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Babylon-6 - 02

Gegner im Dunkel
von

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Auf der Flucht

Wieder hielten zwei schwarzgekleidete Schergen Eireene Connally an den Armen fest. Allerdings war sie dieses Mal nicht halbnackt. Außerdem wand sie sich auf einem einfachen Stuhl hin und her, auf den man sie gezwungen hatte.

Ihr gegenüber saß ein hagerer, recht harmlos wirkender Mann, dessen Miene einen etwas entrückten Eindruck auf sie machte, gerade so als würde er vor sich hin träumen. Doch schon im nächsten Moment fixierten sie seine durchdringenden grün-grauen Augen und der Eindruck eines harmlosen Träumers verlor sich schnell. Der Hagere hatte bisher kein Wort gesagt und langsam fragte sich die blonde Gefangene, was er von ihr wollte. Erst, als sich ein dumpfer Schmerz ringförmig um ihren Kopf legte begann sie zu ahnen, dass sie einem Telepathen gegenüber saß. Instinktiv versuchte sie anzuwenden, was sie einmal über das Abwehren eines telepathischen Scanns erfahren hatte – nämlich, dass es das einfachste Mittel sei, in Gedanken einen schlichten einfachen Reim aufzusagen um sich daran zu hindern bewusst an etwas anderes zu denken.

Der Schmerz wurde übergangslos intensiver und der Mann begann fein zu lächeln. „Das nützt Ihnen nichts, Miss Connally. Reime wirken nur, wenn ein Telepath nicht bewusst scannt, oder aber er unterhalb der Stufe P-11 rangiert. Gegen meinen aktiven Scann richten Sie damit nichts aus, da ich ein P-12 bin, es wird nur mehr weh tun.“

Die Stimme des Telepathen wirkte fast einschmeichelnd sanft, und wenn er nicht für diesen Mordverein gearbeitet hätte, so wäre Eireene Connally niemals auf die Idee gekommen, dieser Mann könne auch nur einer Fliege etwas zuleide tun. Panik begann sich in ihr breit zu machen und wie aus weiter Ferne hörte sie wieder die sanfte Stimme des Telepathen.

„Entspannen Sie sich bitte, ich will Ihnen nicht mehr weh tun, als ich muss.“

Etwas verwundert fragte sich Eireene Connally ob dieser Verbrecher tatsächlich so etwas wie ein Gewissen oder Mitgefühl besitzen mochte. So recht glauben konnte sie es nicht. Sie wollte dem Blick der grünen Augen ausweichen, doch irgendetwas hinderte sie daran. Ihr war fast so, als würde sein Blick den ihren festhalten und nicht mehr loslassen.

Im nächsten Moment packte der Mann telepathisch zu und Eireene glaubte flüssige Lava würde durch ihren Schädel strömen. Sie schrie gellend auf vor Schmerzen. Dann war es übergangslos vorbei und heftig keuchend starrte sie, voller Wut, in das Gesicht des Telepathen. „Sie verbrecherisches Schwein!“

Erneut griff der Telepath, mit seinen unfassbaren Fähigkeiten an und wieder warf die Frau, schrill schreiend, ihren Kopf nach hinten, als tausende glühender Nadeln in ihren Kopf zu stechen schienen. Diesmal dauerte es länger, bis der Schmerz abebbte. Weitere mentale Zugriffe erfolgten und die blonde Frau wand sich wild in dem festen Griff ihrer Wachen, die Mühe hatten, sie zu bändigen. Ihr Verstand drohte zu zerreißen.

Für einen Moment wurde es der Frau schwarz vor Augen. Als sie wieder einigermaßen klar denken konnte wusste sie nicht zu sagen, ob und wie lange sie ohnmächtig gewesen war. Sie wusste nur, dass der Schmerz schnell nachließ. Sie gab jedoch mit keiner Reaktion zu erkennen, dass sie wieder völlig bei sich war. Sie tat so, als könne sie sich nur mühsam auf dem Stuhl halten. Vielleicht gewann sie so etwas mehr Zeit, sich wieder zu erholen.

Das Gesicht des Telepathen drückte Bedauern aus, als er leise, aber mit Betonung, zu den beiden Wachen sagte: „Lassen Sie sie die Frau los und gehen Sie. Sie wird ganz bestimmt keinen Unsinn machen – zumindest nicht mehr lange.“

Die beiden Wachen, die das eigenartige Glitzern in den Augen des Telepathen bemerkt hatten grinsten sich verstehend an. Der Hagere wollte seinen Spaß mit der Gefangenen haben, bevor er sie umzubringen gedachte. Wortlos zogen sie sich zurück.

Unter fast geschlossenen Augenlidern sah Eireene Connally wie sich der Hagere von seinem Stuhl erhob und langsam zu ihr schritt. Sie stöhnte auf vor Schmerzen, als er in ihr Haar griff und sie auf die Beine zwang. Mit fast heiserer Stimme raunte er ihr zu: „Willst du nicht ein Wenig um dein jämmerliches Leben betteln?“

Eireene wusste, dass dies die beste Gelegenheit sein würde, etwas zu unternehmen. Nur sie und der Telepath in einem Raum. Für großartige Pläne blieb keine Zeit. Sie sammelte alle ihr verbliebene Kraft. Dann rammte sie ihr rechtes Knie, mit aller Macht, in den Unterleib des Mannes.

Der Telepath kniff vor Schmerzen die Augen zusammen und öffnete seinen Mund, doch nur ein heiseres Ächzen drang daraus hervor, während er die Frau losließ und sich zusammenkrümmte.

Eireene nutzte die entstandene Gelegenheit, ballte ihre Hände zu Fäusten und hieb, so fest sie nur konnte auf seinen Hinterkopf.

Der Telepath sackte in die Knie und Eireene Connally trat ihm, ohne darüber nachzudenken, kräftig vor den Kopf. Als er besinnungslos vor ihr lag fiel ihr Blick auf seine rechte Hüfte, an der sie ein Halfter mit einer PPG entdeckte.

Sehr unvorsichtig, dachte die blonde Frau mit einer Genugtuung, die von Herzen kam. Sie entwaffnete den Mann und für einen Moment war sie versucht ihn zu erschießen. Doch noch während sie auf ihn anlegte und das leise Zischen der PPG vernahm, als sie die Waffe aktivierte, jagte der Gedanke durch ihren Kopf, dass sie nicht zu einer Mörderin werden, und einen Wehrlosen erschießen wollte, nur weil es diese Verbrecher tun würden ohne mit der Stirn zu runzeln. Mit Tränen der Wut in den Augen versetzte sie dem Bewusstlosen stattdessen einen kräftigen Tritt in die Seite bevor sie auf leisen Sohlen zum Schott eilte.

Mit zitternden Fingern legte sie ihre Hand auf den Öffnungskontakt, dazu entschlossen etwaige Wachen davor sofort niederzuschießen. Die waren nicht wehrlos.

Sie hatte Glück: Niemand hielt sich auf dem Gang, vor dem Schott, auf. Offensichtlich hatte man damit gerechnet, dass sie tot sein würde, nach dem letzten, speziellen Verhör.

„Verbrecherische Misthunde“, zischte sie lautlos und warf einen schnellen Blick auf die Sektorbezeichnung über dem Schott. Sie konzentrierte sich und rief sich die Position dieser Sektion ins Gedächtnis. Einigermaßen sicher, wohin sie sich wenden musste, um den Hangar des Kreuzers zu erreichen, rannte sie taumelnd den Gang hinunter und bog nach Rechts ein. Unterwegs versicherte sie sich, dass sie tatsächlich auf dem richtigen Weg war.

Fünf Minuten später war der Hangar bereits so nahe, dass der Gedanke daran jetzt noch scheitern zu können ihr fast körperliche Schmerzen bereitete. Gewaltsam verdrängte sie solche pessimistischen Betrachtungen und umschloss die PPG so fest mit ihrer linken Hand, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten.

Sie hatte die letzte Gangkreuzung, die auf dem Weg zum Hangar des Kreuzers lag, beinahe erreicht, als aus dem linken Seitengang Stimmen aufklangen. Eireenes Herz begann wie wild in ihrer Brust zu trommeln und sich dicht an die Wand drückend brachte sie die PPG in Anschlag – wild entschlossen sich nicht kurz vor dem Ziel erneut einfangen zu lassen. Eher würde sie ab jetzt Alles und Jeden über den Haufen schießen, der sich ihr jetzt noch in den Weg stellte.

Die Stimmen kamen näher, und Eireene hörte heraus, dass einige Gefangene bei den Personen sein mussten, die sich ihr näherten. Lautlos kniete sie sich ab und wartete, bereit jederzeit zu handeln. Dennoch erschrak die Frau etwas, als die erste Gestalt in ihrem Blickfeld auftauchte. Fast hätte sie abgedrückt, doch dann erkannte sie, dass es ein gefesseltes Mitglied der Überführungs-Besatzung war. Ein weiteres Mitglied der Crew bog in den Gang der vor ihr lag ein, ohne sie zu bemerken. Dahinter folgten zwei Schwarzgekleidete, die sie mit Waffen vor sich her trieben. Auch sie bogen in den Gang ab ohne sie zu sehen. Eireene wartete mit klopfendem Herzen noch eine Sekunde ab, bevor sie ins Ziel ging und auf die rechte der schwarz gekleideten Gestalten feuerte. Getroffen sackte sie zu Boden. Noch bevor sich die zweite Wache zu ihr wenden konnte, hatte sie auch diese Gestalt erschossen.

Eireene erhob sich, warf zwei prüfende Blicke in die abzweigenden Gänge rechts und links, und eilte dann zu den beiden gefangenen Männern. Ohne viel Worte öffnete sie die Fesseln der zwei Gefangenen und flüsterte heiser: „Los, zum Hangar. Wir hauen hier ab.“

„Dazu muss jemand zuerst einmal das Innere Hangarschott öffnen, Lieutenant“, erwiderte einer der beiden mitgenommen aussehenden Männer, während sein Begleiter die PPG´s der Wächter an sich nahm und ihm eine davon zuwarf. „Und danach wieder schließen um das Äußere öffnen zu können. Außerdem müssten wir zwei im Kontrollraum des Hangars bleiben, um zu verhindern, dass die Kontrollzentrale Wind von der Aktion bekommt und von dort aus übersteuert, und die Hangarschotts sperrt.“

Eireene blickte die beiden Männer verzweifelt an. Sie hasste Entscheidungen, die Leben kosteten. Aber es blieb keine Alternative. „Hören Sie zu – unsere Truppen müssen erfahren, was mit den Kreuzern passiert ist, bevor mit denen ein Unglück passiert.“

Beiden Männern war bewusst, was die Worte ihrer Vorgesetzten für sie bedeutete. Dennoch nickten sie stumm und der ältere von ihnen erwiderte: „Wir beide werden gewährleisten, dass Sie mit dem alten Lande-Shuttle fliehen können, Lieutenant. Außer Ihnen kommt dafür ohnehin keiner in Frage, da wir zwei keine Pilotenausbildung haben. Zudem werden wir dafür sorgen, dass Ihre Flucht so lange, wie nur irgend möglich unentdeckt bleibt.“

Die blonde Frau nickte verbittert. „Dann los.“

Sie rannten gemeinsam den Gang hinunter. Nachdem sie den Hangar des Kreuzers betreten hatten, trennten sich die beiden Männer von ihr und eilten in Richtung des Kontrollraumes davon.

Eireene blickte den beiden mit brennendem Blick nach, bevor sie sich in Richtung des Shuttles auf den Weg machte. Schnell öffnete sie das Schott und fuhr die Rampe aus, über welche sie ins Innere des Atmosphären tauglichen Shuttles hastete. Sie durfte keine Zeit verlieren, denn die Aggregate würden eine Weile benötigen um hochzufahren. Andererseits würden die Piraten garantiert nicht mehr sehr lange an diesem Ort bleiben. Sie konnte nur hoffen zu entkommen, bevor die Piraten die Kreuzer soweit unter Kontrolle hatten, dass sie mit ihnen im Hyperraum verschwinden konnten, denn dann würde jede Flucht illusorisch werden, da das Shuttle im Hyperraum auf einen Leitstrahl angewiesen war, den es hier, abseits aller Hyperraumsprungtore und kommerziellen Frachterlinien, nicht geben konnte.

Kaum im Pilotensessel festgeschnallt entwickelte Eireene Connally eine hektische Betriebsamkeit. Es war schon eine Weile her, dass sie im Cockpit eines solchen Shuttles gesessen hatte und so dauerte es etwas bis sie sich wieder einigermaßen zurechtgefunden hatte. Schließlich war sie soweit, die Aggregate im Stand-By Modus zu starten. Dabei hoffte sie, dass niemand auf die Vorgänge im Hangar aufmerksam werden würde. Die Chancen dazu standen nicht schlecht, denn sollten die Kreuzer tatsächlich vor einem Hyperraum-Sprung stehen, so würde die Notbesatzung der Piraten auf andere Dinge zu achten haben.

Die Zeit schien sich ins Endlose zu dehnen. Durch die Cockpitscheibe erkannte Eireene, dass das Innenschott bereits geöffnet worden war. Die beiden befreiten Gefangenen machten bisher einen guten Job. Etwas Wehmut erfasste sie bei dem Gedanken daran, sie nicht retten zu können, vor dem, was ihnen vermutlich bald blühen würde.

Sich wieder zusammenreißend beendete sie den Schnellcheck der Aggregate und ließ das Shuttle langsam in den Bereich hinter dem Innenschott rollen. Diese alten Kreuzer verfügten noch nicht über moderne Sperrfelder, die ein Entweichen der Atmosphäre verhinderten, feste Materie aber durch ließen. So wurde hier noch immer eine äußere Schleusenkammer benötigt, die zum Start eines Shuttles oder Jägers hermetisch abgeriegelt werden konnte.

Kaum war das Shuttle vollständig in der äußeren Schleusenkammer, da schloss sich hinter ihr das innere Schleusenschott. Eireene wusste, dass nun die beiden Zurückgelassenen die Turbopumpen aktivieren würden, welche die Atmosphäre, innerhalb weniger Sekunden, aus dem Außenhangar absaugten.

Wieder schien sich die Zeit endlos zu dehnen, bevor sich endlich das äußere Panzerschott des Hangars öffnete. Wie die Zähne eines riesigen Stahlmonsters schoben sich die gezackten Hälften des Schotts nach oben und unten auseinander und gaben den Blick auf das Weltall frei.

Eireene Connally´s Erleichterung verwandelte sich übergangslos in Furcht, als sie draußen vor dem Bug des Kreuzers ein Aufblitzen bemerkte, und sich gleich darauf ein gelber Hyperraum-Vortex vor dem Schiff etablierte. Hastig startete sie den Hauptantrieb – sie musste schnellstens weg von hier. Nun ging es um Sekunden.

Der Kreuzer hielt langsam auf das Zentrum des Vortex´ zu.

Eireene Connally wusste, dass sie etwas wagen musste. Kaum hatte das Shuttle den Hangar verlassen drehte sie es auf den Rücken und flog eine enge Schleife nach unten – wobei Unten natürlich ein höchst relativer Begriff war. Schrill aufschreiend vor Schreck wich sie knapp einer plötzlich vor dem Shuttle auftauchenden Antenne des Kreuzers aus, wobei eine der Tragflächen kreischend an der Schiffshaut entlang schrammte. Als die blonde Frau bereits glaubte, das Shuttle würde zu Bruch gehen kam sie vom Schiff frei. Keine zweihundert Meter vom Rand des Hyperraum-Vortex´ entfernt beschleunigte das Shuttle um aus dem Erfassungsbereich heraus zu kommen, wobei die überlasteten Aggregate für einige Augenblicke protestierend aufbrüllten.

Dann endlich war das Shuttle aus dem Erfassungsbereich heraus.

Eireene wendete das Shuttle um 180 Grad ohne dabei die Flugrichtung des Shuttles zu verändern und fuhr die Aggregate auf Stand-By herunter, damit die Energieortung der Piratenschiffe sie nicht erfassen konnte. Dabei starrte sie auf das schaurig schöne Bild, das sich ihr bot. Sieben Kreuzer der ALPHA-KLASSE drangen in den Hyperraum ein, gefolgt von sechs weiteren kapitalen Schiffen, die fraglos den Piraten gehören mussten. Bisher hatte die Blondine keine Gelegenheit gehabt diese Trägerschiffe näher zu betrachten. Die junge Frau schätzte die exotischen Konstruktionen auf etwa siebenhundert bis achthundert Meter Länge.

Im nächsten Moment war der Raumsektor leer und für einen kurzen Augenblick glaubte Eireene Connally ihr Blut in den Ohren rauschen zu hören, bevor sie die Aggregate wieder hochfuhr und das Shuttle in Flugrichtung wendete. Dabei entgingen ihr die kleinen Objekte, die hinter ihr langsam durch den ewigen Raum trieben.

Eine seltsame Leere erfüllte die Frau, während sie die Raumkarten dieses Sektors studierte. Es gab, weniger als zwei Lichttage entfernt, einen orange-roten Stern der von fünf Planeten umlaufen wurde. Bei einem von ihnen handelte es sich um eine Kolonie der Brakiri. Das Shuttle schaffte halbe Lichtgeschwindigkeit und so konnte sie das System in gut vier Tagen erreichen. Sie konnte nur hoffen, dann noch zu leben. Bevor sie vor Erschöpfung einschlief galten ihre letzten Gedanken ihren zurückgelassenen Kameraden auf der KLOTHO. Sie fragte sich, was die Piraten mit ihnen anstellen würden?



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