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Die wundersame Legende des ehrenwerten Paru Hyuuga

von

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Kapitel 4

Konoha-ga-Kure war ein ruhiges, verschlafenes Dörfchen in Hi-no-Kuni. Die Sonne strahlte freundlich von dem makellos blauen Himmel auf die Fünf herab. Die harmonische Atmosphäre wurde von dem Zwitschern der Vögel untermalt und machte sie beinahe idyllisch.

Kaum zu glauben, dass der Notstand ausgerufen war und das ganze Land kurz vor einem riesigen Krieg stand.

Staunend liefen Paru, Kurisu und Yoruri hinter Kakashi und Hinata her. Sie schienen sich zu beraten, während die drei fassungslos die Gebäude und deren Einwohner bestaunten. Schon bei der Ankunft durch den Timelapse waren sie verwundert, wie sich ihre Körperstruktur verändert hatte. Sie sahen tatsächlich ziemlich zweidimensional aus und trugen andere Kleidung.

Kakashi erklärte ihnen, dass dafür die Raum-Zeit Barriere verantwortlich war, die noch nicht hinreichend erforscht war, um zu sagen, warum und wieso sie jeden Menschen in eine zweidimensionale Zeichnung verwandelte.

Plötzlich kamen sie vor einem großen Gebäude zu stehen.

Kakashi wand sich an Kurisu und deutete mit einer einladenden Handbewegung auf den riesigen Eingang.

„Du willst Samurai werden, hast du gesagt.“

„Ähm, äh... ja!“

„Dann geh in dieses Gebäude. Danzo wartet bereits auf dich. Er wird dich als seinen Schüler akzeptieren.“

Kurisu schluckte laut und warf seinen beiden Freunden einen Blick zu. Ob das die richtige Entscheidung wäre?

Er zögerte noch eine Weile, dann bewahrte er seine Coolness, indem er einfach die Hand hob und verschwand. Nur Paru bemerkte, wie steifbeinig er die Treppen hochstrakste und er schämte sich für Kurisus Schwäche.

Die Wanderung wurde fortgesetzt. An einer Kreuzung der Hauptstraße blieben sie stehen. Hinata drehte sich zu Paru um und schenkte ihm eines ihrer schönsten Lächeln.

„Wir werden uns jetzt in den Wald begeben, damit ich dir die Basics zeigen kann. Yoruri wird mit Kakashi gehen. Ihr müsst für euch selbst entscheiden, wie lang ihr hier bleiben wollt. Kakashi hat den Timelapse so weit geöffnet, wie es ihm möglich war, das heißt, die Zeitversetzung ist beinahe unmöglich. Also lasst euch ein paar Tage Zeit, denn wenn ihr zurückkehrt ist es ungewiss, ob Kakashi es nochmal schafft, den Timelapse so groß zu machen.“

Er nickte zur Zustimmung.

„Also dann“, rief Yoruri fröhlich, „wir sehen uns, Paru-chan!“

 

 

~ Erfahrungsbericht Kurisus~

 

Gestatten? Kurisu Shiwas. Parus treuer und intelligentester Freund. Darum war ich so schlau, mich von der breiten Masse abzuheben, denn ich werde Samurai werden!

Nachdem Kakashi auf das beeindruckende Gebäude gedeutet hatte, musste ich schlucken. Von dem imposanten Holzbau ging eine elitär-militärische, ruhige Aura aus, die selbst ich spüren konnte.

Ach du Kacke, wo hatte ich mich da wieder reingeritten?

Es war eh zu spät zum Umkehren, also Kloß runter und rein da, immer cool bleiben. Trotzdem hatten meine Knie beim Besteigen der Treppenstufen nicht ganz Lust, mir zu gehorchen. Sie zitterten zwar nicht, waren aber seltsam steif.

'Na ja, so lange ich nicht auf das Gesicht fliege, ist es nicht ganz so peinlich', dachte ich.

Ich drehte mich noch mal um und wollte allen auf Wiedersehen sagen, aber es waren bereits alle verschwunden.

Aus irgendeinem Grund lief ein Tropfen an meiner Schläfe runter und blieb auf Augenhöhe liegen, ich wischte ihn weg und wendete mich den Toren zu. Über dem lackierten Holzbogen war ein Relief mit Samurai, Tigern, Drachen und anderen Tieren eingeschnitzt; noch beeindruckter, als ich eh schon war, klopfte ich gegen eins der hohen Tore.

Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete ein alter Mann in einer Samurairüstung.

„Komm hinein, wir haben dich erwartet.“

Mit einer Hand wies er mich an, seiner Einladung zu folgen und ich tat dies widerstandslos.

Ich betrat den Innenhof. Mehrere Samurai übten dort synchron Schläge und der Eindruck in einer Militärkaserne gelandet zu sein, verstärkte sich bei mir.

Das Tor schlug hinter mir mit einem dumpfen Laut zu und jegliche Möglichkeit zur Flucht war dahin.

Dann begann der alte Mann loszulaufen und schickte mich an, ihm zu folgen.

„Mein Name ist Mifune, ich bin der Meister dieses Dojos und werde dich einweisen, bevor deine Ausbildung beginnt. Wenn du mit mir redest, sprichst du mich als jemand Ehrfürchtiges an, mache bitte Gebrauch von dem Suffix -sama.

Ich antwortete mit einem Nicken, welches der Mann vermutlich nicht sehen konnte, weil ich hinter ihm herlief, doch wie in diesen ganzen Japano-Samurai-Filmen bekamen die Schüler immer einen auf den Deckel, weil sie falsch antworteten – so begann auf einmal auch mein Schädel zu schmerzen.

Ich rieb mir verwirrt den Kopf.

Itai…!“

„Außerdem will ich, dass du nicht nur mit einem Nicken antwortest, sondern mit einem klaren Ja.“

„Ähm… Ja.“

Wieder Schmerzen.

„Ja, was?“ hakte er nach.

„Ja Mifune-sama“, ächzte ich unter den eintretenden Kopfschmerzen.

„Gut, dann führe ich dich nun durch das Dojo und die umliegenden Räumlichkeiten.“

 

Der Rundgang ging ernsthaft drei Stunden, weil Mifune-sama es irgendwie wohl für wichtig hielt, mir während der Einweisung die komplette Geschichte der Samurai und speziell die des Dojos zu erzählen. Mich hätte zwar eher interessiert, wie der Mann es geschafft hatte, diese seltsamen Falten in seinem Gesicht zu kriegen, aber abgesehen davon, dass es wohl unhöflich wäre, hätte ich vermutlich nur ein paar mehr Schläge mit der Scheide seines Schwertes kassiert.

„Hier schläfst du. Morgen beginnt dein Training, dann bekommst du auch deine Ausrüstung. Ich muss nun wieder meiner Arbeit nachgehen.“

Mit diesen lieblosen Worten ließ er mich in einem Zimmer stehen, welches wohl die nächste Zeit meine Unterkunft werden würde.

Nachdem ich meine Sachen in einen kleinen Schrank untergebracht hatte, legte ich mich schlafen und dachte wie so oft seit meiner Ankunft in Konoha darüber nach, ob es wirklich eine gute Idee war, mich hier ausbilden zu lassen.

Allerdings war der Kampf am Teich des Hades (eigentlich Parus Teich, aber irgendwie sah das Teil aus wie eine Tor zur Unterwelt) so bescheuert gewesen, dass ich wieder darauf brannte, aus der Fischfresse Kisame Sushi zu machen.

Unwohl dachte ich über die Situation nach, die sich bei Paru ereignet hatte.

Der andere Typ neben dem Fisch war mir allerdings immer noch suspekt, er sah aus wie jemand, den man nicht unterschätzen sollte.

War das nicht der Bruder von Sasuke?

Wie hieß der Kerl denn nochmal?

Itachi.

Als das Karpfengesicht aus dem Teich sprang, um Paru zu attackieren, schoss der Kerl aus dem Gartenhaus raus und erschrak mich so sehr, dass ich ohnmächtig wurde. Vielleicht schlug er dich auch K.O., sagte mir mein Inneres, doch wusste ich nicht, ob es das sagte, weil mein Ehrgefühl gekränkt war - oder weil die Beule, die ich mir auch beim Fallen zugezogen hatte einfach zu sehr weh tat, um von Steinboden zu kommen.

Bevor ich einschlief, zückte ich noch mal meinen Notizblock.

Seit Paru mir die Macht der Hochzeitsplanung in die Hände gegeben hatte, trug ich das Büchlein immer mit mir herum, um eventuelle Einfälle nicht zu vergessen.

„Zusätzlich zum Buffet 30 Kilogramm Sushi bestellen.“

Mit diesen letzten feindseligen Gedanken an die Flundervisage schlief ich ein.

 

Am nächsten Morgen wurde ich von einem jungen Samurai geweckt.

Er führte mich zu einer Lagerkammer und gab mir meine Trainingsausrüstung.

Ein Gewand, eine Panzerweste, Sandalen aus Holz und ein Bokken, ein Holzschwert.

„Während du hier trainierst, wirst du deine Tracht immer am Leib tragen.“

Nickend nahm ich die Sachen entgegen und begab mich sofort auf mein Zimmer, um mich umzuziehen.

 

Was dann geschah, ließ sich in ein paar monotonen Aussagen beschreiben.

Die nächsten Monate war ich damit beschäftigt, die Grundtechniken des Kendo und des Ju-Jutsu zu erlernen.

Tag ein, Tag aus bestand mein Lebensinhalt aus trainieren, üben, lernen.

Ab und zu konnte ich zurück in meine Heimat, um Neshi und meine Familie zu besuchen, doch jedes Mal veränderte sich die Raum-Zeit Barriere und der Timelapse wurde nicht immer gleich groß geöffnet, was bedeutete, dass die Zeit in der Parallelwelt mal schneller, mal langsamer verging.

Trotz des Timelapse-Wirrwarrs verging in der realen Welt gerade mal zwei Tage, in der ich zum Samurai ausgebildet wurde.

 

Als ich den Rang eines Samurai erreichte, wurde mir in einer Zeremonie mein erstes richtiges Katana und ein Wakizashi überreicht und ich durfte mich entscheiden, welchen Weg ich nun beschreiten wollte.

Hm...irgendwie fühlte ich mich in diesem Moment wie in einem Videospiel:

Sie haben Rang 20 erreicht! Wählen sie nun ihre weiterführende Klasse aus!

Ich hatte die Wahl zwischen dem zweihändigen Schwertkampf, dem Kampf mit zwei einhändigen Schwertern oder pure Technik mit den Klingen, die mir soeben überreicht worden waren.

„Ähm… Ich nehme… das Zweihandschwert.“

Ich bereute meine Entscheidung im selben Moment, in dem ich sie getroffen hatte.

Durch mein Training hatte ich etwas mehr Kraft bekommen, aber ein Zweihandschwert? Selbst für mich klang das wie eine sehr bescheuerte Idee.

„So sei es!“, rief Mifune-sama feierlich.

Mist!

Ein gigantisches, imaginäres „Umkehren unmöglich“-Schild flog an meinem inneren Auge vorbei und so musste ich mich wohl meinem Schicksal beugen.

 

Am nächsten Tag stand Mifune-sama vor meiner Zimmertür.

Er schickte mich an, ihm zu folgen.

„Da du nun ein Samurai bist und den Kampf des Zweihandschwertes lernen wirst, bekommst du einen neuen Lehrer. Einen, der dir ganz alleine zusteht und sich um deine weitere Ausbildung kümmern wird. Allerdings“, fuhr er nun in einem seltsamen Ton, der irgendwo zwischen Belustigung und schmerzlichen Erinnerungen lag, fort, „muss ich dich warnen. Dieser Lehrer hat selbst für uns strenge Regeln aufgestellt und kaum ein Schüler hat seine Ausbildung je erfolgreich absolviert.“

Oh je, was hatte ich mir jetzt schon wieder eingebrockt?

Jedes Mal, wenn sich mein Gehirn für den Coolnessfaktor entschied, ritt ich mich in irgendwelche Probleme.

„Ich... ich werde mein Bestes geben, Mifune-sama.“

„Das will ich hoffen. Denn bei deinem neuen Mentor wirst du weitaus mehr lernen, als in deiner bisherigen Ausbildung. Wir sind da.“

Wir standen vor einem Raum im Westflügel der Anlage.

„Geh hinein, setzt dich und bewege dich nicht, bis er kommt“, gab mir Mifune-sama zum Auftrag.

Moment.

„Ich…äh…soll mich nicht bewegen?“, stammelte ich in meiner Verwirrung.

„Ja. Nicht mal einen Luftzug sollst du verursachen. Das ist der einzige Tipp, den ich dir geben kann. Sieh es als Eignungstest an“, antwortete Mifune-sama mit einem leicht bemitleidenden Unterton.

Dann schob er die Tür auf und ich begab mich in das Zimmer.

'Konzentration, Kurisu, Konzentration', dachte ich, während ich mit geschlossenen Augen in der Mitte des Raumes auf einer Matte kniete.

'Nicht bewegen.'

Als nach zwei Stunden stillem Sitzen und ewigem „Konzentration“-Denkens ein Dauerbeat von Nam Myoho Renge Kyo eingesetzt hatte, war ich mir nicht mehr ganz sicher, ob es so klug war, an Konzentration zu denken.

Konzentration…

Konzen…

Kon…

Eingeschlafen.
 

Als ich aufwachte, saß ein älterer Mann vor mir, er trug einen Anzug und sein Kopfhaar schien sich im Laufe der Jahre komplett verflüchtigt zu haben.

Er sagte: „Ausgezeichnet, du hast den Eignungstest bestanden.“

„T- T- T- Tagatsu-sensei?!“

Ich stotterte, ich wollte aufspringen, jeder Muskel in meinem Körper war zum Zerreißen angespannt.

Jetzt wusste ich, warum mir gesagt wurde, warum ich mich nicht bewegen durfte.

Wer hätte gedacht, dass Tagatsu-sensei ein Mentor an diesem Dojo war und dazu auch noch mein privater Mentor!

„Ich werde dein Mentor für die nächste Zeit werden, also lerne lieber, dich zu kontrollieren.“

„Ja…“

„Da wir in einem Kriegszustand sind, werden wir heute noch mit dem Training beginnen. Packe deine Sachen, wir reisen in zwei Stunden ab“, wies er mich an.

Kopflos rappelte ich mich auf und rannte in mein Zimmer.

Verdammt, wer rechnet denn mit sowas?

Mein Zimmer war ein einziges Chaos. Faulster Schwertkämpfer Konohas wäre ein passender Titel, dachte ich mir, während ich meine Habe zusammenkratzte.

Nach einer halben Stunde hatte ich den Raum aufgeräumt, gesäubert und meine Sachen gepackt. Dann fiel mir ein, dass ich vermutlich noch Proviant brauchen würde, also rannte mit Vollgas ich in Richtung Stadt, doch am Eingangstor stand mein neuer Mentor und machte eine so drohende Handbewegung, dass ich aus einem Höllentempo zum Stehen kam.

„Du wirst keinen Proviant brauchen!“, rief er mir zu, während ich mit einer Staubwolken aufwerfenden Bremse an ihm vorbei in das Tor schoss.

Es gab einen dumpfen Ton und eine weitere dicke Beule schoss aus der ohnehin schon beachtlichen Sammlung an meinem Kopf empor. Ich lag auf dem Rücken, vom Aufprall zurückgeworfen, und schaute mir den strahlend blauen Himmel an.

Tagatsu-sensei trat zu mir und schaute von oben auf mich drauf.

„Ruhe dich die restliche Zeit aus, um alles andere kümmere ich mich.“

Gesagt, getan, ich schlief einfach vor dem Tor ein. Nach einer den Umständen entsprechende unglaubwürdig angenehmen Stunde Schlaf, verließen mein neuer Mentor und ich das Dojo, um ein neues Training anzugehen.

 

Nach einigen Tagen Reise kamen wir an unser Ziel an.

„Wo zur Hölle sind wir hier?“

Kopfschmerzen. Der alte Mann war schneller als Mifune-sama.

„Fluche nicht! Wir sind hier in einem Gebirge zwischen dem Reich der Erde und der Luft“, wurde ich aufgeklärt.

„Hier wirst du die nächsten Tage leben, lernen und trainieren.“

Oh Mann. Ich glaubte, ewig Sühne für meine Entscheidung, Zweihandschwertkampf zu lernen, tragen zu müssen.

„Als erstes bauen wir unser Lager auf, dafür müssen wir zunächst einen geeigneten Platz suchen.“

Also marschierten wir los.

Nach einigen Minuten Dickicht kamen wir zu einem See, an dem wir unsere Zelte aufbauen. Dann trug mir Tagatsu-sensei auf, Essen zu besorgen.

Als ich gerade losrennen wollte, hielt er mich noch mal an.

„Das hier wirst du brauchen.“

Er warf mir mein Katana zu.

„Ich will, dass du jede Tätigkeit, die du hier durchführst und mit deinem Training zu tun hat, mit dem Schwert absolvierst.“

'Geil, Fische fangen mit dem Schwert, gute Idee, mach das mal', dachte ich ironisch und verdrehte innerlich die Augen. Um meine Kleidung nicht übermäßig nass zu machen, legte ich das Obergewand ab und krempelte die Hose hoch, bevor ich ins Wasser watete.

Im Wasser nahm ich das Schwert wie einen Speer in die Hand und wartete darauf, dass ein Fisch vorbeischwamm. Als ich einen sah, reagierte ich sofort und stieß zu.

 

Das ganze ging ein paar Stunden und dann hatte ich genug Fische gesammelt, um satt zu werden. Eigentlich mochte ich keinen Fisch und auch die Motivation, einen zu fangen, war bei mir normalerweise nicht gerade die Höchste, aber seit dem Angriff von der Fischfratze hatte ich so einen Hass auf Fisch, dass ich diese Spezies amtlich zum Feind erklärte. Fisch muss vernichtet werden.

Shine, Sakana-...“, murmelte ich besessen.

Tagatsu-sensei hatte bereits ein Lagerfeuer entfacht, als ich mit dem Fischhaufen wankend ankam.

„Sag mal, hast du im Dojo nichts zu essen bekommen?“, fragte er leicht erstaunt, als ich anfing, die Fische auf angespitzte Stöcke zu rammen.

„Doch, aber die Spezies Fisch und ich führen Krieg.“

Ein wenig irritiert legte Tagatsu-sensei die Stöcke ins Feuer, schien sich allerdings schon recht bald damit abgefunden zu haben, Fisch über zwei Wochen genießen zu dürfen. „Also“, fing Tagatsu-sensei nach einiger Zeit des Schweigens an, „dein Bauchnabel…der sieht irgendwie komisch aus.“

„Ja, das sagen irgendwie alle, die das Teil zu Gesicht bekommen haben. Paru meinte einmal, er sähe aus wie ein Drachenauge“, brachte ich unter dauerndem Gemampfe hervor. Danach versank mein Mentor in Schweigen.

Jeder rationale Mensch hätte bemerkt, dass er nachdachte, aber ich war so intensiv mit meiner Schlacht gegen Meereswesen beschäftigt, dass jegliche zwischenmenschliche Empathie komplett in den Schatten gestellt wurde.

Nach dem Abendessen lehrte mich Tagatsu-sensei eine erweiterte Form der Meditation: Ich saß in meiner traditionellen Sitzposition vor dem Feuer und sollte mich nun auf die Wärme des Feuers und sein Verhalten konzentrieren.

„Feuer ist das Element der Mutigen, das Element der Leidenschaftlichen und das Element der Lebendigen. Das Feuer hat seinen Ursprung in der Sonne und die Sonne ist der Ursprung allen Lebens. Feuer ist allerdings auch das Element der Zerstörung, der Rachsucht und der Wut. Nach einer Feuerbrunst ist nur Asche übrig.“

Blablabla, warum erzählte er mir so einen Quark?

Mein Lehrmeister hörte nicht auf mit seinem Vortrag über Feuer.

Er redete und redete und das einzige Ergebnis war, dass ich müde wurde.

Doch ich mich dazu verleiten ließ, einzuschlafen, würde mir Tagatsu-sensei vermutlich den Kopf abhacken. Der Kampf zwischen Kopf behalten und einschläferndem Feuer war ein sehr harter Kampf, der volle Konzentration benö…

 

Ich war eingeschlafen.

Schon wieder.

Mein erster Gedanke war: Hoffentlich hatte ich meinen Kopf noch, wenn ich erwachen sollte…In meinem Traum sah ich meinen Bauchnabel.

Er wabberte und drehte sich und irgendwann war mein Bauchnabel zu einem Drachenauge geworden. Es blinzelte und blickte mich an, dann wachte ich auf.

Alles sah aus wie vorher, es war nur ein wenig später geworden, ich konnte sehen, wie die Schatten, die die Sonne warf etwas länger waren als vorher, selbst der Vortrag über Feuer war noch nicht zu ende.

Ich ließ mir nicht anmerken, dass ich eingeschlafen war.

„Feuer ist auch eine praktische Hilfe beim Kochen... und ich empfehle dir, nicht noch einmal einzuschlafen, wenn ich dir etwas beibringe.“

Auweia, er hatte es bemerkt.

Ich schluckte.

Für Paru wäre das wieder ein Zeichen der Schwäche.

„Gut geschlafen?“, fragte mich mein Sensei mit dezent boshaftem Unterton.

„Ähm… ja, habe ich; ich habe geträumt, von einem….Drachenauge…“

Daraufhin versank Tagatsu-sensei wieder in Schweigen, diesmal fiel es mir sogar auf. „Was ist denn los?“

„Weißt du Kurisu-kun, ich glaube, dass in dir ein Drache lebt.“

Die Stille nach dieser Offenbarung war lang. Und seltsam.

Dann begann ich laut an zu lachen.

„Was? Ein DRACHE?! Was zur Hölle? War da was im Fisch? Ich kenn die Sorten Fisch aus dieser Dimension nicht so gut. Haben welche von denen Halluzinogene oder so was?“ Kopfschmerzen.

Starke Kopfschmerzen.

Die Geschwindigkeit, mit der Tagatsu-sensei zuschlagen konnte, war pervers.

„Sei ruhig. Das ist ernst gemeint. Dein Bauchnabel ist ein Zeichen dafür.“

Wenn ich jetzt nochmal lachte, dann würde mein Kopf fliegen, deshalb beherrschte ich mich so gut es ging.

„Ein Bauchnabel als Beweis dafür, dass in mir ein Drache lebt? Sie müssen zugeben, dass das ein wenig weit hergeholt klingt.“

„Es stimmt aber, ich muss Recht haben. Hast du bei Mifune-samas Einweisung nicht zugehört?“

Ich legte mich auf den Rücken und dachte nach, während ich in den orange-roten Himmel starrte. Was hatte der alte Mann noch mal gesagt?

Alle Stämme der Samurai haben ihre Ursprünge in den Drachenkriegern. Mächtige Samurai, die in ihrem Körper Drachen beherbergten, ähnlich den Bijuu, halt ohne Mehrfachschwanz und Drachen anstelle von Dämonen.

Das so ein Drache in mir leben sollte, grenzte an Wahnsinn.

Paru könnte so ein Teil schon eher haben, schließlich war er der Gewinnertyp.

Moment.

Irgendwas brodelte in mir und ballte sich langsam auf.

Eine eine kräftige Woge, ein Sturm der Macht; von meinem Bauch aus breitete sich dieses Gefühl aus und wollte mehr und mehr Platz.

Ist dies das Gefühl, wenn man es zu Etwas gebracht hat?

Dieses Gefühl von Stolz in der Brust, dass einen das Zeug zu einer Führungsperson gibt? Bin ich etwa...wichtig?

Ich war verwirrt und richtete mich auf. Das Gefühl hatte nun kosmische Ausmaße angenommen.

Ich öffnete meinen Mund...

und rülpste so laut, das die Vögel in der Umgebung aus ihren Nestern kippten und Tagatsu-sensei vom Fischgeruch einmal leicht mit dem linken Auge zuckte.

Höllische Kopfschmerzen.

„Kurisu, konzentriere dich auf das Drachenproblem!“ mahnte mich mein Lehrmeister, während ich, die neue Beule reibend, enttäuscht über mein Pseudogefühl der Macht den Kopf hängen ließ.

Genau.

Der Drache.

Fokus.

„Schlaf erst mal eine Nacht, es macht keinen Sinn sich jetzt den Kopf so darüber zu zermatern.“

Tagatsu-sensei hatte Recht. Ächzend stand ich auf, um dann in meinem Zelt in den Schlafsack zu kriechen und einzuschlafen.

 

Irgendwann wachte ich auf, doch ich befand mich nicht mehr in meinem Zelt.

Gut, es war dunkel, da konnte man sowas denken, was mich allerdings wirklich auf die Idee brachte war, dass ich schwebte, es ziemlich kalt war und ich keine Luft bekam. Scheiße.

Ich war wohl im Schlaf irgendwo hin gerollt.

‚Ist ja nicht das erste Mal', dachte ich und machte mich daran, einen Weg aus dieser Lage zu finden.

Da ich keine Luft bekam und es ziemlich kalt war, gab es zwei mögliche Orte, an denen ich mich befinden konnte: Unter Wasser, oder im Weltraum.

Ich suchte hektisch umherwirbelnd in meiner Umgebung nach Himmelskörpern und einem grellen Feuerball namens Sonne, konnte allerdings nichts finden, außer einem weißen Lichtfleck.

Ach Mist.

Ich war unter Wasser.

Im Nachhinein fand ich das auch logischer, da ich in der Nähe eines Sees eingeschlafen war. Ich machte Anstalten, nach oben zu schwimmen, bemerkte jedoch, dass ich wesentlich schwerer war als sonst. Vermutlich hat sich der Schlafsack mit Wasser voll gesogen.

Nach einigen Sekunden des Kampfes, in denen ich nicht wenig Todesangst ausgesetzt war, schaffte ich es, an die Oberfläche zu kommen. Prustend und nach Luft ringend paddelte ich ans Ufer, zog mich an Land und atmete erst einmal durch.

Dann kroch ich aus dem Schlafsack und wrang meine Klamotten aus.

Als ich gerade fertig war und diesen zum trocknen in ein sonniges Fleckchen gelegt hatte, hörte ich eine Stimme.

„Hey! Was machst du am anderen Ufer?!“

Es war mein Lehrmeister, Tagatsu-sensei. Er stand am anderen Ende des Sees und winkte mit der Hand. Nach meinen Todeskampf mit dem vollgesogenem Schlafsack hatte ich nicht darauf geachtet, in welche Richtung ich schwamm. Ich stand am falschen Ufer. Verdammt.

 

Eine Viertelstunde später war ich um den See herum gelaufen und konnte meinen Schlafsack endlich trocknen lassen. Ein sichtlich mies gelaunter Tagatsu-sensei kam mir auf halbem Weg entgegen.

„Sag mal, wie bescheuert bist du eigentlich? Am Ende kannst du während des gesamten Trainings mit einer Erkältung im Bett liegen!“

Na ja, ich war schon glücklich genug gewesen, nicht schon wieder reanimiert zu werden. Meine Klamotten mussten wohl oder übel auch trocken werden, und so durfte ich an diesem Tag in normaler Kleidung üben.

Nach dem allgemeinen Morgenprogramm, das aus Schwertübungen mit dem Dai-Katana bestand und einem Frühstück, gab mir Tagatsu-sensei den Auftrag einen Berg nördlich von hier hochzuklettern und einen Strauch der gelben Kräuter dort zu pflücken. Um zum Berg zu gelangen musste ich nur einem Trampelpfad folgen, welcher in der Nähe war. Enthusiastisch machte ich mich auf den Weg.

Den Pfad fand ich recht bald, es schien, als würden hier öfter Leute Trainieren, vielleicht auch Ninjas? Während ich dem Pfad folgte, beobachtete ich die Bäume, allerdings fand ich anstelle von Dolchen oder Einkerbungen von Klingen lediglich ziemlich viele zerkratzte Bäume. Mit zerkratzt meinte ich, dass einige von denen aussahen, als wäre ein Säbelzahntiger darüber hergefallen.

Mir wurde leicht flau im Magen.

„Nein Kurisu, du musst mutig sein!“, sagte ich zu mir selbst, allerdings fiel mir dabei auch auf, wie brüchig meine Stimme war.

Nach ein paar Stunden Fußmarsch, welcher zum Glück ereignislos war, stand ich am Fuße des Berges. Staunend betrachtete ich das Teil. Von der Größe her war er gar nicht mal so imposant, ungefähr so hoch wie der Schlackeberg bei mir zu Hause, allerdings war er ab der Hälfte von immer mehr Nebelwolken umgeben und das, obwohl heute sehr gutes Wetter war.

Nachdem ich mich ein paar Minuten über die Nebelschwaben gewundert hatte, machte ich Anstalten, den Berg zu erklimmen, aber Moment mal.

Ich hatte gar keine Kletterausrüstung!

Nachdenklich lief ich im Kreis umher.

Wenn ich jetzt umkehren müsste, dann würde mir mein Mentor eigenhändig den Kopf abhacken, allerdings wäre das ein wesentlich schnellerer Tod, als einen Berg runter zu fallen und dann mit zwei gebrochenen Beinen zu verhungern.

Beim Laufen stieß ich auf einmal gegen ein kleines Holzschild. Verwundert betrachtete ich das Teil. Jemand hatte mit schwarzer Tusche Die einzige Ausrüstung, die du brauchst, ist dein Schwert drauf geschrieben.

Mir lief ein Tropfen an der Schläfe lang.

Mein Lehrmeister war ein Sadist.

 

„PUH!“ Ich atmete schwer; es hat eine Ewigkeit gedauert diesen vermaledeiten Berg hoch zu kraxeln. Zu allem Übel merkte ich auch noch, wie es mir Stunde um Stunde schlechter ging.

Ich glaubte, mir wirklich was eingefangen zu haben.

Egal, erst mal war es wichtiger, den Auftrag zu erledigen.

Ich schaute mich um, überall waren heiße Quellen.

Das erklärte die Nebelschwaden - jetzt musste ich nur der Versuchung widerstehen, mich einfach in eine reinzusetzten und ein Bad zu nehmen.

Eto…“

Kräuter... Kräuter?

Dieser verdammte Nebel, ich konnte fast gar nichts sehen! Irgendwo musste doch eine Pflanze sein.

Ich suchte den gesamten Gipfel ab, konnte aber nirgendwo einen gelben Strauch entdecken.

Nach einer Stunde gab ich auf. Hier war alles kahl.

'Wenn ich schon mal hier bin, kann ich ja wirklich ein Bad nehmen…'

Gesagt, getan, ich zog mich aus und ließ mich vorsichtig in ein Becken gleiten.

„Aah…“

Himmlisch!

So könnte ich das gesamte Training verbringen!

Nach ein paar Minuten Gedöse kitzelte mich auf einmal etwas am Fuß.

Ich erschrak im ersten Moment, doch dann viel mir ein, dass sonst niemand hier war. Außer…Es war Fischfresse!

Wie ein Berserker trat ich nach dem Etwas, das mich kitzelte, doch selbst nach zehn Minuten Dauerstampfen hatte sich nichts verändert, kein Thunfischmann, der heraussprang, kein Schreien, Blubbern oder sonst irgendwas.

Ich überlegte kurz und griff nach dem kitzelnden Teil.

Es war etwas festes, drahtiges, das an Gras erinnerte.

Ich riss es raus.

Als ich meine Hand wieder aus dem Wasser zog, kam ein gelblicher Strauch zum Vorschein.

„Aha!“

Das war wohl das Zeug, von dem Tagatsu-sensei sprach. Zufrieden mit mir selbst entspannte ich mich noch ein wenig in der Quelle, bevor ich hinausging.

Dann fiel mir ein, ich hatte gar kein Handtuch!

Wieder im Kreis laufend dachte ich angestrengt nach.

„Wie war das… ‚alles was du brauchst, ist dein Schwert‘…“

Aber ja doch, das war es!

Ich nahm mein Katana und hielt es über meinen Kopf, dann fing ich an es im Kreis zu wirbeln, immer schneller und schneller. Durch den Luftzug, der entstand, wurde das Wasser an meinem Körper runter gedrückt. Als ich mich trocken gepustet hatte, grinste ich.

An sowas hatte mein Lehrmeister bestimmt nicht gedacht!

Dann merkte ich, wie etwas meine Nase kitzelte.

Ein paar Haare.

Schnell betastete ich meinen Kopf.

Alles noch da, wovon waren dann die Haare. Ich betrachtete sie genauer: Kurz, braun, also definitiv von mir, ein wenig wie Wimpern…hm… vielleicht hab ich auch einfach nur ein paar meiner Kopfhaare kürzer geschnitten…egal. Ich zog mich an und begann damit, den Berg wieder runter zu klettern.

 

Am Lager angekommen hielt ich Tagatsu-sensei triumphierend grinsend den Strauch entgegen. Er nahm ihn allerdings nicht ganz so freudig an, wie ich erwartet hatte.

Was war los?

Ich studierte sein Gesicht: Leicht zusammengezogene Augenbrauen, Stirnfalten, eine Frage auf den Lippen, die er auch sogleich stellte:

„Was…hast du mit deiner Augenbraue gemacht?“

„Hä? Wie?“, war meine Gegenfrage.

„Du…hast…dir fehlt da ein Stück Augenbraue…“

Ich betastete mein Gesicht.

Stimmt, da fehlte wirklich ein Stück meiner rechten Augenbraue.

Jetzt wusste ich, woher die Haare kamen, die mir auf die Nase fielen.

Scheiße.

Ich hatte es wohl mit dem Schwertwirbeln übertrieben.

„Ja…ich…bin beim Klettern abgerutscht und dann schliff ich wohl am Stein lang“, log ich. „Sieht für mich eher nach einer Klinge aus, scheint aber Maßarbeit zu sein, immerhin blutet nichts.“

Super, zumindest etwas, dass mich aufheiterte.

Quasi perfekt gefailt.

Mit Glanz und Bravour.

Ich schlurfte mit hängenden Kopf zum Lagerfeuer und ließ mich auf den Boden fallen. Dann nahm ich mir, was auch immer da am Stock aufgespießt war, und begann frustriert davon zu essen.

Plötzlich merkte ich, dass ich niesen musste.

Na toll, jetzt war ich wirklich krank.

Das elende Kitzeln in der Nase bahnte sich langsam seinen Weg durch die Nebenhöhlen in den Vorderbereich.

„Ha…ha…HATSCHU!!!“

Ein kleiner Feuerstoß schoss aus meiner Nase.

„Was zum Teufel?“

Trotz des seltsamen Phänomens, Kopfschmerzen.

„Ich sagte: Nicht fluchen!“, wies mich mein Mentor zurecht.
 

„Ha…HATSCHU!“

Ich war krank. Gestern hatte ich mir wohl eine Erkältung eingefangen. Tagatsu-sensei und ich saßen am Seeufer und dachten darüber nach, wie wir das Training fortsetzten konnten. Nach einigen Minuten des Sinnierens meinte mein Mentor:

„Lass uns das erweiterte Meditieren fortsetzten. Es hat keinen Sinn, dich durch den Wald zu hetzen.“

Oh ja.

Sitzen und nichts tun konnte ich schon immer am besten.

„Nimm deine Haltung ein“, wies mich mein Mentor an.

Ich setzte mich hin und schloss die Augen.

„Ich habe dich vorgestern bereits über Feuer aufgeklärt, nun sind die anderen Elemente dran: Luft, Wasser, Erde und Geist.“

„Der Geist ist ein Element?“, fragte ich erstaunt, worauf Tagatsu-sensei erwiderte:

„Ja und nein. Der Geist an sich ist kein Element, allerdings ist in allem Geist in Form von Chi, aber dazu später. Hör nun zu: Luft ist das aufgelösteste Element von allen. Es ist das Element der Freiheit und des Wilden. Wasser ist das konforme Element. Es kann sich allem anpassen, ist gleichzeitig aber auch das brüchigste, in Form von Eis. Erde ist das Element der Ruhe und Kraft, sowie der Sturheit und des Stolzes. Der Geist ist, wie schon gesagt, in allen vier Elemente zu gegen. Als Chi beziehungsweise als Chakra-Energie gibt er allen lebenden und teilweise noch toten Dingen Kraft. Bäume, als Paradebeispiel für das Element Erde, können nur so vor Chi strotzen. In dir ist auch Chi, in jedem Menschen um genau zu sein. Ninjas benutzen Chakra um ihre Fähigkeiten einzusetzen und Kräfte zu entfesseln. Samurai können dies auch, wir konzentrieren uns nur mehr auf den Schwertkampf. Die Grundlagen beherrschst du schon: Durch Konzentration kannst du deine Schwerthiebe verstärken. Nun sollst du lernen, dich mehr mit den Elementen und dem darin befindlichen Chi auseinander zu setzten. Ich werde dir eine Technik lehren, mit der du Chi in die Umwelt emittieren kannst.“

Nach kurzem Zögern hob ich die Hand.

„Was ist los?“, fragte mich mein Lehrer. „Eto…warum soll ich lernen Energie zu verschleudern, wenn ich sie eigentlich brauche?“

„Ganz einfach: Du hast zu viel davon. Erstens brauchst du als Samurai eh nicht so viel Chi, zweitens kannst du dein Chi gar nicht komplett einsetzten. Das ist etwas kompliziert. Chi und Chakra haben zwar dieselben Energieströme, sind allerdings zwei grundlegend andere Dinge. Chi wird produziert, Chakra muss aufgeladen werden. Sobald du dein Chi in die Umwelt emittierst, können andere Personen, also meistens Ninjas und damit deine Freunde, dein von der Umwelt in Chakra umgewandeltes Chi aufnehmen. Dies ist auch der dritte und letzte Grund, warum du diese Technik lernen solltest.“

Gut, schien durchaus sinnvoll, also ließ ich die Hand wieder sinken.

„Konzentriere dich nun auf die Umwelt. Die Erde zu deinen Füßen, der Wind, der die Wellen des Sees erzeugt, den See selbst, sowie die Kühle, die von ihm ausgeht und die Wärme der Sonne. Lasse nun deinen Geist in all diese Dinge fließen, mach dich frei und stell dir vor, du würdest der Natur ein Geschenk machen.“

War mein Lehrmeister jetzt zum Hippie mutiert?

Wie sollte ich mich denn auf vier Dinge gleichzeitig und dazu noch auf mich selber konzentrieren?

Angestrengt dachte ich nach, wie ich das bewerkstelligen sollte.

„Nicht nachdenken, einfach machen.“

Super Ratschlag. Danke, Herr Lehrer. Brachte mich weiter.

 

Nach einer halben Stunde des Sitzens und Geist-freilegens passierte immer noch nichts. Irgendwann gab mein Meister auf und wies mich an die Augen zu öffnen. Als ich tat, wie mir befohlen, erschrak ich zuerst und kippte hinten über.

Mein Mentor saß direkt vor mir und sah mich so eindringlich an, wie eine Schlange ihre Beute. Viel schlimmer war allerdings, dass er auf einmal buschige Zen-Meister Augenbrauen bekommen hatte.

„Was zum Geier...? Wo kommen die denn her?“

Schon wieder Kopfschmerzen.

Dieses Mal konnte ich wenigstens sehen, wie seine Arme kurz zuckten.

„Ach die“, sagte er beiläufig, während er seine Augenbrauen abnahm und auf den Boden legte.

Moment mal.

„Das sind hier heimische Raupenarten. Ich hab sie zufällig gefunden, während du schliefst.“

Scheiße.

Ich hatte noch nicht einmal bemerkt, dass ich eingeschlafen war.

„Vielleicht sollten wir die Sache anders angehen“, murmelte Tagatsu-sensei.

„Wie denn?“

„Hm…ich könnte es mal mit dieser Jugendsprache versuchen.“

Oh mein Gott. Was war passiert?

„Ich rede natürlich nur von Fachvokabular, nicht von minderwertiger Grammatik.“

Aaaahja.

Ich hatte schon Schlimmstes befürchtet.

„Geh wieder in Position, schließe deine Augen.“

Gesagt, Getan. Zurück in meiner Seiza-Position wunderte ich mich, was mein Lehrer jetzt sagen würde.

„Ordne mal…dein…mal…“, stammelte mein Lehrmeister.

Ich öffnete kurz die Augen und sah, dass er leicht mit dem Mund zuckte, anscheinend in völliger Anstrengung ein Wort raus zu bringen, welches nicht seiner normalen Ausdrucksweise entsprach.

„Ja? Mein was?“

„Dein…dein…warte kurz.“

Er stand auf ging ins Zelt und kam mit einer Kappe wieder.

Dann setzte er sich und die Mütze verkehrt herum auf seinen Kopf. Das Grinsen, welches sich in mir ausbreitete, wurde mit voller Macht bekämpft.

Mein Mentor mit Cap. Dieses Bild würde ich nie wieder löschen können.

Ich gab ein unterdrücktes undefinierbares Geräusch von mir, das sich hoffentlich nicht wie ein Lachen anhörte.

„Still, so kann ich mich besser in Jugendliche hineinversetzten.“

„Hm“, brachte ich nur unter Mühen hervor, da alles in mir kämpfte, nicht hysterisch loszulachen.

„Ordne mal deinen... Swag, di…gger.“

Jetzt ging es nicht mehr - schallend lachte ich für einige Sekunden, rollte mich hin und her und wäre fast wieder im See gelandet. Dann erfuhr ich die schlimmsten Kopfschmerzen meines Lebens.

„Ruhe! Ich versuche, dir etwas beizubringen.“

Ich kämpfte mit mir und schaffte es langsam, aber sicher, wieder ruhig zu werden.

„Ich soll also mein Mojo ordnen?“, fragte ich noch einmal.

„Korrekt.“

„Okay. Wenn es weiter nichts ist.“

Wieder sitzen, wieder Augen schließen.

Das Mojo ordnen.

So bescheuert es klang, aber das machte vieles einfacher. Nach ein paar Sekunden war ich im Einklang mit mir und hörte seltsame Stimmen.

Halt stopp.

Seltsame Stimmen waren definitiv nicht gut.

„Solltest du Stimmen hören, so sind dies die Elemente, die zu dir sprechen, nur noch ein kleiner Schritt, dann hast du den Bogen raus“, echote es in meinem Kopf.

Allerdings war es die Stimme meines Meisters, also kann diese Stimme schon mal nicht meinem Geiste entspringen. Auf einmal merkte ich, wie vertraut mir die Stimmen vorkamen.

Sie schienen mir wie gute Freunde, die man lange nicht mehr gesehen hat.

Als ich mein Mojo ein wenig auf diese Stimmen ordnete, merkte ich, wie sie lauter wurden. „Ja du hast es geschafft! Die Bindung ist da, du kannst dein Chi nun abgeben.“

Ich gab etwas Mojo in die Umwelt und öffnete meine Augen.

„Woah!“

Unglaublich.

Die komplette Botanik sah aus, als hätte sie Powerdünger bekommen: Bäume in der Umgebung waren auf einmal doppelt so groß, überall waren Ranken und gigantische Blüten, wie aus einem Fantasy-Film. Das Wasser des Sees war Klarer als Eis und die Luft war angenehm rein. Ein wunderschönes Naturbild ergab sich vor mir.

„Erstaunlich, es scheint, als hättest du wesentlich mehr Chi, als ich zuerst annahm“, meinte mein Lehrmeister mit einem Anflug von Freude in der Stimme.

Krass, endlich mal etwas, das ich konnte.

Stolz auf mich selbst grinste ich wie ein kleiner Junge, der Süßigkeiten bekam.

„Erde, Luft und Wasser kannst du ganz gut. Jetzt musst du nur noch lernen, dein Chi für das Feuer abzugeben.“

Voller Eifer schloss ich wieder die Augen und richtete mein Mojo enthusiastisch auf die Sonne.

„Achte nur darauf, dass du nicht zu vi…ARGH!“

Hm…wenn mein Mentor schrie, dann war Scheiße am hacken.

Erneut öffnete ich die Augen und sah, wie das gesamte Bild, welches sich mir bis gerade noch zeigte, in einer Flammenbrunst unterging.

„Oh... fuck.“

Die Bäume, Ranken und riesigen Blüten zerfielen in Sekundenbruchteilen zu Asche. Dampf stieg aus dem See, welcher Geräusche wie ein überdimensionierter Wasserkocher von sich gab. Die Fische schossen förmlich nach oben und flogen ein paar Meter hoch, bevor sie auf der heißen Wasseroberfläche aufprallten und dort weiter hüpften und die Luftfeuchtigkeit konnte sich anscheinend nicht entscheiden, ob sie jetzt trocken wie Knäckebrot oder Nass wie in der Sauna sein wollte.

CHIKUSHOU!“, schrie mein Lehrmeister wutentbrannt und knallte die Fäuste zusammen. Binnen einem Sekundenbruchteil war das ganze Spektakel vorbei. Nur die Asche und die toten Fische auf der Wasseroberfläche erinnerten an die Feuerbrunst. Mein Lehrmeister trat vor mir und setzte sich hin. Er atmete tief ein, bevor er anfing zu sprechen:

„Bei Feuer solltest du als Drachenwirt besonders aufpassen. Alles was du tust und mit Feuer zusammenhängt wird bei dir katalysiert und amplifiziert, und wir wissen nicht, wie stark. Sei doppelt und dreifach vorsichtig. Ich werde nicht immer da sein um den Mist wieder rückgängig zu machen.“

„Ja, Sensei…“

Mal wieder deprimiert starrte ich auf den Boden.

Ich hatte wieder Mist gebaut.

Ich hatte die schöne Botanik abgefackelt.

Ich hatte meinen Lehrmeister zum Fluchen gebracht.

Ich war ein Fehler als Samurai.

„Lass dich nicht hängen, du kannst es. Du brauchst nur ein wenig…Feinjustierung.“

Die aufmunternden Worte hallten nur leise in meinem Kopf wieder, da sich ein Großteil meiner Gedanken momentan um Seppuku drehten.

„So wie es aussieht, gibt es heute wieder Fisch zum Abendessen“, murmelte Tagatsu-sensei.

Nani? Sakana?“

Sofort sprang ich auf und fing an, den gekochten Fisch mit einem Netz einzufangen. Kopfschmerzen.

„Benutze dein Schwert.“

Gut zu wissen, dass mein Lehrmeister selbst in diesem Moment an mein Training dachte.

 



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