzubeziehen. Die richtigen Kämpfer, die sogenannten Ritter, unternehmen nichts dagegen, leider. Ich bin wirklich dumm, dass mir das nicht schon früher aufgefallen ist. Aber jetzt ist es zu spät.
 

Erschrocken über Kyosho´s Eintrag sah ich Ikiru an. Er starrte mir in die Augen.

„Wenn du das schon als grausam siehst, dann lies mal das hier durch.“, Ikiru blätterte wieder in dem Buch herum und offenbarte mir einen weiteren Text. Die Neugierde trieb mich an, aber mein Unterbewusstsein zog es vor, nicht hinein zu gucken. Doch letzten Endes tat ich es doch und las:
 

7. Tag der Kriegsjahre
 

Nachdem ich nichts etwas von Terik hörte, und Lora starb, blieb ich allein in der Kälte zurück. Mir blieb nichts anderes übrig, als weiterzulaufen und zu hoffen, dass mir irgendjemand begegnete, und ich bei ihm Unterschlupf fand. Doch die letzten Tage waren hart und anstrengend gewesen. Niemand traf mich. Ich konnte keine Nahrung ausfindig machen, da der Schnee, der letzte Nacht so zahlreich gefallen war, alles verdeckte, was eventuell essbar war. Aber nicht nur die Natur war mir nicht wohl gesonnen, sondern ich hatte auch ein Dorf gesehen, dass dem Krieg zum Opfer gefallen war. Das Feuer hätte mich zwar gewärmt, und ich hätte vielleicht Überlebende getroffen, aber ich sah Feindliche Truppen, die nach Nahrung und Wertvollem suchten.

Eigentlich war es nicht das erste Dorf, das mir begegnete. Die anderen lagen verbrannt da, Leichen verstreut auf dem Boden. Ich hatte einen Kameraden getroffen, dessen Leiche zurückgeblieben war. Ich erkannte ihn durch das Wappen des Fürsten. Doch er war nicht der einzige gewesen. Die Hälfte der Opfer waren Kämpfer gewesen. Als ich mich noch umsah, entdeckte ich einen Überlebenden, der mir in seinen letzten Lebensminuten die Situation schilderte. Er meinte, Fürstliche Truppen hätten das Dorf niedergebrannt und alle Frauen mitgenommen. Viel Hoffnung hatte ich nicht. Wiederrum hatten sie kein Widerstand geleistet, sich nicht gewehrt, trotzdem, keine Gnade.

Andere Überlebende erzählten mir das Selbe, bis sie schließlich in meinen Händen starben. Nun hatte ich Recht gehabt, die Fürsten sind es, die diese Insel in die Unterwelt stürzten, nicht das Volk. Die Könige und hohen Tiere kümmerte sich ein Dreck um ihre Untertanen. Sei dieser Krieg nur zur Unterhaltung gedacht? Wahrscheinlich ja.
 

„Der Kerl hat einiges durchgemacht, nicht wahr?“, fragte Ikiru nach, während ich die letzten Zeilen nochmals durchlas. Zur Vergnügung wurden Kriege geführt? Das war das aller letzte.

Ich schwieg, unfähig, etwas darüber zu sagen. Kyosho hatte die Situation erkannt, nicht nur er, sondern sicher auch andere, aber sie wagten es nicht, sich gegen die Terroristen zu wehren, sonst droht ihnen der Tod. Und davor hatten sie Angst.

„Das war aber nicht das, was interessant war!“, meinte Ikiru und nahm das Buch an sich. Ich dachte Ikiru wollte mir etwas über Kyosho’s Leben verraten, oder dass ich weiß, wo ich hier überhaupt gelandet bin. Aber es gab noch mehr?

„Sieh hin!“; er zeigte mir die letzten Seiten. Ich zog das Buch aus seinen Händen und las ein weiteres Kapitel durch:
 

9. Tag der Kriegsjahre
 

Endlich. Eine Stadt. Ich bin nahe den Grenzen von Soretsu. Und verlasse nun Waru. Ich hoffe, nun hier ein anderes Leben aufbauen zu können. Doch das wird schwieriger als erwartet.

Als ich nun ein paar Tage hier bin, kam ich schließlich in einem Laden an. Als ich eintrat, bekam ich eine Gänsehaut, ich erkannte sie Besitzerin. Sie war hübsch, entsprach meiner Wunschfrau. Und doch kam es so…

Schließlich ein Jahr danach kam meine Tochter auf die Welt. Ich dachte, alles würde wieder gut werden. Ich könnte ein friedliches Leben führen. Doch die feindlichen Truppen kamen irgendwie in die Stadt und zerstörten sie. Meine Frau floh mit meiner Tochter, und ich blieb….
 

Ich runzelte die Stirn. Dieser Teil des Tagebuchs passte nicht zu den anderen Abschnitten. Ikiru schien meinen verwirrten Blick zu verstehen und jetzt wusste ich, was seltsam war. Vorher hatte er über die Kriegsumstände geschrieben, im Nächsten über seine Familie, das ging so plötzlich.

„Ist dir was aufgefallen?“, fragte Ikiru nach, sodass ich ihn ansah.

„Naja, dieser Abschnitt ist so….“, ich suchte das passende Wort. Ikiru beendete meinen Satz: „anders?“, ich nickte auf seinen Vorschlag.

„Aber warum? Auf einmal hat er eine Familie, zuvor hatte er kaum überlebt?“, immer noch verwirrt bekam meine Stirn mehr Falten.

„Sieh mal genauer hin!“, forderte mich mein Begleiter auf. Ich sah genauer auf die Buchstaben, den Text, doch mir blieb verschleiert, was Ikiru mir nun zeigen wollte. Doch dann sah ich es.

Der letzte Teil seines Tagebuchs, darin befand sich der Text. Wenn man genau hinsah, erkannte man Klebespuren. Der Text wurde zwar von Kyosho geschrieben, aber zusammengeklebt. Die einzelnen Textstellen wurden zusammengefügt, um etwas geheim zu halten. Er wollte nicht, dass etwas oder jemand es in die Hände bekam und auch nicht, dass diese Informationen in Falsche Hände gerieten. Aber welche Informationen könnten so wichtig sein?

„Wenn man etwas nachdenkt, erkennt man, dass er über seiner Familie nicht viel geredet hat. Außerdem hatte er immer von Feinden gesprochen, aber welche hatte er nicht erwähnt. Auch nicht, wann diese Kriege stattgefunden hatten. Kyosho hatte zwar Daten hingeschrieben, sie aber nicht gedeutet. Denn Kriege gibt es heute noch. Das heißt, es könnte dieses als auch das letzte Jahrzehnt gemeint sein. Verstehst du jetzt?“, Ikiru kam auf mich zu und schüttelte wie ich ihn zuvor an der Schulter.

„Und die nächste Frage: Warum ist er hier geblieben? Er konnte ebenso auch in einer Stadt sein!“, Ikiru redete immer weiter, sodass ich mein ohnehin schon weniges Vertrauen an Kyosho noch weiter verringert wurde. Was war an dem Kerl so komisch? Irgendwie war er ein Rätsel pur, aber jetzt hatte ich immerhin eine Ahnung, dass er vielleicht nicht zur Seite der Fürsten wechseln wird. Das war ein Vorteil, doch ob wir ihm trauen können, war fraglich.

„Aber warum hat er einfach so beschlossen, uns zu helfen? Schließlich weiß er ja nicht mal, wer wir sind.“, diese Frage blieb unbeantwortet. Ikiru legte das Tagebuch wieder an seinen vorherigen Platz, und drehte sich zu mir um. Seine Miene hart wie zuvor, doch das Problem, ob wir nun hier belieben und auf Kyosho, oder lieber verschwinden und auf eigenen Weg nach Shizuka suchen, war deutlich erkennbar. Leicht schüttelte ich den Kopf, denn ich wusste selbst nicht, was jetzt getan wurde.

Ikiru ging an mir vorbei und suchte die Falltür. Schließlich trafen wie uns oben wieder und ich setzte mich hin. Das Gras war zwar etwas feucht und glitschig, aber ich hatte keine Lust, noch weiter mir die Beine in den Bauch zu stehen. Mein Freund allerdings schaute streng in den Dschungel, und verblieb die nächsten Minuten auch so. Wie eine Statue stand er da, und wartete, dass etwas geschah.
 

Als es mir zu ruhig wurde, wollte ich wieder einen heiteren Witz erzählen, aber als Antwort bekam ich nur ein Schnauben zu hören. Ich nervte ihn weiterhin mit meinem ironischen Ton, um ihn ein wenig aufzumuntern, doch das >Mm< wurde immer lauter, bis er mir einen wütenden Blick zuwarf, der mich verstummen lies. Ich zog eine Braue gen Himmel und drehte den Kopf etwas, wollte wissen was jetzt schon wieder mit ihm war. Seit er sich wieder von seiner Platzwunde erholt hatte, fuhr er mit seinen Gefühlen Achterbahn. Jedenfalls kam es für mich so vor. Versuchen ihn zu verstehen, das hatte ich inzwischen als Unmöglich abgestempelt.

Da ich allgemein dafür bekannt war, dass ich Flöhe im Hintern hatte, stand ich auf und durchforstete die Umgebung. Das Haus kannte ich zwar noch nicht ganz, aber die Natur erwies sich als ebenfalls interessant. Ich entdeckte kleine Pflanzen, sie wundervoll in diesem dürsteten Wald blühten, noch in Farben, bei denen ich vermutet hätte, dass es sie hier nicht gäbe. Dass mich Blumen so faszinierten, wusste ich ebenfalls nicht. Naja, besser wie der Zeitvertreib von Ikiru, stur in das Nichts zu starren, und zu warten. Leiser lächelte ich, sah zu Ikiru herüber. Eigentlich war das keine Schadenfreude und auslachen wollte ich ihn ebenfalls nicht, doch ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

Nachdem mindestens schon zwei Stunden rum waren, beäugte ich Ikiru immer noch, er stand wieder da, so wie vor zwei Stunden eben. Nein nicht ganz, er hatte seine Arme verschränkt. Irgendwie kam er mir wie ein Bodyguard vor. Ich bin die kleine gefährdete Prinzessin, die in einen gefährlichen und abscheulichen Wald eingesperrt wurde, weil sie verfolgt wurde und Ikiru ist der ständiger Begleiter, der mich vor allen Gefahren beschützt. Selbst meine Fantasie übertreibt in dieser Welt maßlos.

„Hey, alles klar?“, informierte ich mich bei hm, doch er stand immer noch stur wie ein Bock da.

Als ich wartete und von ihm nichts kam, hatte ich ihn bepackt und geschüttelt, immer noch keine Reaktion. Ich hatte ihm sogar eine Ohrfeige verpasst, aber er regte sich keineswegs.

„Jetzt komm doch mal zu dir!“, schrie ich ihn an, rüttelte ihn, bis er das Gleichgewicht verlor und zu Boden stürzte. Zuvor fing ich ihn auf und schlug ihm wieder eine.

Plötzlich öffnete er die Augen. Weit aufgerissen starrte er in den Himmel, seiner Pupillen völlig geschwärzt. Er flüsterte etwas leise und sanft. Ich beugte mich vor, um ihn zu verstehen:

„Ich habe verstanden! Ja, Kyosho.“, ich sah ihn fragwürdig an. Träumte er etwa von Kyosho.

„Nein, nicht Yukino lauf!“, rief er auf einmal, sodass ich mich vor Schreck zusammenzog. Sah mir mal einer, was in seinen Träumen vor sich ging.

„Hey Hilfe, es brennt! Nein nicht, Yukino, nein! NEIN!! HILFEEEEEEE!“, schreiend wandte sich Ikiru hin und her in meinem Schoß. Ich hatte seinen Kopf darauf gelegt, aber jetzt drohte mir eine zu pfeffern, wenn ich ihn noch weiter in den Armen hielt.

Wie auch seine seltsame Art gekommen war, verschwand sie wieder, bevor ich nun wirklich eine gescheuert bekam. Ich reib mir meine wunde Wange, als Ikiru wieder aufwachte und sich umsah, als ob er noch nie hier gewesen war.

„Na du hast wirklich seltsame Albträume!“, durch meinen Kommentar bekam ich einen Blick zu spüren, der nicht zu identifizieren war.

„Was ist denn mit dir passiert?“, fragte er mich voller außer sich. Wusste er wirklich nichts mehr?

„Ich wollte dich aufwecken, aber dann wolltest du mir weiß machen, wie an einen Wecker ausstellt und mir eine gescheuert.“, ich rieb mir meine Wange immer noch.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht…schlagen.“, er schien sich ein Grinsen zu verkneifen. Ich aber bin alles andere, als heiter aufgelegt. Eigentlich schon, aber ich wusste nicht, was mit Ikiru passierte, geschweige denn würde ich gerne wissen, was er in seinen Gedanken gesehen hatte.

„Was hast du denn? Wachst du immer so erschrocken auf?“, fragte ich ihn ironisch.

„War etwas mit mir?“, ich glaubte nicht, das zu hören, als diesen Satz sprach. Er wusste es also nicht. Na klasse. Ich ließ den Kopf schief hängen. Was passierte mir denn hier sonst noch?

Ikiru lächelte mir zu, sagte aber nichts, also das werden drei schwierige drei Tage….

Vertrauen?

Ikiru und ich hatten uns entschieden, auf Kyosho zu vertrauen und auf ihn zu warten, doch die letzten Tage und Stunden waren nicht gerade angenehm gewesen.

Angesichts der Tatsache, dass meine Vorfahren, eher die Höhlenmenschen, sich von Fleisch ernährt hatten, und alles nahmen, was die Natur so zu bieten hatte, war das Glück uns nicht so hold.

Ich versuchte nach essbaren Beeren, oder ähnlichem zu suchen, aber nachdem ich welche gefunden und verspeist hatte, mir aber auch dafür meine halbe Seele aus meinem Leib gekotzt hatte. Von da an hatte ich entschieden, nur das zu essen, was ich auch wirklich kannte.

Was das Fleisch betraf…ich erkannte, dass Ikiru sich von nun an vegetarisch ernähren wird. Wir hatten einen Versuch unternommen, ein kleines Kaninchen zu jagen. Angeblich sollen ja Hasenpfoten Glück bringen. Diese Sage war reinste Lüge. Ja wir hatten einen gefangen, und sogar sind wir satt geworden, aber danach, naja, hatten wir vor einem riesigen Bären flüchten müssen. Die Kratzer und Schürfwunden waren aber nicht von den Pranken des wilden Tieres. Die hatten wir uns zugezogen, als Ikiru über mindestens fünf Wurzeln gestolpert ist, und von was weiß ich wie vielen Ästen heimgesucht wurde. Und das nur bei einer Flucht. Danach ist er in mehrere kleinen Schluchten gefallen und sogar in einen See geschwommen ist. Ich durfte dabei Sanitäter sein. Und das war zwar ein Spaß, ihn dabei zuzusehen, wie er versuchte, sich zu befreien und dabei immer fluchte, aber nachdem ich ihn jedes Mal meine Hilfe anbieten musste, hatten wir von unserer Erkundungstour durch die Umgebung die Schnauze voll.

Abwechselnd hatten wir Wache gehalten, falls Kyosho oder jemand anderes und finden sollte.

Als der dritte Tag angebrochen war, hatten wir gedacht, Kyosho ließ sich blicken, aber bis jetzt hatten wir noch kein Lebenszeichen entdeckt.

Am Nachmittag gönnte ich mir wieder ein kleines Kaninchen, Ikiru von Erdbeeren, die wir gestern gefunden hatten. Ich lag gemütlich im Gras und schloss die Augen, um die Stille durch meinen Körper rieseln zu lassen. Die letzten Wochen waren hart gewesen. Ich bin nicht nur in eine mir völlig fremde Welt geraten, sondern durfte auch bei der Zerstörung bei meiner Heimatstadt zusehen und hatte vor kurzem Fliegen gelernt. Wenn man sich da nicht etwas Ruhe gönnen konnte, dann wusste ich auch nicht. Ikiru saß wachsam wie ein Wachhund da und stopfte sich die Beeren einzeln in den Mund, Kauen kannte er nicht, er schlang sie hinunter. Mich störte es nicht, aber in ein paar Jahren sein Magen, aber er wollte es mir nicht glauben.

Die Sonne schien leicht durch die Äste, die Sonnenstrahlen kämpften sich durch das dichte Geäst. Ich träumte von einem Strand, mir einem Meer, hörte vielleicht sogar die Möwen, aber mein Traumurlaub wurde zerstört, als Ikiru anfing zu reden.

„Hörst du das?“, wachsam erhob er sich und versuchte, keine Geräusche zu machen. Dabei nahm er einen Stock in die Hand, als Waffe. Ob die was brachte, war fraglich. Je nachdem welchen Gegner wir hatten. Ein Vogel würde sich erschrecken lassen, ein großes zotteliges Vieh nicht. Ich schloss wieder die Augen und konzentrierte mich auf mein Gehör.

Ein leises Rascheln inmitten eines Busches rechts von mir war zu hören. Meine Augen darauf gerichtet, verblieb ich in meiner gemütlichen Haltung. Auch meine Lider waren nur halb offen, da ich nicht wusste, mit wem wir es zu tun hatten. Ich wollte ihn in Sicherheit wiegen und auf einen richtigen Moment abwarten.

Kyosho kam so plötzlich aus dem Busch gesprungen, das wir dachten, er würde verfolgt werden. Rasch sprang ich auf meine zwei Füße und sah mich aufmerksam um. Ikiru hielt den Blick auf seine Umgebung gerichtet und sah sie ab.

Kyosho schien unsere Aufmerksamkeit zu bemerkt haben, dann sagte er: „Keine Sorge, alles in Ordnung!“ Er lief auf mich zu und blieb direkt vor mir stehen. Ich konnte fast seinen Schweiß riechen. Meine Nase rümpfend trat ich einen Schritt zurück. Ikiru starrte ihn an, seine Mimik wurde so hart, wie damals, als Kyosho und verlassen hatte. Er hatte auch das Gefühl, dass etwas nicht mit ihm stimmte.

„Ich bin wieder da!“, heiter und glücklich lächelte er uns zu. Eine Hand warf er mir zu und winkte leicht.

Meine Brauen stießen ich abrupt nach oben, ich beugte mich leicht in eine Kampfstellung. Das war nicht Kyosho, niemals. Er hätte nie so heiter gewirkt, außerdem seine Aura war eine ganz andere. Hinter ihm verbirgt sich etwas.

„Lass den Scheiß, wer bist du?“, meine Stimme war tief geworden, als ich ihn gefragt hatte.

„Was denn, ich bin´s Kyosho, wer sonst?“, als ob wir nicht alle Tassen im Schrank hätten, hob er unschuldig die Hände. Das Aussehen war zwar gleich, doch sein Lächeln verriet ihn. Grinsend, ein böses Grinsen. Wir waren in der fallen. Na super!

Bevor Ikiru nach ihm ausholte und der Gegner in Verteidigung stellte, fasste ich ihn am Arm und rannte mit ihm direkt in den Wald.

„Hey, was sollte das?“, während wir um unser Leben rannten, fragte Ikiru ganz außer Puste. Ausdauer war wohl seine Schwäche. Genau wie meine.

Hinter uns kamen Schreie. Der Feind war bedrohlich nahe. Er kannte sich vielleicht hier aus, besser als wir, und er hatte eventuell auch Verstärkung geholt. Super besser konnte es nicht sein.

Kaum hätte ich es vorhergesagt, stießen wir noch auf einen Ritter. Er blieb direkt vor mit stehen und grinste schief. Seine Klinge glänzte im Sonnenlicht, auch andere hatten sich zu uns gesellt.

„Verdammt!“, fluchend drehte ich mich um die eigene Achse, suchend nach einer Fluchtweg.

„Na, wen haben wir denn da?“, eine grelle Stimme drang mir ins Ohr. Ikiru knurrte. Wir beide kannten die Gestalt, die zwischen den Bäumen herausragte. Die Schrankähnliche Figur, die leuchtend grünen Augen, das hässliche Lächeln im Gesicht des Otowaru. Der Echten Hand des Fürsten von Keibetsu.

„Haben sich jetzt alle zum Kaffeekränzchen versammelt? Alle? Gut, dann kann es ja starten.“, er lächelte mich an, immer noch darauf fokussiert, mich an meine Oberweite zu starren, typisch Mann.

„WAS willst du von mir?“, fragte Ikiru in einem Ton, der mehr als genug aussagte, dass er Otowaru nicht so leiden konnte. Leider war das hier kein Zickenterror in der Schule, sondern eine endende Verfolgungsjagd, die nicht gerade jugendfrei war. Und das noch mit Spielzeug wie Schwerter oder Messer. Als Filmproduzentin würde ich ein Vermögen verdienen.

„Eigentlich wollte ich einen kleinen Spaziergang machen.“, ganz in Ruhe stand er vor mir. Sein intensiver Geruch aus Schweiß und faulen Eiern drang mir in meinen Geruchsinn, sodass ich mir instinktiv an die Nase fasste. Seine Kleider stank ebenfalls danach, sein Mund, davon will ich jetzt nicht reden, wenn ihr euch nicht die letzte Mahlzeit in Kotzform, schön püriert und grünlich in der Toilette anschauen wollt. Ich beschrieb es mal so: GRÄSSLICH.

Die adligen Züge des Otowaru waren aus seinem Gesicht verschwunden, und seine Klamotten von letzten Jahrhundert. Er ging um uns in Kreisform einmal herum, beschaute uns eindringlich. Seine Soldaten warteten auf einen Befehl. Die Schwerter aber alle auf uns gerichtet.

„Eigentlich ja nichts, aber…“, fing er an, bevor ich ihm ins Wort schnitt.

„Dann kannst du ja deinen fetten Hintern von meinem Rücken nehmen und uns gehen lassen!“, durch meinen frechen Kommentar bekam ich eine geknallt. Nur mein Gesicht bewegte sich, den Rest wie eine Statue starr gerichtet in seine Richtung. Die Nächste bekam er zurück.

„Immer noch so frech? Naja, von Bauernkinder kann man eben nichts anderes erwarten.“, abwehrend fuchtelte er mit der Hand. Ikiru beherrschte sich, nichts zu sagen, schlauer Bursche.

„So, jetzt nun zu dir, du kleiner Versager. Wer hat dir geholfen?“, Otowaru beäugte ihn misstrauisch. Bevor Ikiru wieder etwas Dummes sagte, beantwortete ich die Frage: „Ich!“

Sofort schaute der Fürst mich an.

„So, warum wundert es mich nicht. Du kleines Mistvieh! Hast du etwa gedacht, du kämmst ungeschoren davon, wenn du ohne meine Erlaubnis jemanden hilfst?“, er starrte mich an. Seine Hand schon in Richtung meiner Brust, doch ich war blind vor Wut, sodass ich ihn wegstieß und plötzlich einen Strahl aus meiner Hand kam. Er verfehlte zwar sein Ziel, aber ich hatte die Soldaten abgelenkt. Ich wunderte mich zwar, dass mir es noch einmal gelang, meine Kräfte zu wecken, obwohl ich sie noch nicht gezielt einsetzten konnten. Ich fing mich wieder, bevor es unsere Feinde taten, nahm wieder Ikiru beim festen Griff am Arm, und floh, rannte so schnell ich konnte. Manchmal springend aus dem Wald, aus dem wir gekommen waren, flohen wir vor Otowaru und seinen Rittern. Zurück zur Hütte konnten wir nicht. Aber stehen bleiben auch nicht, also lief ich so lange weiter, bis ich nicht mehr konnte. Ikiru immer hinter mir her ziehend, blieb ich einfach in der Einöde stehen und schnaufte nach Luft. Das war knapp.

Als ich wieder meinen Begleiter ansah, wich er erschrocken von mir. Hoch die Hand schützend vor sich und trat immer mehr Schritte zurück. Je größer der Abstand wurde, desto mehr sah ich ihn dämlich an. Ich bemerkte schließlich, dass er meinetwegen so außer sich war.

„Alles fit?“, fragte ich ihn und kam ihm näher. Er aber wich weiter zurück.

„Du..bist...eine…eine…eine Hexe!“, rief er mir zu. Ich sah ihn komisch an und lachte. Also dass ich jetzt, nachdem uns was passiert ist, lachte, passte gar nicht zu mir. Ich lachte weiter, bis Ikiru nun mehrere Meter vor mir auf den Boden gefallen war.

„Eine Hexe? Okay, was hast du jetzt?“, ein belustigter Unterton schlich sich unter meine Frage.

„Eine Hexe!? Zu hast einfach so…der Strahl!“, erinnerte er mich. Als ob ich das nicht besser wüsste.

„Erstens, flieg ich nicht mit einem Besen durch die Gegend und zweitens bin ich kein Zauberer, der mir nichts die nichts dich in einen Frosch verhexen kann, klar? Ja, ich bin der Grund, warum der Strahl überhaupt auftauchte. Da hast du Recht!“, stimmte ich ihm zu. Ikiru wich immer mehr von mir zurück. Immer noch hatte ich eine Augenbraue hoch gezogen und wartete, wie er sich nun verhalten will. Sollte ich es ihm erklären? Vielleicht wäre es besser so.

„Hör zu!“, ich näherte mich ihm mir einigen Schritten, doch er schrie, ich solle ihm vom Leib rücken. Mir wurde es zu blöd, dass sich Ikirus Gefühle immer wieder änderten, obwohl ich nicht den Grund kannte. Jedes Mal war er anderes drauf, jede Situation beurteilte er anders.

„Hör mir mal zu!“, mein Ton war schärfer geworden, die Heiterkeit aus meiner Stimme vollkommen weg. „Ich weiß auch nicht warum ich diese komischen Kräfte habe, ich weiß auch nicht, wie ich hierher verschleppt worden bin. Aber eines kann ich dir sagen: Ich hole Shizuka aus den Klauen diesen Typens, und wenn es das Letzte ist, was ich tue! Verstanden!“, mit jedem Wort mehr schrie ich ihn an, mit jeden weiteren Buchstaben einem Schritt näherte ich mich ihm, bis ich direkt vor ihm stand. Mit erhobenem Haupt bückte ich mich zu ihm runter, bis ich meine Meinung ihm gegenüber geäußert hatte. Ikiru war längst nicht mehr so schreckhaft, sondern sah mich an wie ein Auto.

Nach mehreren Minuten Schweigsamkeit nahm ich meinen Kopf aus seinem Gesicht. Wahrscheinlich hatte ich ihn auch etwas angespuckt, aber das schien ihn nicht zu stören.

„Schon gut!“, schließlich erhob er sich wieder und klopfte sich den Staub aus den Kleidern. Er richtete sich ebenfalls auf, seine wahre Größe offenbarte sich jetzt erst. Er schob die Schultern zurück, hob seinen Brustkorb und sah mich mit seiner Mimik an, die ich nicht ganz deuten konnte. Wut war nicht daran zu erkennen, auch keine Scheu. Was vorher wie eine ängstliche Katze aussah, war jetzt ein stolzer Löwe, der seine ganze Stärke zeigen wollte. So nach dem Motto, leg dich bloß nicht mit mir an.

Das hast dir so gedacht, meine Gedanken richteten sich nach meiner Vergangenheit. Mein ganzer Charakter hatte ich die vier Jahre allein zu verdanken. Immer allein auf beiden Füßen mitten im Leben zu stehen, sich von niemanden unterkriegen zu lassen. Hört sich einfach an, ist es aber nicht. Nachdem ich eine so schreckliche Kindheit mit einem Vater durchleben musste und ich beschloss, zu fliehen, hatte ich mir geschworen, mich nie mehr jemanden zu unterwerfen. Nie wieder!

Ikiru reduzierte die Distanz zwischen uns, bis er mir auf gleicher Höhe direkt in meine smaragdgrünen Augen starren konnte. Ich betrachtete ihn durch seine haselnussbraunen. Er sagte eine Weile nichts, bis er meine Schulter ergriff und mich an ihn zog. Erstaunt über sein Verhalten ließ ich ihn aber gewähren.

Leise flüsterte er mir ins Ohr. Seine Stimme war nun sanft, aber bestimmt. Ich hörte ihm gerne zu, schloss die Augen, bis er mir etwas zuraunte.

„Ich weiß, und ich helfe dir dabei! Und ich werde dir so lange zur Seite stehen, bis du wieder in deiner Welt zurückkehrst. Bis dahin kannst du dich immer auf mir verlassen. Versprochen, und ich breche meine Versprechen nicht. Sollte ich es dennoch tun und dich in irgendeiner Weise anlügen oder dir Schaden zufügen, kannst du mit mir machen, was du willst.“

Seine letzten Worte machten mir in einer gewissen Art Angst. Ich vertraute Ikiru mein Leben an, aber er mir auch. Sollte ich wegen ihm leiden, würde er sich selbst töten. Ich wusste nicht, wie ich auf diesen Gedanken kam, aber ich hatte das Gefühl, dass das wirklich passieren wird. Er meinte es ernst. Den nicht nur sein Ton verdüsterte sich, sondern auch seine Mimik war steif geworden.

Obwohl ich mich nicht daran gewöhnen werde, wie jemand sich für mich opfert, flüsterte ich ihm ebenfalls ins Ohr: „Danke.“ Ein Wort, drückte ihn dabei leicht und ich fühlte mich wohl. Es war vielleicht eine freundschaftliche Geste, aber für mich war es mehr. Das war die Wärme, die mir so gefehlt hatte. Ich genoss noch die paar Minuten, in der wir uns umarmten, bis Ikiru sich von mir langsam abwandte und mich immer noch anstarrte.

„Also, wollen wir?“, meinte er mit einem Grinsen im Gesicht. Ich lächelte ebenfalls.

„Nur, eine Frage, Spaßvogel: Wohin? Kyosho wird uns vielleicht suchen, aber Otowaru´s Leute auch. Dorfbewohner können wir nicht fragen und von allein werden wir Shizuka nicht finden!“, meine Feststellung ließ ihn nachdenken.

Seufzend gab aber auch Ikiru seine Gedanken auf. „Du hast Recht!“

Ich lies mich auf dem Boden nieder und verschränkte die Arme. Irgendwas musste man doch tun können. Es gab immer eine Lösung, meinte meine Mutter, und sei die Hoffnung dennoch so gering. Man muss nur suchen, und der Suchende wird finden, was er sucht. Ein altes Japanisches Sprichwort, soweit ich wusste. Meine Mutter war eine Japanfanatikerin gewesen. Unserer Garten hatte nur Kirschbäume gehabt, weil sie Sakuras so gerne mochte, Kirschblüten. Okay, im Frühling waren sie auch wirklich schön anzusehen.

„Da kommt jemand!“, Ikiru riss mich aus meinen Gedanken und half mir auf die Beine. Wirklich, es kamen zwei düstrere Gestalten auf uns zu, als ich aufsah. Sie kamen direkt auf uns zu. Mit ihren schwarzen Gewändern und ihren Kapuzen, sahen sie aus wie Sensenmännern, ohne Sense. Aber ich konnte es mir gut vorstellen. Ein Frösteln ließ sich nicht vermeiden.

Weil wir hofften, oder jedenfalls nach Ikirus Blick zu urteilen, dass sie nur einfach an uns vorbei gingen und ein kleinen Spaziergang machten in der späten Nachmittagssonne, blieben wir stocksteif stehen. Die Gesichter konnte man durch die dunklen Schatten nicht erkennen. Selbst als sie ein paar Meter vor uns stehen blieben, waren sie nichts als Gespenster. Die Gestalten kamen noch etwas näher, ich suchte Ikirus Hand und drückte sie leicht. Ein Zeichen, falls etwas passierte, dass wir wegliefen, obwohl es mit widerstrebte, schon wieder wegzulaufen.

„Seid Ihr Yukino-Sensei….“, fragte der eine, als beide stehen blieben. Irritiert über die Frage nickte ich nur.

Der eine kramte in der Tasche nach etwas und hielt mir seine Ader hin. Das Messer, das vermutlich aus der Tasche kam, was er vorhin suchte, hielt er in der anderen Hand fest. Der andere, der mich mit seiner ziemlich tiefen Stimme die Frage gestellt hatte, tat es ihm gleich. Synchron schnitten sich beide in die Hand und verbeugten sich über mich. Das Blut tropfte über deren Hand, doch die wahrscheinlichen Schmerzen, die beide erlitten haben müssten, machten ihnen nichts aus. Ich schnappte nach Luft und hielt mir die Hand vor dem Mund. Ikiru zog mich ein wenig hinter sich. Seine Mine war hart wie Stein.

„Yukino-Sensei, wir sind froh, Eure Lordschaft wiedergefunden zu haben! Wir sind treue Diener der Organisation, in der Ihr die Spitze seid. Bitte, kommt mit uns, Ihr werdet bereits erwartet!“, das Blut war inzwischen getrocknet, doch sie hielten wie weiterhin ihren Arm entgegen. Sie fielen auf die Knie und beugten sich bis zum Boden. Während der eine sprach, nahm der andere wieder das Messer und wollte sich wieder in den Arm schneiden, und ich zog immer mehr Luft ein, bis eine Lungen zu platzen drohten. Wieder tropfte das rubinrote Blut über seine Hand. Nachdem beide ihre was- auch- immer- das- war-Sache abgezogen hatten, verharrten beide in der Stellung, warteten, bis ich das Wort ergriff.

„Wer seid ihr?“, fragte Ikiru vorsichtig, hielt mich weiterhin hinter seinen Rücken. Aber sie schwiegen. Ich wollte die gleiche Frage stellen, und da antworteten sie mir.

„Wir sind treue Diener Eurerseits. Wir tun, was immer ihr befiehlt, große Herrin!“, der andere hatte eine ebenso tiefe Stimme. Mit widerstrebte es, dass sich Leute wegen mir aufschlitzten. Ich wusste gerade selbst nicht, was Sache war. Vor kurzem waren wir Otowaru auf dem Leim gegangen, im nächsten verbeugten sich zwei Typen vor mir, die meinen, ich würde eine Königin sein! Himmel, wo war hingeraten?

„Steht erst mal auf!“, sagte ich sanftmütig, doch beide waren rascher auf den Beinen, wie ich bis drei zählen konnte. Auch immer noch hielten sie ihren Oberkörper vor mir gebeugt. Den Arm hatten sie mittlerweile wieder zu sich gezogen.

„Also, langsam, was wollt ihr von ihr?“, fragte Ikiru wieder, doch auch diesmal wollten ihm diese Gestalten nicht Rede und Antwort stehen. Ich wiederholte seine Worte und urplötzlich konnten sie wieder sprechen.

„Wir sind hier, um die Gebieterin zu ihrer Heimat zu führen!“, meinte er Rechte. Heimat? Immer weniger verstand ich, immer mehr Fragen tauchten auf.

„Ikiru, lass mich mal was klarstellen.“, fing ich an, als ich mich wieder gefangen hatte. „Erstens, die Typen antworten nur mir, und zweitens, bin ich so eine Art hohes Tier für die, und nur damit wir uns klar verstehen, ich wusste davon wirklich nichts! Nicht damit du wieder meinst, ich hätte dir davon erzählen sollen“

„Schon klar.“, Ikiru verstand meine Zweifel. Er wusste auch nicht so recht, was jetzt getan wird. Folgten wir diesen Typen, wussten wir nicht, ob es wieder eine Falle war, oder ob die tatsächlich die Wahrheit sagten. Blieben wir hier, würde uns eines Tages Otowaru finden und wir wären verloren. Außerdem konnten wir nicht aus eigener Hand Shizuka finden.

Also was blieb uns anderes übrig? Nichts, richtig.

„Okay, wir kommen mit, aber damit das klar ist, keine Tricks!“, warnte ich sie.

„Verstanden, Herrin, wie Ihr wünscht. Aber wir müssen euern Gemahl leider hier lassen, wenn ihr versteht…“, kaum hat der eine angefangen davon zu reden, dass ich Ikiru hier lassen musste, unterbrach ich ihn mit einem lauten Zischen.

„Ich werde ohne Ikiru nicht einen Finger rühren, wenn er nicht mit kann, bleibe ich auch hier!“, meine Sturheit hatte wieder gesiegt, als der Linke zustimmte. Doch der Rechte schien ihm gegenüber misstrauisch zu sein. Augen offen halten, Yukino!

„Und wie gehen wir, also ich meine, wir bringt ihr uns da in?!“, Ikiru schien sich nur noch an den Linken zu wenden. Er schaute ich mit sehnsüchtigem Blick an, dass ich seine Frage wiederholte, was ich auch tat. Desweiteren wollte ich wissen, mit wem ich es tu tun hatte.

„Mein Name ist Matsue, Herrin, und das ist mein guter Freund, Jave.“. meinte der Angesprochene. Der Andere erwiderte: „Seine Herrin und ihr Gemahl werden mit uns durch ein Portal zu Jiyu gelangen.“

„Jiyu?“, ich verstand nicht ganz.

„Jiyu ist die Organisation, über die ihr herrscht, Herrin!“, entgegnete er. Also doch, ich bin so eine Art Königin, super. Bin ich noch verheiratet, oder was?

Nachdem wir nun auch alles ausdiskutiert hätten, standen beide auf und richteten ihre Hände in die Luft, senkrecht gestreckte Arme, und dabei sprachen sie es in einer Sprache, die ich nicht ganz verstand. Dort, wo sie hinzeigten, bildete sich langsam eine Rotation, die Luft blies in einem Kries in entgegengesetzten Richtungen, sodass in der Mitte ein kleines Loch entstand. Es wurde größer, sodass dadurch Menschen hindurch passten.

Als die beiden Typen mir ihren Zauberkünsten fertig waren, verbeugten sie sich wieder und baten uns, als erster, in das Portal zu treten. Zusammen, Ikiru an meiner Rechten, taten wir einen Schritt vor, sogleich waren wir auch wieder auf dem Boden.

Ich sah mich irritiert um, blickte um mich. Mein Begleiter war ebenfalls von den Socken. Wo noch zuvor die Einöde war, waren wir nun vor riesengroßen Tor, das stolz in die Höhe ragte. Aus Steinen bestehend, befand sich jeweils an beiden Enden ein Turm mit Wachen. Fahnen mit rötlichem Stich wehten in dem frühen Mittagswind. Man musste sich um die eigene Achse drehen, um zu sehen, dass das Tor aus einer Mauer bestand. Wie in einem Schloss standen an deren Spitzen Türmchen und kleine Häuser, in denen Bogenschützen wachsam die Gegend beobachteten. Manche sahen uns und richteten ihr Geschütz auf uns.

„WER seid ihr? Das Passwort!“, schrie einer hinunter, deren Stimme aber schwer verständlich war. Sei es, dass er so leise war, oder weil der Wind seine Sprache wegwehte. Hinter mir ertönte ein Schrei, und die Soldaten nickend sich zu. Das große Tor, aus Holz und Stahl bestehend, wurde geöffnet. Bevor es überhaupt halb oben war, und wir die ganze Pracht der Mauer bewundern konnten, wurden wir von Matsue und Jave gebeten, das Tor so schnell wie möglich zu passieren. Kaum war ich durch ihn geraten, wurde es Schnur stracks heruntergelassen, sodass es mit voller Wucht auf den Boden knallte. Die Spitzen, die durch das eisenähnliche Metall eine bedrohliche Ader aufweisen, gruben sich durch den Schwung noch mehr in die Erde, sodass der Eingang nur noch mehr stabil war. Eindringlinge waren hier wohl unerwünscht. Und Diebe konnten durch Höhe und das Mauerwerk und dem gefährlichen Tor nicht hinein oder hinausgelangen. Totensicher eben.

Mein Herzschlag verdoppelte sich, als ich mich umdrehte und die ganze Schar von Menschen betrachtete, die sich um die ganzen Zelte versammelten. Naja, Menschen war zu viel gesagt, eher Wesen. Manche besaßen Hörner an ihrem Kopf, andere einen Schweif, andere ein Unterteil wie ein Stier, andere sahen aus wie Zauberer, andere liefen mit Schwertern herum.

„Ach, heilige Scheiße!“, Ikiru sprach auch meinen Gedankengang aus. Er hatte das nun auch nicht erwartet.

„Bitte folgt mir, Herrin!“, neben mir machte sich durch Jave bemerkbar. „Wir bringen euch und euren Gemahl in eure Gemächer!“Matsue lief voraus, Jave hinter uns, damit wir und in dem großen Gebiet nicht verirrten. Was auch wahrscheinlich leicht passieren würde, wenn wir nicht wussten, was unser Ziel war. Als Unterkünften gaben sich manche mir einfache Zelten zufrieden, die wir auch am Rande des Territoriums auch sahen, im Inneren schienen die besseren Wohnstätten zu sein. Als ich meinen Kopf in den Nacken streckte, ragte ein großes Gebäude aus den anderen heraus. Es hatte einen kleinen Hof, das mit Wachen am ganzen Platz verteilt waren.

Neugierig fragte ich Jave, wer dort drinnen untergebracht war.

„Der Gebieter, der König, der alles hier leitet.“ Mehr sagte er nicht. Hä, warte mal, etwas verstand ich schon wieder nicht. Wenn diese Typen mich Herrin nannten, was war dann der Kerl?

Aber nicht nur Ikiru und ich waren völlig fremd in der Gegend, sondern auch als Neuankömmlinge zogen wir viele Blicke auf uns. Leise flüsterten manche etwas, andere lachten. Na super, auch hier gab es Idioten. Scheinbar jeder hier war wegen einem bestimmten Grund hier. Auch kleinere Kinder leisen sich in der Masse erblicken, die sich an das Hemd ihrer Mutter krallten. Was war das hier eigentlich genau? Und was wollte ich überhaupt hier? Leise schnaubte ich und lächelte. Ich war ohne zu Zögern mitgekommen, um Shizuka zu finden, war aber nicht einmal sicher, ob die uns überhaupt halfen.

Matsue blieb mit einem Mal stehen und drehte dich um.

„Hier werdet ihr von nun an wohnen, Herrin!“, er beugte sich leicht vor. Bei den Leuten kein gutes Zeichen, denn die Stimmen, die vorhin so leise waren, wurden lauter. Ich versuchte sie zu ignorieren und betrachtete das Haus. Es war ungefähr ein zweistöckiges Haus, mit einem kleinen Balkon. Natürlich alles aus Holz. Das Dach spitzte sich beachtlich schnell zu. Nettes Urlaubhäuschen, wenn wir hier wirklich mal vorhätten, die Ferien hier zu verbringen.

Ikiru schnappte sich meinen Arm und zog mich die kurze Treppe hoch ins Empfangszimmer. Er schien die Stimme des Fremden nicht lang ertragen zu können. Ich, wenn ich ehrlich bin ,auch nicht. Ein leiser Dank huschte über meine Lippen bis er mitten im Zimmer sich auf den Boden setzte und laut zu setzten begann.

„Na super!“, er fluchte.

„Was denn? Ist was nicht in Ordnung?“, langsam legte ich ihm meine Hand auf die Schulter. Er stieß wieder die Luft scharf aus.

„Nein, eigentlich ist ja alles okay, nur….ach, vergiss es einfach, ja?“, er stand wiederauf und blickte an mir vorbei. Ich wandte mich wieder den beiden Kameraden, die für das hier alles gesorgt hatten.

Still schweigend ruhten sie im Wohnzimmer. Ich kam etwas näher.

„Also, Jungs, da gibt’s so einiges, was ich euch fragen will, aber erst fange ich mal mit der einfachsten an: Was zur Hölle ist das hier alles, und wo spiele ich eine Rolle?“, ich blickte sie beiden an. Sie tauschten sich einen Augenblick per Gedanken ab. Sah jedenfalls so aus. Bis schließlich ein Stimme hinter ihnen erschallte.

„Du bist also Yukino!“, Matsue und Jave traten einen Schritt beiseite, bis ich eine alte kleine Frau beäugte. Die grauen, langen Haare zurückgesteckt, zu einem geflochtenen Zopf, und ihre bernsteinfarbenen Augen hingen trüb in ihrem Gesicht. Ihre große Knorbelnase und ihre vielen Falten ließen sie das Ebenbild einer Heye sein. Ihr typischer japanischer Kimono hing bis auf ihren Boden. Die Farben beließen sich auf grünlich und etwas violette Flecken. Die knochigen Hände suchten an dem Stab halt, mit dem sie ihr Gleichgewicht hielt. Ihre Mundwinkel hingen ernst unten, streng betrachtete sie mich.

„Du siehst ihr wirklich ähnlicher, als ich mich dachte.“, fing sie wieder an.

„Häh?“, ich wusste gar nichts mehr.

„Also gut, auf deine Frage hin, die bist die Enkelin der Ehemaligen Frau, die über Jiyu herrschte. Ihre Sache hatte sie ganz gut hinbekommen, bis sie uns verlies. Nun ja, ihre Tochter, deine Mutter, war ihre Erbin, aber sie akzeptierte ein solches Schicksal nicht, deswegen blieb sie in einer anderen Dimension und zeugte dich. Da du nun hier her zurückgekommen bist, wirst du ihr Erbe fortführen!“, sie hatte ihre Stimme auf ein Flüstern beschränkt, doch ich verstand sie ganz gut.

„Aber ich bin hier, um Shizuka zu helfen! Mehr nicht, ich will gar nichts mit diesen Hirngespinsten zu tun haben!“, ich wollte ich das klar machen, dass ich nur Shizukas Wegen hierhergekommen bin.

„Was meinst du, warum du solche Kräfte besitzt, Yuki-Chan!“, fragte sie mich in einem ruhigem Ton. Ich hielt inne und suchte nach einer Antwort, aber ich brauchte nicht zu überlegen. Meine Mutter hatte auch solche Fähigkeiten besessen, und wegen ihr konnte ich auch fliegen. Ohne Grund werde ich ja nicht ihre Stimme gehört haben.

„Na gut, und warum sollte ich hier bleiben, wenn Shizuka meine Hilfe braucht?“, ich versuchte es ebenfalls mit einer friedlichen Stimme, aber so ganz funktionierte es nicht. Ein misstrauischer Unterton ließ sich nicht verhindern.

„Deiner Freundin geht es gut!“, versicherte die Alte mir. Ich konnte aber die Worte nicht ganz aufnehmen. Shizuka ging es gut? Aber wie, und warum? „Deinen anderen Freunden, die zusammen mit dir hierhergekommen sind, befinden sich auch hier, also gibt es keinen Grund, warum du uns verlassen solltest!“, sie sprach weiter. Desto mehr sie sprach, desto mehr viel mit einem Stein vom Herzen. Ich lies mich nach hinten fallen, weil ich dachte, etwas Weiches anzutreffen. Stadtdessen hielt mich Ikiru in den Armen. Er schaute mich direkt an und sorgte sich darüber, dass mir es zu viel wurde. Aber ich versicherte ich ihm, dass es mir gut ginge. Ich war so froh. Es war alles gut.

„Na dann, ich will sie sehen!“, ich war aufgestanden und rief ganz energisch der alten Frau zu. Selber sich zu versichern, dass es wirklich stimmte, und Shizuka unter Schutz dieser Organisation war. Auch Tsurino, Akita und Rei, ebenfalls Suki, wollte ich finden und sie herzlichst grüßen. Aber die Miene der Alten veränderte sich nicht. Dadurch war zu schließen, dass sie mich nicht gewähren ließ.

„Ich mache dir einen Vorschlag, Yuki-Chan!“, fing sie an. Allein die Stimme hinterließ ein Frösteln. Ich schüttelte mich leicht, um mich die schrecklichen Erfindungen, die mein Kopf gerade zusammengedichtet hatte, zu verscheuchen.

„Was für einen?“, hackte ich nach.

„Du kannst mit deinen Freunden hierbleiben und wir bieten dir hier eine Wohnung, Nahrung und Schutz an.“, hörte sich in Ordnung an. Aber dann kam mein Teil, den ich einzuhalten hatte. „Stadtdessen wirst du das Erbe deine Großmutter weiterführen und hier bleiben!“

Für kurze Zeit zögerte ich. Vertrauen war so eine Sache. Schließlich entschied ich mich aber dennoch.

„Okay, aber ich will sehen, ob es den anderen gut geht, und dass Ikiru und ich hier zusammenbleiben dürfen. Ohne ihn gehe ich, und der Pakt gilt nicht mehr!“, meine Bedingungen hinterließen bei ihr ein dumpfes Seufzen. „Eigentlich sind Frauen hier unerwünscht, vor allem in dem Teil des Platzes, aber was solls.“ Wieder ein stöhnen. „Ich muss ihn aber in einer Kampfkunst unterweisen, sonst wird er nicht hierbleiben dürfen.“, auch ihre Maßregeln ließen mich seufzten. Ich erblickte Ikirus Gesicht. Er nickte entschlossen und betrachtete mich.

„Wenn das alles ist, dann bin ich dabei!“, stimmte er der Alten zu.

„Nun gut, dann ist es entschieden! Ikiru Yamada und Yuki-Chan sind von nun an in unserem Kreis jederzeit willkommen und werden ihr Leben für ihren Herrscher, Hiroki, einsetzten, um das Land Jiko zu schützen!“, rezitierte sie, hob dabei beide Arme ausgestreckt in den Himmel. Es kam mir wie eine Beschwörungsformel vor.

„Nun gut. Ikiru, würdet Ihr bitte mit Matsue den Kampfplatz aufsuchen. Yuki-Chan, Ihr begebt Euch bitte in eure Gemächer. Der Kimono liegt bereit. Zieht ihn an und geht in das Gebiet der Jiyu.“, nachdem sie unsere Aufgaben uns auferlegt hatte, ging sie gemächlichen Schrittes aus der Wohnung und lies uns zurück.

Sofort, als die alte Dame mit Matsue und Jave das Haus verließen hatten und von ihnen nichts mehr zu hören war, schnappte mich Ikiru und schüttelte mich etwas. Danach umarmte er mich und drückte sich an mich.

„Ist alles okay?“, fragte ich. Ich machte mir Sorgen um ihn. Bevor ich ihn getroffen hatte, und nachdem wir Kyosho begegnet sind. Liegen bei ihm Welten. Nicht nur seine komischen Charakterzüge sind mir aufgefallen, auch das er sich verzweifelt sich an mich klammert, wie ein Kleinkind bei seiner Mama. Ich konnte nicht sagen, was mit ihm war. Ich kannte weder seine Vergangenheit, noch seine Zukunftsträume.

Noch einige Minuten hielt er mich fest an sich, sagte nichts. Sein Atem strich mir über meinen Nacken. Die warme Luft hinterließ ein Frösteln. Die langsamen und gleichmäßigen Züge seines Körpers beruhigten mich. In letzter Zeit staute sich bei mir ein Chaos an Gefühlen aus, ich hatte schon den Überblick verloren.

Ikiru löste sich zögernd von mir. Dieser Augenblick war zu kurz, um ihn so genießen zu können, wie ich es mir vorgestellt hatte. Auch ohne Worte verstand ich ihn. Sorgen überhäuften sich. Leider. Das Leben eilte nur so an mir vorbei, wenn ich mir die letzten Tage wieder ins Gedächtnis rief. Ohne Orientierung hatte ich mich in diese Welt gewagt. Durch mich sind alle hier. Dieser Glauben, auch wenn es allen gut ging, machte mir schwer zu schaffen. Wieso sind wir überhaupt hier? Fragen über Fragen bildeten sich in meinem Kopf, doch ich schüttelte den Kopf, um wieder ihn frei zu bekommen.

Meine Hände hielt ich an seine Hüfte, schaute nach unten, erlaubte mir keinen Blick in sein Gesicht. Er würde mir nur wieder schwören, dass er mich beschützen wird. Auch wenn er derjenige ist, den ich die ganze Zeit beschützt hatte. Bei Ikiru fühlte ich immer diese Wärme, die mir seit Jahren gefehlt hatte. Weder von meinen Eltern noch von sonst jemand hatte ich sie bekommen. Und auch wenn ich ständig darauf bestanden hatte, dass ich ohne Ikiru nirgends hingehen werde, sprach ich ohne nachzudenken. Ich kannte ihn erst seit ein paar Tagen, doch inzwischen sind wir gute Freunde geworden. Hoffte doch, dass es den anderen nicht auch so erging wie mir. Wieder drückte ich Ikiru an meine Brust und genoss die Gelegenheit, mich wieder glücklich zu fühlen.

Vereint und Getrennt?!

Nach dem schönen Moment mit Ikiru und mir mussten wir leider getrennte Wege gehen. Auch wenn wir uns noch wiedersehen, blieb nur die Frage offen wann. Ich versprach ihm keinen Mist anzustellen und er mir, dass er sich in den Unterrichtsstunden im Kampf bemühen wird. Er kam mir schon mehr wie ein Mann vor, nicht wie die Memme, die ich anfangs kennengelernt hatte. Naja, den Umständen entsprechend. Das einzige, was mir noch verschleiert blieb, war, dass Ikiru sich je nachdem, in welcher Situation wir uns befanden, anders reagiert hatte. Ticken so Männer? Und noch dass er von mir geträumt hatte. Ich ahnte schlimmes, aber hielt den Rand.

Mit den Erinnerungen zog ich mir den traditionellen Kimono an, den mir Matsue und Jave hatten liegen lassen. Inzwischen habe ich mich in meinem kleinen Zimmer umgesehen. Die altmodischen Möbel waren mir Kurven und verschnörkelten Dingen verziert. Der alte Teppich, auf dem ich stand, bestand aus Wolle, die in alle Richtungen zeigte. Als ich von ihm runterging, um mir das Muster besser anzugucken, sah ich eine Frau. Weiße Wolken schmückten den Hintergrund. Eine fliegende Frau. Ich konnte auch fliegen. Passt da was zusammen?

Das Band, das das Kimono zusammenhielt, band ich um meine Hüften zusammen. Der zu tiefe Ausschnitt zeigte meine Oberweite zu sehr und ich zog mein Top drunter, sonst fing ich noch komische Blicke an. Die Blüten stellten Kirschblüten dar. Mit dem Rosa der Blumen und dem Himmelblau kam ich mir irgendwie doof vor. Ich wusste auch nicht warum, aber es wurde mir alles zu süß.

„Seid Ihr nun fertig, Herrin?“, die Stimme drang von der geschlossenen Holztür zu mir in mein Ohr. Ein helle, aber bestimmte. Fröhlich hörte sich anders an. Ich dachte zwar, dass Matsue oder Jave mich begleiteten, aber das war wahrscheinlich nicht der Fall.

„Darf ich Eure Herrin nun bitten mir zu folgen?“, wieder dröhnte sie zu mir. Ich schaute auf, öffnete die Tür und hielt dabei den Atem an. Nicht schon wieder.

„Mein Name ist Soru, freut mich Euch begleiten zu dürfen!“, er verneigte sich noch bevor ich etwas sagte. Kurz nachdem ich den Weg nach draußen in den Flur schaffte, verneigte sich Soru auf den Boden und wartete ab, ob ich nicht was sagen wollte.

Ich weilte ein wenig in meine Position, bis mir die richtigen Worte eingefallen waren.

„Ich hätte da ein paar Fragen“, fing ich an.

„Ihr dürft mich fragen, was immer Ihr wünscht!“, da Gesicht zum Boden gerichtet, verstand ich ihn kaum, aber trotzdem löste er sich nicht aus der Haltung. Erst als ich einen enttäuschten Seufzer hinterließ und mir an den Kopf fasste, hob er den Kopf an und runzelte die Stirn.

„Wenn Euch nicht wohl ist, dann könnt Ihr auch…“, doch ich kam ihm zuvor.

„Nein, nein, mir geht’s gut, alles prima, tip top. Aber mir geht das Ganze auf die Nerven!“, gestand ich und schwang meine Hüften eine Richtung, um meiner Aussage mehr Eindruck zu verleihen. Der so oder so zu kurze und zu Figur betonte Kimono hielt den Blick des Kämpfers in meinen Ausschnitt stand. Ich suchte den Flur nach weiteren Leuten ab, sah aber niemand.

Ich betrachtete Soru aus dem Augenwinkel. Die Rüstung glänzte, doch wie ein Ritter sah er nicht aus. Einzelne Teile wie Brust oder Schienbein wurden mit Metall geschützt, andere wie die Kniekehle oder den Kopf, der seine zerzausten schwarzen Haare und seinem männlichen Gesicht Ausdruck verlieh, blieben offen. Narben zeichneten sich in seinem Gesicht. Ebenso die Arme erhielten Wunden. Das Schwert hielt er sich an der Hüfte mit einem Gürtel fest.

Ich ging zu ihm rüber und beobachtete die Wunden. Er sah auf und schaute mich an, aber nicht in meine Augen, sondern auf den Boden. Meine Fingerkuppen rieben sich über die Kruste, die sich bei der Behandlung gebildet hatten. Ein Kämpfer, der schon Schlachten hinter sich hatte. Und doch ist er noch jung. Zwanzig, älter nicht. Auch wenn seine so stolze Erscheinung einen fasziniert hätte. Selten schaut eine in das Herz hinein.

„Das tut mir leid.“, flüsterte ich zu ihm. Ob er es hörte, wusste ich nicht, denn mir kamen die Bilder Kyosho’s Tagebuchs in den Kopf, als die letzten Überlebten in seinen Armen starben. Ob es Soru auch so ging?

Endlich wagte er auch einen Blick in meine Augen und ich sah Schmerz. Und Verzweiflung. Schwach lächelte er und es machte mich froh zu sehen, dass er es nicht vergessen hatte, wir man lacht. Doch so lang mir dieser Augenblick auch vorkam, so schnell verschwand er auch wieder.

„Verzeiht!“, er wurde ein wenig rot.

Ich schaute zu mir herunter, was der Auslöser seines Verhaltens war. Man konnte mich jetzt als Tomate erkennen, denn mein Kimono hatte sich ein wenig gelöst und entblößte meine Oberweite etwas. Der Krieger wurde noch röter. Also nicht nur ein Jungspund, sondern auch ein Amateur auf dem Gebiet. Peinlich war etwas anderes, aber ich erschrak mich, als Soru ein Messer heraus holte und sich die Ader durchschneiden wollte. Blitzschnell schoss ich vor und klatsche ihm den spitzen Gegenstand aus der Hand. Dazu bekam Soru noch eine deftige Ohrfeige.

„Was sollte das denn?!“, meine Frage drang in ihn ein. Seine Augen weiteten sich, und er starrte mich fassungslos an.

„Aber…!“, ohne darüber etwas zu sagen, verbeugte er sich wieder und entschuldigte sich noch einmal. Ich fing mich derweilen wieder, und fragte ihn die gleiche Frage.

„Eine rechtmäßige Bestrafung muss nun sein. Aber wenn Ihr sie vollziehen wollt, ich werde Euch nicht daran hindern!“, beantwortete er mir sie in einem monotonem Ton.

„Für was denn eine Bestrafung?“, immer noch entsetzt schaute ich ihn an.

„Für mein widerliches Verhaltung Euch gegenüber!“

„Und was hast du denn so schlimmes getan!“, wieder erkundigte ich mich nach seinem Verhalten.

„Ich habe Euch…“, er wurde rot. Mein Schlag war wohl zu viel des Guten, denn meine Handumrisse ließen sich deutlich sehen.

„Ach so, du hast meine Brüste gesehen, meinst du das?“, nur darüber? Auch Männer hatten ihre Freiheiten gegenüber einer Frau. Über das Wort, was meine Brust angeht, nickte er. Wahrer Gentleman, nie würde einen so sorgfältigen und ordnungsgemäßigter Mann etwas sagen. Ich war mit einem Straßenkind zu vergleichen, jedenfalls was meine Ausdrucksweiße angeht.

„Und dafür musst du dich aufschlitzen?“, in meiner Stimme schwang ein entsetzter Ton mit.

„Nein, aber so wurde ich es gelehrt! Verzeiht, dass ich Euch erschreckt habe!“, diese Entschuldigung lies ich noch so durchgehen.

„Steh erst mal auf und schau mich mal an“, Nachdem er auch wieder sorgfältig meinen Befehl ausgeführt hatte, lese ich meine Hände auf seine Schultern sinken.

„Ich bin kein Prinzesschen, das Schutz oder so was braucht. Erstens. Zweitens werde ich nicht gerne so hoch angesprochen, ich bin Yukino, sonst niemand, klar? Und drittens, leg bitte dein Gentlemanhaftes Getue bei mir ab, so was kann ich nicht gebrauchen, alles verstanden?“, er nickte.

„Gut, geht doch!“, zufrieden wollte ich mich aufs gehen wenden, doch Soru hielt mich davon ab, indem er meine Hand packte. Erstaunt über sein schnelles Verhalten zog er eine ernste Miene auf, während ich nachfragte, ob irgendetwas fehlte. Nickend stimmte er mir zu.

„Ich bin erfreut zu hören, dass Ihr voller Güte seid, aber seid bitte vorsichtig. Viele werden hinter Euch her sein. Auch wenn Ihr herausragende Fähigkeiten besitzt, seid Ihr dennoch in Gefahr. Bitte, ich möchte Euch zu Seite stehen! Als Euer Begleiter!“ Verdutzt starrte ich ihn an, als ob ich eine Wand anstarren würde. Wieder einer, der mir Treue schwört. Langsam nickte ich, aber ich werde garantiert niemanden in Gefahr bringen, wenn ich die eigentliche Zielscheibe bin. Darauf wird er Gift nehmen. Wenn ich jetzt abwerfe, werde ich nicht wirklich als Hochstehende akzeptiert. Auch wenn es mir widerstrebte, dass sich immer wieder Leute vor mir verbeugten, vielleicht würde es mir auch eines Tages Vorteile bringen, aber solange ich nicht wusste, was wirklich geschah, werde ich kämpfen!

„In Ordnung, aber bitte nicht zu höflich! Eventuell aber nur, wenn es sich nicht anders geht, okay?!“, meine Prioritäten waren zwar hoch gestellt, aber machbar.

„Wie Ihr wünscht. Wenn Ihr nun mir bitte folgen würdet. Ich bringe Euch zu Eurer Kampfstätte!“, erwähnte Soru, nachdem ich in Erinnerungen schwebte. Er riss mich wieder aus den Gedanken. Ja, ich war angeblich hier, um das Erbe meiner Mutter weiterzuführen. Fragt man sich nur, was ich alles machen musste, um nicht ungewollt Aufmerksamkeit zu erzeugen.
 

Soru begleitete mich nach draußen. Neben mir her laufend hob er stolz seine Brust nach vorn, sodass er als großer Kämpfer dargestellt werden wollte. Typisch Mann, mit ist bis jetzt noch keiner außer Ikiru vorgekommen, der nicht mit seinen Muskeln geprahlt hatte. Okay, es gab immer Ausnahmen, aber leider treffe ich nur solche männliche Typen.

„Wenn ich Euch unterbrechen darf, Ihr hattet ein paar Fragen an mich, wisst Ihr noch?“, Soru sah mich einen Augenblick lang an, bis ich antwortete. Schön anzusehen war er. Und nett auch. Vielleicht ein wenig zu nett, aber wenigstens roch er gut. Ich schüttelte mir den Gedanken ab und begann mit meiner Talkshow.

„Wo sind wir hier eigentlich? Und was sind das für Wesen? Ich meine, ja schon, ich sollte sie kennen, tue ich aber nicht. Kannst du mir das erklären?“, Aufklärung bitte.

„Natürlich. Dies ist der Hauptsitz der Organisation Soshiki. Hier versammeln sich alle, die sich gegen sie Fürsten und deren Kriege auflehnen. Dazu haben wir unseren gütigen Herrscher, Hiroki. Er kontrolliert die Aus- und Eingänge, wer sich in der Organisation befindet und wer nicht.“

„Also das Organisatorische, oder?“

„Mehr als das. Ohne ihn wäre das hier alles nicht möglich gewesen. Ebenfalls beteiligt er sich in den Kriegsgeschehen. Nicht nur strategisch ist unser Gebieter nicht zu übertreffen, sondern niemand kann ihn übertrumpfen. Ein Mann, der keine Grenzen besitzt!“, bei seiner Bewunderungsansprache hob er die Arme gen Himmel.

„Du bewunderst ihn ja sehr!“, bemerkte ich. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass dieser Kerl ja so toll sein soll. Niemand war das. Leider harte Realität.

„Mitnichten. Dieser Herrscher ist ein Gott. Nun, er…“, bevor er mir wieder von seinem so tollen Idol verrät, hielt ich die Hand hoch, dadurch stoppte ich ihn gleichzeitig.

„Übertreib es nicht. Zu meinen anderen Fragen?“, erinnerte ich ihn.

„Verzeiht. Auf dieser Insel gibt es Wesen, die Eure Vorstellungskraft weit übersteigt. Nicht nur Zentauren oder Menschen helfen bei dem Kampf. Riesen, Zauberer, Hexen, Schwertkämpfer, Trolle, Tiere, jeder, der sich gegen die Fürsten lehnen will. Jeder ist aus freien Stücken hier.

Die Hierarchie dieser Organisation ist einfach zu verstehen.

Natürlich sind euch bei Eurer Ankunft mit Sicherheit die Zelte und Häuser aufgefallen. Da immer mehr dem Clan beistehen, wird der Platz immer knapper. Dadurch sind wir gezwungen, einfache Leute wie ich in Zelten unterzubringen. Da diese Sippe aus verschiedenen Kampfrichtungen besteht, wird sie unterteilt, sodass jeder sein eigenes Kampfareal besitzt. Jeder dieser Teilstücke hat ein Oberhaupt. Ihr seid zum Beispiel ein solches Oberhaupt, Yukino.“

„Von welchem Teilstück denn?“

„Da sich die Zauberer und Hexen geteilt haben, hat jeder dieser Leute eine ganz andere Art zu kämpfen. Dort absolvieren sie auch ihre Ausbildung. Ihr seid die, der eigentlichen Zauberer und HexenWenn Eure Untertanen Euch zur Seite stehen, werden sie Euch willkommen heißen. Manche gehen auch aus der Abteilung heraus, um sich neue Künste anzueignen.

Einmal im Jahr werden sich die Oberhäupter versammeln, um ihre Neuigkeiten auszutauschen und dementsprechend zu handeln. Dieses Treffen findet nächste Woche statt.“

„Lass mich raten. Wenn ich jetzt richtig zugehört habe, bin ich in der Hierarchie höher wie die besseren Kämpfer, deswegen schlafen die auch in Zelten und so weiter. Und ich kann nicht einmal gescheit meine Kräfte nutzen, aber ich kann in einem guten Bett schlafen. Tut mir leid, aber das ist nicht fair! Ich bin nicht besonderer wie manch anderer. Jeder hat mit Sicherheit mehr getan als ich! Und dein Vorbild, dieser komischer König, verweilt inzwischen in einem richtigen Prachtschloss, frisst sich den Magen voll, und wird dann noch bewundert? Und natürlich gestattet man ihm auch ein Hochsicherheitssystem in Form von Kriegern, oder? Hab ich nicht Recht?“, ich drehte wieder durch. Ohne Nachzudenken sprossen so die Worte aus meinem Mund, den ich leider nicht halten konnte. Am Ende meiner Predigt verfluchte ich mich über mein Verhalten, doch jetzt war es zu spät. Ich stellte mich auf eine deftige Abreibung ein.

Soru dagegen wirkte nicht sauer oder desgleichen. Seine Miene war hart wie Stein.

„Wenn das Eure Meinung zu ihm ist, akzeptiere ich sie. Aber bitte Seid nicht so laut. Nicht jeder besitzt eine solche Ansicht von Hiroki. Das einfache Volk kann ihn nicht sehen, weil, Ihr hattet schon Recht, von vielen Kriegern bewundert und nicht verachtet wird. Die Geschichten, die die Ritter erzählen nach ihren Schlachten. Niemand weiß, ob sie stimmen. Aber sollte Eure Meinung jemanden hier erreichen, gibt es Probleme, also bitte. Seid leise, in Ordnung?“, sein leiser Tonfall hinter meinem Ohr ließen mich frösteln. Unterdrückung war auch hier Alltag. Na super. Freiheit gab es hier nicht. Es stimmte. Eine Ordnung musste bestehen, sonst wird nichts weiter als Chaos bestehen.

Leicht nickte ich den Kopf, denn in der Öffentlichkeit konnte wer was weiß ich sein. Ich war schon, seit ich hinausgegangen bin ein Hingucker gewesen. Nein, mein Kimono war nicht schuld. Sondern mein Alter. Ja, ganz richtig gehört.

Mitunter ein paar Ausnahmen schätzte ich alle, die ich nun erblicken konnte, mindestens fünfzig ein. Manche trugen weiße Bärte, andere hatten ihre grauen Haare kurz geschoren und ein strenges Gesicht ausgezogen ,als ich versucht hatte, zu lächeln, als sie mir ins Gesicht schauten. Soru schlug vor, die Blicke zu ignorieren, ihm erging es nicht anders als er hierher kam.
 

Schließlich erreichten wir auch unser Ziel, die Kampfarena meines Territoriums, laut Soru. Dort wurde ich erwartet. Nervös darüber, wie sich andere mir gegenüber verhalten, doch auch wieder sprach mir Soru ein paar Tipps zu, sodass ich mich nicht völlig blamierte. Dankend nahm ich sie an und begleitete ihn durch den prachtvoll geschmückten Eingang. Erwartet war ein einfaches Zelt, aber die Organisation war durch einen Überschuss an Geld gezwungener Maßen daran verpflichtet, den Lehrlingen eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Sorus Erzählungen nach, war hier nicht immer alles so. Aber bevor er mir die ganze Geschichte von Soshiki erzählte, stoppte ich ihn wieder. Als wir eintraten, kamen wir in einem Saal an.

„Dies ist die Arena, in der Übungskämpfe stattfinden, ein paar Lehrlinge könnt Ihr dort drüben sehen.“; er zeigte mir mit dem Finger auf ein paar Jugendliche, die mit kleinen blauen Kugel herumspielten. Ich lächelte. Kinder, die Spaß hatten, fand ich immer toll. Auch wenn ich gern auch eine solche Kindheit gehabt hätte, freute es mich, wenn andere sie hatten.

„Wenn Ihr die Eingangshalle nach links folgt, begeht Ihr den Vorbereitungsraum, in denen sich Lehrlinge auf ihren Prüfungskampf vorbereiten. Nach rechts geht es in den Saal der Lehrer und Meister. Eine Art privater Raum, indem sich eine kleine Bibliothek befindet, und Dinge besprechen werden. Wir werden geradeaus in die eigentliche Arena gehen. Bitte, nach Euch!“, wieder seine förmlich Art. Ich warf ihm einen bösen Blick zu. Er verstand und entschuldigte sich tausend Mal. Ein wahrer Gentleman. Kopfschüttelnd betrat ich den Schauplatz der Kämpfe. Durch einen kleinen Flur gelang ich in die Halle. Wie das Kolosseum bestand dieser Raum aus einem Teil in der Mitte, auf dessen rauen Boden Schlachten stattfanden. Am Rand stapelten sich die Zuschauerreihen. Also wurden Kerle oder auch Frauen bei ihrer Blutschlacht angefeuert. Ein Ehrenplatz, wie es Soru beschrieb, war für hohe Tiere wie ich.

Langsam trat ich in das Zentrum der Arena und breitete die Arme aus. Im Gegensatz zu diesem Raum war ich nur eine kleine Ameise, die ohne Orientierung dem Weg nach draußen suchte.

„Ihr werdet nun von eurem Lehrer erwartet, Yukino.“, Soru zeigte mir den Weg in ein kleines Zimmer, indem ein alter Mann sich über einen Schreibtisch beugte und seine Schriften studierte. Ein Zylinder schmückte seinen Kopf, aus dem seine Locken nur so quirlten. Dazu einen schwarzen Mantel und einen Bart. Seine Augen waren mit Augenringen verziert, seine Pupille schwarz. Irgendwoher kannte ich diese Gestalt, nur woher.

Ich nahm meine Hand an mein Kinn und überlegte, ging die letzten Tage nochmals durch und erinnerte mich an ihn. Der Mann an der Bar, der mir ein Getränk spendiert hatte. Und mir komische Rätsel zitiert hatte.

„Du bist doch…“, kaum wollte ich etwas sagen, sprang der Kerl auf und beäugte mich aus seinem Gesicht. Ein paar Falten im Gesicht stand ich Mitte 40 nicht schlecht. Seine Haut hatte einen bräunlichen Stich, aber er kam immer näher. Schließlich waren wir nur mehrere Zentimeter entfernt, bis er sich von seinem Schreibtisch löste und meine Schulter mir seinen Affengriffeln und ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht erschien.

„So sieht man sich wieder!“, meine Begrüßung war nicht ganz freundlich, aber ich hatte auch keine Zeit für Höflichkeiten, ich wollte Antworten, und die bekam ich von ihm. Was meinte er damals mit diesen Zitaten?

„Meint sie etwa, Meister, heißt das…?“, Soru wollte sich mit dem Typen auseinandersetzten, doch er schnipste mit der freien Hand und die Tür öffnete sich weit. Das war wohl der offensichtliche Weg, einem Kämpfer einen Rausschmiss zu zeigen, ohne dabei Worte zu verwenden. Den Trick musste ich lernen, unbedingt!

„Wie Ihr wünscht, Herr!“, Soru verbeugte sich kurz und wandte sich zum gehen. Als er nicht mehr zu sehen war, schnippte er erneut mit dem Finger und die Tür schloss sich, der Riegel ging runter. Nun war ich allein mit dem unheimlichen Kerl. Mal sehen, was er drauf hatte.

„Freut mich auch wieder, Yukino-Sensei!“, sein Grinsen wurde größer, als er seinen Hut weiter ins Gesicht zog. „Bevor Ihr aber wieder von unserem letzten Treffen erzählt, macht mir bitte einen Gefallen und erwähnt anderen nichts gegenüber. Ausflüge außerhalb dieses Ortes sind nicht gerne gesehen.“

Er nahm seine Pfote von meiner Schulter und ging in Richtung meines Kinns. Zog sie zu sich hin und betrachtete mich aus seinen tiefschwarzen Augen. Auch die von mir vermuteten Augenringe waren verschwunden.

Als ich mich ein wenig wehrte, ließ er mich los und ich begann mit meiner Frage: „Wer bist du?“

„Euer zukünftiger Lehrmeister in magischen Künsten, oder wie Ihr zu sagen pflegt, in Hexenkunde.“, ein belustigter Unterton war zu hören.

„Mein zukünftiger Lehrmeister?“, ungläubig wiederholte ich seine Worte.

„Natürlich. Wenn Ihr Eure Kräfte schon beherrschen könnt, dann beweist es mir. Sonst währt Ihr nicht hier, oder? Und nur weil Ihr Ihre Nachfahrin seid, heißt das noch lange nicht, dass ich Euch ein leichtes Training beschere!“

„Schon klar, behandel mich nicht wie ein Prinzesschen. Das kann ich am allerwenigsten Ausstehen. Und noch was: Wer bist du?!“, mit mehr Nachdruck stellte ich ihm erneut meine Frage.

„Kein Prinzesschen?“; immer mehr glaubte ich, dass ich in einer Komödie mitspielte, nur dass mir noch niemand davon erzählt hatte. Seine Stimme wurde zu einem Lachen.

Leider sind bei mir wieder alle Sicherungen durchgebrannt.

„Dir wird ich schon zeigen, was ich so alles draufhab, glaub nur!“

„Wenn das so ist, dann bin ich ja mal gespannt!“, kurz nachdem er mir seine Worte ins Ohr zuraunte, traf mich etwas heftig in der Magengegend. Ich schleuderte gegen die nächste Wand und rutsche langsam runter. Schmerz machte sich breit, sodass ich mir meinen Magen hielt.

„Scheiße, was war das denn?“, brachte ich schwer hervor. Ich fühlte nichts Flüssiges, also blutete ich nicht. Nur mit etwas Zeit und der Stütze, der Wand, schaffte ich es auf meine zwei Beine. Trotz der Schmerzen, die ich noch hatte, warf ich dem Kerl einen bösen Blick zu. Er wiederum balancierte eine schwarze Kugel in der rechten Hand, indem er mit den Finger Kreisbewegungen machte. Die andere hielt seine Hüfte.

„Wolltest du mir nicht zeigen, was du drauf hast?“, fragte er gehässig nach. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich quer durch die Wand gepoltert bin. Das Loch zeigte sich nun, als dieser Typ durch sie hindurch spazierte.

Wieder schoss ein Geschoss durch die Menge. Ich konnte mich gerade noch bücken, als die Kugel den Pfeiler hinterm mir traf und einstürzte.

„Mist!“, fluchend wich ich den weiteren Kugeln auswich. Geschickt konnte man das nicht nennen, eher ein Humpeln und ein Stolpern. Oder ein ganz mieser Tanz, der nicht zu deuten war.

Mir fiel nicht ein, dass ich so erwartet wurde. Ja, große Klappe, nichts dahinter, hieß es so schön. Doch ich konnte diesen Strahl, den ich nur zwei Mal hinbekommen hatte, nicht einsetzte, weil ich nicht wusste wie ich das anstellen sollte. Doch fliegen konnte ich. Ich ignorierte den Schmerz in meinem Magen und schloss die Augen. Machte mich bereit auf Geschosse, doch keine waren zu hören, kein Zischen. Vielleicht fragte er sich, was ich machte.

Allerdings dachte ich nicht nach. Das Fliegen würde mir nur mehr Schmerzen und Verletzungen einbringen, als ich nicht ohnehin schon hatte. Ob der Kerl mich jetzt am Boden oder in der Luft traf, spielte keine entscheidende Rolle. Also war das auch gestrichen.

Auch konnte ich meine Kräfte, die ich erst seit kurzem hatte, nicht beherrschen und ich kannte keine andere Kampftechnik. Also war ich ihm theoretisch ausgeliefert. Noch ein Super.

Bevor ich mir eine Strategie überlegte, obwohl ich nicht der nachdenkliche Typ war, und mich von diesen komischen Zauberkugeln treffen lasse, werde ich mich trotzdem nicht geschlagen geben. Das wollte der Kerl doch nur. Mich auf seine Schiene bringen, sodass ich glatt in sein Messer laufe.

„War das etwas das, was zu unter >zeigen< verstehst?“, fragte mein Gegner und produzierte eine weitere Blase in seiner Hand. Ich beobachtete genau, wie sie in ein kleines Fünkchen sich zu der monströsen Waffe entwickelte. Als ob es alles Zeitlupe war, schoss mein Gegenüber diese Waffe in meine Richtung.

Meine Muskeln und meine Nerven drohten zu platzten, wenn ich nicht wegging. Mein Körper gehorchte mir nicht mehr. Ich wehrte mich geistlich gegen diesen Angriff. Nein, sterben wollte ich nicht, solange ich nicht die anderen sah! Auch wenn ich meiner Aufgabe noch nicht bewusst war, ich würde sie hier erfüllen können. In dieser Welt, ich wusste es. Irgendwoher. Weiß einer warum, aber ich war davon überzeugt, dass ich nicht in diesem Kampf gegen meinen zukünftigen Lehrmeister verlieren würde.

„Nein, mich kriegst du nicht runter. Nicht jetzt, nicht hier, noch irgendwann!“, langsam stand ich auf und rezitierte meine Worte. Selbstbewusst schritt ich zu ihm, und dessen Geschoss. Die Zeit schien stehen zu bleiben. Ich hielt mir meinen Arm mit der Rechten. Meine Haare inzwischen in alle Richtungen verstreut, schaute ich ihn an. Meine Wut konnte ich selbst spüren. Meine Haut kribbelte etwas, bis dieses Kribbeln unerträglich wurde. Irgendwas geschah. Mein Gehirn verarbeitete das zwar, aber meine Umgebung nahm ich nur noch schwach wahr. Ich konzentrierte mich nur noch auf meinen Gegner.

Er hatte inzwischen seine Attacken eingeschränkt und erblickte meine Wut. Sein Lächeln war verschwunden und er trug nun ein ernstes Gesicht auf.

Seine Attacke, die schwarze Kugel flog an mir vorbei, als ich ein Schritt zurück tat und geschickt und gekonnt auswich. Aber noch immer wurde ich von meiner Wut begleitet. Bis ich nur noch zwei oder drei Meter von ihm entfernt war, riss eine raue Stimme mich aus meiner Trance. Abrupt blieb ich stehen und lauschte. Langsam drehte ich mich um, sodass ich eine Gestalt im Schatten erkannte. Lässig an die Wand gelehnt, und mit verschränkten Armen, rief sie mir zu: „Also, früher als Angsthase hast du mir besser gefallen. Aber jetzt hast du wenigstens Kampfgeist!“ Sie drückte sich von ihrer Anlehnungsmöglichkeit weg, machte ein paar Schritte auf mich zu.

„Shizuka?!“, nicht ganz realisierte ich, dass meine verschwundene Freundin gerade wohlbehalten vor mir steht, ihr an nichts fehlte und mir Tipps zu meinem Kampf mit dem unheimlichen Typ hielt. Ohne nachzudenken rannte ich in ihre Richtung und empfing sie mit offenen Armen.

„Mach mir nie wieder solche Sorgen, verstanden!“, ich heulte los und schluchzte rum.

„Ist ja gut!“, Shizuka versuchte, mich wegzudrücken, da ich sie fast erwürgte. Doch ich hielt sie weiter fest, sodass ich sie mich noch mehr am Hals hatte. Sprichwörtlich.

„Ich find es ja auch toll, aber du erwürgst mich!“, schließlich hatte ich doch noch daran gedacht, sie loszulassen.

„Alles okay mit dir!“, voller Vorfreude, sie endlich wieder zu sehen, bewarf ich sie mit hysterischen Worten. Fehlte nur noch ein Hasenköstum und dass ich wegen meinen Adrenalinschub nervös auf der Stelle rumhopste, dann wäre ich wirklich verrückt. Zum Teufel mit meiner Fantasie.

„Erzähl mir, wie du den Rittern entkommen bist!“, nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, wollte ich ihre ganze Geschichte hören.

„Wer ist dein Freund da?“, Shizuka wich meiner Frage aus. Sie sah mir über die Schulter, und erblickte meinen früheren Gegner. Er ließ immer noch eine schwarze Kugel auf seiner Hand balancieren.

„Schwarze Magie, hm?“, neugierig zog Shizuka eine Augenbraue hoch und ich fragte mich, was sie meinte. Deshalb drehte ich mich um, um mir die Frage selbst beantworten zu können. Doch die Fragenzeichen, die sich in meinem Kopf gebildet hatten, wurden noch größer. Oder es wurden mehr. So langsam brauchte ich eine Gebrauchsanweisung für diese Welt.

„Du bist zu unkonzentriert!“, warf der Mann mir an den Kopf. Er ließ die Kugel in der Hand kleiner werden, bis sie schließlich nicht mehr zu sehen war. Mit langsamen Schritten folgte er mir zu Shizuka und nickte ihr zu. „Teilweise, aber nicht ganz. Woher wusstest du, dass es sich um diese Art von Zauberrei handelt?“, er ignorierte mich und meine bösen Blicke, die ich ihm immer wieder zuwarf.

„Das war nicht sonderlich schwer, aber ich wusste nicht, dass es noch so jemanden gibt!“, Shizuka blieb kühl und distanziert, verschränkte die Arme vor der Brust und schaute den Magier eindringlich an.

„Kann mir mal einer erklären, von was ihr es habt?“, funkte ich dazwischen, und ich wurde sogar bemerkt, als ich mich zwischen die Beiden drängte.

„Von nichts. Yukino, wir treffen uns bei mir. Also, spiel noch schön!“, ohne weitere Worte mir mit oder dem Magier zu wechseln, verschwand die Frau. Sie drehte sich nicht einmal um, als ich ihr nachstarrte. Shizuka blieb und wird immer noch, mit jedenfalls, ein einziges Rätsel bleiben.

„Interessant!“, murmelte der Mann, trat neben mich hin und schaute mich an.

„Als noch mal, wer bist du!“, als ich mich wieder eingekriegt, fragte ich ihn mindestens tausendmal dieselbe Frage. Anstatt von mir genervt zu sein, oder mich anschrie, endlich meine verdammte Klappe zu halten, verschwand er geschwind in seinem Büro, in dessen Wand ein Loch herausguckte, kam wieder heraus und kam direkt auf mich zu.

Bevor ich wieder ansetzen konnte, hob er die Hand, die mich zum Schweigen brachte.

„Ihr habt zwar Fähigkeiten, aber Ihr könnt sie nicht gezielt einsetzten, oder?“, fragte ich mich. Seine fast schwarzen Augen sahen in meine smaragdgrünen und ich wurde in einen Trance-ähnlichen Zustand geschickt. Ich realisierte nur noch ihn, meine Umgebung verschwamm immer mehr. Meine Kräfte waren am Ende. Ich war am Ende. Mein ganzer Körper gehorchte mir nicht mehr. Ich wollte nur noch schlafen. Ich stellte mir ein Himmel und ein Bett vor. Ein weiches und gemütliches Bett, indem nur ich schlief. Ich ließ mich fallen, erwartete ein Bett, aber ich wurde von jemand aufgefangen.

Das war das einzige, das ich noch bemerkte.

Schicksal

„Manchmal ist sie eben leichtsinnig!“, ich erkannte eine Stimme. Schwach nahm ich sie war. Wie in einem Tunnel, indem ich etwas hörte, aber nicht einordnen konnte, woher es kam.

„Yukino kenne ich nicht sonderlich, aber sie ist hitzköpfig.“, eine andere Stimmen. Eine hellere, die ich auch kannte. Diese Stimmen redeten über mich.

„Seht mal, sie wacht auf!“, schrie jemand rein. Ich versuchte meine Augen zu öffnen, sah wie vorhin in der Arena alles zweimal oder dreimal. Ich rieb mir meine Augen und erkannte eine kleine Gestalt, die sich als Akita entpuppte. Sie hüpfte aufgeregt auf der Stelle und redete immer wieder auf mich ein, dass sie sich Sorgen gemacht hatte und wollte gerade noch mir erzählen, was sie hier taten, als sie Tsurino unterbrach.

„Jetzt mach mal halb lang, Akita. Du redest zu viel, ehrlich. Sei nicht so stürmisch zu jemanden, der gerade aufgewacht ist!“

„Okay.“, ohne Widerworte hielt Akita den Rand. Ich blickte die lockenblonde Frau an und nickte dankend. Die Brille spiegelte sich in einem Licht, die Glöckchenmütze baumelte fröhlich auf ihrem Kopf. Die orangenen Augen strahlten fröhlich mich an.

„Ist alles wieder okay?“, fragte sie vorsichtig. Nickend stützte ich mich am Ellenbogen ab und erblickte den Raum, indem ich mich aufhielt. Es war ein Sanitärraum. Das Feldbett, indem ich untergebracht war, war erstaunlicherweise gemütlicher, als es aussah.

Ich wollte mich gerade zum Sitzen aufmachen, als ich eine laute Stimme hinter der geschlossenen Tür hörte.

„Lasst mich rein, verstanden. Yukino!!“, jemand schrie mir zu. Ohne zu gucken, um wen es sich handelt, wusste ich schon, wer es war. Ikiru stürmte nur so durch den Eingang, und redete schon los, bevor ich ihn sagen wollte, dass ich es nicht wollte, dass er vor Augen aller mich umarmte. Aber ich hatte keine Chance. Er drückte mich eng an sich und hielt mir einen Vortrag, dass er sich Sorgen gemacht habe und es ihm nicht wohl ginge, dass wir alleine weiterzogen mussten.

Erst als Tsurino aus dem Schock aufwachte, den sie durch den Schlag der Tür erlitten hatte, ließ sie ihre Hand auf Ikirus Schulter sinken und sah ihn mit einem Blick an, den ihn daran hinderte, michweiter zu erdrücken.

„Yukino ist verliebt. Yukino hat einen Freund!“, Akita lachte lautstark auf. Die Röte stieg mir ins Gesicht, doch wieder zischte Tsurino, sie solle solange ruhig sein, bis sie sagte, sie dürfte wieder reden. Auch Ikiru wurde ein wenig rot, aber nur über sein Verhalten.

„Ich habe mir Sorgen gemacht, sorry!“, entschuldigte er sich bei mir. Seufzend blickte ich ihn an. Zentimeter waren nur noch zwischen unseren Gesichtern.

„Es ist alles in Ordnung, du brauchst dir keine Sorgen zu machen!“, meine Hand ruhte auf seine Wange. Er blickte mich mit einem sehnsüchtigen Blick an, doch er erhob sich und ging wieder. Bevor er aber ganz verschwand, meinte er, er würde in dem Haus auf mich warten.

„Wer das denn?“, fragte Tsurino, als Ikiru außer Hörweite war.

„Ein guter Freund. Mehr nicht.“, ich schaute ihm nach. Stirnrunzelnd schaute Tsurino mich an, erwähnte aber nichts.

„Ich glaube, eine kleine Frauenrunde wäre angebracht.“, sagte sie schließlich. „Meinst du nicht auch?“

„Eine Frauenrunde?“, ich betrachtete sie mit Falten in der Stirn.

„Ein Zusammentreffen von uns sechs, oder nicht?“, jetzt verstand ich was sie meinte.

„Wäre vielleicht gar nicht so verkehrt. Aber trotzdem finde ich, dass ich zuerst Rei einen kleinen Besuch abstatten sollte.“, zustimmend mit ihrer Aussage, wollte ich mich erheben, als mir ein stechender Schmerz an der Hüfte mit meinen Atem raubte.

„Was zum Teufel?“, ich sah einen Verband um meinen Bauch gebunden, und ich sah ein gelblichen Fleck darauf.

„Der Kampf tat dir wohl nicht so gut, wie?“, eine raue Stimme ließ mich in eine Ecke schauen. Shizuka hatte sich an die Wand angelehnt und wieder die Arme verschränkt.

„Hast du ihn gesehen?“, zögernd fragte ich. Ich wollte nicht, dass jemand mich so sah.

„Teils, aber das hat jetzt keinen Vorrang. Wir sollten uns treffen und alles Weitere besprechen.“, meinte sie.

Nickend gab ich ihr Recht. Wenn die anderen auch hier waren, dann muss es einen bestimmten Grund haben. Eine kleine Besprechung, was andere hier darüber wussten, wäre nicht schlecht.

„Und wo sollen wir das machen?“, fragte Akita. Sie hatte bis jetzt nicht viel gesagt. Ich war zwar froh, dass sie und die anderen heil angekommen waren, aber ich fand, dass sie zu jung dafür war. Für den Kampf, der wahrscheinlich sattfinden würde, dafür war zu viel zu klein. Die schrecklichen Erlebnisse, die ich im Geiste sah, die ich schon erlebt hatte, sollte sie nicht erleben dürfen.

Nachdem aber niemand eine Antwort auf die Frage wusste, bat ich an, in dem Haus die folgende Diskussionsrunde abzuhalten, das mir zugewiesen wurde. Vielleicht konnte Ikiru uns ja in manchen Dingen helfen.
 

Als ich mich wieder von meinem kleinen Ausrutscher erholt hatte, gingen Akita und Tsurino Rei und Suki suchen während Shizuka noch etwas erledigen wollte. Derweilen ging ich allein wieder in das mir zugewiesenem Haus. Ikiru wartete schon auf der Couch, hatte die Arme auf seine Oberschenkel gelegt und schaute nachdenklich auf den Boden. Er bemerkte mich vorerst nicht, aber ich ging leise zu ihm herüber und legte die Hand auf die Schulter. Innerlich erschrak er und schaute mich an. Ich zwang mich zu einem Lächeln, doch er blickte ernst drein.

„Alles okay mit dir?“, fragte ich sanft. Ich setzte mich neben ihn hin und streichelte seinen Rücken. Auch wenn ich nicht genau wusste, weswegen er so ruhig war, wollte ich ihn trösten oder ihm wenigstens zur Seite stehen.

Er setzte zum Reden an, indem er den Mund öffnete, doch er entschied sich, ihn wieder zu schließen. „Ich weiß nicht, wie es dir sagen soll.“, setzte er an.

„Fang doch einfach mal an.“, schlug ich vor, doch bevor er anfangen wollte zu reden, hörte man schon Akita auf der Haustreppe.

„Ist das ein schönes Haus!“, rief sie und stürmte in die Tür hinein. Erstaunlich, dass meine Tür noch in den Angeln hängen blieb. Denn die Wucht, die Akita beim eintreten (Ein bisschen Untertreibung darf auch mal sein) erzeugte, war mit einem Boxhieb zu vergleichen.

„Da stimme ich dir zu!“, ich hörte eine hohe Mädchenstimme. Rei kam nach den kleinen Mädchen hinein und betrachtete neugierig den Flur. Direkt danach folgten Shizuka und Tsurino, doch nur Suki erblickte ich nicht.

„Wo ist Suki?“, fragte ich die anderen.

Keiner konnte mir antworten. Ich ließ sie erst ankommen, als sich manche auf dem Sofa gemütlich machten, doch Akita war zu aufgebracht um ruhig still sitzen zu können. Deswegen erkundete sie das Haus und ließ uns allein im Wohnzimmer zurück.

„Wir wissen nicht, wo sie ist, jedenfalls konnten uns die Soldaten keine Auskunft darüber geben. Es ist überhaupt ein Wunder, dass wir in dieser Welt fast alle heil angekommen sind.“, Tsurino´s ruhiger Ton ließ mich trotzdem nicht beruhigen. Ich wollte wissen, was mit Suki passiert war.

„Sollten wir uns nicht mal vorstellen?“, Rei blickte fröhlich Ikiru an, der nun locker auf dem Sofa hockte und gespannt der Besprechung lauschte. Von seinem Gefühlschaos vor ein paar Minuten war nichts zu sehen. Respekt.

„Mein Name ist Ikiru, freut mich!“, er lächelte Rei und Tsurino zu, doch Shizuka, die wieder einmal in der Ecke lehnte und von dort aus ihre Kommentare hören ließ, grinste nicht. Sie warf dem Mann einen grimmigen Blick zu und verengte die Augen.

„Okay, aber das ist jetzt nicht wichtig!“, bemerkte ich. Alle Augenpaare drehten sich zu mir. Ich fing mit meinem Referat über der Begegnung mit Otowaru, Ikiru und den Rittern an, nachdem ich Shizuka verlassen musste. Das Treffen mit dem Typen in schwarz war mir zu peinlich gewesen, deshalb ließ ich die Szene aus. Kyosho blieb ebenfalls unerwähnt. Auch Ikiru bemerkte nichts Weiteres.

„Das war mit Sicherheit spannend, als dich die Sensenmänner in die Organisation gebracht haben, oder?“, Rei klatsche erfreut in die Hände und grinste noch mehr. Anscheinend freut sie sich, wenn jemand in Gefahr war, oder sie war von Natur aus ein sehr fröhlicher Mensch.

„Bei uns war das nicht so brutal!“, Tsurino begann mit ihrer Predigt.

„Akita und ich sind in der Nähe dieses Lagers aufgewacht und wir wurden von ihnen aufgenommen. Weil sie wahrscheinlich dachten, dass wir Flüchtlinge sind, haben sie uns ein Zelt zur Verfügung gestellt. Akita hat einmal geweint, aber wir wurden nicht angegriffen, oder so.“

„Habt ihr irgendetwas über diese Organisation in Erfahrung gebracht?“, fragte ich sie.

„Naja, nicht viel. Es gibt Hiroki, dem Anführer des Ganzen und eine Monarchie. Ebenfalls Regeln, denen alle gehorchen müssen. Mehr weiß ich leider nicht. Tut mir leid.“

Rei sprang auf, und strahle über das Gesicht. „Bei mir war alles total spannend! Zuerst haben mich solche Ritter, wie du sie nennst, angegriffen, danach haben sie mich zu einem Schloss gebracht. Die waren aber gar nicht nett, also habe ich mich gegen sie gewehrt!“ Bei ihrer Erzählung verzog sie je nach Situation das Gesicht, um dem mehr noch Eindruck sie verleihen. Wäre das hier nicht wichtig und ernst gewesen, hätte ich gelacht.

„Ich bin dann von einem Typen in ein Zimmer gesperrt worden, aber hab mich mit einer angefreundet. Als die gleichen dann widerkamen, bin ich Ohnmächtig geworden und dann war ich hier!“, fröhlich setzte sie sich wieder und setzte ein Grinsen ins Gesicht!

„Und weißt du etwas über die Organisation?“, auch ihr wieder die gleiche Frage.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, sorry, ich kann dir auch nichts sagen!“

„Bleibst du noch übrig, Shizuka!“, meinte Tsurino uns schaute die schwarze Gestalt in der Ecke mit einem Blick an, den ich als frech einstufte.

Sie blickte zuerst Tsurino, danach den Rest an. Ihre Augen waren noch schwärzer geworden, wie ich sie in Erinnerung hatte.

„Ich habe mich nur mit den Rittern rumgeschlagen, sonst nichts. Ich suchte Yukino, fand aber dieses kleine Zeltlager. Mehr nicht!“, distanziert wie immer, verschloss sie ihre innere Fensterlugen, indem sie ihre Augen schloss, sodass sie gar nicht zu erkennen war, wenn man nicht wüsste, dass sie sich in der Ecke dort aufhielt.

Aus dem Augenwinkel sah ich Ikiru, der Shizuka eindringlich ansah, aber er schwieg. Mischte sich nicht ein. Ein überlegter Bick, der mir sagte, dass er Shizuka nicht ganz traute. Konnte ich ihm nachvollziehen, denn bei mir war es anfangs auch so gewesen.

Shizuka störte es nicht, dass sie von Ikiru so starr angeschaut wurde. Das einzige, was sie machte, war, dass sie sich immer noch an die Wand lehnte und nicht sprach, es sei denn sie wolle nicht ihren Kommentar abgeben oder sie wurde gefragt.

Schweigen brach aus. Jeder war mit etwas anderem beschäftigt, aber beteiligte sich nicht an dem Gespräch. Tsurino schaute sich die Decke an, als ob sich da oben etwas so interessantes befindet, dass ihre Aufmerksamkeit beanspruchte. Rei unterheilt sich mit ihrem Haar, wedelte es immer wieder herum, rollte es auf ihrem Finger, und grinste, als ob sie sich in einer anderen Welt befinde. Von Shizuka brauchte ich gar nicht anfangen. Sie stand ruhig in der Ecke, schwieg und hielt die Augen geschlossen. Ihre Mundwinkel ganz nach unten gezogen. Akita beschäftigte sich immer noch mit ihrem Rundgang. Manchmal hörte man ihre Schritte aus dem Oberstock, aber sonst sagte sie nichts. Ich selbst beteiligte mich auch nicht mehr. Ich wusste nicht, was ich sagen würde, aber ich erinnerte mich an den Augenblick, an dem ich mit Ikiru allein war. Dieses Gefühl kam wieder in mir hoch. Ikiru dagegen saß ebenfalls still auf der Coach, lässig einen Arm um die Lehne und ein Bein um das andere geschwungen.

Ich spielte mit meinem Kimono, sah mir die Kirschblüten an. Endlich nahm wieder Tsurino das Gespräch in die Hand.

„Habt ihr etwas über Suki gehört?“, fragte sie. Bevor ich etwas sagen konnte, sprach mir Shizuka hinein.

„Ich glaube nicht, dass sie hier ist.“, meinte sie.

„Wieso nicht?“, neugierig blickte ich sie an.

„Wer ist sie?“, Ikiru wurde ignoriert, weil Shizuka nur meine Frage mir beantwortete.

„Sie hatte eine andere Ausstrahlung wie ihr, deswegen. Ihre Aura war wesentlich kühler.“, ihre Begründung kapierte ich nicht ganz.

„Sie roch anders.“, äußerte sich Rei. Sie spielte noch mit ihrem Haar rum, als sie ihre Aussage herausbrachte.

„Du kannst Leute durch ihren Geruch erkennen?“, ungläubig schaute ich sie mit offenem Mund an.

„Nein, aber sie roch nach Rauch, habt ihr das nicht bemerkt?“, anscheinend war Rei doch anders, wie ich dachte. Plötzlich erinnerte ich mich an die Zeit, die ich mit Rei verbracht hatte. Genauso fröhlich, aber nichts im Vergleich zu jetzt.

„Jetzt wo du es erwähnst. Was, jetzt schon so spät?!“, Tsurino’s Erkenntnis ließ sie aufstehen. Ein Blick auf die Uhr und ich stand ebenfalls auf. Als jetzt auch Rei und Ikiru erhoben, meinte Ikiru es sei spät, und er habe noch einen Termin. Ohne weitere Worte, außer den Abschiedsworten, wandte er sich in Richtung Tür und verschwand. Auch Rei verabschiedete sich, weil sie noch üben wollte. Shizuka und ich blieben als einzige zurück, als sich Tsurino Akita schnappte und zusammen mit ihr die Tür hinter sich schloss.

„Wer ist eigentlich der Kerl?“, fragte Shizuka, und sie nahm endlich Platz. Sie nahm ihre verschränkten Hände auf den Schoß und sah Ikiru nach.

„Ein Freund, wie gesagt.“, ich wurde ein wenig rot, als mich die Frau direkt in die Augen starrte.

„Du hast dich in den Kerl verschossen, oder?“, wieder eine direkte Frage.

„Nein, warum auch. Ich habe von Männern wirklich genug!“, meine Stimme wurde lauter, bedrohlicher.

Sie schob eine Braue gen Himmel und ihr Blick verriet, sie glaubte mir nichts. Ihr Problem, nicht meines.

„Du bist immer so verschlossen, weißt du?“, ich fand es gerecht, dass sie mich nach meiner Privatsphäre fragte, sodass ich auch angriff.

„Vielleicht!“, ließ sie mich wissen.

„Mehr hast du dabei nicht zu sagen?“, ich wollte nicht genervt oder sauer klingen, deshalb räusperte ich mich. Bei meiner offensichtlichen Klage, sie solle mehr über sich erzählen, schaute sie mich eindringlich an. Der Blick war nicht zu deuten, aber ich wusste, was sie mir sagen wollte, ohne dafür Worte zu benutzen. Bevor ich jemanden anklagte, solle ich selber vor meinem eigenen Haus kehren. Shizuka mochte nicht, dass ich sie so persönlich fragte, aber sie tat es auch mit mir.

„Du hast es also verstanden?“, eine kleine Bemerkung von ihr und ich wurde rot.

„Jaja, okay.“, eingeschnappt verschränkte ich die Arme.

Shizuka lachte. Ihr Lachen war heller, als ich anfangs dachte. Herzhaft zogen sich ihre Mundwinkel nach oben und ich grunzte. Ihre Lache war ansteckend. Als wir uns wieder eingekriegt hatten, wurde ihr Gesicht mit einem Mal ernst.

„Es ist mir wichtig, bitte, sag mir: Wer ist dieser Typ? Was weißt du über ihn?“, wieder stellte sie mir die gleiche Frage.

„Warum willst du es wissen?“, ich verteidigte ihn.

„Weil…es ist schwer zu erklären!“, ich stöhnte und nahm ihre Hände an den Kopf.

„Wenn du mir sagst, warum, sage ich dir, was ich weiß.“, schlug ich Shizuka vor.

Sie nickte, und sprach: „Wenn es dir noch nicht aufgefallen ist, er hat eine seltsame Aura. Sei bitte vorsichtig!“, sie sorgte sich um mich. Ich lächelte. Es freute mich, dass sie sich Sorgen machte, aber was war an Ikiru so seltsam?

„Warum? Bist du neidisch, oder wie?“, spöttisch ließ sie ein Schnauben hören.

„Nein, darum geht es mir nicht! Wirklich nicht“, versicherte sie mir. „Aber ich…will dir nur sagen, dass du dich in Acht nehmen solltest. Das ist nur ein Ratschlag. Ich traue ihm nicht ganz!“

Für mich hörte es sich nach Neid an, aber ihre Worte ließen mich nachdenken. Gab es etwas, dass ich noch nicht bemerkt hatte? Speilte er nur ein Spiel? Vielleicht. Nur die Zukunft konnte mir die Antwort geben. Abwarten. Vielleicht ergibt sich etwas.

„Woher weißt du, dass etwas mit Ikiru nicht stimmt?“, fragte ich wissbegierig, doch ich flüsterte ihr zu. Er konnte ja sein, dass es neugierige Ohren mitbekamen. Shizuka hielt sich auch an den leisen Ton.

„Ich kann Seelen und Auren spüren, Yukino, und dieser Kerl hat eine ganz andere wie ihr. Deswegen, sei bitte vorsichtig!“, warnte sie mich und ging, nachdem sie mir gesagt hatte, wo sie mich finden konnte. Nun war ich allein in dem Haus und lauschte dem Lärm von draußen.

Warum ich nur?
 

Ich war allein im Haus. Allein. Wieder das Wort. Nicht einmal hatte ich mich nicht so gefühlt. Warum? Keine Ahnung. Ein leeres Gefühl schlich sich unter meinen anderen. Wie eine Achterbahn fuhren sie hoch und runter, wegen ihm. War ich wirklich in ihn verschossen? Shizuka meinte ja, aber mein Herz meinte auch dasselbe. Doch mein Gehirn signalisierte mir, dass ich mich in Acht nehmen sollte. Shizukas Warnung hallten och in meinen Ohren, als ich mich aufsetzte und in mein Schlafzimmer ging.

Dort angekommen saß ich mich auf das bequeme Bett und schnaufte mehrmals. Doch auch das wiederholte Luft holen brachte mich nicht aus meiner Verfassung. Jeder Gedanke kam und ging so schnell wieder, wie er gekommen war. Zuerst das Eintreffen in eine fremde Welt, danach die Kräfte, die angeblich in mir schlummerten, und dann noch die Aufgabe, die mir auferlegt wurde. Ich wusste nicht, wie ich das alles schaffen sollte. Oder wie ich es bis jetzt schaffte. Das einzige, was ich jetzt noch wissen wollte war, was meine Mutter an mich weitergegeben hatte. Wusste mein Vater davon?

Wieder Fragen über Fragen. Mein Kopf schmerzte.

Ich lag noch lang auf dem Bett. Die Zeit schien nur noch ein Ausdruck zu sein. Jegliches Zeitgefühl hatte ich verloren. Ich nahm meinen Arm über meine Augen, als ich diese schloss. Ruhig lag ich auf der Decke und ließ mich von der Zeit treiben.

Als ich sie wieder aufmachte, war es inzwischen dunkel. Ich war wohl eingeschlafen. Immer noch meinen Kimono anhabend ging ich runter in die Küche. Der Schlaf tat mir gut, aber ich konnte nicht mehr. Ein Kaffee und ich war wieder fit, hoffte ich.

Instinktiv wollte ich den Lichtschalter suchen, aber die Dunkelheit bat mir nichts als den Mondschein. Und der wurde durch das Dach blockiert. Das Glück war mir mal wieder holt. Ich suchte durch meine Hände eine Tasse und ein Pulver, mit dem man daraus einen Kaffee herstellen konnte, aber leider fand ich nach vielleicht einer halben Stunde nur Tee. Also, was solls.

Nachdem der Tee fertig war, goss ich ihn mir ein und ging ans Fenster. Wie ein Morgenmantel umschloss ich den Kimono so um mich, dass er mich wärmen sollte. Lange noch schaute ich raus und sah nur weitere Häuser, manchmal Zelte und die Nachtwache, die sich ohne zu bewegen auf andere aufpasste.

Eigentlich wollte ich das Ganze nicht. Ich hatte nie zugestimmt, dass ich diese Kräfte besitzen wollte. Uns auch nicht, dass ich hier her gelang, um das Erbe meiner Mutter fortzusetzten. Aber was sollte ich denn schon machen. Vielleicht gab es ja einen Zauber, der mich in meine alte Welt zurückbeförderte? Ich sollte mal den Typen fragen, der mit mir den Kampf ausgetragen hatte.

Ich erinnerte mich daran, dass er angeblich oder laut Shizuka schwarze Magie benutzte. Außerdem wollte ich wissen, warum ich danach einfach so umgeflogen war.

Ganz in Gedanken blickte ich die Wache an, die immer noch stocksteif dastand und seine Aufgabe erfüllte. Plötzlich erkannte ich einen beweglichen Schatten, ganz leicht, aber es bewegte sich etwas. Ich stellte meinen Tee ab und ging näher ans Fenster heran. Besser als jetzt konnte ich sowieso nicht sehen, aber der Mondschein leuchtete direkt die Person an, die Wache hielt, dahinter kam eine Person hervor. Langsam schlich sie sich heran, danach blitzte etwas aus. Zu schnell um es sehen zu können, erstrahlte etwas, ich schloss die Augen, da es blendete. Meine Iris wurde kleiner, aber ich versuchte, irgendeine Information zu erhalten. Etwas Rotes war zu erkennen. Ein Licht, oder so etwas in der Art.

Als es das Blenden wieder verblasste, schien nichts geschehen zu sein. Die Wache stand stocksteif da, wie vor ein paar Minuten, und auch der Schatten schien nicht existiert zu haben.

Doch ich wollte dem selber auf den Grund gehen und betrat den Weg. Die kühle Nacht blies in mein Gesicht. Ich zog den Kirschblütenkimono fester und ging zu der Wache. Doch mit den langsamen Schritten, die ich machte, wurde das Gefühl in mir immer stärker, dass ich selbst nicht hier richtig sicher war. Das Gefühl schwand auch nicht, als ich vor dem Mann stand und ihm zuredete. Doch er antwortete mir nicht. Sah stur geradeaus, als ob er versteinert worden wurde.

„Hallo? Kannst du mich hören?“, fragte ich ihn, ein wenig lauter, aber immer noch erwachte er nicht aus seiner Trance. Leise nahm ich aber Geräusche in Form von Schritten war. Jemand war hier. Hinter mir.

Ich wollte mich nicht erschrecken und auch nicht so offensichtlich anmerken lassen, dass ich meinen Beobachter gehört hatte.

„Yukino?“, dennoch erbebte ich, als ich meinen Namen hörte. Rei kam heraus und betrachtete mich.

„Was tust du denn hier?“, fragte ich sie.

„Du bist auch wegen diesem Leuchten hier, oder?“, ihre Gegenfrage bestätigte sich durch mein Nicken.

„Aber der Kerl antwortet mir nicht!“, zur Bestätigung klatschte ich ihn eine Ohrfeige, die schallte. Keine Reaktion. Auch andere Wachleute waren nicht gekommen.

„Etwas stimmt hier nicht!“, Rei sprach meinen Gedanken aus. Wieder bestätigte ich.

„Ich höre jemanden, komm mit!“, wies sie mich an, und ging in Richtung Westen. Weder den Weg entlang noch die einzelnen Trampelpfade, sondern sprang mit Leichtigkeit auf das Dach und schaute mir nach.

„Ich komme ja schon!“, meinte ich gehässig und wollte mich gerade aufmachen, um mir ihr die Dächer zu erkunden, hörte ich schon Klingen aufeinander kreuzen. Rei starrte mich an und wollte durch ihren Sprung zum Geräusch nachgehen, wartete aber. Sie wandte sich um.

„Ich komm schon mit, verschwinde du und helfe ihm!“, ich verstand sie. Schließlich drehte sich Rei wieder um und sprang von Dach zu Dach zu dem Klang.

Bevor ich mich aufmachte, ihr zu folgen, hörte ich noch etwas. Schritte liefen in die entgegengesetzte Richtung. Rei kam schon klar. Ich entschied mich, dem Jemanden nachzulaufen, der weglief.

Ich versuchte, das Geräusch genau zu deuten. Osten. Südosten. Durch die Sterne konnte ich mich orientieren, und ich konzentrierte mich auf den Wind. Ein kaltes aber vertrautes Gefühl zischte durch meine Adern und erfüllte mich mit Leben. Lächelnd erhob ich mich etwas von dem Boden. Ich breitete die Arme aus, genoss den Moment, der mir sagte, dass ich nicht allein war. Die Luft, der Wind war bei mir. Ich fühlte mich frei. Keiner konnte mir sagen, was ich zu tun hatte, ich befehligte selbst, was ich tat.

Die Atmosphäre schien mir zu gehorchen. Kleine Winde wehten um mich herum ich flog weiter in die Lüfte.

Ich machte meine Augen wieder auf und sah, dass ich über der Organisation schwebte. Die Häuser, Zelte sowie die Natur wurden immer kleiner, je höher ich stieg. Ich sah mich genau um und erkannte eine rennende Gestalt. Ein schwarzer Umhang versteckte die Person, die sich an der Wache vergriffen hatte.

„So, dann wollen wir mal!“, murmelte ich zu mir selbst und flog dichter am Boden heran, aber noch hoch genug, um nicht viel Aufsehen zu erregen. Aber schon wurden die Wachleute durch den Dieb aufmerksam. Ich blieb durch die Dunkelheit geschützt, aber die Gestalt mischte sich unter den Wachleuten. Durch das Schwarz, das die Nacht prägte, und die Hindernisse, die mir das Erkennen und Verfolgen der Gestalt, als Schwierig gestalten, erkannte ich noch weniger, als ich ohnehin schon tat.

Immer weiter wagte ich mich runter, um die Person nicht aus den Augen zu verlieren. Sie lief Richtung Ausgang, durch das Tor, in das ich und Ikiru hindurch geschritten waren. Doch bevor sie es schaffte, hatte ich eine verrückte Idee. Das einzige, was ich jetzt machen könnte.

Ich wurde schneller, sodass den Wind mir die Haare in mein Blickfeld wehten. Ich hatte eine beachtliche Geschwindigkeit drauf und ging immer tiefer, bis ich nur noch wenige Meter von Boden entfernt war. Schnell schnappte ich mir den Umhang und zog daran, dass der Dieb stoppte, und so war es auch. Plötzlich aber rann mir jemanden rein, sodass ich mit ihm zusammenstieß. Ich wurde mit ihm gerissen und kollabierte mit ihm zusammen.

Schmerzen breiteten sich aus, als ich am Boden ankam und den Dieb suchte. Meine Augen mussten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen, aber dennoch erspähte ich eine Person auf dem Boden. Langsam näherte ich mich ihr, dachte die Person wäre bewusstlos, weil sie sich nicht mehr regte. Doch als ich bei ihr angekommen war, erkannte ich eine männliche Gestalt. Er stöhnte und langsam wurde er in die Realität zurück geholt.

„Hey, ist alles okay?“, ich untersuchte die Person und wollte sie gerade anfassen, um nach Verletzungen Ausschau zu halten. Der Mann kam wieder auf die Knie und hielt sich den Kopf. Ich dachte erschrocken, dass ich ihm eine Kopfwunde verpasst hatte, aber ich sah kein Blut oder schmerzverzogenes Gesicht, also schloss ich draus, dass ich nicht Schlimmes verbrochen hatte.

„Es tut mir leid, aber ich war gerade dabei, einen Kerl zu schnappen, sorry, wirklich!“, entschuldigte ich mich bei ihm. Hoffentlich hatte ich wirklich nichts Schlimmes getan. Ich machte mir Vorwürfe, dass ich meine Kräfte nicht richtig unter Kontrolle hatte. Verdammt.

Ich schaute mich nach der schwarzen Gestalt um, sah aber niemanden außer mich und mein Opfer.

Wieder entrann ihm ein Stöhnen und schüttelte den Kopf.

„Alles in Ordnung?“, fragte ich vorsichtig und hielt ihn an den Schultern. Ich sah schwarze Haare, die sich um sein Gesicht schwangen und seine hohen Wangenknochen betonten. Die Augen hielt er zu, doch ist konnte sehen, dass er Schmerzen hatte. Seine Haut war etwas brauner als meine. Das war das einzige, was ich aus der Dunkelheit schließen konnte.

Ich wiederholte noch einmal meine Frage, doch diesmal antwortete er mir.

„Jaja, es geht einigermaßen!“, antwortete er mir mit einer tiefen und bestimmten Stimme. Angenehmer Klang. Endlich öffnete er auch seine Augen und ich sah nur zwei schwarze Kugeln. Er sah mich direkt an und lächelte.

„Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen, ehrlich. Ich hätte besser meine Augen aufmachen sollen.“, ich dachte, ich höre schlecht. Hatte er gerade gesagt, er sei Schuld an dem Unfall gewesen.

„Nein nein, aber...“, ich konnte wohl kaum sagen, dass ich fliegen konnte. Deshalb erfand ich mir einfach eine Story. „..ich bin einfach gerannt und habe dich übersehen!“, ich half ihn aufzustehen und ich tat es ihm gleich.

Er rieb sich etwas am Kopf und schaute sich die Umgebung an.

„Was hat eigentlich ein kleines Mädchen hier verloren?“, fragte er nach einer Weile.

„Könnte ich dich auch fragen, oder?“, spitzbübisch wie ich war, fragte ich ihn ebenso. Grinsend gingen wir in eine kleine Gasse.

„Hast wohl recht, ich suchte jemanden!“, er schaute mich an und lächelte wieder. Ich runzelte die Stirn. Er rannte und suchte jemanden mitten in dunkelster Nacht? Nicht ganz glaubwürdig.

„Wie gesagt, ich habe jemanden verfolgt, aber durch diesen kleinen Unfall ist er mir entwischt.“, gab ich zu.

„Sorry, aber ich glaube, ich bin wohl etwas blind“, durch seinen kleinen Witz musste er lachen, sodass ich mit lachte. „Wie heißt du eigentlich?“

„Yukino. Ich bin seit ein paar Tagen hier. In einem der Hütten im inneren der Organisation. Du?“, Gegenfrage wieder.

„Freut mich, Yukino. Ich bin Shiro.“, zur Begrüßung hielt er mir seine Hand hin. Ich nahm sie und er schüttelte mal kräftig. Als ich sie wieder an mich nahm, rieb ich sie wegen seines kräftigen Handschlags.

„Entschuldigung, ich bin mir meiner Kraft meist nicht so bewusst, weil ich…“, fing er an. „…nicht oft mit Frauen zu tun habe.“ Also sind hier Frauen so häufig wie Kutschen in meiner Welt. Na toll. Ich kam mir irgendwie nicht richtig am Platz vor. Ein Gefühl sagte mir, dass ich nicht in den Krieg gehörte, sondern in die Küche. Trotzdem aber ignorierte ich mein Gewissen und schaute ihn an.

„Kommt auch nicht häufig vor. Frauen hier, oder?“, meine Gegenfrage ließ Shiro nachdenklich wirken.

„Nein, das hast du wohl recht!“, stimmte er mir zu und lächelte wieder. Seine Mundwinkel schienen nicht oft benutzt zu werden, denn seine Lache kam mir künstlich. Trotzdem war er niedlich.

„Bist du hier stationiert?“, meine Frage beantwortete er nicht sofort. Er schien nach den richtigen Worten zu suchen.

„Ich bin hier schon eine Weile, leider kann ich dir nicht sagen, wie lange. Ja, ich bin hier stationiert, das kann man so sagen.“, er distanzierte sich von mir, indem er mir meine Fragen nicht wirklich, geschweige denn ausweichend antwortete.

„Also dann, ich sollte wieder zurück!“, meinte ich und wollte mich auf den Weg machen, als ich sehr zuckte. Innerlich zog sich meine Hüfte schmerzhaft zusammen, ich ging zu Boden und hielt mir meine wunde Stelle. Shiro rannte zu mir, rief mir zu uns wollte wissen, was los war.

„Nichts, ich bin nur etwas erschöpft.“; ausweichend wollte ich nicht, dass eine Wildfremder mit mir ging. Deswegen nahm ich seine Hilfen nicht an, als er mir anbot, mich zu tragen. Doch leider müsste ich sie in Anspruch nehmen, da ich durch meine verletze Hüfte nicht richtig laufen konnte. Leise fluchend tat er seine Hände an meine Schultern und hob mich hoch. Wie eine Feder trug er mich den Weg entlang.

„Bin ich wirklich so leicht?“, irritiert über seine Stärke, die mich und ihn wie ein Brautpaar ansehen ließ, schüttelte ich meinen Kopf.

„Nein, aber ich kann doch nicht eine solche Schönheit in der Nacht stehen lassen.“, antwortete Shiro mir, als ich rot anlief. Durch die Nacht konnte es Gott sei Dank nicht sehen. Aber als ich jetzt über seine Worte nachdachte, fand ich heraus, dass er wirklich nicht mit vielen Frauen zu tun hatte. Sonst würde er sagen, dass ich allein zu Recht kämen müsste. Die Verletzung schmerzte nicht sehr, aber ich war Schmerzen nicht gewöhnt. Weder an Kämpfe noch an solchen Umständen, zu leben. Außerdem waren für mich die letzten Tage anstrengend gewesen, und ich konnte eine Mütze voll Schlaf jetzt gut gebrauchen.

„Wie kann es sein, dass du als Frau hier bist?“, fragte er mich nach ein paar Minuten, nachdem ich ihm den Weg zu meinem Haus erklärt hatte.

„Ich kann mir eben nicht auf die Schnelle einen wachsen lassen!“, sagte ich im ironischen Ton, den ich wenig später bereute. Er lachte über meinen Witz. Immer noch in seinen Armen murmelte ich und verpasste mir einen Denkzettel, keine ironischen Laute gegenüber jungen Männern zu halten.

Nachdem er sich endlich eingekriegt hatte, sah er mich vergnügt an.

„So eine ist mir wirklich noch nicht vorgekommen, wirklich!“

„Danke, aber ich würde gerne wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkommen. Ich bin eben weiblich, und daran lässt sich nichts ändern!“, stolz über mein Geschlecht regte ich den Kopf, wie ich es in den Armen Shiros konnte. Wieder belustigte er sich an meinen Kommentaren.

„Ich muss sagen, dass ich dich mag. Du hast deinen Stolz, und den solltest du nicht verlieren, vergiss das nie.“, langsam setzte er mich ab. Wir waren an meiner Hütte angekommen, wo im oberen Stock Licht brannte. Ikiru schien schon da zu sein. Shiro sah nach oben und eine schwarze Gestalt an dem Fenster.

„Ich sollte wohl gehen. Dein Freund erwartet dich vielleicht schon.“, die letzten Worte und er wandte sich zum Gehen.

„Warte!“, schrie ich ihm hinterher und er stoppte. Ich humpelte zu ihm rüber und sah ihn nochmals in seine schönen schwarzen Augen. Die ewige Dunkelheit schien nicht zu enden. Wenn ich nicht schleunigst etwas sagte, würde ich dahin schmelzen.

„Danke.“, entwich meinem Mund, ein Flüstern, als er sich weiter zu mir vorbeugte.

„Ist schon okay. Das einzige, was zählt ist, dass dir nichts zugestoßen ist.“, er lächelte geheimnisvoll. Er kam mir immer näher. Als sich meine Lippen von seinen nur noch Millimeter entfernten, entrann ein Grollen aus meiner Stimme.

„Nein, ich danke dir für deine Mühe. Mich trägt schließlich nicht jeder immer durch die Gegend.“, ich lächelte ebenfalls. In meinem Körper wurde es immer wärmer, bis mir heiß war. Gewollt war ein verlockender Ton, und es funktionierte. Shiro antwortete mir.

„Ich begegne auch nicht jedem Tag einer solchen Schönheit.“ Er kam noch näher, als sich sein Mund auf meinem ausruhte. Er küsste mich langsam. Ich erwiderte ihn und stöhnte leise. Doch dieser Moment blieb mir in Erinnerung, denn er zerrte mich an sich, bis ich seine Brust berührte. Seine Umarmung beantwortete ich, indem sich meine Fingernägel in die Oberarme krallten. Durch meine Bewegung stöhnte er ebenfalls auf.

Doch so schnell wie er gekommen war, war er auch schon wieder weg. Mit einem Ruck riss Shiro mich von ihm weg. Erschrocken darüber konnte ich nicht wirklich einordnen, warum und wieso Shiro dies tat. Ich dachte, es würde ihm genauso gut getan haben wie mir, aber das war ich auf dem falschen Dampfer.

„Hey, sorry, ich wollte nicht…“, setzte ich an, noch ganz außer Atem von dem schönen Augenblick. Eigentlich hätte ich ja nicht irgendeinen küssen wollen, den ich erst seit ein paar Minuten kannte, aber er brach mich durch seine Stimme zum Schweigen.

„Nein, ich war es. Entschuldigung. Es wird nicht mehr vorkommen. Nur…ich wusste selbst nicht… was in mich geschehen war. Ich…sorry.“, er stotterte Wörter zusammen, die sich nach einer Entschuldigung anhörten, doch trotzdem verstand ich nicht, wieso er sich dafür entschuldigen musste. Für mich war es genüsslich gewesen.

Shiro schaute mir nicht in meine Augen, sondern sah den Boden an, um mir auszuweichen. Er hielt mich immer noch in seinen Armen, aber die paar Zentimeter wurden ihm zum Verhängnis. Einen Blick wagte er, die Iris wurde noch schwärzer.

„Yukino?“, Ikirus Stimme erklang. Er entfiel mir völlig, da ich von dem Moment immer noch hin und her gerissen war.

„Yukino, bist du es?“, seine Stimme drang in mein Ohr und ich löste mich von Shiros Umarmung. Er blickte immer noch schweigend zu mir, ging ein paar Schritte zurück in den Schatten. Durch seine schwarze Kleidung erkannte man ihn kaum.

„Ja ich bin´s. Hier!“, ich winkte ihm zu und wollten mich gleichzeitig von Shiro verabschieden, doch er war nirgends zu sehen. Ich nahm die Hand runter und schaute in die Nacht zum Sternenhimmel hoch. Der Kimono enger an mich gezogen, wollte mir diesen Moment niemals aus den Erinnerungen verschwinden.

„Yukino, es ist kalt, wir sollten rein gehen.“, Ikiru kam näher und hielt legte eine Decke über meine Schultern.

„Ja, ich glaube, du hast Recht.“, lächelnd betrat ich mit ihm das Haus.

Was sollte wohl die Zukunft noch so für mich parat halten?

Wer weiß das schon??

Ünungen und Verständnis

Ich erwachte am Morgen, als der Himmel graute. Die Sonne schien direkt in meine Augen durch das Fenster, dessen Vorhang ich nicht zugezogen hatte. Ich blinzelte und gähnte laut. Zur Abwechslung ich mal keine Schmerzen am Rücken, sondern hatte gut ausgeschlafen und fühlte mich zum ersten Mal in der neuen Welt wohl. Naja, nicht ganz wohl wie daheim, aber trotzdem wurde ich weder verfolgt oder musste Angst haben, dass ich den nächsten Tag überleben werde. Also besser war wohl das bessere Wort.

Ich ging an eine kleine Kommode und öffnete sie. In meiner alten Wohnung war mein Kleiderschrank direkt neben dem Bett gestanden, als aus Gewohnheit machte ich den Schrank auf, traf aber nur Kerzen und Streichhölzer an.

„Frische Kleidung wäre wohl angebracht.“, meinte ich zu mir selbst und gähnte erneut. Die Müdigkeit wich nicht aus meinem Körper, egal ob ich mich regte oder immer lauter gähnte.

„Yukino?“, eine bekannte Stimme riss mich aus meiner Trance und ich schaute durch einen kleinen Schlitz der Tür, um Ikiru zuzuhören.

„Was gibt´s?“, fragte ich laut.

„Bist du fertig?“, rief er zu mir hoch.

„Warte noch, bin gleich unten!“, beantwortete ich. Schnell zog ich den alten Kimono hervor und roch daran. Schweiß und andere Gerüche, die ich nicht deuten konnte und nicht deuten wollte, drangen aus dem Kleidungstück, weswegen ich meine Nase rümpfte. Den konnte ich vergessen.

Ich ging alle Schränke im Raum durch, doch fand keine gescheite Klamotte. Schließlich entschied ich mich für ein Oberteil, dass ich unter meiner Brust zusammen band und das Unterteil an meiner Hüfte zusammen knotete. Das Unterteil bestand aus einem Stoff, das wie Seide sich anfühlte, trotzdem ziemlich reißfest war. Die blaue Farbe gefiel mir, da sie in dem Sonnenlicht schimmerte, mein Oberteil war ebenfalls bläulich, eher grau, aber die Farben spielten selbst im Licht miteinander. Nur meine Oberweite wurde durch den Stoff bedeckt, doch meine Arme waren frei. Ich betrachtete mich an dem Spiegel, den mir netterweise Ikiru in mein Zimmer gestellt hatte. Ich ging näher heran, um mir meine Haare zu richten. Ein Zopf würde passen, doch ich hielt in der Bewegung inne, blickte meine Lippen an, die leicht geöffnet waren.

Shiro…

Ich erinnerte mich an den Kuss, seine Verführungskünste und an die Berührung seiner Hände, die sich immer noch an meiner Haut spüren ließ. Leicht fröstelte ich und fuhr mit einem Finger die Bewegungen nach, die er hinterlassen hatte.

War ich vielleicht verschossen?

Nein, eigentlich wollte ich nichts mehr damit zu tun haben, aber mein Herz sagte mit etwas anderes. Es meinte, ich solle sie Dinge auf mich zukommen lassen, aber trotzdem für alles gewappnet sein. Ob ich das konnte?

Wieso küsste er mich überhaupt, und wer war dieser Kerl? Fragen über Fragen bildeten sich in meinem Kopf, doch ich schob sie zur Seite und ging geistlich meine Liste für den Tag durch. Zuerst sollte ich mich auf die Suche der anderen machen und Informationen über Soshiki sammeln, sodass ich eine ungefähre Ahnung hatte, was auf mich zukäme. Danach würde ich die alte Frau aufsuchen, um mir die Geschichte meiner Mutter anzuhören. Ich wollte alles haargenau wissen, ohne Fragen mehr. Ich würde auch mich mit dem Kerl treffen, der mich angeblich als Lehrling aufnehmen sollte.

Und dann kam noch Suki.

Viel vor, ich weiß, aber warum musste ich eigentlich so ein schweres Schicksal haben. Seufzend wollte ich dir Tür öffnen, sodass ich mit Ikiru reden konnte, aber etwas hielt mich davon ab. Ich drehte mich zu meinem Zimmer und schaute die Möbel ab, was der Grund für mein komisches Gefühl war. Leider konnte ich nichts Wirkliches ausfindig machen. Ich drehte mich noch einmal um und bekam wieder eine Gänsehaut. Meine Arme reibend ging ich auf das Wohnzimmer zu und sah Ikiru auf dem Sofa sitzen.

„Morgen!“, begrüßte ich ihn und sah ihn an. Seine Haare waren nicht mehr so zerstreut, sondern sauber gekämmt, während er seine Kleider gewechselt hatte. Das braune Oberteil ließ seine Muskeln deutlicher hervor scheinen und die restlichen Klamotten ließen ihn männlicher aussehen. So sah er nicht nur besser aus, sondern auch attraktiver. Eigentlich mochte ich Männer, aber ihr Charakter war unerträglich. Besitzergreifend, nicht dass man jemanden Freiheit lassen sollte, nein, auch wollten sie immer nur mit einem ins Bett springen und das eine machen. Jedenfalls erklärten mir das meine eigenen Erfahrungen. Verletzt wurde ich schon oft genug. Doch Ikiru schmeichelte mir. Er war ein echter Freund, der mich beschützten wollte. Doch mein Magen verkrampfte sich bei seinen Worten, als ich mich wieder an sie erinnerte.

Ich werde dich beschützten, egal was passiert.

Schmunzelnd machte Ikiru die Geste, dass ich mich neben ihn hinsetzen soll. Grinsend schaute ich ihn an und setzte mich.

„Ausgeschlafen?“, fragte er mich, als ich mir meine Augen rieb, um die restliche Müdigkeit aus meinen Augen zu vertreiben.

„Fast, aber wo hast du gepennt?“

„Sofa.“, antwortete er mir und hielt mir eine Tasse hin, in der Tee vor sich hin dampfte. Dankend nahm ich sie an und kostete. Die heiße Flüssigkeit floss meine Kehle herunter und erfüllte mich mit Wärme. Ich genoss den Augenblick, das Gefühl nach Freiheit.

„Ist das nicht ungemütlich?“, als ich wieder mit ihm sprach, saß er sich neben mich und lächelte leicht.

„Es geht, das Haus ist nur auf eine Person ausgelegt. Ich kann ja wohl kaum mit dir in einem Bett schlafen, oder?“, der Gedanke erschreckte mich.

„Nein, wohl eher nicht.“, befürwortete ich seine Aussage. „Was hast du eigentlich gestern so gemacht?“

„Ich bin mit den zwei Kerlen mit, die die alte Frau begleitet haben. Die Arena, in der mich die Kerle gesteckt hatten, war voller Schwertkämpfer. Anscheinend wollen mich die mit einem Schwert bewaffnen. Die Übungen gingen einigermaßen.“

Also wenn ich meinen gestrigen Tag in solch kurzen Text fassen würde, würde das Interessante wegfallen.

„Ich hatte noch von deinem Unfall gehört, aber war mir nicht sicher, ob ich dich besuchen oder dich hier raus schaffen soll.“, gestand er mir.

„Naja, Unfall ist das falsche Wort. Ich bin wohl eher etwas ausgerastet.“, gab ich zu.

Schweigen breitete sich aus. Ein Gesprächsthema fand ich nicht und Ikiru verschloss sich mir.

„Nun gut.“, fing er wieder an. „Wir sollten uns aufmachen, über Soshiki ein paar Informationen sammeln.“, schlug er vor und ich nickte.

„Also gut, ich mache mich mal auf den Weg. Mein Trainer sieht es nicht gerne, wenn ich zu spät komme.“, er lächelte mir zu und ging zur Tür, wo ich auf ihn wartete.

Ikiru blieb vor mir stehen uns betrachtete mich. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch mir entfiel, dass ich nichts zu sagen hatte. Langsam kam er auf mich zu und nahm seine Hände auf meine Schulter, zog mich an sich und umarmte mich wieder. Daran hatte ich mich teilweise gewöhnt. Während er mich immer mehr an sich drückte, wurde ein Gefühl immer stärker, dass Ikiru vor mir etwas verbarg, mir aber nicht wissen lassen wollte, was es ist. Trotz des Eindrucks, den er bei mir hinterlassen hatte, wurde mir immer wärmer, als er mir seine Zuneigung zeigte, indem er mich umarmte.

Wenn auch nicht gewollt und nur mit großen Willen zwang ich mich, mich aus seine Umarmung zu lösen, ihn anzusehen und etwas in seinen Augen zu erkennen, dass nicht zu deuten war.

„Ich gehe dann mal…“, seine Stimme war nur noch ein Flüstern, aber ich bekam eine Gänsehaut, als ich sie hörte. Hatte er Sorgen? Statt mit darüber Gedanken zu machen, ratterte ich mir meine Liste runter, die ich heute erfüllen wollte.
 

Ich machte mich auf, die Arena aufzusuchen, in die mich Soru geschickt hatte. Schwierig war es nicht, den Weg ausfindig zu machen, doch die Blicke, die ich immer noch auf mich zog, wurde immer mehr, sodass ich mich Unbehagen fühlte. Ich zog den Mantel, den ich mir aus dem Zimmer stibitz hatte, fester um mich und machte mich weiter, die Blicke ignorierend, auf mein Ziel zu. Eigentlich war es ein warmer Morgen, aber trotzdem wurde mir kälter, je näher ich meinem Ziel kam.

Als ich endlich ankam, wurde ich durch eine Horde Jugendlicher begrüßt. Die jungen Männer vielleicht vierzehn oder jünger, kamen auf mich zu und gafften mich an. Jetzt einen Streit anzetteln oder mich prügeln wollte ich nicht, denn ich hatte weder Zeit noch Lust dazu. Die Mimik, mit denen mich die Jungs anschauten, wollte aber gerade das erreichen. Stöhnend blickte ich den Eingang an, in die ich gerade gehen wollte, aber irgendetwas sagte mir, dass ich stehen bleiben sollte. Als sie näher kamen, erkannte ich nicht nur Menschen, sondern auch andere Wesen. Einer der Jungen hatte Ohren, die mich an einen Elf erinnerten, und ein nettes, aber trotzdem konzentriertes Gesicht. Ein anderer besaß statt normalen Augen schwarze, die er mit einer roten Iris besetzte. Eins war jedenfalls klar, alle trugen Lehrlingsgewänder, die ich schon des Öfteren hier gesehen hatte. Aber in einer anderen Gegend der Organisation lief niemand mit solchen Kleidern rum.

Soru sagte ja, dass Soshiki in verschiedene Gebiete unterteilt war, also müssen sie auch verschieden angezogen sein, rein aus der Logik.

„Hey du!“, rief einer der Jugendlichen mir einem hämischen Grinsen. Die anderen unterstützten dies mit einem Lachen, dass sich mehr als trocken anhörte. Machos, die es beweisen wollten. Ich rollte die Augen und blieb stehen.

„Was wollt ihr?“, fragte ich, doch versuchte höflich zu bleiben. Schließlich wollte ich nicht der Grund sein, für den nachher vielleicht ein Streit erwachte.

„Was tust du hier?“, fragte ein anderer. Dieser Jemand trat hervor und verschränkte seine Arme vor der Brust. Der Chef der Machobande?

„Was ich hier tue, geht euch nichts an.“, fuhr ich ihn an, sein Blick wanderte über meine Gestalt, wobei er natürlich wieder bei meiner Brust ein wenig länger verweilte. Auch die anderen schienen eher überrascht zu sein, eine Frau hier zu sehen, als ich erwartete habe.

„Frauen sind hier verboten!“, bemerkte ein anderer.

„Ich bin hier, weil ich mit jemanden reden muss!“, gestand ich, aber das war jetzt egal, denn die Jungs nahmen teils schon eine Kampfstellung an.

„Ihr wollt kämpfen?“, fragte ich, doch sie antworteten mir mit kleinen Blitzen, die aus ihren Händen sprießten. Ich wich einem aus, der auf mich direkt zu rannte, doch entkam nur knapp einem der Attacken.

Immer wieder schossen sie auf mich zu, mal Kugeln, mal Blitzen, mal Fäuste, doch jedes Mal konnte ich knapp ausweichen, weswegen so langsam ich müde wurde.

„ATTACKE!!!“, schrie einer, bis sie mich umzingelten. Keiner von ihnen war außer Puste, oder sie zeigten es so, dass ich nichts sah. Sie wollten mich müde machen, bis ich aufgab.

„Das habt ihr euch so gedacht...“, murmelte ich und konzentrierte mich nicht mehr auf ihre Stimmen, sondern auf meine innere Freiheit. Der Wind um mich wurde heftiger, sodass ich mich stärker fühlte. Aufkeuchen und erstaunte Laute waren zu hören, als ich mich in die Lüfte erhob. Leicht öffnete ich meine Augen um sehen zu können, dass sie Lehrlinge sich nun von mir abwandten und immer weiter zurückgingen. Ich wusste nicht, ob sie erstaunt wegen meiner Aktion waren, oder wegen etwas anderem. Doch das wurde schnell geklärt, als eine Person auf dem Schauplatz zu sehen war, die die Lehrlinge zurückwies. Ohne Klagen und Wehen gehorchten diese und gingen an mir vorbei, während ich auf den Boden aufkam. Ich erkannte den Kerl, für den mein letzter Hospitalbesuch verantwortlich war. Langsam ging ich auf ihn zu, doch sah ihn direkt in seine rabenschwarzen Augen.

„Seid gegrüßt, Yukino...“, er lächelte, doch sein Lachen erzeugte bei mir ein Frösteln.

Ich wollte nicht unhöflich erscheinen, aber auch nicht zu fürsorglich, denn mir ging der Kerl auf irgendeiner Weise auf die Nerven.

„Ist das die…“, setzte einer der Lehrlinge an, doch wurde von einer erhobenen Hand gestoppt.

„Begebt euch zu euren Schlafsälen. Ich werde mich später um euch kümmern.“, sagte er kühl, während sie Jungs sich aufmachten zu gehen. Doch manchmal erhaschten sie noch einen Blick auf mein Gesicht. Ich ignorierte sie und schaute ihn an.

„Yukino…was verschafft mir die Ehre, Euch so früh am Morgen anzutreffen?“, mit höfflichen Lächeln und einer netten Ausdrucksweise fragte er mich, doch sein täuschend echtes Grinsen konnte mich nicht täuschen. Anfangs war ich ja drauf reingefallen, aber ich lernte aus Fehlern.

„Ich hab eigentlich keine Zeit für Höflichkeiten, ich bin wegen etwas ganz anderem hier.“, meine kalte Stimme sorgte nicht dafür, dass er sich aus der Ruhe bringen ließ.

„Und das wäre?“, hakte er weiter nach.

„Bist du wirklich mein…“, ich konnte das Wort nicht aussprechen, weil ich selbst noch nicht glaubte, dass er es wirklich war.

„Euer Lehrmeister? Ja, dass bin ich, denn Zauberrei ist schwer, wenn man es alleine erlernen muss.“, erklärte er mir.

„Warum, woher wusstest du das?“, meine Fragerunde begann erst.

„Lasst uns hereingehen. Hier sind zu viele Ohren, die gerne mit lauschen wollen.“, er wies mich zum Eingang der Arena. Ich ging mit ihm mit, ohne zu murren. Was brachte es mir auch?

Als wir uns in seinem Arbeitszimmer bequem gemacht hatten und ich den gemütlichen Sessel und er seinen schwarzen Bürostuhl nahm, fing er an zu sprechen.

„Also, gibt es bestimmte Fragen, die Ihr an mich habt?“, fragte er. Seine verschränkten Arme und sein Blick, der mich durchlöcherte, machte mir ein klein wenig Angst, doch ich stellte meine vorherige Frage.

„Nun, wo soll ich da anfangen…?“, er wollte mir sie nicht beantworten, also wurde ich aufmüpfig.

„Am besten am Anfang.“, schlug ich vor.

„Also gut, ich müsste euch meine Lebensgeschichte erzählen, damit ihr alles nachvollziehen könnt. Deswegen erweist es sich ja als schwierig, Euch das zu erklären, weil ich Euch nicht mit meinem Leid langweilen möchte.“

„Ich möchte lediglich wissen, warum mich das ganze getroffen hat, nur das will ich wissen.“, gestand ich nach längerem Schweigen, dass ich mit ihm nicht ausgehalten hätte.

„So, seid Ihr verzweifelt, weil Ihr keine Vorstellung der Zukunft habt?“, seine direkte Frage stach mir ins Herz. Natürlich wollte ich Antworten, aber ich wollte mich nicht als Heulsuse darstellen lassen.

„Wenn Ihr mir nicht sagt, was Euch begehrt, dann werde ich Euch nicht helfen können.“ Er stand auf und ging auf mich zu. „Ich bin zwar ein alter Mann, der schon viel erlebt hat, aber selbst ich kann Euch nicht alles beantworten, aber wenigstens so viel, dass ich Euch helfen kann. Ihr seid inzwischen eine wichtige Person in Soshiki geworden, aber selbst Ihr wisst nicht einmal, welche Zukunft Ihr habt.“

Nickens stimmte ich ihm zu. „Nur was muss ich machen?“

„Ihr könnt Eure Fähigkeiten nicht ungeschehen machen, ebenso wie die Vergangenheit. Ich kann Euch nur sagen, dass sie eine lange Familientradition hinter sich hat. Erstmals ist es Eurer Großmutter gelungen, ihrem Schicksal zu entkommen, als sie sich in eine andere Dimension transportierte. So wurdet Ihr schließlich geboren, mit den Fähigkeiten, den Wind zu kontrollieren. Ihr seid eine freie Person, die sich nicht gerne an jemanden bindet, oder?“

„Nicht wirklich. Aber was hat das mit meinen Fähigkeiten zu tun?“

„Sehr viel. Die Fähigkeiten einer Person spiegeln sich meistens mit dessen Charakter. Der Wind ist aufbrausend und herrisch, wenn man ihm nicht seine Freiheiten lässt, und so seid Ihr auch. Das ist mir bei unserem kleinen Kampf aufgefallen. Aber er ist auch ruhig und hört zu, wenn er nicht strapaziert wird. Seht Ihr Euch nicht in einem dieser Dinge, Yukino?“

Ich dachte nach. Doch, in gewisser Weise hatte er Recht.

„Dann entspricht meine Stärke also meinen Launen, oder?“

„Nicht direkt. Viele Lehrlinge erkennen ihre Fähigkeiten früh, doch können sie nicht direkt anwenden, weil sie sich von ihren Gefühlen leiten lassen. Dass Ihr fliegen könnt, verdankt ihr Eurem Erbe. Doch den Wind zu kontrollieren, ist eine sehr schwierige Angelegenheit.“

„Warum?“

„Nun, Luft oder der Wind, ist eine der vier Elemente der Erde. Und Mutter Natur ist für die Erde zuständig, weswegen ihr eine der seid, die als Einzigen die Elemente beherrschen könnt. Doch ihr benutzt den Wind für etwas Gutes. Ich kann Euch lehren, ihn zu benutzten, aber mehr auch nicht.“

„Wie geht das, wenn du schwarze Magie benutzt?“, ich erinnerte mich an das Gespräch zwischen Shizuka und ihm.

„Schwarze Magie ist es nicht wirklich. Also, wollt Ihr nun weiter im Sessel herumsitzen, oder Euch an Euren Mächten bedienen?“, er strahlte immer noch eine kühle Aura aus, aber sie kam mir vertrauter vor. Ich sollte ihn als Lehrmeister akzeptieren, denn hier gab es keinen weiteren weit und breit, der mit das beibringen konnte.

„Doch, ich würde schon gern trainieren, aber trotzdem noch zwei Fragen: Erstens, warum hast du mir damals Ratschläge gegeben?“

„Um Euch als Rolle für diesen Stand vertraut zu machen. Ihr seid Yukino, die Herrin dieser Sippe. Ihr solltet Euch im Klaren sein, dass Ihr über weit mehr Macht verfügt als andere in dieser Sippe. Aber da Ihr sie noch nicht kontrollieren könnt, bin ich für Euch eingesprungen und habe ein wenig nachgeschnüffelt.“

„Das heißt, du wusstest schon damals, dass ich dein Lehrling werde?“

„Ja, in gewisser Weise schon. Und Eure zweite Frage?“, der Kerl wurde mir immer unsympathischer. Aber trotzdem musste ich mich ihm fügen.

„Was heißt das genau, dass ich der Anführer einer Sippe bin?“

„Ihr seid für die Sippe verantwortlich, Eure Entscheidungen gelten, andere werden sich fügen müssen. Das heißt, andere werden Euch mehr darüber sagen können.“, er wies mit einer Hand in die Arenamitte, sodass ich mich erhob und aus dem Zimmer ging.

Ich ging auf die Kampfstätte zu und hatte ein komisches Gefühl in der Magengegend. Irgendetwas sagte mir, dass ich hier her gehörte.

„Hört Ihr sie?“, fragte er hinter mir. Ich drehte mich um und sah ihn an. Ich zog Falten in die Stirn, blickte um mich, aber ich hörte nichts Bestimmtes. Innerlich öffnete ich meine Welt, die für mein normales Auge nicht sichtbar war. Leicht spürte ich Auren, die ich zuvor nicht bemerkt hatte. Ich sah zwar meinen Lehrmeister, aber ich konnte ihn nicht als einen solchen Menschen erkennen, er stieß eine Art Aura aus, die nur er besaß.

Doch auch nahm ich weitere Auren war, die sich um die gesamte Halle schlängelten. Leider konnte ich nicht identifizieren, wer die Fäden hinterließ. Verschiedene Farben erblickte man, jede Aura eine andere. Eine gesamte Farbenpracht kam mir näher, drehten ihre Runden um mich und hießen mich Willkommen. Ich konnte mich in der Zwischenzeit nicht richtig bewegen, sah aber viel mehr, als ich sonst sah.

„Ihr könnt also auch das?“, fragte der Mann, als ich wieder zurück in die Wirklichkeit trat.

„Ja, so habe ich mich besser in der Außenwelt zu Recht gefunden.“, antwortete ich. „Warum, ist das so faszinierend?“, fragte ich, als er mich eingehender anschaute.

„Nun, jeder Zauberer besitzt seine persönliche Macht, aus der er sich spezialisiert. Es gibt Kämpfer, aber auch Heiler, Verteidiger und Sucher. Ihr besitzt die Kräfte eines Suchers. Er kann in eine Art Parallelwelt eindringen und Auren wahrnehmen, und da jeder eine andere besitzt, kann er so Verwandte oder Freunde ausfindig machen, wenn er weiß, welche Aura sie haben.“, erklärte er mir.

„Also kann ich nicht jemanden finden, wenn ich keine Ahnung habe, welche Aura er hat?“

„So ist es.“, stimmte er mir zu.

„Kann ich auch solche Kugeln herzaubern?“, ganz begeistert von seiner letzten Attacke, die ich Gott sei Dank nicht abbekommen hatte, wollte ich auch diese erlernen.

Doch zu meiner Enttäuschung schüttelte er den Kopf.

„Wir fangen mit einer Meditation an.“, warf er ein.

„Mit…?“, ungläubig starrte ich ihn an. Er wollte mir zeigen, wie ich kämpfen kann und nicht, wie ich am Besten in welcher Pose schlafen kann.

„Seid nicht so stur und fangt auch ja nicht an, mir zu erzählen, dass dies nichts mit der Ausbildung zu tun hat. Mediation stärkt den Geist und bringt Eure Seele in Gleichgewicht.“, er war wahrscheinlich genervt, dass ich keine Lust auf langweilige Dinge hatte, doch er sah nicht aus, als ob er sich wegen mir aus der Ruhe bringen ließ. Seufzend gab ich nach und fing an zu meditieren.

Nach mindestens zwei Stunden, etlichen Krämpfen in der Beingegend und Wutausbrüche später war ich völlig fertig. Ich versuchte immer wieder mich zu konzentrieren und mich ruhig zu verhalten aber jedes Mal ging etwas schief. Ob ich oder auch nur ein Vogel der Auslöser gewesen war, wusste ich nicht, aber eine ruhige Person war nicht.

„Ihr seid anstrengender als meine anderen Lehrlinge, und das bei weitem.“, stöhnend und erschöpft fiel Ryu um, so wie er mir seinen Namen nannte.

Ich lächelte verlegen und stand auf, doch meine Füße gaben unter meinem Gewicht nach. Humpelnd ging ich auf ihn zu und ließ mich wieder neben ihn auf den Boden nieder.

„Noch Fragen?“, wollte Ryu wissen.

„Eigentlich keine direkte...“, fing ich an, ich wusste nicht Recht, wie ich ihn die Frage stellen soll. Er runzelte die Stirn und schaute mich geradewegs tiefer an. „Ja?“

„Kann ich böse und gute Auren unterschieden?“, mir kam die Warnung Shizukas in den Kopf. Sollte ich Ikiru nun vertrauen oder nicht?

„Ich weiß, das kommt jetzt komisch, aber ich glaube nicht, dass es böse Seelen gibt.“, gestand er und blickte auf den Boden. Konzentriert schaute er auf den Boden und erzählte weiter.

Interessiert blickte ich ihn an und hörte gespannt zu.

„Meine Meinung ist, dass es nur Wesen gibt, die das tun, was sie für richtig halten. Was in Euren Augen vielleicht als falsch gesehen wird, ist es bei anderen so, dass sie diese Meinung ebenso anstreben. Also ist das Wort böse ein wenig zu weit gefächert. Versteht Ihr?“, seine Meinung überraschte mich.

„Also gibt es für dich weder gut noch böse?“, ich durchlöcherte ihn weiter.

„Teils, ich bin der Ansicht, dass das, was der Herrscher Hiroki macht, gute und schlechte Entscheidungen mit sich bringt. Er wendet sich gegen die Fürsten, das ich okay. Aber er macht ebenso auch Fehler, die ich nicht kurieren kann.“, sein Beispiel irritierte mich.

„Was hältst du eigentlich von ihm? Und hast du ihn schon einmal gesehen?“, ich wurde auf ihn wissbegierig.

Kopfschüttelnd wich er mir aus, indem er mich ignorierte und aufstand. Ich tat es ihm gleich und lief neben ihm in sein Zimmer zurück.

„Nein, du hältst nichts von ihm, oder nein, du willst es mir nicht sagen?“, neugierig schaute ich Ryu an, doch er öffnete seinen Mund und schüttelte wieder den Kopf. Ich verstand nicht, als er die Geste nochmals wiederholte. Stirnrunzelns blickte ich ihn an, aber nahm Stift und Papier zur Hand und malte mir auf, was er sagen wollte.

„Das kann doch nicht dein Ernst sein, oder?“, auf dem Papier konnte ich nachvollziehen, weswegen Ryu ruhig war. Die schwarze Tinte verflüssigte sich auf dem Papier, die Striche und die Reihen wollten mir nicht in den Kopf gehen. Die linke Seite beschrieb einem durchstrichenen Mund, auf der Rechten mehrere Strichmännchen, die einen einzelnen attackierten und ihn gefangen nahmen.

„Du darfst mir also nichts von ihm erzählen, oder?“, er nickte auf meine Frage. Er hatte einen Bann oder so etwas auferlegt bekommen, sodass er Hiroki nicht verraten konnte. Schon schlau, aber trotzdem hatte den niemand Vertrauen in diese Sache, dass sogar Flüche benutzt wurden?

Nachdem ich mich von Ryu verabschiedet hatte und von ihm eine ungefähre Wegbeschreibung zum Schießplatz bekommen hatte, wollte ich Rei einen kleinen Besuch abstatten.

Wieder fand ich kleine Lehrlinge, die sich mit Pfeil und Bogen versuchten, aber auch Erfahrene, die ohne Umwege direkt ins Ziel schossen. Noch eine Weile stand ich da und schaute den Kämpfern bei ihrem Training zu, als ich eine bekannte Stimme hinter mir hörte. Als ich mich umdrehte, sah ich Soru in seiner Uniform auf mich zukommen. Vor mit blieb er stehen und schaute mich an. Ich lächelte und hob die Hand zur Begrüßung.

„Ich hätte nicht gedacht, Euch hier anzutreffen.“, gestand er und warf mir einen weiteren erheiterten Blick zu. Er hob seine Hände und richtete mir meine Haare. Dankend fragte ich, wo ich Rei finden konnte.

„Ihr seid wahrscheinlich gerade von Eurem Training zurück, nicht wahr?“

„Ja, aber ich würde gern mir Rei sprechen, aber leider kann ich sie nicht ausfindig machen, weißt du wo sie ist?“

Eine leichte Kopfbewegung nach rechts beantwortete mir zwar nicht meine Frage, aber eine weitere interessante Geschichte kam auf. Mehrere junge Kämpfer kamen auf Soru zu und klopften ihm freundschaftlich auf die Schulter. Sie waren teilweise größer als er, aber trotzdem hatte Soru eine muskulösere Figur. Sein Schwert war immer noch an seine Hüfte festgebunden, doch erst jetzt bemerkte ich, dass er schwitzte.

„Schon so jung, und schon eine Freundin. Soru, du machst dich, aber jetzt schon eine Familie?“, ein Kerl lachte laut auf und Soru blickte ihn erschrocken an. Ich brauchte ein paar Minuten, bis ich kapierte, dass er auch mich damit meinte.

„Nein, was denkt ihr euch, verdammt noch mal! Terik, hör auf!!“, die Röte stieg ihm abrupt ins Gesicht und er sah mich kurz an. Ich wurde zwar nicht rot, aber ich war genauso erschrocken über die Aussage. „Yukino-Sensei, es tut mir leid!“, schnell ging er in die Knie und verbeugte sich tief. Die anderen lachten noch auf, aber merkten doch, was Soru tat und knieten sich ebenfalls ohne großes Tamtam vor mir hin. Die anderen, die noch ihre Übungen machten, wurden neugierig was sich wohl hier abspielte. Köpfte ragten über mir hinweg, als sich Fremde auch hinknieten.

„Soru, hatten wir nicht etwas ausgemacht?“, ich wurde leise, zischte ihm durch zusammengeknirschte Zähne meine Warnung und gleichzeitig auch meine Frage an den Kopf.

Soru machte erschrocken die Augen weit auf, die anderen blickte etwas auf, um sehen zu können, was sich zwischen uns geschah. Er entschuldigte sich wieder und wieder, bis ich handhebend ihn zum Schweigen brachte.

„Schon okay, aber könntest du mir bitte die Ehre erweisen und das nicht mehr in aller Öffentlichkeit tun?“, genervt richtete ich über ihn.

„ Wie Ihr wünscht.“, ohne weitere Worte erhob er sich und machte ein Zeichen, dass andere wieder ihrer Arbeit nachgehen und uns allein ließen.

„Entschuldigt, wenn wir Euch beleidigt haben!“, Terik, der inzwischen immer noch auf dem Boden rumgammelte und mir einen Vortrag hielt, wie unverzeihlich es sei, eine so hohe Persönlichkeit durch den Dreck zu ziehen, wurden meine Nerven immer mehr strapaziert. Doch Soru sah mich eindringlich an und schüttelte leicht den Kopf. Ein Wutausbruch würde nur Ärger bringen.

„Okay, schon gut, also geht einfach eurer Arbeit nach und wir vergessen die kleine Sache, okay?“, Terik und seine Freunde erhoben sich, verbeugten sich noch einmal, bis sie sich verabschiedeten und gingen.

Als jeder uns ignorierte und ich Soru in eine Ecke zog, in der ich hoffentlich ein wenig mehr Privatsphäre hatte, giftete ich Soru an, er solle das nie wieder machen.

„Wartet, bitte nicht. Ich weiß, Ihr mögt das nicht, aber ich musste es tun, sonst hätte ich Eure Autorität in Frage gestellt, und das ist ein unverzeihliches Vorhaben!“, entschuldigt hob er die Arme hoch, auch als Schutz gegenüber mir.

„Also gut, ich wollte dich sowieso noch was fragen, aber das hat Zeit! Ich muss die Alte finden.“, ich wollte mich aufmachen, doch Soru fragte, ob er mir in irgendeiner Weise helfen könnte. Er hielt mich Einsern am Handgelenk fest, sein Ausdruck in den Augen verriet Stolz und Vertrauen. Wieder einmal würde er nicht ohne Ja-Wort von mir ablassen. Stöhnend drehte ich mich zu ihm um und sah in seine tiefen Augen.

„Soru...“, begann ich, doch ich wusste nicht recht, was ich ihn fragen oder sagen sollte. Der Augenblick der Spannung zwischen uns beiden wurde immer angespannter, aber dennoch veränderte sich seine kühle Miene nicht. Er blickte mich voller Gelassenheit an, wartete aber dennoch voller Ungeduld auf meine Worte.

„Ich…brauche deine Hilfe, ja, aber ich weiß nicht recht, bei was…verdammter!“, der Satz sprudelte so aus meinem Mund, den ich voller Güte nie halten konnte. Ich konnte mein Schicksal bis zu einem gewissen Grad akzeptieren, dennoch gab es auch grenzen, die nicht überschritten werden sollen.

„Morgen ist der Tag, wisst Ihr?“, sprach Soru an. Verwirrt über seine Aussage dachte ich an seine Worte. Eine Besprechung der Oberhäupter sollte morgen stattfinden. Doch ich wusste dennoch nicht Recht, bei was ich eine wichtige Rolle spielte.

„Was ist das genau?“, fragte ich.

„Ich werde Euch zur morgigen Tafel begleiten, aber drinnen wüsst Ihr allein klarkommen. Es ist mir nicht erlaubt, mich in Eure Angelegenheiten einzumischen.“ Also wieder eine Verpflichtung, der ich nachkommen musste. Hatte ich denn nicht irgendwann mal meine Freiheit?

„In Ordnung, ich danke dir für deine Hilfe, Soru.“, dankend lächelte ich ihn schwach an. Es war nicht der Stress, der auf mich mit einer Wucht auf mich zukam, und auch nicht die unbekannte Gegend oder die unverständliche, oder einfacher gesagt, die mir fremde Welt, die ich nicht einmal in ein paar Wochen verstand, sondern die Tatsache, dass sich in meiner Magengegend etwas zusammen braute. Ein Gefühl, dass etwas Schreckliches in geraumer Zeit abspielen wird. Sicher war ich mir nicht, dennoch konnte ich es nicht abstreiten, mein Herz und mein Gehirn teilten dieses Vorhersagen.

Soru aber wurde grimmiger, sein Gesichtsausdruck vertiefte sich, aus welchem Grund auch immer.

„Bereitet Ihr euch vor, Ihr werdet in aller Frühe erwartet!“, meinte Soru und begleitete mich zu meinem Quartier.

So viel zu meinem Tagesplan und meiner schönen Liste, die ich heute erfüllen wollte. Meine Fragen wurden aber sich in nächster Zeit vielleicht beantworteten lassen, doch wann, konnte nur die Zeit bestimmen.

Realität, grausam und dennoch wahr

Leise hörte ich ein Geräusch, das mich aus meinem Alptraum zog. Ich konnte meinem Körper nicht befehlen aufzustehen und auch nicht, meine Augen zu öffnen. Etwas hinderte mich daran. Mein Geist war mit mir nicht im Einklang, als wieder Bilder auftauchten, die ich zuvor schon gesehen hatte. Ich wurde gefoltert, meine Hände über meinem Kopf zusammengebunden. Die letzte Kraft, die ich noch hatte, ließ ich einen lauten Schrei ertönen, doch die Männer, die mir dieses Leid antaten, lachten zu grausam auf. Erschöpft sackte ich in den Ketten zusammen, mein restlicher Widerstand sinnlos verschwendet. Dennoch nahm ich immer mehr war. Letzten Traum konnten durch die Schmerzen nicht einmal meine Augen öffnen. Doch ich nahm mich zusammen und ries sie auf. Kurz nahm ich wahr, dass es sich um einen dunklen Kerker handelte, in der ich die einzige war.

Ein übles Gefühl kroch meiner Lunge bis zu meiner Kehle hoch. Ich spuckte, ungeachtet wohin. Angeekelt wichen die Männer von mir, als sich zu meinen Füßen eine grüne Pampe aus meiner Kotze und meinem letzten Essen bildete, wenn ich überhaupt sagen konnten, wann ich das letzte Mal etwas gegessen hatte. Dennoch schwamm auch Blut, dessen rote Farbe sich mit der grünen mischte. Meine anderen Wunden, die ich durch die Peitschenhiebe abbekommen hatte, füllten sich mit meinem Blut, mein Körper roch nach Urin und Schweiß. Ich konnte nur noch schwach atmen, schmeckte meinen Lebenssaft in meinem Mund. Wenn ich jetzt mich erlösen wollte, musste ich nur noch aufgeben, einschlafen, und nie mehr aufwachen. Das war zwar ein erfüllbarer Wunsch, trotzdem würde man mir das nie verzeihen. Ich mir selbst und auch niemand sonst.

„Yukino?“, Sorus Stimme drang durch mich hindurch und erfüllte meinen Körper mit neuer Hoffnung. Ich würde erst aufgeben, wenn ich selbst nicht mehr konnte. Ein hohes Ziel, dass ich seit meiner Kindheit hatte. Dennoch gab es Situationen, in denen ich zu schwach war.

„Schlaft bitte nicht länger! Es wird Zeit! Ihr müsst…“, immer wieder schwafelte er von meiner Bestimmung und meiner Pflicht, frühestmöglich mich in der Halle einzufinden, um einen guten Eindruck zu schinden.

Doch irgendwann wurden mir seine Worte zu viel. Reflexartig schwang ich meine Hand nach ihm, wie ein störender Wecker, der nicht aufhören wollte zu klingeln. Mich traf der Schlag, als Soru meine Hand hielt und weiterredete, ich solle gefälligst aufstehen und mich ankleiden.

„Nervst du deine Kameraden auch immer so?“, mürrisch blickte ich ihn an. Wenn Blicke töten könnten, hätte ich ihn mindestens zwei Mal umgebracht, damit er mich wenigstens noch fünf Minuten schlafen ließ.

Ohne, dass er mir auf meiner Frage antwortete, zog er beliebige Kleider aus dem Schrank. Stöhnend gab ich auf. Ich konnte nichts gegen ihn aufrichten, dass wusste ich. Also warum noch stressen?

Langsam erhob ich mich aus meinem Bett, nahm die Decke, die er mir teilweise weggezogen hatte als Versteck vor meiner Brust hin.

„Hättest du die Güte, mich in Ruhe anziehen zu lassen, danach werde ich runterkommen, okay?“, nickend ging er, auch wenn nur widerstrebend, vor die Tür, schloss die, bis sie angelehnt und fast ins Schloss rastete. Ich ging auf den Schrank zu, an dem mir Soru einen dunkelblauen Kimono mit verschiedenen und verschnörkelten Ornamenten, dessen goldene Farbe in der Morgensonne schimmerten.

Vor dem Spiegel stehend sah ich mich an, hielt in der Bewegung inne, als ich mir den Arm durch den Ärmel durchschob. Sah mir in die grünen Augen. Mein Spiegelbild schien ein anderes zu sein, spiegelte eine völlig andere Person wieder. Nein. Oder Doch. Das Gefühl kam wieder in mir hoch. Fragte sich nur, wann diese bevorstehende Katastrophe stattfinden sollte. In geraumer Zeit, dass stand fest. Selbst mein Verstand und meine Vernunft wollten mich nicht davon abbringen, dass ich nicht daran glaubte.

Schließlich schaffte ich es, mich in kürzester Zeit zu richten, dennoch meckerte Soru, ich solle schneller werden, weil ich sonst viel zu viel Zeit bräuchte, für Dinge, bei denen er nur wenige Minuten braucht und ich ganze Stunden. Männer und Übertreibung passen zusammen wie die Faust aufs Auge.
 

Ich hätte nicht gedacht, dass die Besprechung in einem so noblen Gebäude stattfinden würde. Die großen Fenster, die Mahagonitische, und ebenfalls die anderen Möbel waren reich an goldenen Ornamenten. Der blaue Teint des gesamten Raumes verursachte eine etwas angespannte Atmosphäre. Ich selbst war mir nicht wirklich richtig vorgekommen. Soru erwähnte den anderen nichts gegenüber, als wir in dem edlem Haus ankamen. Die zwei Bodyguards, jedenfalls glaube ich, dass es sich um solche handelt, hielten ihre Arme verschränkt, blickten stur geradeaus, ohne eine einzige Mimik zu verziehen. Mein kindliche Ader wäre gerne vor ihnen stehen geblieben, davor verschiedene Grimassen verzogen, um zu sehen, ob sie in grinsen können, oder nicht.

Doch Soru warnte mich, ich solle seriös wirken und einen guten Eindruck schinden. Neue Herrscher, die in der oberen Liga spielten, konnten nur schwer schnell Vertrauen zu den anderen gewinnen. Nickend blieb ich stumm, bis wir in den Versammlungsraum ankamen. Ebenfalls gut ausgerüstet mit teuren Artefakten, die nicht unbedingt meinem Geschmack entsprachen. Ich setzte mich auf einen Stuhl. Bequem war etwas anderes. Die drückende Atmosphäre verdeutlichte, dass noch nicht alle da waren. Soru ließ mich allein. Er sagte ja, dass er mich nicht begleiten durfte. Dankend verschwand er. Mein Blick schweifte über den runden Tisch, der mich an die Tafelrunde erinnerte. In alten Geschichten waren Ritter der Tafelrunde auch an einem runden Tisch gesessen, besprechen was. So war es auch hier.

Mich umzusehen würde mir nicht wirklich Spaß machen denn ich versuchte herauszufinden, warum ich überhaupt in diese Welt gelangt bin. Angeblich wegen meiner Großmutter, die daran schuld war. Wieso musste ich es denn dann ausbaden? Seufzend rieb ich mir innerlich meinen Hintern, da die „Sitzkissen“ etwas hart waren und ich mir lieber ein Brett anstatt eines solchen Stuhls vorziehen wollte. Doch leider konnte ich weder frei meine Meinung äußern, noch überhaupt irgendetwas meinen, ohne gleich wieder als inkompetent dar zustehen. Klasse, meine Leben war einfach der Wahnsinn.

Nach langer Wartezeit und ständigem Versuch, eine wenigstens etwas angenehme Sitzposition zu finden, trafen auch blad die anderen Vorsitzenden ein. Sie nahmen Platz auf ihren farbigen Stühlen und beäugten sich misstrauisch, ohne ein einziges Wort miteinander zu wechseln.

Mit fiel erst jetzt auf, dass jede Organisation ihre einzige Farbe hatte, wie Ritter ihre Wappen. Manche waren eine Mischung aus zwei verschiedenen Färbungen, andere waren eintönig, verdeutlichten aber dennoch eine gewisse Gefahr. Meine Farbe war anscheinend die Blaue, weiß der Himmel warum.

Ebenfalls strahlten auch die Anführer eine solche Aura aus. Ich beäugte jeden ebenfalls, aber eher mehr mit etwas anderen Gefühlen, wie sie mich. Niemand schaute mich direkt in die Augen oder beäugte mich mehrere Minuten. Ich gestattete mir, meine Fähigkeit anzuwenden und mir die Auren der verschiedenen Personen zu untersuchen. Doch leider fand ich weniger heraus, als ich anfangs dachte. Außer den gleichen Farben, wie die Organisation wiederspiegelte bzw. die Personen repräsentierten entdeckte ich relativ wenig.

Nun, da sich endlich am Ende sich doch alle in der Tafelrunde versammelt hatten, erkannte ich, dass ich die einzige junge Person war. Im Gegensatz zu den anderen besaß ich weder einen grauen Bart, der in unterschiedlichster Weise geknotet war, mal gelockt mal glatt, noch hatte ich faltige Haut im Gesicht. Dennoch, wie Greise sahen sie mir nicht aus. Die scharfen Blicke machten mir in gewisser Weise Angst. Und Macht strahlten sie auch aus. Gewaltige Macht.

„Nun lasst uns beginnen, meine Brüder!“, einer erhob sich. Seinen schwarzen Mantel mit grauem Bart, der ihm bis zum Bauch hing, nach zu urteilen, war er vielleicht auch in der Zauberei tätig. Wie zu erwarten wurde ich gleich nachschaut. „Und…ähm…Schwester.“

Ja, es waren nur Männer anwesend. Und darunter ein Jungspund, der keine Ahnung hatte, was er hier überhaupt zu tun bzw. sagen sollte. Hoffentlich brauchten diese Männer nicht lange.

Die kräftige und rauchige Stimme des Sprechers drang bis in mein Gehirn, so laut sprach er. Doch auch die bestimmte und klare Sprache betonte seine Macht.

„Wieder einmal haben wir uns versammelt, um unsere Erfahrungen der letzten Woche beisammen zutragen. Aber doch...“, er zeigte mit seiner Rechten zu mir. „…haben wir ein neues Mitglied. Bitte, stellt Euch vor, Sensei.“

Kaum als das er gesprochen hatte, setzte er sich und alle Augenpaar hingen an meiner Gestalt fest. Instinktiv stand ich einfach auf und winkte mit der Hand.

„Hallo zusammen. Ich bin Yukino…schönes Wetter, nicht?“, was zum Teufel schwafelte ich da?

„Ich bin…in der Zauberei tätig.“, dann gleich setzte ich mich wieder.

„Nun, so sei es. Seid gegrüßt, Yukino-Sensei. Fühlt Euch hier wohl.“, er machte eine Pause. „Sind welche nicht mit der Einweisung einverstanden? So erhebt Euch.“ Da sich niemand wirklich erhob, dachte ich insgeheim, dass niemand damit ein Problem hatte, dass ich so jung war. Doch meine Stimme im Kopf sagte mir, dass ich nicht hier sein sollte, sondern etwas anderes.

„So, fahrt bitte mit Eurem Antrag fort, Meister Hirei.“, der Typ im schwarzen Mantel setzte sich. Zu seiner rechten Hand erhob sich ein anderer. Er sah mich mit mörderischem Blick an, als er anfing zu reden. Meister Hirei hatte ebenfalls eine dunkle, doch auch hinterlistige Stimme, weswegen ich eine Gänsehaut bekam.

„Meine Bogenschützen entwickeln sich prächtig. Nicht, dass es Schwierigkeiten gäbe, oder dergleichen. Durch eine gewisse Person, die sich unser angeschlossen hatte, ist unsere Kampfkraft gestiegen, da sie über sehr viel Erfahrung verfügt und sehr gut in Fernkampf ist. Bitte, führt fort Meister Kiro.“, er setzte sich auch. Ich dachte, er sprach über Rei.

Als auch noch die anderen von ihren letzten Wochen sprachen, wie es war, welche Schwierigkeiten es gab, und noch andere Kleinigkeiten, war die Sitzung beendet.

„Das ging ja schnell rum…und war langweilig.“, flüsterte ich in mich hinein, als ich meinen Namen hörte. Als ich mich umdrehte, sah ich den schwarzen Mantel-Typ, der seine Hand hochhielt und auf mich zukam.

„Wie ich vermute, hatte unsere Versammlung Euch gelangweilt.“, sprach er. Aus reiner Freundlichkeit, verneinte ich. Kopfschüttelnd meinte er: „Ihr müsst wissen, ich gehöre der anderen Sparte der Zauberei an, wie Ihr es nennt. Ich bin alt und werde bald nicht mehr unter uns weilen, das weiß ich, aber dennoch habe ich einige Fähigkeiten, die Euch verraten, Yukino.“

„Und die wären??“, fragte ich vorsichtig.

„Ich kann Gefühle…erkennen. Das wäre wohl das richtige Wort. Diese Fähigkeit erlernt man im Alter. Ich hoffe Ihr werdet hier glücklich.“

„Wie meint Ihr das, Meister äh…?“

„Bitte, nennt mich Datsu. Ich mag ebenfalls wie Ihr nicht diese Höflichkeiten. Ihr solltet wissen, dass ich ursprünglich Eurer Großmutter versprochen war. Ihr seht Ihr wirklich sehr ähnlich. Entschuldigung, wenn ich Euch zu Nahe trete, aber ich sehr bezaubernd aus, das Ihr sehr viel Charakter von Ihr geerbt habt.“, er lächelte herzhaft zu mir und legte mir seine Hand auf meine Schulter. Als ich ihn genau anschaute, merkte ich, dass er Trauer empfand.

„Ich kann verstehen, dass Ihr Euch nicht wirklich einleben könnt und es vielleicht auch erst gar nicht wollt, aber falls Ihr Probleme bekommt oder fragen, könnt Ihr gerne zu mir kommen, sofern ich Euch helfen kann.“, wieder lächelte er mir zu und wollte sich zum Gehen wenden, doch ich drückte seine Hand weiterhin auf meine Schulter.

„Ich hätte jetzt schon ein paar fragen, Datsu. Hättet Ihr ein paar Minuten?“, vielleicht würde sich jetzt die eine oder andere Antwort aufdecken, auf die ich nie hätte kommen können.

„Natürlich, wie Ihr wollt. Kommt mit mir in mein Büro, dort können wir ungestört darüber reden.“, er wies mich nicht ab. Mein Bauchgefühl sagte mir, ich sollte und konnte ihm vertrauen. Mein Herz ließ sich nicht ausschütten, aber ich empfand diese stürmende Neugier und Ungeduld, da ich vielleicht jetzt weiß, mit wem ich mich hier einließ.

Als wir in sein kleines Apartment kamen, schloss er direkt hinter mir die Tür, als ein Geräusch ertönte. Ein Siegel leuchtete grell, dann erlosch er abrupt und die Tür knarrte leise.

„Keine Sorge, ich halte Euch nicht gefangen. Das ist ein Siegel, das verhindert, dass…ungestörte Gäste uns belauschen. Wenn ich erlaube, dürfen sie eintreten, ansonsten werden sie unangenehme Erfahrungen erwarten. Also kommt bitte nicht zu nahe dran. Es wäre ärgerlich, wenn es zerstört würde.“ Er ließ sich mit einem schweren Schnauben auf seinen schwarzen Sessel nieder, sein dicker Bierbauch erblickte sich aus seinem Mantel und ich musste grinsen. Das Zimmer war vollgestellt mit reinster Chemie. Überall kleine und große Flaschen mit irgendeiner Flüssigkeit darin, manche dampften, manche waren leer. Ein großer Papierhaufen hielt sich hinter dem Stuhl versteckt, ein kleiner Käfig mit Ratten oder anderen Nagetieren war in der anderen Ecke vollgestellt.

„Also, welche Fragen habt Ihr denn?“

Ich nahm mir die Freiheit und setzte mich einfach auf den Stuhl in der anderen Ecke nieder.

„Ich hoffe Ihr habt Zeit mitgebracht. Denn es gibt da so einiges, was ich wissen will.“ Er lachte deswegen laut auf und musste sich mit den Fingern die Tränen aus den Augen wischen. „Ganz wie sie, wissbegierig und befehlshaberisch. Nun gut, fangt mit der am besten an, die Euch am meisten bedrückt.“, schlug er vor und wartete geduldig darauf, dass ich meine Frage stellte. Ich suchte aber die besten Worte, wie ich am meisten Informationen reinbringen konnte, ohne gleich mehrmals nachfragen zu müssen.

„Was hat sich mit Soshiki auf sich? Was ist das eigentlich? Und warum ist meine Mutter nicht hergekommen, um ihr Erbe anzutreten?“

„Das ist eine lange Geschichte, wisst Ihr?“, fing er an. „Ich schlage vor, Ihr macht Euch gemütlich und trinkt eine Tasse Tee.“ Er goss mir etwas in eine kleine Teetasse und sie flog selbstständig zu mir rüber.

„Äh, danke.“, verblüfft über seine Fähigkeiten schaute ich in die Flüssigkeit, in der sich mein Gesicht spiegelte. Durch die Schwingungen, die durch mein Zittern entstanden waren, ließen sich deutlich erkennen. Kalt war mir nicht, es war ein angenehmes Wetter, aber die Antwort, auf die ich schon lange gewartete hatte, machte mich nervös. Doch der heiße Dampf, der durch das warme Wasser entstanden war, hielt mich warm und ich beruhigte mich etwas. Dennoch, ich war auf alles gefasst.

„Ihr braucht Euch keine Vorwürfe zu machen oder dergleichen. Nicht Ihr seid für das Dilemma hier verantwortlich. Sondern die Fürsten. Sagt Euch dieser Begriff etwas?“, fragte Datsu mich. Doch ich konzentrierte mich nicht auf seine Worte, sondern rief mir das Gespräch mit Ikiru ins Gedächtnis.

Ebenfalls erinnerte ich mich an Kyosho’s Worte, die er im Tagebuch verfasst hatte.

Andere Überlebende erzählten mir das Selbe, bis sie schließlich in meinen Händen starben. Nun hatte ich Recht gehabt, die Fürsten sind es, die diese Insel in die Unterwelt stürzten, nicht das Volk. Die Könige und hohen Tiere kümmerte sich ein Dreck um ihre Untertanen. Sei dieser Krieg nur zur Unterhaltung gedacht? Wahrscheinlich ja.

Eine Gänsehaut breitete sich an meinem Rücken aus.

„Von den Fürsten direkt habe ich noch nichts wirklich mitbekommen…“, begann ich aus meiner Eigenerfahrung zu erzählen. „…aber ich hatte eine Begegnung mit seinem Stellvertreter. Er heißt Otowaru, glaub ich. Er hatte damals Ikiru diskriminiert und erniedrigt. Und dann hatte er ihn geschlagen, sodass eine Platzwunde entstand. Und er wollte mich haben, aus welchem Grund auch immer.“

„Nun, die Rechten Hände der Fürsten sind für solche Taten bekannt, darunter ist Otowaru nicht der hellste, also könnt Ihr von Glück reden, dass Ihr ihm entkommen seid.“, Datsus Stimme wurde tiefer und er begann schließlich zu erklären:

„Vor langer Zeit entstand auf Jiko, diese Insel, ein seltsames Ereignis. Eine Göttin vermenschlichte sich, sodass sie die Gestalt von uns annahm. Sie war jung und unerfahren, doch ihre Neugier trieb sie an. Sie verliebte sich in den König dieses Landes und gebar sechs Kinder, die sich ihre reiche teilten. Diese Begebenheit ist Schuld an dem Untergang dieses Landes. Allein, dass sich eine Göttin zum Menschen wurde, ist ein schlimmes Unterfangen.“

„Mir ist die Story bekannt, wie die ersten Fürsten entstanden. Ikiru hatte mich schon informiert, aber ich verstehe nicht, warum gerade das zum Untergang geführt haben soll?“

„Nun, zuvor, bevor die Göttin auf die Jiko traf, hatte nur ein König über die Insel geherrscht. Die Besonderheit dieser Königsfamilie war, dass egal welche Frau der König hatte, er besaß nur immer ein männlicher Nachkomme, der den Thron bestieg und das Land gerecht und fair in seinen Händen hielt. Dass sich Krieg und Verderben nicht immer vermeiden lässt, ist klar, doch nachdem es nun sechs Nachkommen gab, war nicht klar, wer nun herrschen sollte. So wurde das Land in ihre Reiche geteilt, in dem nun heute diese Fürsten regieren. Die Stellvertreter, wie Ihr sie nennt, sind die menschlichen Repräsentanten dieser Herrscher, die Geld und Reichtum bekommen, wenn sie die Befehle derer erfolgreich ausführen. Nebenbei erfüllen sie durch ihre Stellung ein lebenslange Aufgabe: Sie trennen das Volk und die Gebieter in zwei Gruppen. Sodass niemand Schlechtes in den Adelsstand gelangt, um so jahrhundertlange Gene zu zerstören.“

„Und was hat das alles mit mir zu tun?“, immerhin war ich jetzt über dem Stand der Dinge bewusst.

„Dadurch, dass die Gottheit ihre magischen Fähigkeiten durch die Geburt ihrer Söhne weitergegeben hat, gelang eben diese Magie irgendwie ins Volk und es entstanden Clans, die ihre Begabungen von Generation durch Generation weitergaben. So gehört ihr als einzige einem Clan an, der in der Lage ist, den Wind zu kontrollieren.“

„Erzählt mir bitte mehr von diesem Clan.“, bat ich ihn. Wenn ich mehr über die mütterliche Seite meiner Familie wusste, konnte ich vielleicht mehr mein Schicksal akzeptieren. Und wenn ich mehr über meine Fähigkeiten im Klaren war, konnte ich die anderen besser helfen und vielleicht sogar am Ende dem allen hier entgehen.

„Dazu solltet ihr etwas über Soshiki lernen. Ihr müsstet inzwischen schon wissen, dass Hiroki über dem Ganzen herrscht. Es ist nicht viel über ihn bekannt, jedoch regiert er mit eiserner Hand und half Soshiki schon in mancher schwierigen Lage, den Sieg zu erringen. Soshiki ist eine Organisation gegen die Fürstenherrschaft, und gegen den König. Allein die Kriege der Fürsten sind schuld an dem, dass die Welt sich dem Ende neigt. Es heißt, Hiroki habe diese Organisation vor langer Zeit gegründet, da er in seinen Diensten stand. Schließlich haben mehrere Anhänger zusammengesammelt und das Lager ist entstanden. Jedes Jahr wird die an Verbündeten mehr, sodass wir schon mehr Platz machen müssen. Im Laufe dieser Zeit haben sich auch Meister hier hergefunden, die unwissende und durchschnittliche Bürger unterwiesen. Am Anfang waren es nur Bogenschützen und andere Waffenmeister. Doch dann erschienen auch Magier Meister, die sich der Organisation anschlossen. Darunter fand man auch Euren Clan, den eurer Großmutter. Das Besondere daran war, dass es solche waren, die die Grundelemente beherrschten. Der Wind war unser Verbündeter, denn dieser Pakt sorgte für viele Siege Soshikis.

Eure Großmutter war eine einfache Magierin gewesen, als sie anfing, ihre Fähigkeiten zu erlernen. Dadurch, dass ich auch ein Magier war und die Grundregeln der Magie sehr gut kannte, ging sie mit jungen Jahren bei mir in die Lehre. Ich war ebenfalls ein junger Mann, als wir uns verliebten und heirateten. Doch nach diesem einem Vorfall, änderte sie sich schlagartig.“

„Wie hat sie sich geändert, und aus welchem Grund?“, neugierig rutschte ich auf dem Stuhl hin und her und stellte mit vorsichtig die noch volle Tasse auf den Tisch neben mir ab. Inzwischen müsste der Tee schon erkaltet sein, aber ich wollte mich nicht um solche Kleinigkeiten kümmern. Seit ich davon erfahren hatte, wollte ich wissen, warum ich und nicht meine Mutter hierher verschleppt wurde.

„Eure Großmutter war in den Kriegen diejenige, die für Ablenkungen gesorgt hatte und den Wind steuerte, sodass die feindlichen Truppen keine Chance hatten. Sie sorgte hauptsächlich für die Siege unsererseits.

Doch als wir in einen Hinterhalt gerieten, den wir nicht vorhersehen konnten, wurde Eurer Clan gefangen genommen. Ob manche noch leben, ist nicht bekannt doch ich bezweifle es. Sie war mit ihrer Mutter, also Eure Großgroßmutter, die einzige aus dem Wind-Clan, die flüchten konnte. Als die Zeit verging und die Wunden dennoch nicht verheilten, starb ihre Mutter und sie war die einzige, die überhaupt noch eines der Elemente beherrschen konnte. Sozusagen wurde ihr dann ein Schicksal auferlegt, dass sie selbst nicht mehr akzeptieren konnte. Seit diesem Tage hatte sich ihr zuvor freundlicher und sonniger Charakter zunehmend verschlechtert. Sie alterte innerlich und nahm nicht mehr an Versammlungen oder dergleichen teil. Durch ihre Art beeinträchtigte sie die Siege der Kriege, die wie mit den Fürsten führten. Ständig verloren wir, versuchten sie aber immer wieder aufzumuntern, doch sie sagte irgendwann sagte sie kein Wort mehr. Weder zu mir noch zu ihren Freunden sprach sie etwas.

Als dann schließlich ungefähr ein Jahr nach dem Tod ihrer Mutter vergangen war, erwischte ich sie dabei, wie sie an diesem Schreibtisch saß ,ein Buch im Schoß. Wie verrückt und völlig orientierungslos blätterte sie darin rum, als ob sie etwas suchen würde. Dann sprach sie wieder, ihre letzten Worte mit mir. >Du musst mir helfen, hier zu fliehen< sagte sie. Meinte aber einen Dimensionswechsel, ein fast unmögliches Unterfangen. Die dazu benötigten Materialien hatte sie auf dem Tisch liegen. Ein solches Ritual war eigentlich verboten, doch ich sah deutlich den Schmerz in ihren Augen und den Wunsch, einfach nur zu verschwinden. Sie war nie ein Typ, der einfach aufgab und starb. Das war der einzige Grund, warum ich ihr vertrauen konnte. Dass sie irgendwo anders glücklicher werden würde.

Ich gab ihrem Wunsch nach und fertigte alles für das Ritual. Das Problem war, dass sein solch mächtiger Zauber ein Tribut opferte, und es konnte nicht von Dauer sein, dass wusste sie, doch sie würde einen solchen Wechsel nicht mehr miterleben. Deswegen war sie glücklicher, als ich sie verschwinden sah. Und nie mehr umarmen konnte. Den letzten Kuss von ihr kann ich noch heute spüren.“

Seine Worte ruhten noch in der Luft und ich ließ sie auf mich einwirken. Meine Großmutter wollte fast sterben. Meine Familie wurde von Fürsten gefangen genommen und gefoltert, das stand fest. Doch vielleicht waren noch einige am Leben.

Aus irgendeinem Grund wirkte ich ruhig und aufmerksam, gespannt, ob Datsu nicht noch mehr Schreckliches erzählte. Doch selbst diese kleine Geschichte hatte ihn schwer zugetragen. Äußerlich zeigte er es nicht, aber ich spürte, wie seine Aura nervös um ihn herumflog. Meine eigene war ich nicht im Stande zu sehen, aber ich spürte das kleine Herzklopfen in mir.

„Ich hoffe ich habe Euch damit helfen können, Yukino. Gibt es sonst noch etwas, dass Ihr wissen möchtet?“, fragte Datsu nach einer langen Schweigepause.

„Wie setzt es Euch zu?“, diese Frage schwirrte mir im Kopf und ich schoss sie aus meinem Mund. Ich hatte womöglich die einzige Gelegenheit, dass meine Fragen beantwortet werden.

„Es tut mir Leid, Yukino, dass Ihr so ein schweres Schicksal erleiden müsst. Ich kann mir vorstellen, dass Ihr wieder zurückkehren wollt, oder?“, er wich mir mit einer Gegenfrage geschickt aus.

„Bitte, Datsu, beantwortet mir die Frage. Ich weiß, es ist nicht leicht für euch, dass Ihr in ein Gesicht sehen müsst, dass Eurer Liebe ähnelt, aber vielleicht kann ich das beenden, was meine Großmutter angefangen hat.“, bat ich ihn.

Langsam füllte sich mein Gedächtnis mit Erinnerungen, die ich an meine Mutter hatte. Sie hatte mir viel über ihre Mutter erzählt, auch einiges über ihr früheres Leben.
 

Yukino, mein Schatz. Komm mal her. Ja, ich bin hier, mein Kleines. Bitte, hör auf mich und geh. Flieh aus diesem Ort und kehre nicht eher zurück, wie es die Zeit erlaubt.

Mama, bist du es? Was willst du damit sagen, dass ich gehen soll? Und warum überhaupt? Bitte, tu was ich sage, mein Schatz. Es sind feindliche Truppen unterwegs, um das Lager zu zerstören. Sie sind hinter Euch her. Beschütze Hiroki und deine Freunde. Konzentriere dich und sammle deine Mächte. Ich kann sie nicht länger in Schach halten…

Mama, geh nicht, nein!!!
 

Wenn ich geahnt hätte, was meine Mutter mir sagen wollte, dann hätte ich auch sofort reagiert. Doch ich war nicht im Stande dazu. Alles schien wie in Zeitlupe abzulaufen, und ich war mittendrin und konnte mich nicht bewegen.

Datsu und ich redeten noch miteinander, aber das war nur von kurzer Dauer. Ein Rumpeln ertönte und ein Erdbeben sorgte dafür, dass die Gläser von den Tischen fielen und am Boden zerklirrten. Die Scherben waren nur das kleinste Übel.

Datsu und ich rannten aus dem Büro. Meine Augen konnten nicht alles wahrnehmen und mein Gehirn nicht alles verarbeiten, denn es geschah so viel auf einmal, dass es einem Spiel glich.

Einige Häuser zerbrachen unter dem heftigen Beben der Erde. Gerade so konnte ich mich noch an etwas halten. Es interessierte mich nicht an was, sondern was dort vor mit geschah.

Datsu forderte mich auf, sofort zu fliehen, doch mein Körper reagierte nicht auf seine Befehle, auch nicht auf meine. Nicht ein Muskel rührte sich.

Von oben schossen Flugwesen herab und spien Feuer, das sich rasend schnell ausbreitete und zahlreiche Menschenleben mit sich riss. Das Erdbeben wurde immer stärker und die Steinbrocken, die von den Häusern herabfielen und andere, viele Menschen, unter sich begruben.

Ich schrie verzweifelt, sie sollen aufhören, doch niemand könnte überhaupt etwas verstehen, meine Warnungen schlugen in den Wind.

„Bitte, Ihr müsst hier weg!“, schrie Datsu mich an. Der Wind pfiff meine Strähnen aus meinem Gesicht und wirbelte sich um mich, peitschte meine Kleider weg, riss meine Gefühle mit sich.

Schließlich brachte ich es fertig, dass sich mein Körper auf mein Befehl hin bewegte und ich rannte hinter Datsu her. Er rief immer wieder mir zu, nicht auf die Geschehnisse links und rechts von mir zu achten, sondern mich auf meine Flucht zu konzentrieren.

Mehr hörte ich nicht, nahm nichts mehr war. Ich riss meinen Kopf nach rechts und sah Ikiru, wie er sich tapfer gegen einen Ritter stellte. Sein Schwert klirrte gegen die Scheide seines Gegners, ich sah Blut, doch von wem, war mir nicht bekannt. Linker Hand zischte von Rei Pfeile durch die Luft. Zusammen mit weiteren drei Bogenschützen schossen sie die Reiter der Flugwesen ab. Doch nur wenige trafen auch wirklich ins Schwarze. Shizuka konnte ich nicht sehen und auch Tsurino und Akita waren verschwunden.

„Magistra est anus.“, rief Datsu, als er stehen blieb und mich in einen Wirbel voller Magie schleuderte. Er selbst sprang erst ab, als sich der Wirbel fast geschlossen hatte. Ich hatte mich so sehr auf die beiden Kämpfer konzentriert, dass ich nicht wirklich noch wahrnahm, was mit mir geschah. Das war doch alles nur ein Traum, ein schrecklicher Alptraum, der nicht zu Ende geht, nicht zu Ende gehen wollte. Oder dies die Realität, die mir einen Streich spielen wollte. Das Schicksal hatte mir auch nun wieder im Stich gelassen, wie eben schon mein ganzes Leben lang.



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  Hikokorin
2013-01-03T14:36:23+00:00 03.01.2013 15:36
wie machst du das? du schreibst so viel und so gut... ich brauch 2 stunden für 150 worte... *in die ecke und sich schäm*
Von:  Hikokorin
2013-01-01T12:27:52+00:00 01.01.2013 13:27
ausgezeichnet^^
gutes kapitel freu mich schon auf die anderen
weiter so hoffe mehr von dem gorilla zu lesen haha~
Von:  Hikokorin
2012-11-12T15:09:53+00:00 12.11.2012 16:09
ein sehr interessantes und spannendes kapitel^^


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