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Sanfte Sehnsucht

von

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Geburtstag

Der Raum war hell, die Nacht kurz. Jodie öffnete die Augen. Wieder war ein Jahr vergangen. Schnell. Unaufhaltsam.

Jodie seufzte leise auf. Aus dem Augenwinkel sah sie auf die Uhr.

7:00

Warum musste sie unbedingt aufwachen? Wo waren die Zeiten hin, als sie erst zur Mittagszeit wach wurde? Selbst wenn Jodies Abende lang waren, sobald das Zimmer hell wurde, war es mit dem Schlaf. Im Winter ging es zeitlich gesehen noch.

Jodie tastete mit der Hand nach ihrer Brille und setzte diese auf. Dann nahm sie das Handy in die Hand und blickte mehrere Sekunden auf das Display. Sollte sie? Sollte sie nicht? Die Agentin schüttelte den Kopf. Wie konnte es soweit kommen? Jetzt lieferte sie sich schon Blickduelle mit ihrem Telefon. Eigentlich konnte ihr egal sein, ob jemand eine Nachricht hinterließ oder nicht? Jodie legte das Handy zurück auf den Nachttisch und kuschelte sich wieder in ihre Bettdecke. Erst gestern hatte sie das Bett frisch bezogen – heute kam es ihr aber so unwirklich vor. Seit Wochen war es ruhig gewesen. Die Organisation hielt die Füße still, was wiederum dazu führte, dass sie täglich vor ihrem Laptop saß und die internationale Suchfunktion verwandte um auch nur eine kleine Spur zu erhalten. Eigentlich stellte die Arbeit beim FBI keine Routinetätigkeit dar, doch seit Wochen machte sie nur das gleiche. Aufstehen, frühstücken, die gleichen Anfragen recherchieren und schlafen.

Jodie schloss die Augen und fiel in einen seichten Schlaf. Zwischendurch hörte sie den Klingelton ihres Handys, fühlte sich aber zu müde um darauf zu reagieren. Wenn es wichtig war, würde sich die Person nochmal melden. Zwei Stunden später wachte sie auf. Jodie fühlte sich gerädert. Nur mühsam hielt sie ihre Augen offen. Der kurze Schlaf hatte ihr eindeutig nicht gut getan. Schlaftrunken schleppte sich Jodie ins Badezimmer und stellte sich unter die Dusche. Das kalte Wasser welches ihren Körper zuerst benetzte, machte sie sofort wacher. Das warme Wasser direkt danach war ein Segen. Jodie konnte abschalten.

Ungern stieg sie aus der Dusche raus, trocknete sich ab und sah in ihr Spiegelbild. „Happy Birthday, Jodie“, murmelte sie zu sich selbst. So glücklich fühlte sie sich allerdings nicht. Früher konnte sie es nicht erwarten älter zu werden. Volljährig zu sein, war toll. Auch die Jahre danach waren kein Problem. Aber je weiter die „2“ voranschritt und zur „3“ wurde, desto lieber wollte sie wieder jünger werden. Bislang waren weder ihre Wünsche noch ihre Träume in Erfüllung gegangen.

An oberster Position stand die Organisation. Sie sollte fallen, allen voran Vermouth. Vielleicht wurde es doch noch im nächsten Lebensjahr wahr. Vielleicht aber auch nicht. Keiner konnte es vorhersehen. Und der Rest? Jodie träumte, wie jede andere Person von einem annähernd normalen Leben, von einer Familie…einem Mann, einer Liebe und einer gemeinsamen Zukunft. Noch immer stand sie alleine da. Und selbst wenn sich irgendwas anbahnte, am Ende war sie doch wieder alleine.

Jodie seufzte auf. „Nicht heute“, sprach sie während sie sich anzog und anschließend die Haare kämmte. Vielleicht sollte sie etwas Neues ausprobieren. Lang wachsen lassen oder färben. Jodie verzog das Gesicht. Option eins lag noch im Bereich des Möglichen. Option zwei hingegen konnte sie sich gar nicht vorstellen. Sie selbst mit braunen Haaren? Oder gar mit schwarzen Haaren? Hastig schüttelte sie den Kopf. Die Vorstellung war grauenhaft.

Langsam bemühte sich Jodie zurück ins Schlafzimmer und nahm das Handy vom Nachttisch. Sie ging ihre Kurzmitteilungen durch. Drei waren bereits eingegangen. Die erste kam von James in der Frühe. Die zweite war von einer Bekannten und Nummer drei stammte von Camel. Wenigstens zwei der drei wichtigsten Personen in ihrem Leben erinnerten sich an ihren Jubeltag. Sowohl James als auch Camel wollten sich mit ihr treffen. Ob es zur Mittagszeit oder am Abend war, durfte sie selbst entscheiden.

Jodie mochte große Feierlichkeiten. Bereits als Kind kam sie in diesen Genuss. Ihre Eltern ließen sich zu jedem Jahr etwas Besonderes einfallen. Nach dem Tod ihrer Eltern ließ sie mehrere Geburtstagsfeiern ausfallen, da sie sich Fröhlichkeit verbat. Erst als sie in James trauriges Gesicht blickte, ließ sie sich doch darauf ein. Und schon war es wieder eine Art Tradition geworden. Dennoch lag auch hier ein Schatten über den Festlichkeiten. Große Feiern – gerade wenn sie mit Kollegen waren – konnten eine tickende Zeitbombe darstellen. Das FBI hatte in der Vergangenheit bereits Erfahrungen damit gemacht. Unter gewissen Umständen wurden die Orte der Feierlichkeiten von den Feinden aufgesucht und in eine bomben Stimmung versetzt. Viele Agenten verloren ihr Leben oder waren auf ewig gezeichnet. Gerade jetzt in Japan durfte Jodie den Einsatz nicht gefährden. Die Organisation konnte immer zuschlagen. Trotzdem fühlte es sich nicht richtig an. Jodie wollte wenigstens mit ihren Kollegen essen gehen oder in ihrer eigenen Wohnung etwas Trinken. Natürlich hätte sie das auch gedurft. Es musste nur zufällig aussehen. Da ihr der Tag allerdings bisher keine Freude bereitet hatte, war ihr diese List nicht angemessen.

Jodie steckte ihr Handy weg. Sie würde sich überlegen, wie sie welchem Treffen zustimmte. Gewiss war aber, dass es heute anders werden sollte. Sie wollte keinen normalen Arbeitstag erleben. Etwas Besonderes musste her. Jodie ging in die Küche und setzte Kaffee auf. Während ihr Wasserkocher bereits am Arbeiten war, versank sie in Gedanken. So war es auch nicht verwunderlich, dass sie das Klingeln an der Haustür erst viel zu spät bemerkte. Aus dem Augenwinkel sah Jodie auf die Uhr in der Küche.

10:15

Vielleicht hatte ein alter Freund ihr irgendwas geschickt. Oder das FBI. In Amerika wusste niemand über ihren Aufenthaltsort Bescheid. Sollte es Geschenke geben, hätten diese erst einmal das Büro durchlaufen müssen. Dann wäre es nach Japan geschickt worden. Mittlerweile hatte sie aber auch mehrere Kontakte in Japan.

Es klingelte erneut.

Jodie schob ihre Gedanken bei Seite und ging zur Haustür. Sie blickte durch das Guckloch und öffnete anschließend die Haustür.

„Guten…“

Er schob sich direkt an ihr vorbei und verschloss die Tür.

Verwirrt blinzelte Jodie den Agenten an. „Alles in Ordnung?“, wollte sie wissen. Sofort war sie hellhörig. War die Organisation tätig?

Shuichi nahm das Basecap vom Kopf und strich sich durch die Haare. „Die Organisation ist ruhig“, sprach er. „Kein Hinweis auf Aktivität.“

„Das ist gut…naja nicht gut…aber wenigstens bringen sie gerade keine Menschen um.“

„Keine von denen wir wissen“, entgegnete der Agent.

Jodie nickte. „Du weißt, was ich meinte. Wir brauchen wieder einen Hinweis auf ihre aktiven Geschäfte.“

„Das wird nicht einfach sein. Kir kann uns nicht helfen, da sie immer noch beobachtet wird. Bourbon wird ebenfalls beschattet.“

Jodie sah ihn fragend an. „Wirklich?“

„Wirklich.“ Shuichi sah sich kurz um. „Bist du alleine?“

„Keiner da“, antwortete Jodie.

„Gut.“ Akai schlenderte in ihre Küche.

„Eh…Shu…?“ Verwirrt sah sie ihm nach, folgte ihm aber kurz darauf in die Küche. „Was wird das?“, wollte sie wissen.

„Frühstück.“ Shuichi stellte die Tüte, die Jodie erst jetzt in seiner Hand erblickte, auf den Tisch und packte die Sachen aus.

„Das…seh ich…“, murmelte sie.

„Du kannst mir ruhig helfen.“

Jodie kniff sich in den Arm. War das ein Traum? Konnte so etwas wirklich Realität sein? Oder stand Vermouth vor ihr? „Shu?“

„Hmm?“

„Bist du…also ich mein…es ist früh und du…“

„Ich komm von einer Beschattung“, sagte der Agent. „Camel hat mich abgelöst. Ruf ihn ruhig an. Oder stell mir Fragen, die nur ich beantworten kann.“

Jodie schluckte. War sie so leicht durchschaubar? „Tut mir leid, Shu, aber es ist für dich total untypisch, dass du…“

„Dass ich an deinem Geburtstag so früh vor der Tür stehe“, beendete er ihren Satz.

Jetzt konnte es nicht anders sein. Sie musste träumen.

„Jodie?“

Die Agentin schüttelte kurz den Kopf. „Tut mir leid, ich bin grad ein wenig – sagen wir es so, es ist noch früh.“

„Von mir aus.“ Shuichi goss das Wasser in die Kaffeetassen und nahm einen ersten Schluck. Das Getränk lief an seinem Hals herunter und fühlte sich wohltuend an.

„Hast du heute sonst noch was vor?“

„Nach dem Frühstück fahr ich zurück in die Villa und setze die Beschattung fort. Yukiko Kudo kommt heute Abend wieder zu Besuch.“

„Verstehe“, murmelte Jodie und setzte sich an den Tisch. Sie erinnerte sich noch sehr genau an die Frau. Für ihr Alter war sie jung und sehr fidel. Und sie schien mit Shuichi zu flirten – was ihr selbst nicht passte. Aber was hatte sie schon zu sagen? Sie war nur eine Kollegin, die Ex-Freundin.

„Willst du dein Geschenk auspacken?“

Fast hätte sich Jodie an ihrem Kaffee verschluckt. „Ge..geschenk?“

Shuichi sah sie unverblümt an und zog aus der Frühstückstüte noch eine kleine Packung heraus. Er stellte sie auf den Tisch. „Happy Birthday.“

Jodie war verblüfft. Sie nahm die Packung und öffnete vorsichtig das Geschenkpapier. Zu Vorschein kam eine quadratische Schatulle. Schmuck? Langsam öffnete Jodie die Packung. Sie lächelte. Es war doch ein schöner Tag geworden.



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