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Engelstränen

Ich gehöre euch
von

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Rom

Obwohl alles in mir den Tod zu begrüßen scheint, bettelt ein Teil von mir um sein Leben. Es ist kein großer Teil, eher im Gegenteil, er ist sehr klein. Aber seine Stimme ist unglaublich laut, lauter als das Konzert, auf dem ich als kleines Kind einst war. Ich weiß nicht mehr viel davon, doch ich weiß, dass mir die Ohren von dem Lärm schmerzten.

Und so greife ich nicht nach der Klinge, obwohl ich mein Blut sehen will. Und so schlucke ich keine Tabletten, obwohl ich auf ewig schlafen will. Ich springe auch nicht, obwohl ich fliegen will, und ich lege mich nicht auf die Schienen, obwohl ich weit fort sein will. Ich durchlaufe Tag für Tag, Stunde für Stunde, Minute für Minute und Sekunde für Sekunde dieselbe Qual.

Und so vergehen die Wochen und Monate und plötzlich ist aus April September geworden. In zwei Monaten habe ich Geburtstag. Dann habe ich endlich ein weiteres Jahr überlebt.

Eva hatte vor einigen Tagen von einer Challenge erzählt, in der es darum ging, dass sie jeden Tag zu einem Thema ein Bild malen musste. Sie verlor die Aufgabe schon nach wenigen Tagen.

In mir keimt das Verlangen nach einem Test. Einen Test an mich selbst und meinem Durchhaltungsvermögen. Ich gehe zum Kalender und zähle die Tage, die ich noch bis zu meinem Geburtstag verbringen muss. Es sind 68. Die nächste runde Zahl im Countdown ist die 60.

Ein Grinsen schlicht sich in einer wohligen Idee auf mein Gesicht. Sechzig Themen muss ich sammeln, sechzig Bilder werden entstehen.

Beim Abendbrot erzähle ich meinen Eltern und Marie von der Idee.

„Tolle Idee“, meint Mama zwischen zwei Bissen, „Du könntest eine Facebook-Seite damit machen!“

Ich sehe sie ausdruckslos an und erkläre mit Tonloser Stimme: „Ich habe noch nicht einmal Facebook.“

Mama zuckt mit den Schultern. „Kriegst du dann eben.“

„Darf ich mitmachen?“, fragt Marie. „Also, jetzt vielleicht nicht zu allem, aber zu manchen…“

„Klar“, antworte ich, „aber ich brauche noch Themen.“

„Licht“, schlägt Papa vor.

Nach dem Abendbrot richtet Mama mir Facebook ein und erstellt dann sofort auch eine Seite für mich.
 

Am nächsten Tag erzähle ich sofort Layla und Eva von meinem Vorhaben.

Layla nickt mit hochgezogenen Augenbrauen und kratzt sich an der Stirn.

Eva gibt ein desinteressiert „Ah“ von sich.

Als hätte ich mehr erwarten können.

Nichts desto trotz frage ich jeden, den ich kenne oder auch nicht kenne, nach irgendeinem Wort, welches ich dann als Thema benutzen würde.

Marcel schnauft einige Momente und sagt dann mit einem breiten Grinsen: „Tomate.“

Meine ehemals beste Freundin schlägt „Stern“ vor.

Ein weiteres Mädchen aus meiner Klasse hält mit „Heizung“ eine kleine Herausforderung für mich bereit.

„Hallo“, wirft mir ein kleines Mädchen aus der sechsten Klasse an den Kopf.

„Phönix“ stammt von Marie.

„Drache.“

Halloween.

Mord.

Kamera.

Traum.

Waffen.

Schule.

Innerhalb von vier Tagen ist meine Liste vollständig gefüllt. Auch die Likes auf meiner Seite vermehren sich täglich. Und im nu ist der Tag da, an dem ich das erste Bild malen muss.

Als ich es online stelle sind die Reaktionen positiv.

Und ich merke wieder, wie schön es doch sein kann, zu leben.
 

Nach drei Wochen eifrigen Malens steht eine Jubiläumsfahrt meiner Schule nach Rom an. Das Bedeutet, dass sich die Qualität meiner online gestellten Fotos sich sehr verschlechtert, danke an meine Handykamera. Auch muss ich die Bilder erst per Mail an Mama senden, damit diese sie dann online stellen kann.

Der Zeitdruck am Tag vor der Abfahrt ist so hoch, dass es ein Wunder ist, dass ich überhaupt etwas zu Papier bringen konnte. Also muss das Bild „Teufel“ auf den von mir vorgesehenen Himmels-Hintergrund verzichten.

Und ehe ich es mich versehe, sitze ich am nächsten Tag in aller Herrgottsfrühe in dem Bus meiner Klasse. Zu meinen Füßen steht eine riesige Tasche mit Essen, die Mama mir gepackt hat. Die etwas größere Reisetasche mit meinen Lieblingsklamotten und allem anderen Kram, den ich brauche und nicht brauche, ist mit den anderen Koffern in einem großen Fach verstaut. Neben mir, am Fenster sitzt Layla. Sie liest ein Buch und hört Musik. Ich selber habe meine Beine zu einem Schneidersitz verschränkt und darüber meine dünne Decke, die mir immer ein Gefühl von Heimat gibt, ausgebreitet. Die ersten Süßigkeiten finden noch vor der Anfahrt ihren Weg in meinen Mund, während ich mich ebenfalls in meinen Kitschroman vertiefe.

Und dann geht die Fahrt nach Rom los.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Louise wird wieder lebensfroher... Ich wollte sie nicht nur leiden lassen.
Die Woche in Rom wird ein wichtiges Kapitel für Louise, damit könnte ich eigendlich eine eigene Fanfic machen... xD Werde ich aber nicht.
Am Anfang hatte ich 10 Kapitel geplant ... Jetzt werden es anscheinend 20. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  MangaMaria
2014-06-14T05:54:30+00:00 14.06.2014 07:54
Puh, nach dem letzten Kapitel bin ich froh, dies zu lesen. Spannend, dass Louise sich selbst ein Herausforderung gestellt hat. Ich mag sie :-)
Antwort von:  _DrachenBlut_
14.06.2014 13:34
Ich auch! Dann bin ich mal gespannt, was in Rom passieren wird!


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