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Slice of Life

von

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Yuumawittchen und die sieben Barian

Vector schob sein Shirt nach oben und betrachtete den dunklen Fleck über seinen Rippen. „Fuck, au“, murrte er, als er drauf drückte. Hatte sie wirklich viermal auf dieselbe Stelle schießen müssen? Merag war wirklich komplett durchgeknallt. Er sah aus, als hätte er innere Blutungen. In einer anderen Situation hätte er das vielleicht genossen, aber so eher nicht. Er konnte sich kaum nach links beugen, ohne dass es wehtat.

Grummelnd zog Vector das Shirt wieder nach unten. Er rechnete Merag aber an, dass sie Nasch nichts erzählt hatte. Zumindest hatte er ihn bisher nicht damit aufgezogen. Er hatte noch nicht einmal einen dummen Spruch bekommen, weil er gegen Merag verloren hatte. Wahrscheinlich hatte Nasch immer noch nicht verarbeitet, dass er ihm gesagt hatte, dass Yuuma ihn geküsst hatte. Darüber würde er niemals hinwegkommen.

Vector grinste. Und er würde niemals den Ausdruck auf Naschs Gesicht vergessen. Unbezahlbar.

Vector streckte sich auf der Matratze aus und seufzte zufrieden. Es tat gut, einfach mal nichts zu tun, wobei er auch nichts dagegen hätte, etwas Gesellschaft zu haben.

Es klingelte an der Tür und Vector setzte sich wieder auf. Wirklich? Wer kam ihn denn besuchen?
 

Es war Merag, die vor der Tür stand. Mit Gesellschaft hatte er eigentlich Yuuma gemeint. Woher wusste sie überhaupt, wo er wohnte?

„Was willst du?“

„So begrüßt man keine Gäste.“

Vector hatte das Bedürfnis ihr einfach die Tür vor der Nase zuzuschlagen. „Du bist nicht mein Gast.“

„Ich brauche deine Hilfe.“

„Das letzte Mal, als ich dir geholfen hab, hat mir dass das hier eingebracht.“ Er zog sein Shirt nach oben.

„Oh, sehr hübsche Farbe. Darf ich anfassen?“ Sie streckte schon ihren Finger aus, doch Vector zog sein Shirt wieder nach unten und drehte sich leicht von ihr weg. Was lief falsch bei ihr?

„Also, was willst du?“

„Wie du weißt, bin ich im Theaterclub.“ Vector zuckte mit den Schultern. Woher sollte er das wissen und wieso sollte es ihn interessieren? „Wir wollen ein Stück aufführen, doch mit den kommenden Abschlussprüfungen fallen uns jede Menge Leute weg, also such ich Ersatz.“

„Und?“

„Du sollst in dem Stück mitspielen.“

Vector prustete. „Sicher nicht.“

„Du stehst doch auf Yuuma, nicht wahr?“

Vectors Lachen erstarb. „Wer sagt das?“ Wenn Alit auch nur ein Wort gesagt hatte, dann würde er ihn umbringen. Langsam und schmerzvoll. Wer wusste noch davon? Durbe? Mizael? Wahrscheinlich jeder außer Yuuma.

„Jetzt lass mich endlich rein.“ Sie schob Vector zur Seite und sah sich um. „Nicht sehr einladend.“

„Dann verpiss dich wieder“, knurrte Vector, doch als Merag keine Anstalten machte wieder zu gehen, schloss er die Haustür. Womit hatte er das verdient?

„Sei doch nicht gleich so griesgrämig, nur weil ich gesagt hab, dass du auf Yuuma stehst.“ Sie schien darüber nachzudenken sich hinzusetzen, ließ es dann aber doch bleiben. „Es ist ziemlich offensichtlich. Außerdem beschwert sich Ryouga alle fünf Sekunden darüber. Er kennt nur zwei Themen: dich und Yuuma und meistens ist das auch nur ein Thema.“ Sie seufzte dramatisch. „Aber um auf das Theaterstück zurück zu kommen“, sie sah Vector an, „Yuuma hat schon zugesagt und wenn du es auch tust, dann sorg ich dafür, dass du ihn küssen kannst.“

Vector hob die Augenbrauen. Er war ganz Ohr. „Ach?“

„Wir spielen Schneewittchen und in einer Szene küsst der Prinz Schneewittchen.“

„Und Yuuma spielt Schneewittchen?“

„Ja!“

„Weiß er das schon??“

„Details, Details.“ Merag wedelte unwirsch mit der Hand in der Luft.

„Also nein.“

„Bist du jetzt dabei, oder nicht? Sonst geb ich Ryouga die Rolle des Prinzen.“

Vector seufzte. Er wusste jetzt schon, dass er das bereuen würde. So sehr. Aber er konnte nicht zulassen, dass Nasch auch nur in die Nähe von Yuumas Lippen kam. „Ja, gut, okay, bin dabei.“ Er bereute es jetzt schon.
 

„Hat jeder ein Drehbuch? Gut.“

Vector blätterte lustlos durch das Drehbuch. Wenn er wirklich den Prinz spielte, dann hatte er sowieso nicht viel zu sagen. Er sah sich um. Merag hatte wirklich wieder jeden irgendwie rumgekriegt bei ihrem Unsinn mitzumachen.

„Nun zur Rollenverteilung, Yuuma ist Schneewittchen.“

„Waaaas? Wieso ich?“

„Weil du einfach der Süßeste von uns bist.“

„Ich bin sicher III ist süßer!“

„Aber Schneewittchens Haaren waren schwarz, nicht rosa!“

„Aber meine sind Blau!“, widersprach Yuuma. „Und warum macht das kein Mädchen?“

„Siehst du hier irgendwelche Mädchen?“

Yuuma starrte Merag an, erwiderte nichts, sondern starrte sie einfach nur an. Vector schmunzelte. Es war zu köstlich den beiden zuzusehen.

„Dich?“, sagte Yuuma nach einer Weile.

Merag warf ihre Haare zurück. „Ich spiele die böse Königin.“

Vector prustete.

„Hast du irgendwas zu sagen?“, fauchte Merag ihn an.

„Nein, nein.“ Er grinste jedoch weiter. Ja, die Rolle passte wirklich zu ihr.

„Gut, dann haben wir das ja geklärt.“

„Aber...“ Yuuma begann weiter sich über seine Rolle zu beschweren, aber Merag ignorierte ihn einfach.

„Vector spielt den Prinzen.“

Yuuma verstummte, dafür begann jeder andere sich zu beschweren.

„VECTOR?“

„Wieso Vector?

„Ich mach einen viel besseren Prinzen!“

Jeder redete durcheinander. Merag drehte das Drehbuch zusammen und ließ es auf den Tisch krachen. „Fresse halten!“

Sofort verstummten alle. „Mein Stück, meine Entscheidung.“

„Ich bin dein Bruder“, zischte Nasch, „und du gibst IHM die Rolle?!“ Er zeigte auf Vector, seine Hand zitterte dabei.

„Ja“, war Merags knappe Antwort.

„Wie kannst du nur?“

„Es ist mein Stück. Du kannst dafür der Jäger sein.“

Nasch bebte vor Wut. Er sah Vector an, als gab er ihm die Schuld an allem. Ausnahmsweise war er nicht schuld. Es war alles Merags‘ Idee gewesen. Er verstand selbst immer noch nicht, warum sie das tat und nicht ihren Bruder unterstützte. Aber beschweren würde er sich auch nicht.

„Ich mach einen viel besseren Prinzen!“, mischte sich jetzt auch Alit ein und hatte von-wo-auch-immer eine Rose herbeigezaubert. Er kniete sich vor Yuuma und hielt ihm die Rose hin. „Findest du nicht auch Yuuma, mein Engel?“

„Nein!“, fuhr Merag ihn an.

„Und wieso sollte ich nicht der Prinz sein?“ IV trat vor. „Ich bin ja wohl der Eleganteste von allen.“

„Du bist ein Zwerg.“

IV presste die Lippen aufeinander.

„Also, ich habe gerade wirklich keine Lust mehr auf das Stück.“ Mizael strich sich die Haare zurück. „Wir sollten uns wirklich für die Prüfungen vorbereiten. Komm Durbe.“ Sie wandten sich zu gehen.

„Okay, okay.“ Merag sah mehr als nur genervt aus. „Wenn wir den Zufall entscheiden lassen, wer welche Rolle bekommt, sind dann alle zufrieden?“

Einen Moment herrschte Stille.

„Na gut okay.“

„Bin einverstanden.“

„Klingt fair.“

„Gut, gebt mir einen Moment.“
 

Als Merag zurückkam hatte sie Holzstäbchen in der Hand. „Drei der Stäbe sind farblich markiert. Rot ist Schneewittchen, blau ist der Prinz und grün ist der Jäger. Die ohne Farbe stehen für Zwerge. Ich will kein Murren und Meckern hören. Jeder hat sich mit seiner Rolle abzufinden, verstanden?“

Allgemeine Zustimmung.

„Ich will als erstes!“, rief Yuuma und hatte auch schon seine Finger an den Stäbchen. Er zog eins davon schwungvoll heraus. Rot.

„Herzlichen Glückwunsch, du bist Schneewittchen“, trällerte Merag gut gelaunt.

Yuuma seufzte und ließ den Kopf hängen. Vector spannte sich an. Jetzt konnte jeder der Prinz werden, selbst Nasch. Er knirschte mit den Zähnen. So war das nicht abgemacht gewesen.

Alit, Gilag, III und IV zogen Stäbchen ohne Farbe. Vector kaute auf seiner Unterlippe. Er musste ziehen. Ob Merag ihm einen Hinweis gab, wenn er es tat? Aber woher sollte sie wissen, welcher der blaue war, wo inzwischen schon alle mehrmals verrutscht waren?

Vector stand auf, doch Nasch kam ihm zuvor. Er konnte wohl auch nicht länger warten. Shit. Wenn er jetzt den Prinzen zog, würde Vector ihn umbringen. Er würde nicht zulassen, dass er Yuuma küsste.

Doch Naschs Stäbchen war grün. Er warf es frustriert auf den Boden und verschränkte die Arme vor der Brust. Vector atmete erleichtert aus. Alle, nur nicht Nasch.

Als auch Durbe, Mizael und Tetsuo gezogen hatten, schnipste Merag das letzte Stäbchen in Vectors Richtung. Der fing es eher aus Reflex. Er starrte die blaue Spitze an.

Er war der Prinz!

„Hättet ihr gleich auf mich gehört, hätten wir uns den ganzen Zirkus sparen können.“ Merag sah auf die Uhr. „Jetzt ist es zu spät noch anzufangen. Wir treffen uns morgen nach dem Unterricht hier. Wehe, ihr kommt nicht!“
 

„Wie hast du das gemacht?“, fragte Vector, als die anderen weg waren.

Merag lächelte. „Ich weiß nicht, was du meinst.“

„Du hast doch geschummelt.“

„Ich halte nur meine Versprechen.“ Sie zuckte mit den Schultern.

„Warum hilfst du mir?“

„Ich helf nicht dir, versteh mich nicht falsch“, begann Merag zu erklären. „Ich helfe einem Freund und das kann ich nicht, solange Ryouga von Yuuma besessen ist.“

Vector hob die Augenbrauen. Oho, also war an der Sache Durbe und Nasch doch noch was dran. Ob er Merag die Fotos mit Mizael zeigen sollte? Lieber nicht, am Ende überlegte sie es sich noch anders.

„Außerdem geht er mir wirklich auf die Nerven. Yuuma hier, Yuuma da. Buhu Vector ist so doof.“ Sie verdrehte die Augen. „Er braucht einfach mal einen guten Fick, das würde ihn entspannen.“

Vector starrte sie an. Hatte sie das grad wirklich gesagt? „Ich... muss gehen.“ Das war mehr, als er je wissen wollte und jetzt hatte er auch noch Bilder im Kopf. Danke, Merag.
 

Vector gähnte und rutschte tiefer in seinen Stuhl. Es war schon der zweite Tag an dem er nichts tat, außer den anderen dabei zuzusehen, wie sie ihren Text vergaßen oder anderweitig versagten. Er hatte nichts zu tun, aber Merag bestand darauf, dass er bei den Proben dabei war. Was für eine tolle Zeitverschwendung. Und wenn er noch einem „Cut“ hörte...

„Cut!“

Vector verdrehte die Augen. Das schien ihr Lieblingswort zu sein. Er konnte es nicht mehr hören.

„Als nächstes die Szene mit dem Prinzen.“

Der Prinz, oh su... er war der Prinz! Vector sprang von seinem Platz auf und fiel fast wieder hin, weil ihm das Bein eingeschlafen war. Etwas schwerfällig kam er die Bühne hoch.

„Endlich“, murrte er.

„Yuuma, leg dich auf den Tisch und stell dich tot. Vector, du daneben, los, los!“, wies sie die beiden an. „Und Action!“
 

„Lasst mir den Sarg, ich will euch geben, was ihr dafür haben wollt“, sagte Vector seinen Text eher gelangweilt auf.“

„CUT!“

„Was?“

„Streng dich gefälligst an!“

„Jaja.“

„Action!“

Vector räusperte sich. „Lasst mir den Sarg, ich will euch geben, was ihr dafür haben wollt.“ Diesmal unterbrach Merag ihn nicht.

Es war Gilag, der sprach: „Wir geben ihn nicht um alles Gold in der Welt.“

Vector fand es lächerlich, das Gilag als „Zwerg“ ungefähr doppelt so groß war wie er selbst. „So schenkt mir ihn, denn ich kann nicht leben, ohne Schneewittchen zu sehen, ich will es ehren und hochachten wie mein Liebstes.“

Wer hatte diesen hochgestochenen Text geschrieben? Das klang ja zum Kotzen.

„Sobald wir die Requisiten haben, nimmst du an der Stelle den Deckel vom Sarg.“

„Erstick ich da nicht?“, fragte Yuuma entsetzt und setzte sich mit einem Ruck auf, dabei stieß er fast mit Vector zusammen.

„Nein, und jetzt leg dich wieder hin, du bist tot! Kussszene!“

„Muss das sein?“, knurrte Nasch, doch Merag ignorierte ihn.

„Action!“

Vector sah auf Yuuma hinunter und schluckte. Das war’s. Er würde ihn küssen. Nochmal. Shit, er sollte nicht so nervös sein. Langsam beugte sich Vector nach unten. Sein Herz raste. Gleich...

„Ist das nicht total nekrophil?“, fragte Vector und richtete sich wieder auf.

„Cut!“, rief Merag total genervt. „Yuuma lebt doch.“

„Ich meine auch das Märchen. Die ist doch tot, verrottet schon seit ein paar Tagen und dann kommt so ein Kerl und küsst sie? Klingt ziemlich nekro für mich.“

Merag verdrehte die Augen. „Ja, ist es, zufrieden? Nochmal! Action!“

Langsam näherte sich Vector Yuumas Lippen und begann die Augen zu schließen. Doch Yuuma begann zu kichern und Vector richtete sich wieder auf.

„Cut!“

„Tut mir leid“, lachte Yuuma. „Das ist voll anstrengend so lange ruhig zu liegen.“

„Nochmal!“

Yuuma legte sich wieder hin und Vector beugte sich erneut über ihn. Wieso war er nur so nervös? Es war ein Kuss. Nur ein Kuss. Er würde Yuuma küssen. Und jeder sah dabei zu. Er stoppte vor Yuumas Lippen und richtete sich wieder auf. „Müsst ihr alle zuschauen?“

„Vector!“ Merag drückte das Drehbuch zusammen. „Dir werden hunderte Menschen dabei zuschauen.“ Sie seufzte und sah auf die Uhr. „Na gut, es ist spät, wir machen übermorgen weiter. Mit dem Kuss!“ Sie zeigte mit dem Drehbuch auf Vector. „Und dann würgt Yuuma das Apfelstück wieder raus.“

„Ich würd auch kotzen, wenn Vector mich küsst“, murmelte Nasch.
 

Es war schon dunkel, als Vector nach draußen ging. Er ärgerte sich über sich selbst. Warum hatte er Yuuma nicht geküsst? Warum war er nur so dumm? Warum stellte er sich so an? Aber irgendwie konnte er Yuuma nicht küssen, wenn alle sie anstarrten, das war irgendwie... er konnte es nicht erklären. Und vielleicht könnte er vernünftig darüber nachdenken, wenn sein Herz nicht so schnell schlagen würde.

„Shingetsu?“

Vector sah auf und sein Herzschlag wurde nicht langsamer, als er Yuumas Lächeln sah.

„Hast du auf mich gewartet?“

Yuuma nickte. „Bist du nervös?“

„Wegen was?“

„Na, dem Stück!“

„Nicht wirklich.“ Nur der Kuss machte ihn nervös. Das reichte schon.

„Ich schon. Ich vergess bestimmt meinen Text, oder so.“ Er lachte.

„Wahrscheinlich.“

„Danke, dass du an mich glaubst.“ Yuuma streckte ihm die Zunge raus.

Vector schmunzelte und sie schwiegen eine Weile, bis Yuuma wieder das Wort ergriff: „Bist du nervös wegen des Kusses?“

Hatte er ihn das gerade wirklich gefragt? Ausgerechnet Yuuma sprach ihn darauf an?

„Musst du nicht“, redete Yuuma weiter, nachdem Vector stumm blieb. „Ist ganz leicht, einfach...“ Er küsste seine Hand. „Oder so wie an Weihnachten.“

„Ich werd’s versuchen.“ Gut, dass es dunkel war und Yuuma nicht sehen konnte, wie hochrot sein Kopf war. Es war nicht fair, dass er so schnell rot wurde.

„Wir können üben.“

Vector blieb stehen. „Was?“

Yuuma drehte sich zu ihm um. „Den Kuss.“ Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Vielleicht bist du dann nicht mehr so nervös.“

„Okay.“ Hätte er jetzt Nein gesagt, dann hätte er sich vom Heartland Tower geworfen. Passierte das gerade wirklich? Innerlich flippte er aus. Yuuma würde noch sein Tod sein. Und dieses Lächeln.
 

Vector schluckte. Er war bei Yuuma Zuhause und dieser saß vor ihm auf dem Bett, das Drehbuch an der Stelle aufgeschlagen, an der sie sich küssen würden.

„Am besten sagst du einfach deine Sätze auf, dann kriegst du ein besseres Gefühl dafür.“ Er lächelte und legte sich dann hin. „Ich les den Zwergenteil.“

„Lasst mir den Sarg, ich will euch geben, was ihr dafür haben wollt.“

Yuuma setzte sich auf. „Merag hätte jetzt wieder ‚Cut‘ geschrien.“

„Sie mag das Wort.“

Yuuma lachte. „Ja, hab ich mir auch schon gedacht. Also, jetzt nochmal vernünftig.“ Er legte sich wieder hin und Vector wiederholte seinen Satz. Sie spielten die kurze Szene durch bis der Kuss kam.

Vector leckte sich über die Lippen. Yuuma erlaubte ihm wirklich, dass er ihn küsste. War er wirklich so naiv oder war es doch mehr? Er schloss die Augen, als er Yuuma küsste. Er ballte die Hände zu Fäusten um das Zittern zu unterdrücken. Wie lange sollte er Yuuma küssen? Denn er wollte nie wieder damit aufhören.
 

Nur langsam löste sich Vector wieder von Yuuma. Sein Herz schlug so heftig gegen seine Brust, dass er sicher war, dass man es sehen konnte. Sein Kopf war wie leer gefegt.

„Siehst du, das war doch gar nicht so schwer.“ Yuuma lächelte ihn an. „Jetzt hat zwar niemand zugesehen, aber wenn wir das noch ein paar Mal machen, dann kommt das ganz von selbst. Oder du stellst dir einfach vor, wir sind bei mir.“

Vector nickte nur. Sein Hals war wie ausgetrocknet. Noch ein paar Mal machen? Yuuma noch öfter küssen? Shit, er kam sich vor wie ein Vollidiot. Er war nicht mal in der Lage noch vernünftig zu denken.

„Also, nochmal, bis du dich sicher genug fühlst.“ Yuuma legte sich wieder hin und sie wiederholten ihre Sätze. Vector küsste Yuuma erneut. Sein ganzer Körper kribbelte und sein Magen zog sich angenehm zusammen. Er musste sich wirklich zusammenreißen, dass der Kuss nicht zu lange dauerte. Wenn er nur nicht so zittern würde...

Vector ließ sich zurücksinken und atmete tief durch.

„Alles in Ordnung?“

Vector nickte. „Ja, ja, mir geht’s gut.“ Auch wenn sein Herz gleich platzte und er sich vor Glück übergab. Er stand für immer in Merags Schuld.

„Willst du aufhören?“

„Nein“, sagte Vector schnell, etwas zu schnell. „Ich mein“, er setzte ein Lächeln auf, „einmal noch, okay?“

„Klar.“

Als Vector Yuuma diesmal küsste, strich er ihm nebenbei über die Wange und langsam hinunter zu seinem Hals. Er tat es nicht bewusst, es passierte einfach. Der Kuss dauerte auch länger, als die beiden davor. Er wollte nicht aufhören. Wieso konnten sie nicht zusammen sein? Es frustrierte ihn so sehr.

Widerwillig löste sich Vector von Yuuma, doch nur ein Stück. Yuumas Lippen waren leicht geöffnet. Er wollte ihn wieder küssen. Er wollte mit ihm auf diesem Bett liegen und den ganzen Tag nichts anderes tun als ihn zu küssen. Kein Sex, nichts, nur Yuuma an sich drücken und küssen.

„Shingetsu“, flüsterte Yuuma, „du zittertest.“ Vector nickte langsam und ließ sich zurückfallen. „Geht’s dir nicht gut?“

„Doch, doch, mach dir keine Sorgen.“ Vector nahm mehrere tiefe Atemzüge. Das war so lächerlich.

„Wirklich?“

„Sag mal, Yuuma, magst du mich?“

Es dauerte einen Moment bis Yuuma antwortete. „Klar“, er lächelte, „du bist doch mein Freund.“

Vector lächelte ebenfalls, auch wenn ihm im Moment eher zum Heulen war. Natürlich, was hatte er für eine andere Antwort erwartet? Yuuma war eben doch nur naiv. „Danke, Yuuma.“ Er stand auf, auch wenn er noch etwas zittrig auf den Beinen war. „Du hast mir heute echt geholfen.“

Yuumas strahlte ihn an. „Immer gern.“

„So wird das Stück ja doch noch was.“

Yuumas Miene verfinsterte sich etwas. „Aber ich muss ein Kleid anziehen.“

Vector schmunzelte. „Siehst bestimmt wundervoll darin aus.“

Yuuma warf ein Kissen nach ihm.
 

„Wundervoll, sag ich doch“, sagte Vector grinsend und musterte Yuuma.

„Du bist so gemein!“ Yuuma verschränkte die Arme vor der Brust. Er trug das klassische Sehneewittchenkleid, das man auch im Disney-Film sah. Merag hatte ihm sogar eine Schleife ins Haar gebunden. „Ich komm mir so lächerlich vor.“

„Ach was, du siehst wirklich süß aus“, sagte Merag und zupfte an den Ärmeln von Yuumas Kleid.

„Ich bin nicht süß!“

„Jaja.“ Merag tätschelte seinen Kopf und Yuuma blies die Backen auf.

Vector beobachtete alles grinsend, doch dann fiel sein Blick auf Nasch, der mit verschränkten Armen an eine Wand gelehnt stand und finster dreinblickte. Er war nicht bei der Probe gewesen, als Yuuma und er sich geküsst hatten und auch bei der Generalprobe war er gegangen, nachdem er seinen Teil gespielt hatte.

Vector schmunzelte. Diesmal konnte er nicht weglaufen.

„Warum muss ich so einen blöden Bart tragen?“ Gilag kam aus der Umkleide. „Er juckt.“ Er zog an seinem falschen Bart.

Vector prustete und erntete einen bösen Blick von Gilag. Vector wandte sich ab und unterdrückte das Lachen. Gilag sah so lächerlich aus. Wer hatte nur die glorreiche Idee gehabt ihn einen Zwerg spielen zu lassen? Es war die beste Idee von allen gewesen.

„Ich bin ein bisschen aufgeregt“, flüsterte Yuuma und lehnte sich neben Vector an eine Kiste.

„Du schaffst das schon.“

„Aber was, wenn ich meinen Text vergesse? Rio bringt mich um.“

„Ich beschütz dich vor ihr.“

Zweifelnd sah Yuuma ihn an. „Beim Paintball hat sie dich ziemlich fertig gemacht.“

„Das ist wahr. Tja, dann bist du wohl auf dich allein gestellt. Viel Glück.“

„Shingetsu!“

Vector lachte. „Das klappt. Mach dir keine Sorgen.“

„Bist du noch nervös wegen dem Kuss?“

„Ein bisschen“, gab Vector zu. Zumindest hatte er das Zittern inzwischen unter Kontrolle.

„Ich auch“, sagte Yuuma so leise, das es Vector fast entgangen wäre.

„Wieso? Du liegst doch nur da.“

Yuuma zuckte mit den Schultern. Er schien noch etwas sagen zu wollen, doch da rief Merag nach ihm. Vector sah ihm hinterher. Heute würde das letzte Mal sein, dass er Yuuma küsste. Er fasste sich an die Lippen. Er musste diesen letzten Kuss richtig genießen, aber durfte es auch nicht übertreiben. Vector seufzte. Außer sie standen vielleicht noch einmal gemeinsam unter einem Mistelzweig.
 

Vector beobachtete das Stück vom Rand aus. Es lief gut und Yuuma hatte sich bisher nur einmal kurz mit dem Text verhaspelt. Gilag und Tetsuo sahen einfach zum schießen aus. Eine unpassendere Rolle als die von Zwergen hätte man ihnen nicht geben können.

Yuuma erstickte dramatisch an seinem Apfelstück und Vector straffte die Schultern. Gleich war er an der Reihe. Er zog seinen Umhang zurecht.

Wo kam das plötzliche Lampenfieber her?

„Vector“, flüsterte Merag, „du bist dran.“

Vector trat auf die Bühne und wurde im ersten Moment von den Scheinwerfern geblendet.

„Lasst mir den Sarg, ich will euch geben, was ihr dafür haben wollt“, sagte er seinen Text auf.

„Wir geben ihn nicht um alles Gold in der Welt“, erwiderte Gilag mit grimmiger Miene.

„So schenkt mir ihn, denn ich kann nicht leben, ohne Schneewittchen zu sehen, ich will es ehren und hochachten wie mein Liebstes.“

Er nahm den Deckel von Sarg ab und stellte ihn auf den Boden. Sein Herz schlug aufgeregt. Gut, dass er Dank den Scheinwerfern die Menge nicht sehen konnte. Das würde ihr letzter Kuss sein.

Sanft legte er seine Lippen auf Yuumas, genoss die Gefühle, die ihn durchströmten. Er liebte ihn so sehr, dass es wehtat, doch mehr als das, würde er nie von Yuuma bekommen. Er bewegte seine Lippen leicht, doch nicht für lange. Vector richtete sich wieder auf.

Das einzige gute war noch, dass er Yuuma für den Rest des Stücks im Arm halten konnte, doch Vector vermisste jetzt schon das Gefühl seiner Lippen.
 

„Das war so toll!“ Vector schloss seine Arme um Yuuma, als dieser ihm nach dem Stück um den Hals fiel. Er drückte dabei auf den blauen Fleck an seinen Rippen, doch Vector ließ sich nichts anmerken. „Ich hab mich nur einmal versprochen.“ Er strahlte über das ganze Gesicht.

„Ich bin so stolz auf dich.“ Vector grinste leicht. Warum war Yuuma nur so süß?

Yuuma ließ ihn los. „Hast du vielleicht noch Lust auf ne Pizza bei mir?“

„Willst du so rausgehen?“

Yuuma trug immer noch das Kleid. „Nein!“, erwiderte er entsetzt. „Ich geh mich gleich umziehen.“ Und schon rannte er zur Umkleide.

Vector setzte sich auf eine Kiste, während er wartete. Hoffentlich lud Yuuma nicht auch noch den Rest ein. Vector trommelte mit den Händen auf die Kiste und grinste, als er Nasch sah. Nasch sah aus, als wollte er ihm den Schädel einschlagen.

„Grins nicht so dumm“, fuhr Nasch ihn an und Vectors Grinsen wurde noch breiter.

„Sonst was?“, fragte er. Nasch antwortete nichts. Keine Überraschung. „Wie hat dir mein Kuss mit Yuuma gefallen?“

Nasch packte ihm am Kragen und holte mit der Faust aus. „Ich sollte dir die Fresse polieren.“

Vector sah zur Seite Richtung Umkleide. „Wie hoch ist die Chance das Yuuma rauskommt und sieht wie du mich schlägst? Und das ohne Grund? Der arme Shingetsu.“ Er setzte eine leidende Miene auf. „Vielleicht küsst er mich, damit’s besser wird.“

Naschs Hände zitterten, doch er ließ die Faust sinken und begnügte sich damit Vector zu schubsen.

Vector fiel fast von der Kiste. Er lachte leise. „Du bist und bleibst ein Verlierer.“

Wütend stampfte Nasch davon. Kurz darauf kam Yuuma aus der Umkleide.

„Fertig?“, fragte Vector und rutschte von der Kiste.

„Fertig und einen Riesenhunger auf Pizza.“

Vector war frustriert, das Yuuma in ihm nur einen Freund sah, doch sein breites Grinsen und seine gute Laune waren einfach ansteckend. Er lächelte. Außerdem hatten sie sich ein paar Mal geküsst und Nasch hasste ihn nur noch mehr. Alles in allem doch ein ziemlicher Erfolg.



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