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Die Legende vom Mädchen vom Mond der Illusionen ( LMMI )

von

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Okay, da das ja nicht immer so klappt, wie man will, hoffe ich mal, dass es jetzt geht. Ist schon der 3. Versuch...

Ach, bevor wer fragt: Die Prozente stimmen nicht, auch wenn ich die ändere. Das sind nur die Kapitel. Da noch eine ganze Menge folgen wird,(was ich gar nicht geschrieben habe), kann ich das eh nicht abschätzen. Und dranbleiben! Es kann nur besser werden- ich lerne jedes Mal.
 

Kapitel 3 - Labyrinthe
 

"Ich glaube, es wird Zeit, mir etwas zu erklären." Sagte Van, nachdem er sich vergewissert hatte, dass Hitomi eingeschlafen war. Mai hatte ihr ein Schlafmittel gegeben. Nun schlummerte sie tief und fest in einer Ecke von Mais Zimmer. Van und die beiden Geschwister hatten sich an einen kleinen Tisch gesetzt, und nun hatte er seine Forderung gestellt. Shin und Mai sahen sich in einer Art an, die klar machte, dass sie wussten was er meinte.

"Es tut mir leid, aber..." begann Shin, wurde aber von Van unterbrochen. "Leid, es tut euch leid!" Er hielt seine Hände hoch. "Von diesen Fesseln habt ihr mich befreit, aber nicht von denen der Unwissenheit. Ihr sagt, ihr braucht Hitomi. Gut. Warum auch immer. Ich kann nicht sagen, dass ich euch mag, aber was immer dieser Li ist, er muss aufgehalten werden. Wenn ihr meint, nur Hitomi kann es, wird es langsam Zeit, mir zu sagen warum. Und was Li eigentlich ist. Und" kam er Shin zuvor, der den Mund schon auf hatte "was zum Teufel mit diesem Labyrinth ist, und was mit eurem Vater ist. Ich denke, er hat uns hierher geholt?"

"Nicht dich. Nur das Mädchen." Sagte Shin bissig. "Er ist tot." Ihre Stimme war auf einmal von Trauer erfüllt "Mai!" sie winkte ab. "Unser Vater, der T'ang ist tot. Umgebracht von Li. Aber es gibt natürlich keinen Beweis dafür. Und wenn bekannt wird, das er tot ist, wird Li die Macht blutig an sich reißen. Er hat heute schon die Hälfte des Reiches auf seiner Seite. Wenn er an die Macht kommt, ist das der Untergang."

"Aber Shin ist doch der Prinz, oder?" "Ja, aber das heißt nicht, dass ich automatisch der Nachfolger meines Vaters werde. Er wurde ermordet. Er hat das Mandat des Himmels verloren, und ob es von den Göttern an mich weiter gereicht wurde, bestimmen die Priester- die Li unter seiner Kontrolle hat. Er würde sich selbst zum neuen T'ang ernennen." Jetzt hatte Van verstanden. Er kannte etwas ähnliches aus Freid. Auch dort konnten die Priester den Herzog absetzten.

"Also darf nicht bekannt werden, dass euer Vater tot ist. Und darum wollte Li auch, dass er mit dem T'ang "reden" darf." "Ja, und darum konnte ich auch nicht verhindern, dass du und das Mädchen in das Labyrinth geschickt werdet." "Und was ist das?" Shin und Mai zögerten.

"Es nützt uns gar nichts, wenn ihr es mir nicht sagt. Ich weiß, dass es nicht sonderlich schön dort sein kann. Was ist es? Eine Folterkammer?" Mai lachte auf, aber es war ein grässliches Lachen. "Eine Folterkammer- ja, eigentlich schon."

"Das Labyrinth der tausend Gänge ist ein Ort unter dem Palast, in den alle gebracht werden, die vom T'ang oder einem seiner Minister angeklagt werden, für deren Schuld es aber keinen Beweis gibt. Es ist eine Art Göttergericht. Soweit ich weiß, hat es bisher nur einer geschafft, es lebend zu durchqueren."

"Und wer war das?" Diesmal antwortete Shin. "Jemand, der behauptete, die Stimmen der Götter zu hören. Sein Name war Wang Mu. Er behauptete, die Zukunft zu kennen, und deshalb kam er ins Labyrinth. Alle hielten ihn für tot, aber nach zwei Monaten kam er wieder hinaus, halb verhungert, aber lebendig- und mit einer ungeheuren Macht."

"Das ist doch nur eine Legende, oder?" fragte Van. "Nein, ich habe ihn noch gekannt." Bei der Geburt meiner Schwester hat er ihr die Zukunft prophezeit. Nach seinen Worten, würde das 'Böse an sich' an ihrem sechzehnten Geburtstag über unser Reich kommen, und es gäbe nur einen Weg uns alle zu retten. Und ein ganz bestimmtes Mädchen wäre der Schlüssel dazu."

"Und ihr meint, dieses Mädchen ist Hitomi?" Mai blickte sie unschlüssig an. "Ich weiß es nicht. Sag mir Van, woher kommt sie?"

Vans zögerte eine Weile. Sollte er es ihnen sagen? Warum eigentlich nicht? Zu verlieren hatte er nichts. Und so wie sie gefragt hatte, erwartete sie vielleicht genau die Antwort, die er ihr geben konnte. "Sie kommt vom Mond der Illusionen." Shin konnte mit diesem Begriff nichts anfangen, aber Mai atmete deutlich hörbar auf. "Den Göttern sei Dank!" rief sie und erklärte ihrem Bruder "Das ist ihr Name für das Auge der Vergangenheit." "Dann ist sie es wirklich?" fragte er seine Schwester. "Ja, wenn der alte Mann recht hatte. Er hat nämlich prophezeit, dass das besagte Mädchen vom Ort unserer Vorfahren kommen würde." "Vom Ort eurer Vorfahren?" Van wunderte sich. Das war das erste mal, dass er jemanden traf, der seine Herkunft auf den Mond der Illusionen bezog, und es nicht für eine Legende hielt. Selbst Dryden hatte Atlantis für einen Mythos gehalten. Aber ihre nächsten Worte machten deutlich, dass sie nicht Atlantis meinten.

"Unsere Vorfahren kommen vom Mond der Illusionen- oder dem Auge der Vergangenheit, wie wir es deswegen nennen.Vor dreitausend Jahren gab es eine Rebellion gegen den alten T'ang. Er verlor. Aber die Götter hatten ein Einsehen mit ihm, und trugen ihn seine Getreuen hierher, an diesem Ort. Shin und ich sind direkte Nachfahren dieses T'ang." >Eine dreitausend Jahre alte Dynastie! Und jetzt wird sie vielleicht untergehen. Unglaublich.<

"Van." Er schaute Mai fragend an. "Hitomi ist die einzige, die uns retten kann. Aber wir können nichts für sie oder dich tun. Morgen werdet ihr in das Labyrinth gebracht. Wenn sie stirbt, stirbt auch unsere Hoffnung."

Sie stand auf, und ging zu Hitomi, die von all dem nichts mitbekommen hatte. "Sie ist unsere einzige Hoffnung. Van, ich spüre, dass sie dir viel bedeutet. Und du ihr auch." Van reagierte nicht auf ihre Worte. Sie trafen genau das, was er befürchtete, nämlich, dass es nicht so war. "Bitte, beschütze sie. Beschützte sie mit deinem Leben, aber pass auch auf dich selbst auf. Im Thronsaal, als Li euch angegriffen hat- da habe ich es gesehen. Sie hat sich an dich geklammert. Sie hat bei dir Schutz gesucht. Und da ist es mir klar geworden. Li weiß Bescheid. Er weiß, dass sie das Mädchen ist, von dem die Prophezeiung spricht. Und dass er sich soviel Mühe macht, bedeutet, dass er sie fürchtet. Das lässt mich hoffen."

"Er fürchtet sie?" "Ja. Ich habe euch beobachtet. Seid wir hier angekommen sind, hat sie sich benommen, als ob sie dich aus tiefsten Herzen hasst. Und du warst auch ein paar Mal nah dran. Li versucht euch auseinander zu bringen. Ich weiß nicht warum, aber er meint, dass nur ihr beide ihn besiegen könnt. Und seit dem Thronsaal weiß ich auch warum. Als Lis Druck auf Hitomi nachgelassen hat, weil er uns alle angegriffen hat, hat er die Kontrolle über sie verloren. Du warst es, der sie gehalten hat. Du hast ihr Kraft gegeben. Und das ist genau das, was Li befürchtet. Ich bitte dich, gib ihr die Kraft, uns zu retten. Wir können es nicht." Van schauderte. Er wusste nicht, ob Hitomi wirklich das konnte, was sie von ihr verlangten. Und noch weniger wusste er, wie er ihr helfen sollte. Aber eines war sicher. Er würde Hitomi beschützen, was auch immer geschah. Und er würde diesen Li aufhalten. Denn wenn er es nicht schaffte, würde Li sie beide umbringen.
 

Mir einem Ruck stieß der Crusador an den Fels. "Verdammter Wind!" fluchte Gades über die Böen, meldete aber sofort darauf "Leinen fest, wir sind verankert!"

"Gut!" Allen wandte sich an Flöte. "Und der Wind wird uns hier nichts anhaben können?" "Wind macht nichts, und der Sturm kommt hier nicht her. Ich werde jetzt Thana wecken gehen. Und ihr alle solltet das Gegenteil machen, und euch schlafen legen. Morgen Mittag ungefähr erreichen wir den westlichen Kontinent, und wer weiß, was uns dann erwartet."

"Woher willst du wissen, dass der Kontinent dort ist?" "Weil sich das Schiff, das wir verfolgen dort seid heute früh liegt. Und weil von dort der Hass kommt. Kann sein, dass es kein Kontinent, sondern nur eine der vorgelagerten Inseln ist, aber wie auch immer, unser Ziel liegt dort. Entschuldigt mich." Mit ungestümen Schritten ging das kleine Mädchen an ihm vorbei. >Seit das mit Thana passiert ist, ist sie wie eine rachsüchtige und rücksichtlose Königin. Aber ich kann es ihr nicht verübeln.<

"Gades, sorg dafür, dass die Männer morgen ausgeruht sind. Ich werde mir mal die Insel etwas genauer ansehen." "Das ist keine kluge Idee, Kommandant. Falls der Sturm doch einen Weg hinter diese Insel finget, werdet ihr davongetragen wie ein welkes Blatt." "Das passiert nicht. Sonst würden da draußen keine Büsche stehen- jedenfalls keine, die noch Blätter haben." Gades grummelte noch etwas, aber er kannte Allen lange genug, um zu wissen wann es sinnlos war, ihn umstimmen zu wollen. "Aber passt trotzdem auf, Kommandant!" "Das werde ich, Gades, versprochen."
 

Nachdenklich ließ er seinen Blick über das tosende Meer streifen. Nur wenige Meter von der Insel entfernt übernahm der Sturm wieder die Kontrolle über die Elemente, und peitschte das Meer zu meterhohen Wellen. Selbst hier, geschützt durch einen Felsen im Rücken, der den Crusador verdeckte, riss der Wind ihm die Haare fast davon und trieb ihm winzig kleine Tröpfchen in das Gesicht. Mühsam ordnete er seine Haare so an, dass sie hinter seinem Kopf flatterten, denn er wollte einen freien Blick. Er wollte hinaus sehen auf das wütende Meer, über das das Schiff der Fremden seine Freunde gebracht hatte.

>Hitomi, Van, ich werde euch finden und befreien. Das bin ich euch schuldig. Ihr habt nicht nur mein Leben und das vieler anderer gerettet. Ihr habt mir auch meine Schwester zurück gegeben. Ach, Serena. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurück drehen. Sie haben dir zehn Jahre deines Lebens genommen, und mir in gewissem Sinne auch. Ich hoffe für dich, dass du dich nie an diese Zeit erinnerst.<

"Warum so traurig, Herr Ritter? Was bedrückt euch?" Allen schaute überrascht nach rechts. Dort stand Thana, und blickte ihn mit einem undefinierbarem Funkeln in den Augen an. "Thana! Ich hätte nicht erwartet, euch zu sehen, vor allem nicht hier." Ihre Antwort bestand nur aus einem Lächeln. "Darf ich mich neben euch setzten?" "Aber sicher" Er rutschte ein Stück zur Seite. "Und bitte, nennt mich Allen. Das habe ich euch schon einmal gesagt."

"Das habt ihr." Auch Thana hatte Mühe, ihr langes, schwarzes Haar zu bändigen. "Aber die Situation hat sich geändert. Seid ihr sicher, dass ihr mich noch kennen wollt, nachdem was ich beinahe getan hätte?" "Das wart nicht ihr. Flöte hat es erklärt." "Hat sie?" Ihre heftige Reaktion überraschte ihn. "Hat sie euch gesagt, was ich in diesem Moment empfand? Hat sie euch von dem Hass erzählt, der in mir tobte? Das Vergnügen, als ich mir vorgestellt habe, wie sie verblutend da liegen würde? Habt ihr eine Vorstellung von dem, was ich jetzt fühle?"

Sie saß eine ganze Weile stumm da, mit geballten Fäusten, und starrte auf das tosende Meer. Dann machte sie eine vage Geste hin zu den Wellen. "Gegen das, was in meinem innersten tobt, ist das hier nur ein laues Lüftchen. Ich... ich war eine Bestie. Ich sudelte mich in dem Verlangen nach Blut."

Erschrocken griff Allen nach ihren Schultern, und zwang sie, ihn anzusehen. "Hört auf, solchen Unsinn zu reden. Das seid nicht ihr gewesen. Etwas hatte die Kontrolle über euch." Ihr hysterisches Lachen machte ihm Angst. "Oh ja, etwas hat die Kontrolle über mich gewonnen. Aber kam es wirklich von außen? Muss ich nicht selbst so sein, um einen solchen Hass fühlen zu können? Wisst ihr, das war nicht das erste Mal, oh nein, meine halbes Leben bestand aus Hass. Oh, wenn ihr wüsstet, wie oft ich davon geträumt habe, Akoth zu töten." >Und vor ein par Tagen in der Höhle habe ich es getan. Und es genossen.<

"Einzig und allein Flöte hat mich davon abgehalten. Ich bin sicher, sie hat mich irgendwie beeinflusst. Ich habe zehn Jahre mit ihr zusammen gelebt, mit ihr, dessen bester Freund der Drache ist, der meine Eltern getötet hat. Ich habe mich nie darüber aufgeregt. Nicht einmal. Ich habe oft davon geträumt, ihn zu töten. Verdammt, ich habe es Flöte bestimmt ein paar hundert Mal angedroht. Ich habe mich nie auch nur auf den Weg gemacht. Und erzählt mir nicht, dass es so war, weil ich gewusst habe, dass ich nicht gewinnen konnte. Das ist Unsinn. Das hätte mich nicht davon abgehalten. Sie muss es irgendwie getan haben. Aber das ist heute sowieso egal, oder? Der Punkt ist, ich hätte es genossen, Flöte sterben zu sehen, wie ich es genossen habe, Akoth in meinen Träumen umzubringen. Der Hass ist in mir."

Allen hatte sie die ganze Zeit nicht unterbrochen. Er wusste, das sie es hinaus lassen musste. Nun hielt er sie fest in seinen Armen, und versuchte sie zu trösten, während sie langsam zu weinen anfing, und ihre Tränen die Nässe auf seinen Gewändern noch vergrößerten.

Erst viel später versiegten ihre Tränen, und ihr Körper hört auf zu zittern. Halt suchend hielt sie sich weiter an ihm fest. Dann hob sie ihren Kopf und schaute ihm in die Augen.

"Was müsst ihr jetzt von mir denken?" fragte sie traurig. Mit der Andeutung eines Lachens antwortete er ihr "Nichts von dem, was ihr jetzt denkt. Ich halte euch weder für schwach, verrückt... oder auch von Hass erfüllt, Thana. Ich halte euch für jemanden, der endlich eine unnütze Last von sich abwerfen konnte. Jemanden, der genau wie alle anderen Zweifel an sich selbst hat." "Wollt ihr damit sagen, dass auch ihr an euch zweifelt?" fragte sie scherzhaft, verstummte aber, als sie seinen Gesichtsausdruck sah.

"Ja, auch ich zweifle manchmal an mir selbst. Jeder tut das." Thana sah ihn eine Weile schweigend an, und auch er sagte nichts mehr. Dann fragte sie "Wollt ihr mir davon erzählen?" Und ohne seine Antwort abzuwarten "Wisst ihr, ich kann es spüren. Trotz Flötes scheußlichen Trank kann ich immer noch die Gefühle um mich herum spüren. Darum habe ich den Crusador verlassen. Ich wollte allein sein, aber das bringt nichts. Ich komme nicht weit genug von ihnen weg. Und jetzt sitze ich hier, neben euch, berühre euch. Ich kann eure Gefühle fast so deutlich spüren, wie meine. Ihr habt Angst. Nicht nur wegen Hitomi und Van. Wegen ihnen am meisten, und das haben hier alle. Aber da ist noch etwas in euch." Während sie sprach, änderte sich ihre Miene von Neugier über Verwirrung bis zu so etwas wie Mitleid. Sie strich behutsam über seine Wange und schaute ihm tief in die Augen.

"Tiefer. Älter. Ein Mensch, der euch bestimmt hat." Allen zögerte. Aber ihr Blick zwang ihn zu einer Antwort.

"Serena. Meine Schwester. Wegen ihr bin ich Ritter geworden. Sie... sie verschwand vor zehn Jahren. Ich habe nie aufgegeben, nach ihr zu suchen. Und dann, dann musste ich feststellen, was die Hexer aus Zaibach ihr angetan hatten, meiner kleinen unschuldigen Schwester." Er stockte, wollte nicht weiter erzählen, schließlich wusste außer Eries, Millerna, Van und Hitomi niemand die ganze Geschichte, aber Thana hatte ihn in ihrem Bann, und so erzählte er ihr alles was er wusste. Von ihrem Verschwinden, seiner Suche, Dilandau, und schließlich von dem Moment, wo er feststellen musste, wer Dilandau war.

Als er geendet hatte, merkte er, dass er nicht mehr Thana, sondern den Horizont anschaute, der sich weit von ihm entfernt über das Meer zog. Er hielt Thana immer noch in seinem Arm, aber diesmal war sie es, die ihm Kraft gab, nicht andersherum.

"Eine traurige Geschichte, Allen. Vielleicht noch trauriger als meine. Wie viel Unrecht gibt es doch auf dieser Welt. Ich würde eure Schwester gerne einmal kennen lernen." "Wenn wir wieder zurück sind, versprochen. Aber jetzt lasst uns lieber zurück gehen. Es ist schon fast dunkel." "Ihr habt recht. Mir ist auch schon ganz kalt." Sie standen auf, und gingen zum Crusador zurück, Thana immer noch an ihn gelehnt. Sie verloren kein Wort mehr, aber das stille Einverständnis lag zwischen ihnen, mit niemanden über diese Stunde zu reden.

Allen begleitete sie bis zu ihrer Kabine. Mit einer Verbeugung dankte sie ihm, und ging hinein. Ein paar Sekunden noch stand Allen da, dann begab auch er sich zu seinem Bett. Ein anstrengender Tag lag vor ihnen, und er wollte wenigstens versuchen zu schlafen.

Keiner von den beiden hatte des kleine Mädchen bemerkt, das nun aus dem Schatten einer halb offenen Tür trat. Eine Weile stand sie nachdenklich da, dann schlich sich ein Lächeln auf Flötes Gesicht. Langsam ging sie von Kabine zu Kabine, strich behutsam über die Türen, wobei sie bei Thana und Allen ein wenig länger verweilte. Hinter den Türen sanken die Bewohner in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Das war das wenigste, das sie für sie tun konnte, dachte sich Flöte. Vielleicht würde es ihre letzte Nacht sein, und in der sollten sie nicht von Sorgen oder Albträumen wach gehalten werden.
 

Merle blinzelte. Sie lag in ihrem Bett. Aber wie kam sie dahin? Sie konnte sich noch erinnern... Mit einem Schrei fuhr sie hoch. Van! Ihr armer Van. Verzweifelt fiel sie wieder in ihr Kissen zurück, das sie mit einem lauten "Poff!" empfing.

Aber wie kam sie hierher? Der alte Mann hatte sie bestimmt nicht hergebracht. Hatte er jemanden aus dem Schloss gerufen? Wie peinlich. Eingeschlafen, oder auch bewusstlos durch die ganze Stadt getragen! Und dann als Regentin! Aber hätte man sie nicht einfach wecken können?

Bis hierhin war sie mit ihren Überlegungen gekommen, als sich die Tür öffnete, und eine kleine Gestalt herein kam. "Oh, du bist wach? Prima, ich habe..." Weiter kam Blinx nicht.

"Raus!" Schrie Merle, und zog die Decke über sich. "Wer hat dir erlaubt, in mein Zimmer zu kommen!" Blinx blinzelte überrascht. "Schlecht gelaunt wie? Na ja, dann kann ich das Frühstück ja wieder mitnehmen." "Frühstück?" Schon bei dem Wort lief Merle das Wasser im Mund zusammen. "Ja, Frühstück. Willst du es nun, oder soll ich es allein aufessen?" fragte er scheinheilig.

"Untersteh dich! Gib es sofort her! Wer hat dir erlaubt, etwas aus der Küche zu klauen!" "Aus der Küche zu klauen!" rief er empört, musste dann aber kichern. "Zugegeben, gemerkt hat es keiner. Aber ihre Hoheit braucht ja wohl etwas zu essen. Soll ich dich füttern?" Merle kam gar nicht zu ihrer rüden Antwort. "Wenn du rummeckerst, geh ich wieder, und nehm das Essen mit." Merle verschluckte ihre Antwort, und musste dann erst mal nach Luft schnappen. Sie hatte wirklich Hunger, und sie fühlte sich zu erschöpft, um sich in die Küche zu quälen.

"Also gut. Du darfst bleiben. Aber benimm dich. Und gib das Essen her." Blinx hob fragend eine Augenbraue. "Wie heißt das, eure Hoheit?" Merle wurde rot vor Wut, beherrschte sich aber. "Bitte." Brachte sie mühsam heraus. "Na also." Blinx stellte ihr grinsend das Tablett auf die Decke und beobachtete dann, wie sie das Essen in sich hinein stopfte.

"Du kannst ruhig gehen. Ich kann wirklich allein essen." Er wiegte den Kopf hin und her, als ob er überlegte. "Tut mir leid." Sagte er dann "Aber das kann ich nicht. Ich soll bei dir bleiben, hat der alte Mann gesagt. Außerdem, nachdem ich dich durch die ganze Stadt geschleppt habe, hau ich doch jetzt nicht so einfach ab." Merle hustete Ohrenbetäubend, so sehr hatte sie sich verschluckt. "Du? Du hast mich getragen?" würgte sie hervor. "Ja, es sollte ja keiner merken, was mit dir los war. Die Leute blicken zu dir auf- zumindest die Kinder" fügte er nach einer Kunstpause hinzu. "Und nachdem du wegen psychs" er stolperte bei dem Wort "psychischer Erschöpfung, wie der Alte es nannte, weggetreten warst, wäre es nicht so gut gewesen, das allen zu zeigen. Der alte Mann ist wirklich schlau- und ein sehr guter Heiler. Er hat dir etwas eingeflößt, das dich die ganze Nacht hat schlafen lassen. Und ich hatte dann die Arbeit. Übrigens habe ich die ganze Nacht auf dich aufgepasst. Ich hätte eigentlich zumindest die Andeutung von Dank erwartet."

Er sah ehrlich gekränkt aus. Merle wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Wenn es stimmte, was er sagte, hatte er wirklich eine ganze Menge Anstrengungen auf sich genommen. Andererseits war er so ein, so ein...

"Danke." Er blinzelte überrascht. "Was war das?" "Danke!" fauchte sie Blinx an. "Aber glaube nicht, das du das noch oft von mir hören wirst. Warum hast du das eigentlich alles getan?" Er zuckte mit den Schultern, und antwortete etwas zu rasch, so als ob er die Antwort schon einige Male geübt hatte. "Der alte Erzähler hat es mir befohlen. Und es immer gut, mit dem König auf gutem Fuß zu stehen. Und wenn er zurück kommt, und ich bin sicher, dass das bald passiert, wird er mir sicher dankbar sein."

In diesem Moment klopfte es an der Tür. Ihre Hoheit wurden von den Bediensteten geweckt. "Dann verschwinde ich mal. Wer weiß, was sonst noch für Gerüchte aufkommen, wenn bekannt wird, dass die Hoheit Herrenbesuch in ihrem Schlafgemach empfängt." Mit dem unverschämtesten Grinsen, das Merle jemals bei ihm gesehen hatte, sprang er aus dem Fenster und ließ sie sprachlos zurück.

Blinx schlich sich aus dem Schloss, rannte noch eine Weile durch die Gassen und blieb dann schließlich an einer Ruine stehen. Überrascht erkannte er, dass es das selbe zerfallene Haus war, in dem er Merle das erste Mal getroffen hatte. >Ja, warum habe ich das eigentlich getan. Befohlen hat er mir nur, dich zum Schloss zu bringen. Warum bin ich die ganze Nacht bei dir geblieben. Aus Sorge? Ist es das, was diese Flöte gemeint hat? 'Du hast ein großes Herz, und ein großes Schicksal erwartet dich. Die Götter wachen über dich.'
 

Die Tür öffnete sich mit einem schauderhaften Knarren. "Das soll das Labyrinth sein?" Vans Blick fiel auf einen Gang, der sich schon nach wenigen Metern in drei verwandelte. Das Licht des Morgens fiel durch einige wenige, kleine Öffnungen in der Decke, so dass es eher dunkel als hell war. Die Wände des Labyrinthes bestanden aus grob zusammen gefügten Steinen, die kaum bearbeitet waren. Mai nickte. "Ja. Der Anfang zumindest. Der Ausgang liegt am anderen Ende. Ihn müsst ihr erreichen." Sie schaute zu Hitomi, die teilnahmslos da stand. Dann beugte sie sich zu Van, und flüstere ihm ins Ohr. "Du musst auf sie acht geben. Sie wird unvorsichtig in alles hineintappen. Dort gibt es jede Menge Fallen." "Das hast du schon gesagt, und auch, dass ihr uns nicht helfen könnt." "Ja. Wenn ihr versucht zu fliehen, wird Li euch umbringen. Hör zu Van. Ich habe es noch nicht gesagt, weil ich mir nicht sicher bin, wie euch das helfen sollte. Aber es heißt, um durch das Labyrinth zu kommen, soll man nicht auf den Himmel achten, nicht auf die Erde, und nicht auf die Luft. Das Wasser zeigt dem Suchenden den Weg, und nur, wenn er alles im Gleichgewicht hält, kann er die rettende Brücke erreichen."

"Was bedeutet das?" "Ich habe keine Ahnung. Niemand weiß es. Aber es ist alles, was ich habe. Viel Glück." Dann trat sie einen Schritt zurück zu ihrem Bruder, der ihnen wortlos zunickte. Dann wurden Hitomi und er in das Labyrinth gestoßen, und hinter ihnen fiel die Tür ins Schloss. Van konnte mehrere Riegel und Ketten hören, die die eiserne Tür für immer hinter ihm verschlossen. Tief atmete er die kalte und feuchte Luft ein. "Komm Hitomi. Wir haben einen langen Weg vor uns." Hitomi bedachte ihn lediglich mit einem abfälligen Schnaufen und ging los. Resigniert folgte Van ihr. >Das kann ja noch angenehm werden.< "Pass auf Fallen auf!" sagte er noch, bevor er hinter ihr her lief.
 

"Das kannst du nicht tun, Mai. Das ist viel zu gefährlich!" Er hielt sie fest an den Schultern gepackt, aber sie entwand sich dem Griff ihres Bruders. "Und für sie nicht Shin? Sie haben keine Ahnung, was sie erwartet." "Du auch nicht. Ich brauche dich hier, nicht dort unten. Wenn sie die ist, die uns retten wird, schafft sie das auch alleine." Mai schüttelte verzweifelt den Kopf. "Shin, Prophezeiungen erfüllen sich nicht von selbst. Man muss etwas tun. Es heißt, sie ist der Schlüssel für unsere Rettung. Das bedeutet nicht, das sie es auch ist, die uns retten kann- kann und nicht wird. Hier oben können wir nichts mehr tun. Aber da unten kann ich vielleicht noch etwas verändern. Li wird sich nicht darauf verlassen, dass das Labyrinth seine Arbeit erledigt. Er wird nachhelfen. Ich muss einfach da hinunter."

Resignierend umarmte Shin seine Schwester. Er hatte gewusst, dass er sie nicht umstimmen konnte, von Anfang an. Aber er hatte es wenigstens versuchen müssen. "Viel Glück, Schwester. Ich warte auf dich. Und komm ja nicht zu spät zum Essen." Mai lachte und gab ihm einen Kuss "Ganz sicher nicht, großer Bruder." Dann kroch sie in das enge Loch, das es ihr ermöglichen würde, Hitomi und Van zu folgen. Hinab in das dunkle Labyrinth, in dem der Tod auf jeden wartete, der verurteilt wurde, es zu betreten.
 

Monoton setzte Van einen Schritt vor den anderen. Er wusste nicht, wie lange sie schon in den endlosen, dunklen und feuchten Gängen herumirrten. Seinem Gefühl nach Tage, aber den wenigen Sonnenstrahlen nach konnte es noch nicht einmal Mittag sein. Auf alle Fälle war das Labyrinth riesig, viel größer, als er es sich in seinen schlimmsten Albträumen vorgestellt hatte. Aus der Ferne drangen immer wieder Geräusche zu ihnen, die bewiesen, dass sie sich bewegten. Einmal die Geräusche von Stallungen. Dann Waffengeklirr. Einmal sogar die Geräusche einer Küche, zusammen mit Essensduft. Die Ritzen in der Decke, die ein eine Andeutung von Licht hineinließen, schienen direkt auf dem Palastgelände zu enden.

Er konnte nur hoffen, dass sie nicht im Kreis gingen. Er hatte keine Möglichkeit, den Weg zu markieren, außer er ließ sich bei jeder Kreuzung eine halbe Stunde Zeit um mit einem Stein die Wände zu ritzen. Er hatte am Anfang viele solcher Markierungen gesehen. Aber seit einiger Zeit waren auch die letzten verschwunden. Entweder hatten ihre Vorgänger aufgegeben, oder waren niemals so weit gekommen. Er hoffte, das es nur das erste war, denn die zweite Möglichkeit bedeutete Gefahr. Er hatte die Warnung vor Fallen nicht vergessen, aber bisher waren sie auf keine gestoßen. Vielleicht sollten sie in Sicherheit gewiegt werden, und die Fallen kamen erst später. Oder sie waren einfach noch nicht weit genug. Wenn die Opfer verhungerten, bevor sie zu den Fallen kamen, musste man sich um keins von beiden kümmern. Das brachte ihn wieder zu seinem vorigen Problem zurück: Den Weg.

Er war mehrmals vor Hitomi gegangen, um sie zu schützen. Denn sie achtete auf gar nichts. Manchmal hatte er das Gefühl, dass sie gegen die Wand laufen würde, wenn sie in eine Sackgasse kamen. Aber das war bis jetzt nicht passiert.

Dafür hatte Hitomi jedes Mal einen anderen Weg genommen als er, wenn er vor ihr herlief. Beim ersten Mal hatte er es nicht bemerkt, und sie nur durch Glück wieder gefunden. Nach dem vierten Mal hatte er es aufgegeben, und war hinter ihr her getrottet. Mehrmals hatte er versucht sie anzusprechen, aber die Reaktion bestand im besten Fall in einem ärgerlichen "Lass mich in Ruhe!" Zu seinem Schrecken war er auch nicht besser. Nachdem sie ihm zum wiederholten Mal nicht geantwortet hatte, hatte er erst im letzten Moment bemerkt, dass er einen Stein aufgehoben hatte, und dabei war, ihn ihr auf den Kopf zu schlagen. Erschrocken und am ganzen Körper zitternd hatte er ihn fallen lassen- und Hitomi hatte bei diesem Gepolter nicht einmal den Kopf gedreht. Das war fast noch erschreckender. Sie schien wie in Trance zu sein.

Wieder einmal näherten sie sich einer der Kreuzungen. Die gab es etwa alle hundert Meter, aber niemals konnte man von einer zur anderen Blicken. Erstens war es zu dunkel, obwohl sich seine Augen schon daran gewöhnt hatten, und das einfallende Licht als grell betrachteten, zweitens war immer mindestens eine Biegung dazwischen. Nun gingen sie wieder auf eine dieser Kreuzungen zu, aber diesmal war es anders.

Das merkten sie aber erst, als Hitomis Fuß auf einen Stein trat, der nach unten sackte. Eine halbe Sekunde später sauste ein ohrenbetäubendes, metallisches Zischen auf sie zu. Zitternd blieb die Axt nach einem Halbkreis in der Luft stehen. Van stand stocksteif, und musste einen Brechreiz unterdrücken. Die Axt war nur Millimeter über Hitomis Kopf entlang gezischt. Im fahlen Licht konnte er sehen, wie eine Strähne ihres Haares zu Boden segelte. Hätte er dort gestanden, hätte ihm jetzt ein Teil seines Schädels gefehlt. Hitomi aber strich sich nur stirnrunzelnd über die Stelle, an der ihr einige Haare fehlten, und ging weiter.

"Hitomi! Bist du verrückt? Da können noch mehr Fallen..." Dieser Gedanke rettete ihn wahrscheinlich. Denn in diesem Moment fiel ihm auf, dass die Axt eigentlich zu hoch war. Die Leute in diesem Land waren meist kleiner als er, und diese hätte die Axt nie erwischt.

Im letzten Moment, das Bein schon erhoben, hielt er inne. Die Steinplatte unter ihm hatte auffällig breite Ritzen. Er nahm einen Stein und legte ihn auf die Platte, wobei er sich auf den Boden legte. Dann noch einen. Zisch! Etwa einen Meter über dem Boden. Das würde jeden erwischen, der kein Kind ist.

Hitomi, schon ein ganzes Stück weiter, drehte sich um und rief ärgerlich "Musst du immer rumspielen? Komm endlich!" Van seufzte vernehmlich. Vorsichtig ging er ihr hinterher. Sie schien keinem System zu folgen, hielt aber auch nie an. Es war, als ob sie den Weg genau kannte. Van hoffte, dass es nicht nur Einbildung war, und ihre Fähigkeit, das Verborgene zu sehen auch wirklich funktionierte. Noch mehr solcher Fallen, und sie würden früher oder später genau wie ihre Vorgänger enden- verschwunden im Labyrinth.
 

Kurz nach ihnen kam eine verhüllte Gestalt den Weg entlang. Sie war ihnen bereits eine Weile gefolgt. Nun beobachtete die Gestalt, wie sich die Fallen wieder aufluden. Das Wasser des Flusses, das zu diesem Zweck umgeleitet wurde, hielt das vielfältige System der Fallen in Gang. Sobald die Falle ausgelöst war, füllte ein Rinnsal einen Behälter, der mit der Falle verbunden war. Sobald er voll war, wurde das kritische Gewicht überschritten, und die Falle- in diesem Fall die Axt- glitt wieder in ihre Ausgangsstellung. Aber der Behälter hatte ein Loch. Wenn jemand auf den Schalter trat, löste sich eine Halterung, die bei dem vorigen Geschehen eingerastet war. Der inzwischen leere Behälter war kein ausreichendes Gegengewicht mehr, und die Falle schlug zu.

Doch bevor das passieren konnte, beschloss die Gestalt, diese Falle ein für alle Mal unbrauchbar zu machen. Sie hob die Hand, konzentrierte sich, und ein blass-blaues Leuchten wurde unter ihrem Umhang auf ihrer Brust sichtbar. Mit einem Kreischen verbog sich der Mechanismus hinter der Wand, und verklemmte sich. Zufrieden setzte die Gestalt ihren Weg fort, und verfolgte weiterhin Van und Hitomi.
 

Van schwitzte erbärmlich. Aber das lag nicht an der Hitze. Es war kalt hier unten. Nass und kalt. Er schwitzte aus Angst. In der letzten Stunde waren sie mehreren Fallen nur knapp entkommen. Weitere Äxte, Falltüren und andere böse Überraschungen. Doch diesmal war es anders. Etwas stimmte nicht. Die ganze Zeit war es fast dunkel gewesen, nur eine Lichtöffnung alle paar Meter.

>Warum eigentlich?< hatte er sich schon oft gefragt, aber keine Antwort gefunden. Ohne Licht wären sie schon längst tot. Vielleicht war es ein sadistischer Zug der Erbauer- Licht bedeutete Hoffnung. Und am Ende würde sich diese Hoffnung als vergebens erweisen. Er wünschte, er hätte sich anders entschieden. Dieses Labyrinth war schlimmer, als er es sich gedacht hatte. Vielleicht hätte er doch einen Fluchtversuch wagen sollen.

Er starrte weiter auf das Unbegreifliche vor ihnen. Hunderte Lichtstrahlen fielen kreuz und quer über den Gang. Ein Beweis, dass die Lichtflut absichtlich erschaffen worden war. Eine Menge Spiegel mussten hinter den Wänden stecken. Aber was sollte das?

Selbst Hitomi war stehen geblieben, das erste Mal seit sie das Labyrinth betreten hatten, ließ man mal die Momente weg, in denen sie sich einer Falle gegenüber gesehen hatten. Auch sie schien nicht zu verstehen, was das bedeuten sollte. Eventuell war sie aber auch nur geblendet, denn auf einmal ging sie doch weiter. Van folgte ihr in einem Schritt Abstand. Nichts passierte, als sie den beleuchteten Bereich betraten, aber das hatte nichts zu bedeuten. Die Überraschungen würden erst kommen, wenn sie sich sicher fühlten. Oder eher, wenn die Erbauer genau dieses Denken erwarteten.

Krampfhaft überlegte Van, was der Zweck dieser Anlage war. Er wusste, es war in seinem Kopf. Er konnte es spüren. Irgend etwas in ihm wusste die Antwort. Im gehen schloss er die Augen, und konzentrierte sich, wie Hitomi es ihm beigebracht hatte. Aber diesmal versuchte er nicht etwas um sich herum, sondern etwas in ihm zu finden.

Und da war es! Eine Pflanze, die Schreckbusch genannt wurde. Ihre Blüten waren geöffnet schutzlos den Pflanzenfressern preisgegeben. An allen anderen Stellen saßen Dornen, aber nicht bei den riesigen Blüten. Um sich zu schützen, hatte der Busch eine merkwürdige Methode entwickelt: seine Blüten waren Lichtempfindlich. Wenn es langsam dunkel wurde, zogen sich die Stängel mit den Blüten langsam zusammen. Aber wenn am Tag plötzlich ein Schatten die Blüte verdeckte, zum Beispiel der eines Pflanzenfressers, erfolgte diese Bewegung unglaublich rasch, und mit enormer Kraft. Er hatte Kinder gesehen, die sich einen Spaß daraus machten, Reisende zu beschießen, indem sie kleine Steine an diese Pflanze banden, und dann im richtigen Moment vor sie traten. Eine richtig konstruierte Schleuder konnte einen kleinen Kiesel durchaus bis zu dreißig Meter weit schleudern. Der überraschte Reisende sah nur noch eine Schar kleiner Kinder, die wegrannten. War er so dumm, sie zu verfolgen, geriet er meist in einen weiteren, bereits vorbereiteten Steinhagel. Es gab nicht nur ein Kind, das sich oder sein Ziel schwer verletzt hatte.

Im letzten Moment sah er das Loch in der Wand, und riss Hitomi zu Boden. Dabei durchbrach sie den Lichtstrahl, der in das Loch fiel. Ein lautes Dröhnen ertönte, und mehrere Pfeile zischten von einer Gangseite zur anderen. >Wahrscheinlich ein Gewicht, das am Stängel befestigt ist. Bei einer langsamen Bewegung passiert nichts, aber bei einer Ruckhaften Reaktion wird das Gewicht herumgeschleudert, und trifft den Auslöser der Falle. Was für ein heimtückischer Mechanismus!<

Van hatte keine Zeit, sich über seine in dieser Situation doch sehr merkwürdigen Gedanken zu wundern. Hitomi stieß ihn von sich, stand auf und schrie ihn an "Fass mich nicht noch einmal an!" "Aber ich habe dir das Leben gerettet." Meinte Van verwirrt. "Du hast mich zu Boden geworfen, du ungehobelter Klotz! Wenn du das noch einmal machst, bringe ich dich um!" Vor Zorn bebend stapfte sie davon. Van schluckte. Sie hatte es ernst gemeint. Er war froh, dass er im Moment kaum Wut verspürte. Wenn er in diesem Moment auch so geladen gewesen wäre, hätte er sich nicht zurückhalten können. Er hätte sie umgebracht. >Oh ihr Götter, helft uns!< flehte er hilflos >Oder es nimmt noch ein schlimmes Ende.<
 

"Dort ist die Küste, Kommandant." "Gut, dann werde ich die anderen holen." "Nicht nötig. Wir sind schon da." Allen drehte sich um. Millerna, Dryden und Thana kamen gerade auf die Brücke. "Sind wir schon entdeckt worden, Allen?" Fragte Dryden. Statt ihm antwortete Flöte "Ja und nein. Die Fischer da unten werden uns schon gesehen haben. Aber es sieht nicht danach aus, als ob irgendein Alarm ausgelöst worden ist. Sie werden nicht vermuten, dass wir hier fremd sind. Auch für sie muss die Sturmbarriere unüberwindlich sein. Vielleicht glauben sie auch, dass auf der anderen Seite nichts existiert. Und wo nichts ist, von da kann auch nichts kommen."

Thana trat neben sie "Es ist aber nicht sehr klug, sich darauf zu verlassen. Wir sollten vorsichtig sein." "Oh, das bin. Ich habe alles im Auge. 'Hoffe das beste, vermute das wahrscheinliche, aber bereite dich immer auf das schlimmste vor.' wie Keel so gerne sagt."

Sie wollte noch etwas sagen, aber auf einmal veränderte sich etwas an ihrem Blick. Er wurde starr, und richtete sich in Flugrichtung, etwas nach rechts.

"Was hat sie?" fragte Millerna, aber Thana bedeutete ihr, still zu sein. Eine ganze Weile war kein Laut zu hören. Dann kehrte das Leben in Flötes Blick zurück, und mit ihm große Angst. Flöte wurde so bleich, wie selbst Thana es noch nie gesehen hatte. Erschrocken wich sie einen Schritt zurück, und starrte das kleine Mädchen an, als ob sie sie zum ersten Mal sähe. Dann drehte Flöte sich um, und eine tödliche Entschlossenheit lag in ihren Augen.

"Allen! Die Besatzung soll sich zum Kampf bereit machen. Wir werden bald auf zwei Kriegsluftschiffe treffen. Ich hoffe, es wird nicht zum Kampf kommen, aber die Zeit ist sehr kurz." Kurz wozu sagte sie nicht, und ließ auch niemandem Zeit danach zu fragen. "Gades, ändere den Kurs im siebzehn Grad nach backbord. Bindet alles an, das nicht fest verankert ist. Alle kleinen Gegenstände in Truhen, Schränke und wo auch immer, wo man sie sicher verschließen kann. Wir werden ordentlich durchgeschüttelt werden." Sie überprüfte den neuen Kurs durch einen raschen Blick aus dem Fenster. Sie hielten nun genau auf einen fernen Berg zu. "Gut, der Kurs ist in Ordnung. Richtung und Geschwindigkeit unbedingt halten, Gades. Dryden, Millerna, in eure Kabinen. Dort ist es sicherer. Thana, komm mit. Ich muss dir etwas erklären. Ich komme wieder, sobald der Feind da ist." Damit rauschte sie von der Brücke, und Thana beeilte sich, ihr zu folgen. Im hinaus rennen warf sie Allen noch einen verwirrten Blick zu, der in etwa sagen sollte "Tut mir leid, aber ich weiß auch nicht, was auf einmal los ist."

Die beiden waren schon einige Sekunden verschwunden, als Allen endlich seinen Schock überwand. "Also Leute, ihr habt sie gehört. Ich habe zwar keine Ahnung, was los ist, aber sie hat uns durch den Sturm gebracht. Sie wird wissen, was zu tun ist." >Hoffe ich.<
 

Da hatten sie die Bescherung! Van schaute nach unten. Der Abgrund war so tief, dass noch nicht einmal der Stein, den er geworfen hatte, zu hören gewesen war, als er auf dem Grund aufschlug. Wenn er aufgeschlagen war. Ein zwanzig Meter breiter Riss in der Welt, und wahrscheinlich immer noch unter dem Palastbezirk.

"Durchgeschnitten!" fluchte Hitomi, warf das Seilende der Hängebrücke auf den Boden, und trampelte wütend darauf herum. Van hatte nichts anderes erwartet. Es passte einfach zu diesem verfluchten Labyrinth.

Nach der ungeheuren Helligkeit und der Lichtfalle waren sie wie er befürchtet hatte in absolute Dunkelheit geraten. Schwarze, bedrückende Dunkelheit, aus der seine Fantasie immer wieder die fürchterlichsten Monster wachsen ließ. Die Dunkelheit war der natürliche Verbündete der Angst. Und beide waren hier stark.

Er war Hitomis Schritten gefolgt. Lange waren sie umhergetapst, und mehr als einmal hatte er gedacht, dass sie im Kreis gingen, aber Hitomi hatte wie auch immer den Weg gefunden, obwohl sie immer noch unter Hochspannung stand, und mehr darauf achtete, dass er ihr nicht zu nahe kam als darauf, wo der Weg weiter ging. Etwas war ihm noch aufgefallen. Seit es dunkel geworden war, hatte er beständig das leise Plätschern von Wasser gehört. Das hatte ihn an Mais Worte erinnert ' Das Wasser zeigt dem Suchenden den Weg'. Vielleicht war das damit gemeint. Er konnte nur hoffen.

Dann hatte er rechts von sich etwas bemerkt. Ein Lichtstrahl, der erste seit einer halben Stunde, mehrere hundert Meter weit entfernt auf einen Abgrund gerichtet, der sich in direkter Linie zu ihnen befand. Van war sich sicher, dass der Lichtstrahl wenige Sekunden zuvor nicht zu sehen gewesen war. Das bedeutete, bis eben war dort eine Wand. Und diese hatte die Sicht auf die Schlucht versperrt, die, wie er jetzt sehen konnte, direkt auf sie zu verlief... "Bleib stehen, Hitomi." "Wieso sollte ich?" fragte sie und sprang provozierend nach vorn. Van sprang ebenfalls. Mit einem gewaltigen Satz flog er auf Hitomi zu, riss sie zu Boden, und spürte wie seine linke Hand schmerzhaft über den rauen Fels schlitterte, und dann spürte er... nichts mehr. Unter seiner Hand war nichts als Luft. Bevor er sich von seine Schreck erholen konnte, stieß Hitomi ihn von sich. "Ich habe dich gewarnt!" schrie sie im Aufstehen, und trat dann nach seinem Gesicht. Van spürte es mehr, als dass er es sah, denn die Dunkelheit war noch immer fast vollkommen. Er wich ihrem Tritt aus und sprang auf. Langsam zog er sich zurück, wobei er sich zu merken versuchte, wo er war.

"Hitomi, beruhige dich. Vor dir war ein Abgrund. Ich wollte nicht, dass du hineinfällst. Aber du hast ja nicht auf meine Warnung gehört, und so hatte ich keine andere Wahl." "Jetzt bin ich wohl noch schuld, oder was?" Mit diesen Worten bestätigte sie Vans Vermutung, dass man nicht mehr logisch mit ihr reden konnte. Sie würde sich alles zurecht biegen, so dass er Schuld war. Aber damit hatte er sowieso nicht gerechnet. Er hatte nur geredet, um eine Antwort von ihr zu erhalten, die ihm ihre Position verraten würde. Das hatte sie getan, und noch mehr. Die Verzerrung in ihrer Stimme kam eindeutig durch eine bestimmte Bewegung. Er duckte sich unter ihrem weit ausholenden Schlag, und ging weiter rückwärts, um Hitomi so weit wie möglich von diesem Abgrund weg zu locken.

Jäh stieß er mit dem Rücken gegen die Wand, und eisiger Schrecken durchfuhr ihn. Hatte er sich verschätzt? Dann fand seine tastende Hand die Kante, die den Weg markiert hatte, durch den sie gekommen waren. Er wollte um die Ecke huschen, da traf ihn ein mörderischer Tritt in den Bauch. Keuchend sackte er zu Boden. Wieder trat Hitomi nach ihm, doch diesmal wich er aus, und brachte sie mit einem raschen Griff zu Fall. Sie hatte seinen Reflexen nichts entgegen zu setzten, und Augenblicke später hatte er sie von hinten umklammert. Mit aller Kraft zog er sie vom Abgrund weg. Hitomi wehrte sich mit aller Kraft.

"Hör auf, Hitomi. Du tust dir nur weh. Beruhige dich." Doch sie hörte nicht auf ihn. Kreischend warf sie sich hin und her, versuchte dann ihn zu beißen, warf sich auf den Boden, so dass Van hinterher fiel, aber er ließ sie nicht los. Dann auf einmal wurde sie ruhig.

"Lass mich los Van. Bitte." sagte sie flehend, und er war so überrascht, dass er für einen Moment seinen Griff lockerte. Aber sie reagierte nicht darauf. "Bitte lass mich los. Es tut mir leid. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Ich würde dir doch nie etwas tun." "Und das soll ich dir glauben, nach dem, was gerade passiert ist?" Dann spürte er, dass sie tatsächlich anfing zu weinen. "Bitte! Ich verspreche dir, ich werde dich nicht mehr angreifen!" flehte sie ihn an, und Van spürte eine Träne auf seinem Arm.

"Ich bitte dich, vertrau mir Van. Ich will doch auch nicht, dass dir etwas passiert." >Vertrau mir Van. Vertrau mir Van.< hallte es in seinem Kopf. Er vertraute ihr. Trotz allem, was sie in den letzten Stunden gesagt oder getan hatte vertraute er ihr. Aber nicht diesem etwas, das sie immer wieder zu kontrollieren schien, diesem Hass, der auch ihn beinahe dazu gebracht hatte, ihr etwas anzutun. Aber wie hatte sie einmal gesagt? 'Einmal muss jemand mit dem Vertrauen anfangen.' Er holte tief Luft. "Versprich mir, dich nicht mehr aufzuregen!" "Das werde ich. Versprochen." Langsam ließ er sie los, bereit, auf einen Angriff zu reagieren. Aber sie standen auf, ohne das etwas passierte. Van hörte, wie sie sich den Dreck von den Sachen klopfte >Dabei kann sie ihn nicht mal sehen. Mädchen.< schoss es ihm merkwürdiger Weise durch den Kopf. >Auf was für Gedanken man in einer solchen Situation doch kommt!?<

Hitomi kam einen Schritt auf ihn zu, und stand jetzt ganz dicht vor ihm. "Es tut mir leid Van. Es tut mir wirklich leid, dass..." sie machte eine kleine Pause, und noch bevor sie weiter sprach wusste Van, dass es vergebens gewesen war. Noch bevor sie mit verändertem Tonfall ihren Satz beendete, spürte er die Veränderung in der Luft, wie eine unsichtbare Schwingung. "...ich dich so enttäuschen muss!" schrie sie, und im selben Moment rammte sie ihm ihr Knie in den Magen. Stöhnend fiel er zu Boden, und diesmal trat Hitomi ihn in dir Rippen. "Du hast doch nicht ernsthaft erwartet, das ich mache, was du willst?" "Nein, habe ich nicht." Presste er zwischen den Zähnen hinaus, und zu seinem Erschrecken stieg die Wut in ihm an. Wie einen Tsunami fühlte er sie kommen. Erst zogen sich sämtlich Gefühle und auch die Schmerzen zurück, nur um mit brutaler Gewalt tausendfach verstärkt wieder hervor zu brechen.

"Das wirst du mir büßen, verräterisches Miststück!" rief er, holte sie mit einem Tritt von den Füßen, warf sich auf sie, und fing an, sie zu erwürgen. "Alles was du getan hast, wirst du jetzt büßen! Du bist Schuld daran, dass Vargas tot ist, Fanelia verwüstet und mein Bruder zum Verräter geworden ist. Du hast tausendfachen Tod über diese Welt gebracht. Das wird nicht noch einmal passieren. Du kannst es ja in der nächsten Welt probieren, in der Hölle!" Er drückte noch fester auf ihre Kehle, während Hitomi versuchte, ihm die Augen auszustechen.

Doch bevor es dazu kam, hüllte ein gleißendes, blau-weißes Licht die beiden ein. Als es erlosch, lagen sie bewusstlos auf dem kalten Steinboden. Kurz darauf kam die vermummte Gestalt zu ihnen und beugte sich über sie. Dann nahm sie die beiden, setzte sie an die Wand, und bestrich ihre Wunden mit einer Salbe, die sie aus ihrem Umhang hervor holte. Anschließend legte sie jeweils eine Hand auf die Stirn der beiden. Wieder breitete sich ein blaues Leuchten von ihrer Brust über ihre Hände zu den beiden reglosen Körpern aus.

Mit einem erschöpften Stöhnen sackte die Gestalt zusammen. Minutenlang war nichts zu bemerken außer dem leisen Atmen der drei Personen. Doch plötzlich bewegte Van sich, und die Gestalt sprang erschrocken auf. Bevor Van richtig wach werden konnte, rannte sie weg. Noch war nicht der Zeitpunkt gekommen, sich zu offenbaren.
 

Van blinzelte. Was war passiert? Er konnte sich noch erinnern, dass er mit Hitomi... Schreiend fuhr er auf. Hitomi lag neben ihm, und zu seiner Erleichterung fing auch sie gerade an, sich zu rühren. Deutlich hörte er das Rascheln ihrer Kleider in der Finsternis. Aber er hatte noch etwas anderes gehört, als er aufgewacht war. Er war sich sicher, hastige Schritte vernommen zu haben, als er zu Bewusstsein kam.

In diesem Moment wurde er sich des seltsamen Gefühls auf einigen Stellen seiner Haut bewusst. Er berührte die vielen Abschürfungen und Verletzungen, die er sich hier unten zugezogen hatte, und stellte zu seiner Überraschung fest, dass fast alle von einer fettigen, aber herrlich kühlenden Salbe bedeckt waren. Jemand hatte ihn verarztet und war dann weggelaufen, aus welchem Grund auch immer. Und er stellte noch etwas fest. Es hatte sich etwas geändert, und nicht nur bei ihm.

"Van? Was... was ist passiert?" Das war das erste Mal seit Stunden, dass Hitomi ihn ansprach. Und dann spürte er ihre suchende Hand auf seinem Fuß. "Van? Bist du das? Was ist los, warum ist es so dunkel? Ich kann mich nicht erinnern... Oh Gott! Nein!" Die letzten Worte flüsterte sie nur, doch dann stürzte sie sich geradezu auf ihn. "Van! Bist du in Ordnung? Habe ich dir" "Alles in Ordnung. Mir geht's gut." Antwortete er, bevor Hitomi in Panik fallen konnte. "Und dir?" "Ja, alles in Ordnung. Es tut mir leid Van, ich wollte dir nicht..." "Ich auch nicht. Und jetzt hör bitte auf, ja? Du gehst mir auf die Nerven mit deinem Gewinsel." Er stieß sie von sich, nur um erschrocken sitzen zu bleiben. Auch Hitomi rührte sich nicht. Kalte Furcht schien nach seinem Herzen zu greifen, und ihr ging es anscheinend nicht anders.. "Es geht wieder los" flüsterte sie schließlich. "Wir sollten machen, dass wir weiterkommen Hitomi." "Du hast Recht. Je schneller, desto besser." Sie standen auf, und versuchten den Weg wiederzufinden. "Van, ich wollte dir wirklich nicht..." "Ich sagte doch, es ist gut. Spar dir das Reden. Es lenkt bloß ab. Konzentrier dich aufs Vorwärtskommen, und darauf, nicht wieder durchzudrehen." "Du bist doch selber..." Ihre wütende Stimme stockte "...ist gut." schloss sie schließlich lahm. "Und denk an den Abgrund." Bemerkte Van noch.
 

Allen schaute besorgt aus die zwei riesigen Luftschiffe, die auf sie zukamen. Sie waren ohne Zweifel auf Abfangkurs zum Crusador und- sie hatten keine Chance. Jedenfalls nicht bei einem Kampf. Schon einer der Giganten- fast so groß wie eine fliegende Festung der Zaibacher- war eindeutig zu viel für sie. Er konnte nur hoffen, dass das, was Flöte vorhatte funktionierte, was immer es auch war. Und wenn es funktionierte, dass sie nicht betroffen waren. Flötes Warnung hallte ihm noch immer in den Ohren. 'Wir werden ordentlich durchgeschüttelt werden' Mochte der Himmel wissen, was dieses Mädchen darunter verstand!

In diesem Moment betrat dieses Mädchen die Brücke. Ihr Stirnrunzeln beruhigte Allen nicht gerade. "Die sind zu schnell." Sagte sie nörgelnd, ohne jemanden anzusprechen. "Gades, werde etwas langsamer, aber nur ein bisschen." Sie schaute nach rechts aus dem Fenster und ihr Gesicht hellte sich auf.

Allen schaute ebenfalls in die Richtung, sah aber nur eine schwere, dunkle Wolkenschicht, die wuchs, noch während er sie ansah. "Flöte, kannst du mir mal sagen, was wir jetzt machen sollen? Ich sehe nichts, das uns helfen könnte." "Doch, das siehst du. Du erkennst es bloß nicht als solches." Allen schaute noch einmal aus dem Fenster. Immer noch nichts als diese dunkle, nun schon fast schwarze Gewitterwolke, die sich ihnen rasend schnell näherte. Wenn diese Wolke sie erwischte, bevor sie am Boden waren..." Zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren hatte er das Gefühl luftkrank zu sein. "Durchgeschüttelt? Sag nicht, dass das stimmt, was ich vermute." "Wenn du das vermutest, was ich denke, das du es vermutest..."

Halt suchend klammerte sich Allen an eine der Stützstreben. "Das hält der Crusador niemals aus." "Doch, wird er. Vertrau mir. Ich weiß was ich tue. Der Tornado wird uns den Weg öffnen. "Der Tornado?" Als sie es aussprach, wurde es noch schlimmer. Doch sie verzog hämisch lächelnd das Gesicht. "Du hast Recht, wohl eher die Wasserhose. Wir werden laut Plan auf sie treffen, wenn der Sturm die Grenze zwischen Meer und Land passiert." "Wie hast du das gemacht, ich meine..." Allen machte eine unbestimmte Geste auf das Meer hinaus. Sie wurde ernst.

"Das ist keineswegs so leicht, wie es jetzt vielleicht den Anschein hat. Man kann eine solche Veränderung in der Natur nicht mir einem Fingerschnipsen herbei führen. Man kann es entweder über einen langen Zeitraum mit relativ wenig Kraft, oder in einem kurzen Zeitraum mit sehr viel Kraft machen." "Und das hier ist eine sehr schnelle Veränderung." Sagte Allen, aber zu seiner Überraschung widersprach Flöte ihm. "Nein. Hast du mir nicht zugehört? Nicht einmal ich bin in der Lage, einen solchen Sturm innerhalb von ein paar Minuten zu formen. Du musst bedenken, dass er ja auch noch eine gewisse Zeit gebraucht hat hierher zu kommen." Sie überlegte eine Weile, ob sie es ihm sagen sollte.

"Dieser Sturm wurde nicht von mir erschaffen. Jemand anderes war es. Jemand, der den selben Gegner hat wie wir. Er hat ihn schon vor Wochen vorbereitet. Wir haben ihn nur umgelenkt. Und das war schwer genug. Er hat mit mir Kontakt aufgenommen, und wir haben uns geeinigt, zusammen zu arbeiten." "Aber wann?" "Unmittelbar, bevor ich befohlen habe, alles fest zu zurren." "Aber du warst doch die ganze Zeit hier! Wie..." "Allen! Hör auf. Du würdest es nicht verstehen. Und wir haben in der Tat keine Zeit mehr. Bereitet euch auf den Sturm vor. Ich werde uns so gut wie möglich schützen, aber auch ich kann die Natur nicht aufhalten, wenn sie einmal losgelassen ist. Niemand kann das. Auch nicht die Götter."
 

Weit von ihnen allen entfernt saß Merle nachdenklich am Schreibtisch des Königs, auf dem sich Anträge, Beschwerden und Berichte stapelten. Aber ihre Gedanken waren nicht bei dem Papier. Papier ist geduldig. Ein sich sehnendes Herz nicht. Schweigend saß sie da, und die Fragen schleppten sich durch ihre Gedanken wie durch zähen Brei. Ihre Finger spielten mit dem Medaillon mit der Königsfamilie, das Van in den Trümmern gefunden, und ihr geschenkt hatte. >Van, wo bist du? Was ist passiert? Warum muss immer dir alles Schlimme passieren.

Hitomi! Warum? Warum passieren all diese Dinge seit du hier bist? Das Drachengottvolk soll verflucht sein! Wohl eher dein Volk. Oder doch Van. Wenn du hier bist, ist er in Gefahr, aber wenn du weg bist...

Weißt du, wie traurig er war? Er hat es niemandem gesagt, nicht einmal mir, aber ich kenne ihn. Ohne dich war er nicht einmal mehr ein Mensch, sondern nur noch eine leere Hülle. Leer und ohne Antrieb. Er war noch der König, stark und voller Zuversicht- aber es war nicht mehr Van. Ach Hitomi, ich weiß, dass ich ihn an dich verloren habe. Aber warum kann er nicht einfach mit dir glücklich sein? Das ist es doch, was ich will. Dass er glücklich ist. Warum müssen immer diese Dinge geschehen? Warum ist die Welt so ungerecht?
 

Schaudernd standen sie vor dem Abgrund. Das fahle Licht versank in diesem Spalt. Ohne auf irgend etwas zu treffen. Nur Dunkelheit war dort unten, eine alles verschlingende, niemals endende Nacht. "Also dann los. Hitomi?" Er sah sie an, und merkte, dass sie zögerte. >Es geht schon wieder los.> Doch dann ging ein Ruck durch sie, und Hitomi klammerte sich an ihn.

Rauschend kamen seine Flügel zum Vorschein. Doch statt weiß wirkten sie hier unten nur grau. Van schloss Hitomi fest in seine Arme und sprang entschlossen ab. Hitomi schrie auf, als sie nach unten sackten, doch dann hatte Van ihrer beider Gewicht aufgefangen, und seine Flügel trugen sie sanft über den Abgrund.

Sie waren schon fast auf der anderen Seite, als plötzlich ein helles Sirren ertönte. Van stieß einen schmerzvollen Schrei aus, und begann zu torkeln. Ein Pfeil hatte seinen rechten Flügel durchbohrt, und er verlor die Kontrolle über seine Muskeln. Hitomi fing vor Schreck an, mit den Beinen zu strampeln, und das war das aus. Ohne die Möglichkeit, das Gleichgewicht zu halten, sackten sie durch. Panisch griff Hitomi nach etwas zum Festhalten. Tatsächlich gelang es ihr, eine Vorsprung in der ansonsten glatten Felswand zu umklammern. Noch ohne etwas verstanden zu haben, griff sie nach Van, und erwischte seinen Fuß. Der heftige Ruck, und das Gewicht Vans ließ sie um ein Haar ihren Halt verlieren. Stöhnend versuchte sie sich mit aller Kraft festzuhalten. Es zeriss ihr beinahe die Muskeln.

"Na, was haben wir denn da?" Der Besitzer der höhnischen Stimme beugte sich über den Abgrund. "Einen Geflügelten mit gestutzten Flügeln, und ein Mädchen, das mich besiegen soll. Wahrlich eine beeindruckende Gefahr. Mich wundert es nur, dass ihr es bis hierher geschafft habt. Ihr habt wirklich einen Orden verdient. Nur zu schade, dass er posthum verliehen werden wird."

Sein sadistisches Gelächter hallte durch die dunklen Gänge, und erreichte auch das Ohr der verhüllten Gestalt. >Li! Die beiden sind in Gefahr. Verdammt. Und wenn ich ihnen helfe... Ach, zum Teufel damit. Tot nützen sie mir auch nichts.<

"Das wirst du mir büßen, Li!" schrie Van, und fasste nach seinem blutenden Flügel. >Durch die Schmerzen kann ich sie nicht verschwinden lassen! Und mit ihnen kann ich unmöglich an Hitomi hochklettern, dazu behindert mich der verletzte Flügel zu sehr.< "Das bezweifle ich. Du vergisst wohl die Lage, in der du steckst. Deine Freundin sieht nicht so aus, als ob sie noch lange durch halten könnte." Van erschrak. Er hatte recht. Ihr Arm fing schon an zu zittern. Lange würde sie sich nicht festhalten können. Sie war einfach zu geschwächt. Nur allein hätte sie vielleicht eine Chance.

"Lass los, Hitomi!" "Spinnst du?" presste sie zwischen den Zähnen hindurch. "Du kannst nicht mehr fliegen!" "Doch, das kann ich. Glaub mir." Einen Augenblick lang sah sie ihn an, und er sah ihren Willen in ihren Augen flackern, genau so, wie auch ihre Kraft nachließ. Aber dann mischte sich Trotz hinein.

"Ich lasse dich nicht los Van! Wir haben schon schlimmeres überstanden. Hörst du Li? Du kannst nicht gewinnen! Wir geben niemals auf!" schrie sie den obersten Minister an, dessen Gesicht sich vor Wut verzerrte.

"So ist das also! Aber du irrst dich, du wirst ihn loslassen. Dafür werde ich schon sorgen." Eine ungeheure Welle der Wut flutete über Van und Hitomi, so gewaltig, dass sie aufschrieen.
 

Van starrte Hitomi geifernd an. Er hasste sie! Er hasste sie wie niemals jemanden zuvor. Nicht mal seinen Bruder hatte er so sehr gehasst, als er erfuhr, dass es Folken gewesen war, der Fanelia zerstört hatte. Niemals zuvor hatte er jemanden so sehr gehasst, und er wusste, er würde auch niemals wieder jemanden so sehr hassen können. Mit aller Kraft versuchte er, an ihr hoch zu klettern, um sie dann zu töten.
 

Der Schmerz des Hasses überfiel Hitomi und ließ sie schreien. Warum hielt sie dieses zappelnde Bündel Ekel eigentlich fest? Es musste einen Grund haben, einen sehr wichtigen, aber welchen? Welcher Grund sollte ausreichen, DAS zu rechtfertigen? Jede Faser ihres Körpers schrie danach, ihren Griff zu lockern, aber irgend etwas in ihrem Inneren hielt sie zurück.

"Nein!" schrie sie. Erbebend richtete sie ihre vor Hass flammenden Augen auf Li. "Nein! Du wirst mich nicht noch einmal beherrschen!" Mit aller Kraft, die sie hatte, richtete sie ihre Wut, ihren Hass, ihren Ekel, alle Gefühle, die sie durchströmten zurück auf denjenigen, der sie verursachte. "Niemals! Hörst du?! Du hast keine Macht über mich!"

Keuchend taumelte Li einen Schritt zurück. Noch nie war es passiert, dass jemand seiner Kraft wiederstanden hatte. Und er würde nicht zulassen, dass dieses Mädchen ihn besiegte! Wild kreischend richtete er alle seine Kraft auf diejenige, die es wagte, sich ihm zu wiedersetzten. Eine nie gekannte Intensität des Hasses breitete sich in ihm aus, pulsierte von den Zehenspitzen bis in die Haare, brach sich in seinen innersten Organen, und brandete zurück.

Die pure Gewalt der Emotion brach durch alle Barrieren in Hitomis Geist, und verursachte einen ungeheuren körperlichen Schmerz. Wie glühendes Eisen raste der Schmerz durch ihre Nerven, und gepeinigt lösten sich ihre Finger von ihrem Halt. Halb besinnungslos stürzte sie in die Tiefe, Van hinterher, der das Bewusstsein schon verloren hatte.
 

Der Felsen glitt an ihr vorbei. Sie wusste, dass sie fiel, aber statt hinab zu sausen, vollzog sich alles in gespenstischer Langsamkeit. Jede Rille, jeder noch so kleine Zacken in der Felswand forderte ihren Blick. Tagelang beobachtete sie, wie die Welt unendlich langsam an ihr vorüber zog. Dann bemerkte sie, dass etwas nicht stimmte. Irgendetwas an ihrer Bewegung war nicht in Ordnung. Für viele Stunden konzentrierte sie sich auf nichts anderes. Dann hatte sie die Lösung. Sie drehte sich! Sie überschlug sich während des Falls. Dabei bemerkte sie, dass sie nicht nur ihre Gedanken war. Sie hatte auch einen... Körper? War das das Wort dafür? Tage vergingen, in denen sie jede Einzelheit ihres Körpers mit ihrem Geist studierte, vielleicht sogar eine Woche. Dunkel war ihr, als ob das eine neue Erfahrung für sie wäre. Aber warum hatte sie es noch nie getan? Oder hatte sie es nur vergessen? Auf jeden Fall gab es eine Menge interessanter Dinge und Vorgänge an und in ihrem Körper.

Sie hatte viel vergessen, dessen war sie sich sicher. Sie hatte schon viel wiedergefunden. Aber langsam wurde es langweilig. So sehr sie sich auch bemühte, sie konnte die Mauern um ihre Erinnerungen nicht einreißen. Irgend etwas war verborgen, das sehr wichtig für sie war. Aber was?

Dann erweckte etwas neues ihre Aufmerksamkeit. Sie hatte in letzter Zeit nicht mehr so auf ihre Umgebung geachtet, deshalb fiel es ihr zuerst nicht auf. Es war sicher schon mehrere Stunden, vielleicht sogar einen Tag her, seit dieses etwas in ihrem Gesichtsfeld aufgetaucht war. Allerdings konnte sie nicht erkennen, was es war. Es war schwarz, wie alles hier, aber dieses Schwarz war anders. Lebendiger. Und es war nicht ein schwarzes Ding. Dieses etwas bestand aus vielen tausend winziger Teile. Haare! Die Erkenntnis machte sie für mehrere Stunden sprachlos. Haare! Sie hatte auch welche, aber diese hatten eine andere Farbe. Daran konnte sie sich deutlich erinnern. Es war faszinierend, was für Dinge es doch gab.

Sie wollte mehr herausfinden, aber es gab da ein Problem. Sie drehte sich zu langsam. Dann erinnerte sie sich an etwas, das sie herausgefunden hatte. Sie sah mit ihren Augen. Wie, war ihr nicht ganz klar, es schien unvorstellbar kompliziert zu sein. Aber das war im Moment nicht wichtig. Wichtig war, dass sich ihre Augen in ihrem Kopf befanden- und dass sie diesen bewegen konnte. Mit aller Konzentration und Anstrengung, derer sie fähig war, versuchte sie, ihren Kopf in Richtung der Haare zu drehen. Sie spürte, wie ihre Muskeln nach einiger Zeit reagierten. Aber es geschah so langsam!

Sie versuchte sich abzulenken, indem sie die einzelnen Haare zählte, die sie sah. Eine Weile kam sie damit ganz gut zurecht, doch dann verwirrte sie die steigende Anzahl und die Bewegung. Da sich ihr Kopf nun merklich bewegte, kam fast jede Sekunde ein neues Haar hinzu. Resignierend gab sie es auf, ihre Anzahl zählen zu wollen. Statt dessen schloss sie die Augen, und versuchte sich vorzustellen, was sie zu sehen bekommen würde.
 

Der Sturm war grauenhaft gewesen. Der Crusador war wie von einer Riesenfaust gepackt und durch die Gegend geschleudert worden. Niemand an Bord hatte sich auf den Beinen halten können. Im Grunde war es ein Wunder, dass die Maschinen sich nicht aus den Verankerungen gerissen und alles an Bord zermalmt hatten. Aber er wollte sich nicht beschweren. Die anderen beiden Luftschiffe waren in der Luft regelrecht zerfetzt worden. Viel konnte von ihnen nicht mehr an einem Stück sein.

"Alles in Ordnung Allen?" Der Ritter öffnete die Augen. Flötes Gesicht war direkt über ihm. Über ihm? Er musste wohl das Bewusstsein verloren haben, denn er konnte sich nicht erinnern, wie er auf den Boden kam. "Das war schlimmer, als ich dachte. Tut mir leid. Du hast dir den Kopf angeschlagen, aber du warst nicht lange bewusstlos. Und auch nicht der einzige." Beantwortete Flöte seine unausgesprochene Frage.

Mühsam stand er auf. Die Brücke hatte die Achterbahnfahrt einigermaßen unbeschadet überstanden, und die Besatzung auch. Zumindest waren alle wach, auch wen sich einige verwundet hatten.

In diesem Moment hörte er Millernas Stimme. "Ich hoffe, das passiert nicht noch einmal. Diesmal hatten wir Glück, es wurde niemand schwer verletzt. Aber das nächste Mal..." Sie schüttelte vielsagend den Kopf.

"Es wird kein nächstes Mal geben." Bemerkte Flöte, die schon wieder am Fenster stand. "Das war der einzige Orkan, den wir zur Verfügung hatten." "Gott sei Dank!" murmelte Gades, der sich gerade am Steuer hochzog. "Noch so eine Rüttelpartie, und mir fallen die Zähne aus dem Mund. Vom Crusador ganz zu schweigen. Ich glaub, ich lass mich pensionieren. Ich werde langsam zu alt für so was."

Niemand war fit genug, mehr als ein Grinsen aufzubringen. Nur Flöte lachte, und ging auf ihn zu. "Du wirst Ritter Allen noch lange zur Verfügung stehen." Sie legte eine Hand auf Gades Stirn, und urplötzlich ging es ihm besser. Seine Figur straffte sich, und auf einmal strahlte er eine unglaubliche Vitalität aus. "Wie, wie hast du das gemacht?" fragte er verblüfft "Mir geht es auf einmal blendend." Aber Flöte winkte ab. "Dir geht es nicht besser, es fühlt sich bloß so an." Sie musterte ihn kritisch "Und anscheinend habe ich etwas übertrieben. Na egal. Siehst du den alten Tempel dort?" Gades kniff die Augen zusammen. Das Land unter ihnen war eine total verwüstete Einöde aus umgestürzten und entwurzelten Bäumen, Sträuchern und aufgewirbelter Erde.

"Meinst du die Ruine da?" "Ja. Lande dort. Wir werden dort jemanden treffen." "Dort unten hat niemand überlebt. Sieh dir doch die Oberfläche an." "Die Oberfläche, richtig." Ihr Grinsen war nur unverschämt zu nennen. "Aber jeder Tempel hat einen großen Keller. Glaub mir. Ich weiß, wovon ich spreche. Lande einfach." Gades zuckte resigniert mit den Schultern. "Wie du meinst. Alles was du willst."

"Ich komme mit!" "Thana! Nein, das geht nicht. Das ist eine Angelegenheit unter uns." Allen fragte sich, wen sie meinte, und auch Gades und Millerna verstanden nichts. Thana schien im Gegenteil zu ihnen aber ganz genau zu wissen, wovon Flöte sprach.

"Ich würde sagen, dass es eine Angelegenheit ist, die uns alle betrifft. Sie hat uns schließlich um ein Haar vom Himmel geholt. Außerdem..." Was immer Thana sagen wollte, sie vergaß es, als der Schmerz durch sie pulsierte. Stöhnend und ihren Kopf umklammernd sank Thana auf die Knie. Auch Flöte schrie auf, torkelte und fiel gegen Allen, der sie auffing. Doch so rasch wie er gekommen war, verschwand der Schmerz. Thana war immer noch auf ihren Knien, aber ihr Gesicht war nicht mehr schmerzverzerrt, sondern trug den Ausdruck maßlosen Schreckens und noch größerer Angst. Flöte löste sich aus Allens Armen, und das war das Zeichen für alle anderen, ihren Schreck zu überwinden. Millerna ging zu Thana und half ihr hoch. "Alles in Ordnung mit dir?" "Geht schon. Aber ich denke, nun werde ich doch mitkommen, oder?" Sie und Flöte starrten sich eine Weile gegenseitig an, und ein wilder Kampf schien zu toben. Schließlich nickte Flöte. "Ich kann es dir sowieso nicht ausreden."
 

Viele Stunden waren vergangen, seit sie die Augen geschlossen hatte. Ihre Fantasie hatte die tollsten Dinge aus diesen wenigen Strähnen Haar gemacht. Nun war es an der Zeit, ihre Vermutungen zu überprüfen.

Sie öffnete die Augen, was wegen ihrer Aufregung nur zehn Minuten dauerte. Was sie sah überraschte sie. Der Körper vor ihr war ganz anders, als sie gedacht hatte. Leider konnte sie ihn nicht ganz sehen. Aber dafür schien auch er sich bewegt zu haben, denn sie konnte nicht mehr feststellen, welche Haare sie gesehen hatte. Ihre Erinnerung stimmte nicht mehr mit dem Bild vor ihm überein. Aber das war egal, denn was sie sah, brachte ihre Nervenbahnen zum Vibrieren. Sie konnte sein Gesicht von schräg vorne sehen, und dieses Bild ließ etwas in ihr klingeln. Sie kannte dieses Gesicht, diese Augen, die jetzt blicklos waren, und die Art, wie ihm die Haare in das Gesicht fielen. Sie kannte diesen Jungen, und dieses ihn-kennen war mit vielfältigen Emotionen verbunden. Überraschung, Schreck, Verwirrung, Mitleid und vieles mehr. Sie brauchte lange, um allen diesen Gefühlen einen einigermaßen passenden Namen zu geben.

Aber zwei Gefühle stachen aus allen anderen heraus.

Das eine war unglaublich stark, brutal alles verzehrend und verbrennend, heiß wie eine Nova und gleichzeitig kälter als die unendlichen Weiten des Alls. Der Name des Gefühls war Hass, aber kein Wort, egal in welcher Sprache konnte benennen, was sie empfand. Kein Laut konnte die unglaubliche Intensität auch nur annähernd beschreiben, die sie empfand. Und ihre Angst vor diesem Gefühl.

Das andere Gefühl war genauso stark, brannte genauso heiß, und es war genauso verzehrend. Aber vor diesem Gefühl empfand sie keine Angst. Im Gegenteil. Auch hier konnte kein Wort beschreiben, was sie fühlte, und trotzdem störte sie das nichts. Es war ein Eintauchen in einen unendlichen Ozean, schimmernd blau. Es war unbeschreiblich und doch kristallklar wie das Wasser eines Bergsees. Sein Feuer verzehrte sie, aber gab ihr gleichzeitig mehr zurück, als es ihr nahm. Für dieses Gefühl gab es viele Wörter, in jeder Sprache. Jedes Wort beschrieb eine andere Art, eine andere Intensität: Zuneigung, Verlangen, Begehren. Anbeten, anhimmeln, verehren. Wärme, Abhängigkeit, Liebe. Keines der Worte kam der Realität nahe.

Mit diesem Gefühl kam auch der Schmerz. Lange überlegte sie, warum. Bilder huschten durch ihren Kopf, ohne Bedeutung. Nur eines verband sie. Sie sah sich in diesen Jungen hineinrennen. Sie und er auf einer gewaltigen Maschine, von Feuer umgeben. Sie sah ihn niedergekniet, mit einer Krone auf dem Kopf. Sah ihn beschützend vor sich stehen. Sah ihn von Schmerzen gepeinigt und von Blut überströmt. Sah ihn mit weißen Flügeln, wie er nach ihrer Hand griff. Dann jemanden, den dieser Junge- plötzlich fiel ihr sein Name ein, Van- den Van Bruder nannte. Und jemand mit langen, blonden Haaren. Er griff nach ihr, und seine Lippen berührten die ihren. Dieses Bild überlagert von diesem Van, einen unbeschreiblich traurigen, getroffenen Ausdruck in seinen Augen, der sie zum Weinen brachte.

"Vaaaaannnnn!" sie wollte schreien, aber ihre Lippen waren zu langsam für ihre Gedanken. Plötzlich hörte sie eine Stimme in ihrem Kopf, eine weibliche Stimme, von der sie wusste, dass sie mit Van zu tun hatte

"Hitomi! Glaube an deine Kraft! Du kannst euch retten!" Hitomi? War das ihr Name?

"Hitomi! Erinnere dich! Erinnere dich an das Volk von Atlantis, erinnere dich wer du bist und wer Van ist." Varié! Seine Mutter! "Ich bitte dich, erinnere dich und rette das Leben meines Kindes!"

Auf einmal war alles wieder da. Ihre ganze Erinnerung kehrte mir einem Schlag zurück, und ließ sie um ein Haar das Bewusstsein verlieren. Sie war Hitomi Kanzaki, das Mädchen vom Mond der Illusionen. Nach Gaia gebracht, um diese Welt vor dem Schicksal von Atlantis zu bewahren. Hitomi, die die schreckliche Zukunft sehen konnte. Hitomi, die bald tot sein würde. Genauso wie Van.

"Nein!" schrie sie. Sie hatte es endgültig satt, dass sie immer nur Unglück und Tod brachte. Wenn sie jetzt sterben sollte, war es ihr egal. Aber sie würde nicht zulassen, dass noch jemand wegen ihr sterben musste, vor allem nicht Van.

Der Anhänger um Vans Hals glühte auf, hüllte sie beide in ein irisierendes, weißes Leuchten. Unglaublicher Schmerz breitete sich auf Hitomis Rücken aus. Langsam, quälend langsam riss ihre Haut auf. Unter ihren Sachen wölbte sich etwas, und dann zerfetzten strahlend weiße, noch immer leuchtende Flügel ihre Kleidung.

Sie stürzte hinter Van her, in der Umkehrung der Szene, die sie gerade vor ihren Augen gehabt hatte. Als sie ihn erreichte, packte sie seine Hand, zog ihn zu sich, und hielt seinen Körper fest umschlungen. Ihre Flügel holten weit aus, und Kreise ziehend flog sie aufwärts. In dem Augenblick, in dem sie oben anlangte und aufsetzte, brach sie zusammen. Sie konnte noch feststellen, dass Li verschwunden war, dann wurde es schwarz vor ihren Augen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2004-02-17T11:17:44+00:00 17.02.2004 12:17
*löööööl* Noch eine! Ja,ja das hat voll den Suchtfaktor! ^.~
Von:  Mangani
2004-02-07T22:32:52+00:00 07.02.2004 23:32
WOOOOOOOOOOW!
das Kapitel war unglaublich, ich wollte dir schon früher schreiben aber ich konnte mich noch nicht anmelden. auf jeden fall finde ich deine Geschichte unglaublich, ich kann gar nicht mehr aufhören das zu lesen. Du kannst wirklich super schreiben, das kann ich nur sagen. ich hoffe doch du schreibst schnell weiter. Denn ich glaube ich bin Süchtig, und wenn ich nicht bald weiter lesen kann, merde ich wahnsinnig und einer aus meiner Familie muss leiden, Muahahahahahaha ^^
Also schreibe büüüüütttteee schnell weiter.
*auf Knie fall und betel und dabei flehn* büüüütttteeeee!!!
bye bye
Mangani ^^


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